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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Kompetenzorientierte Bildungs- und Trainingsangebote für ärztliches Personal. Ein Kompetenzentwicklungsmodell der Waldbreitbacher Ärzteakademie: Konzept – Durchführung – Materialien

Artikel Kompetenzentwicklung

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  • author Eva Hasske - Waldbreitbacher Ärzteakademie, Marienhaus Holding GmbH, Waldbreitbach, Germany
  • author Michael Beil - Waldbreitbacher Ärzteakademie, Marienhaus Holding GmbH, Waldbreitbach, Germany
  • corresponding author Katrin Keller - Waldbreitbacher Ärzteakademie, Stabsstelle Unternehmens- und Organisationsentwicklung, Marienhaus Holding GmbH, Waldbreitbach, Germany

GMS J Med Educ 2017;34(4):Doc41

doi: 10.3205/zma001118, urn:nbn:de:0183-zma0011185

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2017-34/zma001118.shtml

Eingereicht: 22. März 2016
Überarbeitet: 4. Oktober 2016
Angenommen: 18. November 2016
Veröffentlicht: 16. Oktober 2017

© 2017 Hasske et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Zielsetzung: Ziel der Waldbreitbacher Ärzteakademie ist es, individuelle und organisationale Bedürfnisse zu verzahnen, um eine zeitnahe und standortübergreifende Entwicklung ärztlicher Handlungskompetenz an sich stetig aktualisierende Herausforderungen der Praxis zu fördern. Eine Reduktion organisationaler Lernbarrieren und eine sukzessive Integration kompetenzorientierter Bildungsveranstaltungen in die Strukturen der Personal- und Organisationsentwicklung stellen dabei integrale Prozesse dar. Das Baukastensystem zur weiterführenden Kompetenzentwicklung von Ärzten, dient dabei als Ergänzungs- und Empfehlungssystem zu bestehenden und durch Ärztekammer und Fachverbände definierte Curricula.

Methodik: Das Baukastensystem der Waldbreitbacher Ärzteakademie ist zweidimensional aufgebaut. Zusätzlich zur Achse der Lebenslauforientierung orientiert sich das Modell an der Frage, was ein Arzt in der jeweiligen Berufsposition braucht, mit wem er in Kontakt tritt und wo seine primären Handlungsherausforderungen liegen. Für eine bessere Integration in den Arbeitsalltag und bedarfsspezifische Ausrichtung der Inhalte bietet das Baukastensystem eine Kombination aus „1,2,3,-tägigen und 2,3,4-stündigen Trainingseinheiten“ themenabhängig an. Die Weitergabe von Erfahrungswissen unter Hinzuziehung praktischer Übungen ist dabei zentraler Bestandteil des didaktischen Modells.

Ergebnisse: Durch den kombinierten Einsatz summativer und formativer Evaluationsprozesse wurde die Bedeutung eines dialogorientierten Vorgehens in der Planung als auch im Veranstaltungsprozess hervorgehoben. In Feedbackgesprächen und quantitativen Evaluationsbögen merken Teilnehmende neben einer fächerübergreifenden, auch insbesondere die generationsübergreifende Wissensweitergabe, als zentrales Element zur Entwicklung einer persönlichen Wertehaltung an. Die Kombination fachlicher mit überfachlichen Themen, bspw. zu Teamprozessen oder Kommunikation, wird häufig mit Verweis, dass diese im Studium nicht ausreichend und zu praxisfern vermittelt wurden, in den Vordergrund gestellt. Längsschnittevaluationen verstetigter Lerneinheiten unterstützen dies, sodass die Stärkung informeller Lernprozesse durch Feedback und Erfahrungsaustausch, als wirksames und integrales Lerndesign im Baukastensystem verankert ist.

Schlussfolgerung: Das Baukastensystem der Waldbreitbacher Ärzteakademie – als Einrichtung der Marienhaus Kliniken GmbH – hat zum Ziel, Wissen, Können und Motivation der Ärzte individuell, bedarfs- und praxisorientiert zu entwickeln. Dabei wird der Förderung individueller Dispositionen, Haltungen und Werte ein ebenso hoher Entwicklungsanspruch wie fachlichen Themen unterstellt, um ein lösungsorientiertes und übergreifend authentisch ärztliches Handeln zu fördern/ entwickeln.

Schlüsselwörter: Kompetenz, Kompetenzentwicklung, Weiter- und Fortbildung, Lernen, Handlungsfähigkeit, Berufsfähigkeit


