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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Ein Stationen-basiertes Konzept für die Lehre der neurologischen Untersuchung: Eine prospektive, quasi-experimentelle Studie

Artikel Klinische Fertigkeiten

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  • corresponding author Jochen Brich - Klinik für Neurologie und Neurophysiologie, Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg i. Br., Deutschland
  • author Michael Rijntjes - Klinik für Neurologie und Neurophysiologie, Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg i. Br., Deutschland

GMS J Med Educ 2016;33(5):Doc77

doi: 10.3205/zma001076, urn:nbn:de:0183-zma0010761

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2016-33/zma001076.shtml

Eingereicht: 12. Februar 2016
Überarbeitet: 5. August 2016
Angenommen: 12. August 2016
Veröffentlicht: 15. November 2016

© 2016 Brich et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Die neurologische Untersuchung gilt als komplex und trägt zum Phänomen der „Neurophobie“ bei. Sie wird traditionell in Kleingruppen durch Assistenzärzte unterrichtet („traditionelles Konzept“), wodurch der Lernerfolg teilweise vom klinischen Ausbildungsstand, der didaktischen Ausbildung und der persönlichen Motivation des Assistenzarztes abhängt. Ziel der Studie war es, die Effekte eines neu entwickelten Konzeptes („Stationen-Konzept“) für die Lehre der neurologischen Untersuchung hinsichtlich eines verbesserten und gleichmäßigeren Transfers von Wissen und praktischen Fertigkeiten zu untersuchen.

Methoden: Ein prospektives, quasi-experimentelles Design wurde angewandt, um das traditionelle Konzept mit dem Stationen-Konzept zu vergleichen. Dabei wurde der Lehrinhalt in acht Teilbereiche (Stationen) unterteilt wurde, wobei ein Assistenzarzt zu jeder Station zugeteilt wurde. Die primären Endpunkte der Studie waren die Unterschiede in der Selbsteinschätzung der Studierenden hinsichtlich des Lernerfolges in unterschiedlichen Bereichen der neurologischen Untersuchung. Sekundäre Analysen bezogen sich auf die Ergebnisse der Evaluationen der Studierenden und der Assistenzärzte.

Ergebnisse: 144 Studierende und 28 Assistenzärzte nahmen am traditionellen Konzept teil (Sommersemester 2012) und 151 Studierende und 28 Assistenzärzte am Stationen-Konzept (Wintersemester 2012/13). Beim Stationen-Konzept verbesserten sich die Selbsteinschätzungen der Studierenden im Vergleich zum traditionellen Konzept signifikant in den Bereichen „Motorisches System“, „Koordination“ und „Mentaler Status“. Die Evaluationen der Studierenden ergaben signifikante Verbesserungen in fünf von acht Punkten. Fünfzig Prozent der Assistenzärzte bewerteten den Stationen-Ansatz besser als den traditionellen Ansatz, zehn Prozent als schlechter.

Schlussfolgerung: Das Stationen-Konzept verbesserte den von den Studierenden selbst eingeschätzten Lernerfolg wie auch die Evaluationsergebnisse bei gleichzeitig hoher Akzeptanz bei den Assistenzärzten.

Schlüsselwörter: Neurologische Untersuchung, Kleingruppenunterricht, Selbsteinschätzung


Einführung

Die neurologische Untersuchung (NU) wird als schwierig und komplex eingeschätzt und trägt zu dem international beschriebenen Phänomen der „Neurophobie“ bei [1], [2], [3], [4], [5], [6]. Gleichwohl ist die korrekte Durchführung und Interpretation der Ergebnisse der NU weiterhin von großer Bedeutung, da die Anamnese und die NU die Basis für die topische Diagnostik in der Neurologie darstellen, welche auch in der Ära der Schnittbildgebung weiterhin wichtig für die klinische Entscheidungsfindung bleibt.

