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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

FAMULATUR PLUS – Ein erfolgreicher Ansatz zur Verbesserung studentischer Fertigkeiten in der körperlichen Untersuchung?

Artikel Famulaturen

  • corresponding author Achim Jerg - Universitätsklinikum Ulm, Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Sektion Medizinische Psychologie, Ulm, Deutschland
  • author Wolfgang Öchsner - Universitätsklinikum Ulm, Zentrum für Chirurgie, Abteilung Kardioanästhesiologie, Ulm, Deutschland; Universität Ulm, Medizinische Fakultät, Studiendekanat, Ulm, Deutschland
  • author Harald Traue - Universitätsklinikum Ulm, Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Sektion Medizinische Psychologie, Ulm, Deutschland
  • author Lucia Jerg-Bretzke - Universitätsklinikum Ulm, Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Sektion Medizinische Psychologie, Ulm, Deutschland

GMS J Med Educ 2017;34(2):Doc20

doi: 10.3205/zma001097, urn:nbn:de:0183-zma0010974

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2017-34/zma001097.shtml

Eingereicht: 10. November 2016
Überarbeitet: 19. Februar 2017
Angenommen: 7. März 2017
Veröffentlicht: 15. Mai 2017

© 2017 Jerg et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Einleitung/Projektbeschreibung: Etliche Studien belegen die unzureichenden Kenntnisse Medizinstudierender in der körperlichen Untersuchung. Dies betrifft sowohl die Vollständigkeit wie auch die Technik der körperlichen Untersuchung. Vor diesem Hintergrund wurde die FAMULATUR PLUS entwickelt. Im Rahmen dieser praxisorientierten Lehrintervention soll die körperliche Untersuchung durch Untersuchungskurse und problemorientiertes Lernen vermittelt werden. Zur Gewährleistung der Praxisnähe sind alle Lehrveranstaltungen in eine 30tägige Famulatur in der Chirurgie oder Inneren Medizin integriert (FAMULATUR PLUS).

Fragestellung: Führt die Teilnahme an der FAMULATUR PLUS zu einer optimistischeren Selbsteinschätzung der Untersuchungsfertigkeiten und/oder verbesserten Durchführung der körperlichen Untersuchung?

Methodik: An der Studie nahmen insgesamt 49 Medizinstudierende teil. Einschlusskriterien waren die Immatrikulation im klinischen Studienabschnitt an der Universität Ulm sowie die Absolvierung des universitären Untersuchungskurses der Inneren Medizin. Die Studierenden entschieden sich nach individueller Präferenz für die Zuordnung zur Interventions- (Chirurgie/Innere Medizin; n=24) oder Kontrollgruppe (Innere Medizin; n=25). Die Selbsteinschätzung hinsichtlich der Fertigkeiten in der körperlichen Untersuchung wurde mittels eines Fragebogens für alle Studierenden evaluiert. Im Gegensatz dazu erfolgte die Erhebung der praktischen Untersuchungsfertigkeiten nur bei den Studierenden der Interventionsgruppe. Diese wurden aufgefordert, eine allgemein-orientierende körperliche Untersuchung am Simulationspatienten durchzuführen, welche aufgezeichnet und standardisiert ausgewertet wurde. Beide Erhebungen erfolgten prä- und postinterventionell.

Ergebnisse: Die Selbsteinschätzung der Studierenden von Interventions- (IG) und Kontrollgruppe (KG) verbessert sich signifikant im Prä-Post-Vergleich von den Durchschnittsnoten 3,83 (±0,72; IG) und 3,54 (±0,37; KG) auf 1,92 (±0,65; IG) und 3,23 (±0,73; KG). Die nur bei den Studierenden der Interventionsgruppe erhobene allgemein-orientierende körperliche Untersuchung wird nach der Lehrintervention vollständiger durchgeführt als zuvor.