1. Einleitung – Problemstellung

Mit Blick auf den im Jahr 2015 verabschiedeten „Nationale[n] Kompetenzbasierte[n] Lernzielkatalog Medizin“ (NKLM) [http://www.nklm.de] und die um kompetenzbasierte Inhaltspunkte überarbeitete (Muster-)Weiterbildungsordnung (MWBO) der Bundesärztekammer [1], [2] folgen der Forderung nach größeren praktische[n] Anteile[n] und einer fächer- und wissensübergreifenden Lehre [3], praktische Handlungsableitungen. Oberstes Ziel ist die Förderung ärztlicher Berufsfähigkeit im Sinne einer interdisziplinären und übergreifend wirksamen Handlungsfähigkeit [4]. Mit Kompetenzen gehen Werte, Normen und Haltungen einher, die stets individuell sind [5]. Selbst- und Fremdreflexionsprozesse des individuellen Handelns liefern dabei einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung der normativen und emotionalen „Charaktereigenschaften“ von Kompetenzen. Und doch bleiben diese Kompetenzfelder – die der sogenannten „Soft Skills“ bei Ärzten häufig unentwickelt, da ihnen in der Praxis weniger Bedeutung zugestanden wird [6]. Eine mögliche Ursache dafür kann in dem unterschiedlichen Bedeutungsgehalt von Qualifikation und Kompetenz (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]) gesehen werden. Wohingegen ärztliches Fachwissen im Sinne beruflicher Qualifikationen durch Prüfungen gemessen und anschließend zertifiziert wird, wird einem Arzt die kompetente Handlungsfähigkeit erst dann zugestanden, wenn sein Handeln durch einen Dritten als wirksam bewertet wird [7]. Um in einem Bereich wie der Medizin, der von höchster Innovationsleistung, Komplexität und Interdisziplinarität geprägt ist, dasjenige ärztliche (Entwicklungs-)Potential bereitzustellen, bedarf es eines Lernkulturwandel, der die umfassende Entwicklung der Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit des Einzelnen fokussiert. Eine Reduktion auf kognitive Strukturveränderung ist zu vermeiden. Vielmehr sollte das Ziel sein, Lernorte zu „entformalisieren“, das Lernen in der Praxis und am Individuum zu fördern und Lerninhalte zielorientiert, vom Ergebnis („der“ Handlung) ausgehend, auszurichten. Kompetenzorientiertes Lernen in der Medizin wird insofern als Bereicherung verstanden, als dass es aufbauend auf Wissen und Können auch die individuellen Potentiale und Werthaltungen des Individuums zu entwickeln vermag. Vereinfacht zeigt die Miller-Pyramide (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]) die Bestandteile ärztlichen Handels im klinischen Bereich. In diesem Verständnis wird der qualifizierte Arzt erst mit Herausbildung eines umfangreichen Wertesystems zum kompetenten Arzt.

1.1. Die Waldbreitbacher Ärzteakademie

Mit dem Anspruch der Förderung individueller und organisationaler Lernprozesse, wurde die Waldbreitbacher Ärzteakademie (nachfolgend abgekürzt mit Wbb ÄA) im Januar 2015 gegründet. Eingebunden in die christlichen Leitprinzipien der Marienhaus Unternehmensgruppe stellt sie eine zentrale Dienstleistungseinrichtung der Marienhaus Kliniken GmbH dar. Profession und Bildungsauftrag der Akademie sind den Bildungswissenschaften zuzurechnen. Beraten und unterstützt wird die Wbb ÄA durch einen ärztlichen Beirat. Nach Bedarf werden Schlüsselpositionsinhaber aus der Pflege oder anderen Kooperationsbereichen eingeladen. Zur Wahrung der Trägerinteressen und zu Zwecken der Qualitätssicherung finden in jedem Quartal Gespräche zu Ergebnissen und Planungen mit den Geschäftsführern der Kliniken GmbH statt.

1.2. Veranstaltungsgestaltung – Koordination

Alle Veranstaltungen der Wbb ÄA sind curricular im sogenannten Baukastensystem verankert (weitere Erläuterung, s. Abschnitt 3). Damit ergeben sich für unterschiedliche Arztfunktionen auch unterschiedlich verbindliche Veranstaltungen. Verbindlich festgehalten wurden bspw. Kurse, die dem Kennenlernen und der Integration in den Träger dienen (z.B. „Zentrales Einführungsseminar“/ „Notaufnahme-Training“) oder Kurse zur Unterstützung, Bindung und Motivation von Famulanten oder Ärzten im Praktischen Jahr (z.B. „Famulanten Camp“, „Ethikseminar für PJ´ler“). Ziel ist jedoch nicht, einen allgemeinen Verbindlichkeitscharakter zu etablieren, weshalb Angebote durch leitende Ärzte als Empfehlungen kommuniziert werden. Der Anreiz zur motivierten Teilnahme wird vielmehr in der Dienstfreistellung gesehen. So soll die Kultur im Arbeitsprozess sukzessive um ein selbstverständliches und subjektorientiertes „Lebenslanges-Lernen“ ergänzt werden. Durch Bezuschussung durch die Kliniken GmbH, sowie gezielte finanzielle Förderung der Industrie, wird versucht, die Kurskosten für die in der Trägerschaft tätigen Ärzte gering zu halten. Die Teilnahmekosten für externe Interessierte weichen zum Teil ab. Im Normalfall werden Kosten durch das individuelle Weiterbildungsbudget eines jeden Arztes gedeckt. Die Teilnahme an mehrtägigen Veranstaltungen ist durch die Arbeitszeit abgedeckt. Intensivmodule („Learning-Nuggets“) werden häufig direkt im Anschluss an die Arbeitszeit besucht.


2. Projektbeschreibung – Ziele und Notwendigkeit übergreifender Kompetenzentwicklung

Die Entwicklung einer übergreifenden ärztlichen Handlungs- und Berufsfähigkeit baut auf einer breiten Basis auf, deren Bestandteile: Wissen, Können und Motivation, wie auch individuelle Haltungen und Werte, bis zu einem gewissen Grad bereits innerhalb der medizinischen Ausbildung entwickelt wurden (vgl. Abbildung 1 [Abb. 1]) [6].