Der Inhalt [7], [8] und die unterschiedlichen Ansätze der Vermittlung der NU (Hypothesen-orientiert oder als „Screening“-Untersuchung [9]) wurden in Lehrstudien untersucht, aber abgesehen von anekdotischen Abhandlungen (zum Beispiel [10]) existieren nach unserem Wissen keine systematischen Studien zur Vermittlung der NU an Studierende.

Trotz eines Mangels an guter Evidenz [11] nutzen die meisten medizinischen Fakultäten traditionell den interaktiven Kleingruppenunterricht mit Assistenzärzten als Dozenten. Ein Charakteristikum dieses Lehransatzes ist die enge Beziehung zwischen dem Assistenzarzt und der Gruppe der Studierenden, welche zu einer meist geschätzten intensiven und individuellen Betreuung führt. Aber auch nach dem Absolvieren eines Didaktik-Trainings - welches an deutschen Universitäten nicht verpflichtend ist – kann diese enge Beziehung eine starke Abhängigkeit von den individuellen Qualifikationen des Assistenzarztes hinsichtlich seines Weiterbildungsstandes und professioneller Erfahrung haben. Dies kann in einem unkontrollierbaren und heterogenen Lehrergebnis resultieren. Unter diesen Umständen kann eine faire und objektive Prüfung der NU zum Beispiel mit einer „Objective Structured Clinical Examination“ (OSCE) [12] erschwert sein, was ein wichtiges Hindernis für eine OSCE-Implementierung an unserer Institution war.

Um diese Einschränkungen zu überwinden entwickelten wir ein Stationen-Konzept für die Lehre der NU. Das Ziel dieser prospektiven, quasi-experimentellen Studie war es, die Effekte des Stationen-Konzeptes auf den selbsteingeschätzten Lernerfolg der Studierenden im Vergleich zu dem traditionellen Konzept zu untersuchen. Zusätzlich wollten wir die Akzeptanz des Stationen-Konzeptes bei den Studierenden und Assistenzärzten untersuchen.


Methoden

Allgemeiner Kontext

Das neurologische Blockpraktikum der Klinik für Neurologie und Neurophysiologie am Universitätsklinikum Freiburg findet üblicherweise im dritten oder vierten Studienjahr statt. Der verpflichtende Drei-Wochen-Blockkurs beinhaltet Krankheits-orientierte Vorlesungen, Symptom-orientierte Seminare, praktischen Unterricht der NU und Unterricht am Krankenbett. Der Kurs endet mit einer summativen Multiple-Choice-Prüfung für alle Teilnehmer über alle Kursteile, wobei sich gewöhnlich zwei der 40 Fragen auf die NU oder ihren neuroanatomischen Hintergrund beziehen. Da die Fragen der Multiple-Choice-Klausuren veröffentlicht werden, konnten wir nicht dieselben Fragen im nächsten Semester verwenden, was einen direkten Vergleich der Ergebnisse der an den traditionellen oder Stationen-Konzeptes teilnehmenden Studierenden nicht ermöglichte. Zum Zeitpunkt der Durchführung dieser Studie wurde keine praktische Prüfung der NU durchgeführt.

Studiendesign

Das traditionelle Konzept wurde in einem prospektiven, quasi-experimentellen Studiendesign mit dem Stationen-Konzept verglichen, wobei die gesamten Studierenden-Populationen zweier aufeinanderfolgender Semester herangezogen wurden. Primärer Endpunkt der Studie waren die Selbsteinschätzungen der Studierenden der hinsichtlich ihres Lernerfolges in sechs Bereichen der NU. Sekundäre Analysen bezogen sich auf die Ergebnisse der Evaluationen der Studierenden und der Assistenzärzte. Die Studie wurde von der Ethik-Kommission des Uniklinikums Freiburg genehmigt.