Diskussion: Aus den erhobenen Daten lässt sich ein positiver Effekt der FAMULATUR PLUS auf die Selbsteinschätzung Medizinstudierender hinsichtlich ihrer Fertigkeiten in der körperlichen Untersuchung ableiten. Limitiert wird die Aussagekraft durch die geringe Stichprobengröße. Zudem bleibt offen, ob eine positivere Selbstevaluation mit einer

Schlüsselwörter: klinische Fertigkeiten, medizinische Lehre, körperliche Untersuchung, praktisches Training


1. Einleitung

Anamnese und körperliche Untersuchung sind Grundpfeiler ärztlicher Kunst. Unterstützung erfährt diese Behauptung durch die Tatsache, dass mehr als Dreiviertel aller Diagnosen allein durch Anamnese und körperliche Untersuchung gestellt werden können [31], [35]. Im Widerspruch zu ihrer Bedeutung steht die unzulängliche Ausbildung des ärztlichen Nachwuchses in der körperlichen Untersuchung. Dies betrifft sowohl Vollständigkeit als auch Technik der körperlichen Untersuchung. So zeigen Haring und Kollegen, dass Medizinstudierende nur rund 60 Prozent der von ihnen erwarteten Techniken einer allgemein-orientierenden körperlichen Untersuchung tatsächlich durchführen [17]. Ebenso verhält es sich bei Ärzten_Innen [37]. Erschreckend dabei ist, dass essentielle Untersuchungen oftmals nicht vorgenommen werden (z.B. Blutdruckmessung). Abgesehen davon mangelt es auch an der Beherrschung der Untersuchungstechniken. Gut dokumentiert ist dies für die Auskultation des Herzens. Beispielsweise wird eine Mitralstenose nur von 37 Prozent der untersuchten Ärzte_Innen erkannt [39]. Auch andere Arbeiten liefern ähnliche Ergebnisse [8], [12], [13], [26], [41]. Obschon die zitierten Publikationen aus dem Ausland stammen, ist bei deutschen Medizinstudierenden von ähnlichen Ergebnissen auszugehen [25]. Doch was sind die Gründe für die fehlenden Kenntnisse in der körperlichen Untersuchung? Sicherlich sind diese vielgestaltig. Dazu zählen organisatorische Gründe wie verkürzte Liegezeiten der Patienten oder Zeit- und Kostendruck in den Krankenhäusern [7], [14], [16], [27], [36]. Auch Technikgläubigkeit der Ärzte_Innen sowie fehlende Supervision Medizinstudierender bei der körperlichen Untersuchung begünstigen Fehlentwicklungen [4], [43].


2. Projektvorstellung

Um den geschilderten Entwicklungen bzgl. der körperlichen Untersuchung im Kleinen entgegenzutreten, wurde die FAMULATUR PLUS initiiert. Kern dieses Projekts ist die Ergänzung einer Famulatur um Lehrveranstaltungen (PLUS). So werden im Rahmen der FAMULATUR PLUS klinische Untersuchungskurse und problemorientiertes Lernen (POL) angeboten. Die Besonderheit des Konzepts besteht in der vollständigen Integration aller Lehrveranstaltungen in eine 30tägige Krankenhausfamulatur in der Chirurgie oder Inneren Medizin. Durch die enge Verzahnung von Unterricht und stationärer Patientenversorgung während der Famulatur soll der Wissenstransfer von Theorie in Praxis erleichtert werden. Hinsichtlich des Ablaufs ist jede Famulaturwoche strukturiert vorgeplant und widmet sich einem Körperabschnitt (z.B. Abdomen). Die Woche beginnt mit einem Untersuchungskurs unter ärztlicher Leitung. Ziel dieses Kurses ist die Vermittlung essentieller Untersuchungstechniken basierend auf dem Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin (NKLM). Die Dozenten_Innen demonstrieren zunächst die zu erlernende Untersuchungstechnik bevor die Studierenden diese praktisch umsetzen. Kritische Rückmeldungen und Verbesserungsvorschläge werden durch Dozent_In gegeben. Zur Festigung des in den Untersuchungskursen vermittelten Wissens sind die Studierenden zur eigenverantwortlichen Untersuchung von Patienten_Innen im Wochenverlauf angehalten. Die vorgenommenen Untersuchungen müssen zudem in Anamnese- und Untersuchungsbögen dokumentiert und von Stationsarzt_Ärztin gegengezeichnet werden. Dadurch werden Wissensdefizite offengelegt und können korrigiert werden. Den Abschluss einer jeden Famulaturwoche bildet das POL. Ausgehend von einem klinischen Fallbeispiel (z.B. Patient mit akuten Bauchschmerzen) werden mögliche Differentialdiagnosen von den Medizinstudierenden erarbeitet. Nachfolgend gilt es durch fiktive Anamneseerhebung und körperliche Untersuchung eine Verdachtsdiagnose zu formulieren. Durch das POL soll die Notwendigkeit einer gründlichen Anamneseerhebung und körperlichen Untersuchung im diagnostischen Prozess unterstrichen werden. Für eine detailliertere Beschreibung der FAMULATUR PLUS darf auf eine vorangegangene Publikation verwiesen werden [22].