Die Notwendigkeit einer weiterführenden Kompetenzentwicklung (im klinischen Bereich) kann auf drei Ebenen begründet werden:

  • Bildungswissenschaftlich,
  • Medizinisch und
  • Unternehmerisch.
2.1. Ziele aus bildungswissenschaftlicher Perspektive

Auch in der heutigen Zeit stehen wir vor der Herausforderung, die gedankliche Verkürzung des Lernens auf die Aneignung von Sach- und Fachwissen, von Fertigkeiten und Qualifikationen [4] zu durchbrechen. Konkret gesteht Erpenbeck [5], unter Zustimmung von Heyse/Schircks [8], der medizinischen Praxis nur einen begrenzten Handlungserfolg zu, insofern Lernprozesse weiterhin deklarativ ausgerichtet werden [8]. Womit eine inhaltliche Ausrichtung von Lernprozessen auf das Erlernen von Faktenwissen ohne direkten praktischen Bezug gemeint ist. Nutzbar, in Form von praktischer Handlungsanwendung, wird Wissen erst durch die richtige Organisation und Steuerung der deklarativen und prozeduralen Lernprozesse, wobei letzterer das sogenannte „Handlungswissen“ beschreibt [9]. Ziel neuer Bildungskonzepte, die Kompetenzen fördern und entwickeln wollen, muss daher sein, Lern- und Arbeitsprozesse zu kombinieren. Kompetenzentwicklung wird nur dann gefördert, wenn bei Herausforderungen und/oder Entscheidungssituationen situativ, mithilfe der expliziten und impliziten Wissensbestände, dem Können und der notwendigen intrinsischen Motivation gehandelt wird [4], [8]. Ziel eines fächerübergreifenden Kompetenzentwicklungsmodells muss daher sein, strukturelle Barrieren zu reduzieren bzw. situativ zu durchbrechen. Gleichsam gilt, es dem Individuum Raum für individuell selbstorganisierte Lernprozesse zu schaffen [10][. Abbildung 2 [Abb. 2] stellt die Zusammensetzung von Kompetenz grafisch dar.

2.2. Ziele aus medizinischer Sicht

Klassische Methoden der Aus- und Weiterbildung in der klinischen Medizin beschränken sich auf die Vermittlung von Fähigkeiten zur Bearbeitung spezifischer Probleme in der unmittelbaren Patientenversorgung. Dabei spielt der Erwerb von Wissen über physiologische und pathologische Prozesse, sowie von den damit verbundenen heuristischen Fertigkeiten, eine übergeordnete Rolle [11]. Es zeigt sich jedoch, dass wichtige Bereiche ärztlicher Tätigkeiten zusätzliche Kenntnisse und Fähigkeiten erfordern, um sich den stetig verändernden Anforderungen in der Gesundheitsversorgung anzupassen. Die steigenden Anforderungen an die Qualität und Sicherheit der Patientenversorgung können nur durch eine Erweiterung des Spektrums der ärztlichen Aus- und Weiterbildung, unter Einschluss von überfachlichen Themen, insbesondere kognitive und kommunikative Fähigkeiten, umgesetzt werden [12].

Seit mehreren Jahren werden in verschiedenen Ländern die Curricula für die ärztliche Aus- und Weiterbildung hinsichtlich der Vermittlung von Fähigkeiten in verschiedenen Kompetenzbereichen weiterentwickelt [3], [13]. Tabelle 2 [Tab. 2] zeigt am Beispiel der internistischen Weiterbildung die zu vermittelnden Kompetenzbereiche im qualitativen Vergleich der diesbezüglichen Curricula in Deutschland (Bundesärztekammer 2015), Großbritannien (Royal College of Physicians, London 2012) und den USA (Accreditation Council for Graduate Medical Education – ACGME 2015) entsprechend der Struktur des ACGME. Deutlich wird, dass Ärzten in Deutschland kaum Entwicklungsraum im Bereich „Audit und eigenständiges Lernen“ zugestanden wird. Einschränkungen liegen in der kommunikativen Kompetenzentwicklung vor. Hier beschränkt sich Deutschland auf einen Teilabschnitt, in dem hauptsächlich Gespräche mit Patienten und Angehörigen fokussiert werden – Teamprozesse und interdisziplinärer Austausch sind damit nicht im notwendigen Maß inbegriffen. Die Bundesärztekammer hat sich allerdings zum Ziel gesetzt, die Musterweiterbildungsordnung hinsichtlich einer breiteren Abbildung von Kompetenzbereichen weiterzuentwickeln [14].

2.3. Ziele aus unternehmerischer Sicht

Medizinische Einrichtungen – unabhängig ob Klinik, Praxis, in Trägerschaft, etc. – haben Folgendes gemeinsam: erst die Summe subjektiver Handlungen ermöglicht es, einem System Handlungsfähigkeit in Form von „Kompetenz“ zuzugestehen. Dabei ist das Ziel organisationaler Kompetenz identisch dem subjektbezogenen Kompetenzziel: die Erhöhung der reflektierten Handlungs- und Problemlösungsfähigkeit. Auf strategischer Ebene erfolgt daher ein Umdenken, indem sich die Bereiche der Weiter- und Fortbildung sukzessive für Konzepte der Organisationsentwicklung öffnen und Lernen damit aktiv in den Arbeitsprozess integrieren.

2.4. Fragestellung

Die Erfahrung der Praxis zeigt, dass junge Ärzte auf viele Herausforderungen der Praxis nicht ausreichend vorbereitet sind. Insbesondere die häufig wahrgenommene Angst bei Tätigkeiten, die (noch) nicht (routiniert) eingeübt oder gänzlich neu sind (bspw. eine Operation, ein Konfliktgespräch, der Umgang mit dem Tod, etc.), stellen die Ausgangsüberlegungen des Baukastensystems dar: Was braucht der klinisch tätige Arzt heute und morgen? Das Modell nimmt sich somit aktiv der Fragestellung an, was ein Arzt unter Berücksichtigung seiner Berufsbiografie/-position und den äußeren Einflüssen/Veränderungen benötigt, um situativ, zielorientiert und authentisch im Berufsalltag handeln zu können. Dabei versteht sich das Modell als Ergänzungs- und Empfehlungssystem zu bestehenden Fachweiterbildungskonzepten/ Weiterbildungsordnungen.