3. Fragestellung

Im Mittelpunkt dieser Studie steht die Frage ob die FAMULATUR PLUS zu einer optimistischeren Selbsteinschätzung teilnehmender Studierender hinsichtlich ihrer Fertigkeiten in der körperlichen Untersuchung führt. Zudem soll die These überprüft werden, wonach die Teilnahme an der Lehrintervention in verbesserten Untersuchungsleistungen resultiert.


4. Methodik

4.1. Stichprobe

Im Studienzeitraum von August 2014 bis September 2015 wurden 49 Medizinstudierende über die Fachschaft Medizin der Universität Ulm und die projekteigene Internetpräsenz rekrutiert. Alle Studienteilnehmer_Innen waren im klinischen Studienabschnitt an der Universität Ulm immatrikuliert und hatten den Untersuchungskurs der Inneren Medizin erfolgreich absolviert. Die Zuteilung der Studierenden in Interventions- (n=24) und Kontrollgruppe (n=25) geschah nach Studierendenpräferenz. Die Probanden_Innen der Kontrollgruppe famulierten 30 Tage in einer internistischen Abteilung eines selbstgewählten deutschen Krankenhauses. Sie nahmen jedoch nicht an der Lehrintervention teil.

4.2. Datenerhebung
4.2.1. Fragebogen zur Selbsteinschätzung

Zur Evaluation der Selbsteinschätzung wurde ein Fragebogen basierend auf den Arbeiten von Haring et al. entwickelt [18]. Dieser wurde einem Pretest mit zehn Medizinstudierenden unterzogen und anschließend finalisiert. Der Fragebogen bestand aus drei Abschnitten mit insgesamt 58 Items die prä- und postinterventionell von den Studienteilnehmer_Innen beider Gruppen zu beantworten waren. Während sich der erste Teil des Fragebogens mit allgemeinen und demographischen Angaben beschäftigte, wurden die einzelnen Untersuchungstechniken (Inspektion, Palpation, Perkussion und Auskultation) im zweiten Abschnitt evaluiert. Die Abfrage der Untersuchungstechniken wurde organ- bzw. strukturbezogen in den Kategorien Allgemeines und Vitalparameter, Kopf und Hals, Thorax, Herz, Kreislauf und Pulse, Abdomen und Leiste, Extremitäten sowie Neurologie durchgeführt. Die Selbsteinschätzung erfolgte mittels einer sechsstufigen Likertskala gleich dem deutschen Schulnotensystem von sehr gut (Note 1) bis ungenügend (Note 6). Zur besseren Veranschaulichung siehe Abbildung 1 [Abb. 1].