2.5. Zielsetzung des Baukastensystems der Waldbreitbacher Ärzteakademie

Ziel des kompetenzorientierten Baukastensystems ist die ganzheitliche Förderung und Entwicklung einer individuellen Selbstorganisations- und Handlungsfähigkeit. Dem liegt der Anspruch zugrunde, einen Arzt auf seinem gesamten persönlichen Lern- und Bildungsweg, wie auch bei der Verzahnung der Innen- und Außenperspektive zu unterstützen. Kompetenz wird dabei verstanden als die Bündelung allderjenigen individuellen Ressourcen, die zur situativ selbstorganisierten Handlung beitragen [15], [5].


3. Projektbeschreibung – Das Baukastensystem der Waldbreitbacher Ärzteakademie

Zunehmend komplexer werdende Handlungs- und Entscheidungsprozesse, Krankheitsbilder, klinische Situationen, ein enger werdender Personalschlüssel, aber auch Unsicherheiten/Unklarheiten über das verfolgte Handlungsziel, erfordern die Entwicklung einer umfassenden Handlungskompetenz.

3.1. Struktur und Entstehung des Modells

Das Baukastensystem ist zweidimensional aufgebaut. Neben curricularen Distinktionsmerkmalen, die nach der Berufsposition fragen (Assistenzarzt bis Chefarzt) und stellvertretend für die angenommene Leistungsstufe (Anfänger bis Experte) stehen, erfolgt eine Abgrenzung nach Kompetenzbereichen. Klassisch wird (berufliche Handlungs-)Kompetenz auf übergeordneter Ebene als Quartett von Fach-, Methoden-, Sozial- und Individualkompetenz beschrieben. Wobei alle Kompetenzbereiche fortwährend, durch die dem Handlungsprozess angeschlossenen Reflexionsprozesse, entwickelt werden. Impulsgebend für die Entwicklung und Struktur des Modells, ist die Wahrnehmung unterschiedlicher Entwicklungsbedarfe des Einzelnen. Nicht zuletzt aufgrund der Länderhoheit hinsichtlich inhaltlicher Form und Struktur bestehender

ärztlicher Aus- und Weiterbildungscurricula, ist Ziel, Bedarfe jenseits fachlicher Qualifikationen individuell und zeitnah entwickeln zu können. Herausforderungen des Praxisalltags, wie bspw. das eigene Zeit-/Organisationsmanagement, die Kommunikation im Team, oder die Frage nach medizinrechtlichen Prämissen ethischen ärztlichen Handelns, sind hier zu nennen. Das Modell versucht daher ein Defizit zwischen Theorie und Praxis zu schließen, indem implizites Lernen im Arbeitsprozess, durch z.B. Erfahrungslernen oder Übungsszenarien im Feld mit anschließender (Gruppen-)Reflexion, gefördert wird. Der kollegiale Austausch, der generations- bzw. positionsübergreifend stattfindet, soll dabei die Entwicklung einer umfassenden Wertehaltung verbunden mit einer Stärkung der individuellen Handlungs-/Entscheidungssicherheit begünstigen. Eine weiterführende Kompetenzentwicklung, die sich inhaltlich an Fragen des Alltags manifestiert, stellt die handlungsorientierte Zieldimension des Modells dar.

Entgegen der „gängigen“ Kompetenzbereiche wurde Fachkompetenz mit dem Begriff „Berufsfähigkeit“ untermauert, um eine aktive Bereitschaft vorhandene Kompetenz zu stärken zu signalisieren. So liegt Kompetenz im Anfangsstadium vor, wenn bspw. ein junger Arzt schon wenige Male Blut abgenommen hat. Ob jedoch das nötige Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten/Entscheidungen vorliegt, ist dadurch nicht beantwortet.

Das Feld „Führungs- und Gesundheitskompetenz“ integriert zugleich personale Fähigkeiten, im Sinne einer achtsamen Wahrnehmung eigener physischer und psychischer Bedürfnisse. Führungskompetenz wird dabei nicht zwingend als hierarchisches Instrument verstanden, sondern bezieht sich auch auf Beziehungen unter Kollegen (auch interdisziplinär). Die Achtsamkeit sich selbst gegenüber, die sowohl Fähigkeiten des Selbst-, Zeit-, und Organisationsmanagements integriert, ist in diesem Kompetenzbereich mitinbegriffen. Damit einhergehend auch das Kennen und Erkennen von Grenzen und Gefahren. Insbesondere auf sozialer Ebene wird Lernprozessen ein hohes Potential zugeschrieben. So erfolgt im kollegialen Austausch – informell im Arbeitsalltag oder formell organisiert, bspw. durch Kaminabende, Foren, etc. – die Weitergabe von Erfahrungswissen (z.B. die Erfolge/Misserfolge bei der Behandlung von Patienten mit ähnlichen Krankheitsverläufen). Kommunikativer Austausch wirkt sich daher positiv auf die Berufs-/Dienstfähigkeit des Einzelnen aus, indem bestehende Denk- und Handlungsmuster selbstreflexiv überprüft, aufgebrochen und/oder verändert werden. Neben der Entwicklung kommunikativ-methodischer Fähigkeiten, um eine wertschätzende und personenzentrierte (d.h. nicht nur gegenüber Patienten, sondern auch gegenüber Teamkollegen) Kommunikationskultur zu etablieren, nimmt die intra- und interdisziplinäre Vernetzung einen wesentlichen Anteil ein. Grafisch sind die Kompetenzfelder und damit verbundenen Zielsetzungen des Baukastensystems in Abbildung 3 [Abb. 3] und Abbildung 4 [Abb. 4] dargestellt.