Im letzten Abschnitt des Fragebogens wurden die Studierenden abschließend nach einer globalen Einschätzung ihrer Fertigkeiten in der körperlichen Untersuchung befragt. Auch hier wurde anhand des deutschen Schulnotensystems evaluiert. Die Studierenden der Interventions- und Kontrollgruppe sollten den Fragebogen einen Tag vor sowie nach Beendigung der Famulatur vervollständigen. In die Auswertung einbezogen werden konnten nur vollständig ausgefüllte Unterlagen, sodass zwar alle Fragebögen der Studierenden der Interventionsgruppe, jedoch nur dreizehn derjenigen der Kontrollgruppe berücksichtigt werden konnten.

4.2.2. Allgemein-orientierende körperliche Untersuchung

Im Gegensatz zum vorig beschriebenen Fragebogen wurden Daten zur allgemein-orientierenden körperlichen Untersuchung nur an den Studierenden der Interventionsgruppe erhoben. Diese wurden aufgefordert eine ganzkörperliche Untersuchung am Simulationspatienten vorzunehmen. Hierfür hatten die Probanden_Innen fünfzehn Minuten Zeit. Die Untersuchung wurde per Videokamera aufgezeichnet und von einer nicht in das Projekt involvierten Ärztin ausgewertet. Kriterien der Auswertung waren die Vollständigkeit der Untersuchung sowie die korrekte Durchführung der Untersuchungstechniken. Die anonymisierte Dokumentation des Tests erfolgte anhand eines Bewertungsbogens in den Kategorien „Untersuchung nicht durchgeführt“, „Untersuchung korrekt durchgeführt“ und „Untersuchung nicht korrekt durchgeführt“. Da letztgenannte Kategorie keine Verwendung fand, wurde diese bei der Testauswertung nicht berücksichtigt. Pro korrekt durchgeführter Untersuchung wurde ein Punkt vergeben und in Relation zur Maximalpunktzahl, bei korrekter Durchführung aller geforderten Untersuchungen, gesetzt (siehe 5.2). Der Erwartungshorizont basierte auf den Arbeiten von Haring und Kollegen [17], [18]. Die abgefragten Items entsprachen jenen welchen im zweiten Abschnitt des Fragebogens zur Selbsteinschätzung evaluiert wurden (siehe 4.2.1). Testdesign und -auswertung orientierten sich an der Literatur [5], [11], [44].

4.2.3. Statistische Methoden

Die statistische Auswertung der erhobenen Daten wurde mit den Datenverarbeitungs-programmen IBM SPSS Statistics Version 22 und Microsoft Office Excel 2007 durchgeführt. Das Signifikanzniveau wurde auf fünf Prozent (p≤0,05) bestimmt. Zum statistischen Vergleich der Selbsteinschätzung zwischen Interventions- und Kontrollgruppe wurden Mann-Whitney- und Wilcoxon-Test für unabhängige Stichproben verwendet.


5. Ergebnisse

5.1. Demographische Daten

In die Studie wurden 49 Medizinstudierende eingeschlossen und einer Interventions- (n=24) und Kontrollgruppe (n=25) zugeteilt. Zwischen den Studierenden der Interventions- und Kontrollgruppe bestand hinsichtlich Geschlechterverteilung, Altersstruktur und Studienerfahrung Homogenität. So waren die Teilnehmer_Innen überwiegend weiblich, zwischen 23 und 25 Jahren alt und im sechsten Fachsemester an der Universität Ulm immatrikuliert.

5.2. Fragebogen zur Selbsteinschätzung

Jeweils vor und nach der Famulatur bzw. Lehrintervention mussten die Studierenden von Kontroll- und Interventionsgruppe ihre Fertigkeiten in der körperlichen Untersuchung selbst evaluieren. Messinstrument war ein eigens entwickelter Fragebogen (siehe 4.2.1).

Die Auswertung des Fragebogens zeigt für die präinterventionell erhobenen Daten ähnliche Ergebnisse. Ein signifikanter Unterschied in der Selbsteinschätzung zwischen den Studierenden der Interventions- und Kontrollgruppe existiert präinterventionell nicht (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]).

Demgegenüber zeigt die postinterventionelle Analyse ein anderes Bild. So schätzen die Studierenden der Interventionsgruppe über alle Kategorien hinweg ihre Untersuchungsfertigkeiten optimistischer ein als vor Beginn der FAMULATUR PLUS. Beispielsweise verbessert sich die durchschnittliche Gesamtschulnote auf 1,92 (± 0,65). Auch die Teilnehmer_Innen der Kontrollgruppe evaluieren ihre Kenntnisse nach der Famulatur weitestgehend besser als zuvor. Die Unterschiede der Durchschnittsnoten sind im Prä-Post-Vergleich aber weniger ausgeprägt als bei den Probanden_Innen der Interventionsgruppe. Zudem wird die Untersuchung des Herzens nach der Famulatur pessimistischer bewertet als zuvor. Die Gesamtschulnote der Studierenden der Kontrollgruppe errechnet sich postinterventionell mit 3,23 (± 0,73). Abschließend bleibt jedoch anzumerken, dass nur die postinterventionellen Daten zur Untersuchung von Herz, Abdomen und Leiste, des Nervensystems sowie die Gesamtschulnote signifikant (p≤0,05) sind. Insofern kann lediglich in diesen Kategorien sicher behauptet werden, dass die Selbsteinschätzung der Studierenden der Interventionsgruppe besser ist als diejenige der Kontrollgruppe.

Eine detaillierte Gegenüberstellung der Werte im sowie deren Signifikanz ist Tabelle 1 [Tab. 1] zu entnehmen.

5.3. Allgemein-orientierende körperliche Untersuchung

Zur Überprüfung ihrer praktischen Fertigkeiten in der körperlichen Untersuchungen waren die Studierenden der Interventionsgruppe aufgefordert einen Simulationspatienten ganzkörperlich zu untersuchen. Die Untersuchungen wurden aufgezeichnet und durch eine unabhängige Ärztin standardisiert bewertet. Es wurden nur korrekt durchgeführte Untersuchungen in die Auswertung einbezogen (siehe 4.2.2).

Im Prä-Post-Vergleich zeigt sich, dass die körperliche Untersuchung nach der Lehrintervention vollständiger ist als zuvor. Besonders ausgeprägt ist die Diskrepanz zwischen vor und nach der FAMULATUR PLUS erhobenen Daten bei der Untersuchung von Kopf und Hals (+59%), Herz (+49%), Thorax (+45%) und Abdomen (+43%). Wird bspw. bei der Kopf-Hals-Untersuchung präinterventionell nur eine der sechs geforderten Untersuchungen vorgenommen, sind es nach durchlaufener Lehrintervention bereits fünf. Diskreter fällt die Steigerung der Anzahl durchgeführter Untersuchungen bei Kreislauf und Neurologie (je +32%) sowie Vitalparameter (+24%) und Extremitäten (+23%, nicht signifikant) aus (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]).


6. Diskussion

Erklärtes Ziel der FAMULATUR PLUS ist es, den eingangs beschriebenen Defiziten Medizinstudierender in der körperlichen Untersuchung, zu begegnen. Ob die entwickelte Lehrintervention ein probates Mittel zur Verbesserung von Selbsteinschätzung und praktischen Fertigkeiten der körperlichen Untersuchung ist, soll mit dieser Pilotstudie überprüft werden.