3.2. Zielgruppe und inhaltliche Ausrichtung

Wie einleitend erwähnt, orientiert sich das Baukastensystem am Bedarf des Einzelnen. Lerninhalte der Kompetenzbereiche sind nach Berufserfahrungsjahren gestaltet, allerdings soll keine analytische Trennung vorherrschen. Es kann davon ausgegangen werden, dass Ärzte mit längerer Berufserfahrung ein höheres Kompetenzniveau erreicht haben, als z.B. Ärzte im ersten Jahr der Facharztweiterbildung. So gibt es z.B. für jüngere Assistenzärzte gesonderte Veranstaltungen, die dem jeweiligen Wissensstand ihrer Teilnehmenden angepasst sind. Für Ärzte, die neu in die Strukturen der Marienhaus Kliniken GmbH einsteigen, existieren Programme, die dazu dienen, die Unternehmenskultur und -struktur kennenzulernen und die den Einstieg in ein neues System erleichtern. Letztlich bilden aktuelle Praxisbedarfe und/oder durch Organisationsentwicklungsprozesse bedingte Herausforderungen, die Grundlage der Lerninhalte. Identifiziert werden diese durch die Ärzte selbst und/oder die Verantwortlichen im Unternehmen. Eine wirksame Kommunikation und Kooperation zwischen den Personalverantwortlichen (z.B. ärztlichen Führungskräften, weiterbildungsbefugten Ärzten, Ärztlichen Direktoren, Personalabteilungen) und den übergreifenden Bildungseinrichtungen [z.B. Philosophisch-Theologische Hochschule in Vallendar (Mehrheitseigentümer: Marienhaus Unternehmensgruppe/ Privathochschule), Waldbreitbacher Ärzteakademie] wird damit zur Voraussetzung bedarfsorientierter Bildungsangebote. Weiter werden insbesondere folgende Faktoren berücksichtigt: Lernprozess (Zielsetzung), Lernzugang (Methodeneinsatz/Didaktik) und Lernregulierung (wann, wo, wie lange). Ob eine Lerneinheit verpflichtend für eine ausgewählte Zielgruppe angeboten wird, ist themenabhängig bzw. orientiert sich an Trägerinteressen sowie der gesellschaftspolitischen Lage.

3.3. Umsetzung des Modells

Mit Einführung des Modells in der Startphase der Waldbreitbacher Ärzteakademie Anfang 2015 wurde eine praktische Umsetzung des Baukastensystems angestrebt. Sodass im Resultat eine Kombination von „1,2,3,-tägigen und 2,3,4-stündigen Trainingseinheiten“ (themenabhängig) strukturgebend ist. Vor dem Hintergrund, dass diese primär innerhalb der Einrichtungen ausgerichtet werden, wird dadurch eine effiziente und motivationssteigernde Einbindung in den direkten Arbeitsalltag ermöglicht. Weiter fördert der didaktische Einsatz verschiedener Lernformen, das gewünschte Lernergebnis: theoretisch erworbenes Wissen selbstreflektiert, situativ und lösungsorientiert in der Praxis als ‚Können‘ [vgl. Abbildung 2 [Abb. 2]] einzusetzen. Neben einer Entgrenzung formeller Lernarrangements (organisiertes Lernen in Bildungseinrichtungen) wird Raum für non-formelles und informelles Lernen (beiläufiges Lernen, in- und außerhalb von Bildungseinrichtungen) geschaffen, bspw. durch Expertenrunden, Mentorenprogramme, gemeinsame „Business Lunch“-, oder „Coffee-Talk“-Runden. Die Weitergabe und der Austausch von Praxiserfahrungen werden als wesentlich empfunden, sodass auch Referenten (Praktiker des zu vermittelnden Themenbereichs, z.B. Fachärzte, Stabsstellen, …) angehalten sind, beratend, moderierend und kooperativ (bspw. Reflexionsrunden, Fallbesprechungen, etc.) vorzugehen. Feedback und eine offene Kommunikationskultur stellen integrale Bestandteile der didaktischen Ausrichtung dar und werden durch fest in den Veranstaltungsablauf eingeplante Zeitfenster sichergestellt. Nächste Überlegung des Baukastensystems ist daher auch, eine eigens für Referenten konzipierte Veranstaltung im Sinne eines „Didaktik-Methodik-Workshops“ anzubieten. Zur Steigerung der motivationalen Komponenten, wird zudem überlegt, die Referententätigkeit zu einem „Qualitätsmerkmal“ hervorzuheben und neben einem – mehr oder weniger offiziellen – Bewerbungsverfahren auch eine Trainingsreihe anzubieten, die über die aktuellen Feedbackgespräche mit Verantwortlichen der Ärzteakademie hinausgehen und zertifiziert werden. Den Aufbau der modularen Bausteine verdeutlicht Abbildung 5 [Abb. 5].

3.3.1. Wissensaufbau

Die Pluralität der Lernformen, als auch der Lerntypen (visueller, auditiver, kommunikativer, kinästhetischer Lerner) stellen strukturelle Herausforderungen an das gewählte Setting. Ein effizientes Lernen, dass allen Teilnehmenden gerecht wird, ist innerhalb eines klassischen Seminars mit einem homogenen Lernprozess nicht zu erwarten [4]. Für die methodisch-didaktische Ausrichtung der Module bedarf es eines Methodenpools, (Erfahrungsrunden, Quiz, Einsatz von Geräten/Medien, Storytelling, Gruppeneinheiten, Fallbesprechungen, …), der den Erwartungen aller vorhandenen Lerntypen gerecht wird. Damit einhergehend ist eine Veränderung der Aufgaben und Anforderungen, auf welche sich Referenten und Weiterbildungsbefugte vorbereiten (müssen). Ihre Professionalität ist durch situative Kompetenz gekennzeichnet, die einen für den Lernenden selbstgesteuerten Lernprozess zum Ziel hat. Der Lehrende/der Trainierende wird zum „Lernbegleiter“, er unterstützt situativ methodisch, bspw. durch Erwartungs-/Bedarfsabfragen, Bewegungssequenzen, Einsatz von Materialien, etc. und moderiert die Gruppe [10].

3.3.2. Qualifizierung

Der Festigung und Vertiefung theoretischen Wissens dienen z.B. Simulationen, Planspiele, Rollenspiele oder Übungen. Auf inhaltlicher Ebene liegt dem gewählten Medium dabei ein klarer Bezug zum Berufsalltag der Lernenden vor. Der mediale Weg der Wissensübertragung, mittels E-Learning/Blended-Learning o.ä. Angeboten, soll dabei vom Baukastensystem nicht ausgeschlossen werden. Zu betonen ist, dass Kompetenz in dieser Stufe noch nicht entwickelt wird. Erst mit der Bewältigung realer Handlungsherausforderungen der Praxis, in welchen der Handelnde intellektuell und emotional herausgefordert ist, entwickelt sich Kompetenz. Praxisnahe Szenarien ermöglichen damit nicht nur den Austausch unter Kollegen, sondern sensibilisieren ebenfalls für mögliche Lösungswege und Wahrnehmungen. Die individuellen Wissensbestände werden so durch die soziale Dimension des Lernens im Sinne von (erwünschten) Werten, Regeln, Verhaltensweisen, Emotionen und Motivation, erweitert [4]. Ein Vergleich zwischen den strategischen und inhaltlichen Zieldimensionen des Lernens, wie in Tabelle 1 [Tab. 1] dargestellt, verdeutlicht dies. Wohingegen Abbildung 6 [Abb. 6] auf strukturell lernförderliche Bedingungen aufmerksam macht.

3.3.3. Wissenstransfer in die Praxis

Der Wissenstransfer in die Praxis stellt unter Einbeziehung emotionaler Komponenten in den Entscheidungsprozess einen ersten Schritt der Kompetenzentwicklung dar [4]. Im Gegensatz zur Wissensanwendung innerhalb nachgestellter praxisnaher Szenarien, hat das individuelle Handeln im Tätigkeitsfeld des Arztes immer Konsequenzen für nachfolgende Handlungen. Begleitet wird dieser Prozess bei jüngeren Ärzten zum Teil durch Mentorenprogramme oder den ihm vorgesetzten Arzt. Es ist anzumerken, dass Ärzte in weiterbildender Funktion im Austausch mit der Wbb ÄA stehen und, mit dem Anspruch einer nachhaltigen Einübung des Gelernten vertraut sind.

3.3.4. Kompetenzaufbau

Ein Verhalten eines Mitmenschen wird dann als kompetent angesehen, wenn das gezeigte Verhalten von einem Dritten als „wirksam“ bewertet wird. Der Aufbau von Kompetenz umfasst im Wesentlichen die Internalisation von Werten. Durch Prozesse der Selbst- und Fremdreflexion werden Werte, Normen und Regeln des individuellen und sozialen Handelns im Kontext der Situation analysiert und bewertet. Kollegiales Coaching, Beurteilungs- und Feedbackgespräche, Kaminabende mit Geschäftsführern, Stabsstellenleitern, Projekte zur Zukunftsgestaltung/Projektarbeit oder Qualitätszirkel in Form von Fachgruppentreffen, sind damit für eine erfolgreiche Entwicklung unabdingbar. Nachfolgenden Handlungen wird das Reflexionsergebnis als Handlungsgrundlage unterstellt und das situative Handeln durch die im Rahmen der Reflexion identifizierten Handlungsoptionen ggf. variiert.


4. Ergebnisse – Zielerreichung und Mehrwert des Baukastensystems

Wirksame Bildungsprozesse werden durch die Erwartungen aller Beteiligten definiert. Zur Überprüfung, ob eine Trainingsmaßnahme auch ihr Ziel – zur Entwicklung einer übergreifenden ärztlichen Handlungskompetenz beigetragen zu haben – erreicht hat, orientiert sich das Baukastensystem unter anderem an den vier Ebenen des Evaluationsmodells nach Kirkpatrick (2016) [16]:

1.
Resultate: Welche Ziele und Erwartungen hat der Träger/ die Einrichtung/ haben die Teilnehmenden?
2.
Verhalten: Wie sehen erfolgskritische Verhaltensweisen aus?
3.
Lernen: Was und wie müssen Inhalten gelehrt werden, damit sich Teilnehmende so verhalten?
4.
Zufriedenheit: Was braucht es an Rahmenbedingungen, damit alle Beteiligten zufrieden sind?