Die Auswertung des Fragebogens zur Selbsteinschätzung bestätigt die Erwartung wonach sich die Eigenevaluation der Studierenden der Interventionsgruppe im Prä-Post-Vergleich verbessert. Dass diese verbesserte Selbstbewertung auf die Lehrintervention zurückzuführen ist, unterstreicht der Vergleich mit den Probanden_Innen der Kontrollgruppe wo vergleichbare Effekte nicht beobachtet werden. Abgesehen davon erscheint es plausibel wenn praktisches Training - wie bei der FAMULATUR PLUS angeboten - in einer besseren Selbstevaluation resultiert. Diese generelle Annahme findet sich in der Literatur bestätigt [29], [30]. Ferner existieren eine Reihe weiterer Arbeiten welche die positiven Effekte praktischer Trainingsprogramme hinsichtlich der Selbstbewertung betonen [1], [14], [15], [19], [28], [38], [42]. Des Weiteren müssen die FAMULATUR PLUS-Teilnehmer_Innen regelmäßig Patienten_Innen körperlich untersuchen. Die Dokumentation dieser Untersuchungen in Form vervollständigter Anamnese- und Untersuchungsbögen muss von Stationsarzt_Ärztin gegengezeichnet werden. Insofern sind sowohl Supervision als auch die regelmäßige praktische Anwendung der Untersuchungsfertigkeiten sichergestellt. Beides resultiert in einer optimierten Selbstevaluation [6], [9], [20], [21], [40]. Kritisch anzumerken bleiben jedoch kognitive Einschränkungen bei der Abfrage der Selbsteinschätzung [34], [40]. Ferner sind Selbsteinschätzung und Qualität der körperlichen Untersuchung nicht korreliert [2].

Daher soll die subjektive Eigenevaluation mit der allgemein-orientierenden körperlichen Untersuchung um einen objektiveren Parameter ergänzt werden. Deren Analyse zeigt eine signifikant verbesserte Untersuchungsleistung der an der Lehrintervention teilnehmenden Studierenden. Diese Verbesserung bezieht sich sowohl auf eine vollständigere als auch technisch korrekte Durchführung der Untersuchungstechniken. Als Grund dafür ist vorwiegend das angebotene praxisorientierte Training (z.B. Untersuchungskurse) zu sehen. So ist bekannt, dass geschulte Studierende mehr Untersuchungstechniken anwenden als Untrainierte [3], [32], [33]. Gleiches gilt auch für deren Abschneiden in praktischen Prüfungen [23]. Ferner dürfte auch die Tatsache der Teilnahme an der Studie einen positiven Effekt haben [24]. Ungeachtet dessen besteht im Fehlen einer Kontrollgruppe ein Manko der Pilotstudie. Aus organisatorischen Gründen war es jedoch nicht möglich die Studierenden der Kontrollgruppe zur Untersuchung heranzuziehen, zumal schon der Rücklauf der Fragebögen zur Selbsteinschätzung hinter den Erwartungen zurückblieb.

Insgesamt eingeschränkt wird die Aussagekraft der Studie durch geringe Stichprobengröße und mögliche Positivselektion besonders motivierter Studierender für die Teilnahme an der Lehrintervention. Zudem wurden Vorerfahrungen – in Form weiterer Famulaturen – nicht erfragt. Es ist jedoch nicht davon auszugehen, dass einzig die Famulatur für die verbesserten Untersuchungsfertigkeiten verantwortlich ist [14], [33], [43]. Ebenfalls nicht evaluiert wurden Details zu den Krankenhäusern in welchen die Studierenden der Kontrollgruppe famulierten. Bspw. ist es denkbar, dass bei einer Famulatur in einem Universitätsklinikum mehr praktische Lehre (z.B. Bedside Teaching) erfolgt, als in einem kleineren, kommunalen Haus. Auch das Prä-Post-Design der Studie ist zu hinterfragen, ist dieses doch empfänglich für Response-Shift-Biases [10]. Einer genaueren Evaluation bedarf ferner der Beitrag des POL für den langfristigen Lernerfolg.


7. Schlussfolgerung und Ausblick

Die Pilotstudie zeigt, dass die FAMULATUR PLUS ein probates Mittel zur Verbesserung der Selbsteinschätzung Medizinstudierender in der körperlichen Untersuchung ist. Es bedarf jedoch weiterer Untersuchungen um dies detaillierter zu verifizieren. So müssen die Ergebnisse der allgemein-orientierenden körperlichen Untersuchung an Kontrollgruppen überprüft werden.


Ethik

Das Forschungsprojekt wurde von der Ethikkommission der Universität Ulm genehmigt.


Förderung

Die Studie wurde von der Medizinischen Fakultät der Universität Ulm im Rahmen der Lehrforschungsförderung unterstützt.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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