Anders formuliert wird eine Veranstaltung nach den Anforderungen des didaktischen Dreiecks begründet: Lehrende – Lernende – Lerninhalt, unter Orientierung an übergreifenden (Träger-/Unternehmens-)Zielen. Zusätzlich zu diesen grundlegenden Fragen der Gestaltung kompetenzförderlicher Bildungsprozesse, hat sich eine methodische Triangulation im Evaluationsprozess bewährt. Dabei wird vermehrt auf ein qualitatives Bildungscontrolling gesetzt, was ein dialogorientiertes Vorgehen innerhalb der Qualitätssicherung meint. Es ist teilnehmenden- aber auch referentenorientiert, wodurch kein Gefühl der „Kontrolle“ aufgebaut wird. Zudem stützt es die Bedarfsorientierung bei der Ausgestaltung neuer Angebote. Abhängig von Art und Dauer der Veranstaltung, kann das Evaluationsdesign formativ oder/und summativ aufgebaut sein [17].

Eine formative Evaluation hat zum Ziel, den Bildungsprozess weiterführend zu begleiten [17], insbesondere die Ebene des Lerntransfers kann so bspw. aktiv durch Mentorenprogramme oder durch Selbsteinschätzungsinstrumente (z.B. Lerntagebücher, Portfolios, Lernreflektoren,…) sichergestellt werden (siehe Abbildung 7 [Abb. 7]). „Kittelkarten“, als „gelebte Checklisten“ für das Verhalten im Arbeitsalltag, z.B. „Der muslimische Patient – was sollte ich wissen/beachten?“ oder „Culture2Go – Führungskultur auf einen Blick“, wurden von Teilnehmenden als auch von Referenten im Rahmen mündlicher Evaluation („Learning Nugget“ mit 6 Teilnehmenden und Workshop mit 16 Teilnehmenden), als sinnvoll und mit dringender Umsetzungsempfehlung bewertet. Gleichwohl dient auch der curriculare Aufbau des Baukastensystems der begleitenden Lernzielsicherung, bspw. durch sich im Leistungsniveau steigernde „Learning-Nugget-Ketten“ (z.B. „Gesprächsführung“ bis hin zu „Konfliktgesprächen“). Als Werkzeuge zur selbstorganisierten Weiterentwicklung individueller Potentiale wurden damit insbesondere kommunikative Prozesse (vgl. dazu auch Mustercurriculum Kommunikation in der Medizin, Universität Heidelberg: http://www.medizinische-fakultaet-hd.uni-heidelberg.de/Medi-KIT.108137.0.html, letzter Zugriff 22.7.2016) als wirksam bewertet (vgl. Tabelle 3 [Tab. 3]). So heißt es in einem Erfahrungsbericht zum Zentralen Einführungsseminar (ZES) „Vom regen Austausch mit den Dozenten und auch untereinander werden wir zurück im Klinikalltag profitieren.“ Oder „Selbst die anfangs sehr trocken erscheinenden Themen wie Medizin- und Arbeitsrecht waren dank sympathischer Referenten […] sehr interaktiv und interessant.“ Ferner hat sich ein Einstieg über Erwartungs- und Erfahrungsabfragen bewährt („Auch auf unsere speziellen Themenwünsche wurde jederzeit eingegangen.“, Auszug Erfahrungsbericht ZES) Austauschforen zwischen Mentor und Mentee oder in Form von Qualitätszirkeln sind anzumerken („Und abends konnten wir uns mit einigen erfahrenen Chefärzten […] unterhalten und Fragen stellen“, Auszug Erfahrungsbericht Famulanten- und PJ´ler Camp, 2015).

Summative Evaluationen haben das Ziel einer abschließenden Bewertung [17][ und dienen der Ergänzung formativer Evaluationen. So wird jede Veranstaltung durch Evaluationsbögen, die von den Teilnehmenden anonym ausgefüllt werden, bewertet. Der Fokus liegt dabei, neben der persönlichen Lernerfolgseinschätzung, auf einer Rückmeldung zu den von den Referenten eingesetzten Methoden und Techniken. Darauf folgt ein internes Benchmarking. Werden exemplarisch die Ergebnisse des „Zentralen Einführungsseminars“ betrachtet, kann so eine Entwicklung in den Bereichen „Organisation/Rahmenbedingungen“, „Inhalt“, „Praktischer Nutzen“ und „Seminarort“ nachhaltig gesteuert werden (siehe Abbildung 8 [Abb. 8]). So konnte bspw. aufgrund der Rückmeldung, dass teilweise ein stärkerer Praxisbezug erfolgen sollte, das didaktische Konzept mit den jeweiligen Referenten überdacht und durch die Unterfütterung mit Praxis- und Fallbeispielen angepasst werden, bspw. bei dem Themenblock „Medizinrecht“ (Mündliche Evaluation, ZES 22.-24.9.2015, 13 Teilnehmende (vgl. Abbildung 8 [Abb. 8]). Klausurtagungen/Teamworkshops zu überfachlichen Themen, wie „Führung und Team“, „Teambuilding“ oder „Kulturworkshops für Führungskräfte“, die sowohl mit ‚vollständigen‘ interdisziplinaren Teams oder mit Funktionsgruppen dieser durchgeführt werden, verweisen auf die Notwendigkeit „weiche“ Themen im Arbeitsalltag nicht zu vergessen. Längsschnittevaluationen mit denselben Teams verwiesen im Dialog auf ein gesteigertes Wir-Gefühl, ein angenehmes Arbeitsklima und der Etablierung einer positiven Streit- und Feedbackkultur (vgl. exemplarisch Formative Evaluation Abbildung 7 [Abb. 7]).


5. Diskussion – Stärken und Schwächen

Auf Grundlage jüngster Entwicklungen innerhalb der medizinisch staatlichen, aber auch nichtstaatlichen Ausbildung [vgl. www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/5100-16.pdf] und der zeitgleichen Überarbeitung von Weiterbildungscurricula um kompetenzorientierte Lernziele (vgl. MBWO), steht zur Frage, inwiefern auch für den weiterführenden Bereich ärztlicher Kompetenzentwicklung Qualitätsstandards operationalisiert werden können, sogar müssen. Dabei steht nicht die Quantität weiterführenden Lernens im Vordergrund, sondern dessen Qualität im Hinblick auf das gewünschte Lernziel (Wissen, spezifisches Verhalten, Steigerung von Patientenzahlen, …). Die Stärke des Baukastensystems liegt in seinem zweidimensionalen Aufbau. Entwicklungsbedarfe können somit individuell nach Berufsposition entwickelt werden. Zugleich verbirgt sich an dieser Stelle auch der Entwicklungsbedarf des Modells per se: Bisher werden Angebote nach vermutetem Leistungsstand der Berufsposition entwickelt. Wegweisend und in Entwicklung ist jedoch ein Kompetenzmodell, welches personenbezogen den tatsächlich vorhandenen Bedarf analysiert, indem vorliegende Kompetenzen operationalisiert, bewertet und transparent dargestellt werden. Eine weitere didaktische Stärke ist der Referent/ Weiterbildungsbefugter in seiner Rolle als „Lernbegleiter“ [10] und „Feedbackgeber“, der in praxisnahen Lernsituationen die generationsübergreifende Wissensweitergabe fördert und fordert. Insbesondere Feedbackmethoden ziehen sich wie ein roter Faden durch die Veranstaltungen, ganz im Sinne von, den „schützenden Kokon der Selbstsicherheit verlassen“ [18] und anhand von Feedback aktiv die eigenen Potentiale erfahren, aber auch die eigenen Lernfelder aufgezeigt bekommen. Zur Diskussion wird gestellt, inwiefern die Ressource Weiterbildungsbefugter/Referent selbst hinsichtlich der didaktisch-methodischen Fähigkeiten trainiert wird – im Baukastensystem erfolgt dies in regelmäßigen und/oder bedarfsorientierten Evaluations- und Coachinggesprächen mit der Akademieleitung (Bildungswissenschaftlerin). Bei neuen Veranstaltungen oder Referenten erfolgt immer eine Begleitung durch die Akademie. Weitere Angebote, speziell für Referenten, bspw. in Form von „Train-the-Trainer“-Veranstaltungen, sind in Planung. Zusätzlich ermöglicht die modulare Integration der Lerneinheiten eine zeitnahe und bedarfsorientierte Umsetzung notwendiger Inhalte. Speziell im Hinblick auf die Qualifizierung und Entwicklung von im Ausland ausgebildeten Ärzten oder karrierespezifischen Elementen wird dies als vorteilhaft bewertet. Entwicklungsbedarf wird in der summativen Evaluation gesehen. Perspektivisch ist daher eine stichprobenartige Zweitevaluation des Teilnehmerkreises nach ca. einem halben Jahr denkbar – bspw.: „Welche Inhalte/Anreize der Veranstaltung haben Sie aktiv im Arbeitsalltag erprobt, was hat sich als weniger geeignet in der Praxis herausgestellt?“ Das Baukastensystem der Waldbreitbacher Ärzteakademie ermöglicht resümierend ein zielgerichtetes und doch individuelles Lernen – sowohl des Einzelnen als auch der gesamten Einrichtung. Die Transparenz über Wissensbestände und ihre ‚Träger‘ wird gefordert und zugleich gefördert, was zu einer steigenden Innovations- und Wissensdynamik im Unternehmen beiträgt.


6. Schlussfolgerung

Betont werden sollte, dass Kompetenzentwicklung nicht als isolierter Prozess betrachtet werden darf. Durch den multidimensionalen Charakter von Kompetenz ist deren Aufbau z.B. nicht ohne Wissen (z.B. aus Leitlinien) möglich, wenngleich Wissen noch keine Kompetenz darstellt. Stärke des Baukastensystems ist seine zweidimensionale Struktur, die einerseits subjektorientiert und andererseits auf inhaltlicher Ebene ganzheitlich an Kompetenzbereichen ausgerichtet ist. Strategisch wird dadurch eine engere Verzahnung der einzelnen Berufspositionen erreicht und der Austausch gefördert, wodurch zugleich neue Lernfelder und Inhalte generiert werden. Operativ erfolgt ein bedarfsorientiertes Angebot kurzer bis mehrtägiger Lern-/Trainingseinheiten, die sich durch die Nutzung pluraler Lernorte zeitlich gut in den Klinikalltag einbetten lassen. Mit dem Ziel der weiterführenden Kompetenzentwicklung nimmt insbesondere die didaktische Perspektive, d.h. Einsatz und Nutzung unterschiedlicher Lernformen, -methoden, und -orten einen hohen Stellenwert ein, der durch die praxisnähe zum realen Berufsalltag die Motivation beim Einzelnen steigert. Letztlich dient der modulare Aufbau der einzelnen Kompetenzentwicklungsfelder (vom Einsteiger bis Experten) einer Veränderung der individuellen und kollektiven Lernarchitektur und damit der nachhaltigen Festigung individueller Handlungsfähigkeit.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

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