Das traditionelle Konzept

Ein Assistenzarzt unterrichtete eine kleine Gruppe von 6 (5 bis 7) Studierenden für jeweils 3 Stunden an zwei aufeinanderfolgenden Nachmittagen. Der Inhalt basierte auf einem 24-seitigen, für die Studierenden entwickeltem Skript, das in Übereinstimmung mit den publizierten Konsensus-Statements [13], [14] in die Kapitel „Mentaler Status“, „Hirnnerven“, „Motorisches System“, „Reflexe“, „Sensorisches System“ und „Koordination mit Gang“ unterteilt war. Die Assistenzärzte erhielten ein zusätzliches, 5-seitiges Hand-out, welches die zu unterrichtenden 59 Einzeltests analog der Struktur des Studierenden-Skriptes mit kurzen begleitenden Beispielen zur Durchführung auflistete.

Das Stationen-Konzept

Der Inhalt der NU des traditionellen Konzeptes wurde auf 8 Stationen aufgeteilt. Die Untersuchung der Hirnnerven wurde in drei, jeweils 25 Minuten dauernde Stationen „Sehstörungen“ (Hirnnerven II, III,IV und VI), „Gesicht“ (Hirnnerven V und VII) und „Zunge und Rachen“ (Hirnnerven IX, X und XII mit extra Freiraum für die Hirnnerven I und XI) verteilt. Tests für den VIII. Hirnnerv wurden unter „Koordination“ zusammengefasst. Die Station „Motorisches System“ dauerte 75 Minuten und beinhaltete Tests für die Prüfung des Muskeltonus, der Kraft und der Reflexe. Tests für das sensorische System, die Koordination und den Gang wurden in der 40-minutigen Station „Sensibilität und Koordination“ kombiniert. Die Stationen „Mentaler Status“ (die sich auf die Symptome Aufmerksamkeit, Wahrnehmung, Sprache, Konzentration und Gedächtnis fokussierte) und „Die neurologische Untersuchung von vigilanzgeminderten Patienten“ dauerten 40 Minuten. Die abschließende Station „Die neurologische Screening-Untersuchung“ fasste die unverzichtbaren Untersuchungsschritte der NU zusammen und wurde zur Demonstration und Übung der NU in einer Sequenz genutzt. Die inhaltliche Unabhängigkeit aller Stationen voneinander (außer für die Abschluss-Station „Die neurologische Screening-Untersuchung“) war eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung des Stationen-Konzeptes und wurde sorgfältig beachtet. Für die Assistenzärzte entwickelten wir für jede Station einen spezifischen, einseitigen Leitfaden, um eine strukturierende und didaktische Hilfe zur Verfügung zu stellen. Das grundsätzliche didaktische Schema war für alle Stationen identisch: Nach einer kurzen Einführung durch den Assistenzarzt (wahlweise mit einem einführenden klinischen Fall des neuen Skriptes, siehe unten), in der der Inhalt der Station, ihre Lernziele, der klinische Kontext und der neuroanatomische Hintergrund dargestellt wurden, sollte der Assistenzarzt zunächst die Untersuchungsschritte der Station demonstrieren. Anschließend sollten die Studierenden diese Untersuchungsschritte mit ihren Kommilitonen unter direktem Feedback des Assistenzarztes üben. Danach sollten die Studierenden ermuntert werden, ihre verbleibenden Fragen zu stellen. Zum Abschluss gab der Assistenzarzt eine Zusammenfassung der Station mit Schwerpunkt auf die erreichten Lernziele.

Im Stationen-Konzept wurde jeweils ein Assistenzarzt festgelegt, um den Inhalt einer Station pro Tag zu unterrichten, was – abhängig von der Länge der Station – in zwei bis sechs Wiederholungen resultierte. Die Studierenden-Gruppen von 6 (5-7) Studierenden mussten anhand eines vorgegebenen Plans (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]) durch die Stationen rotieren: Am Tag eins wurden die Studierenden wechselweise in den drei Hirnnerven-Stationen und der motorischen Station unterrichtet, am Tag zwei wurde parallel in den drei Stationen „Sensibilität und Koordination“, „Mentaler Status“ und „Die neurologische Untersuchung von vigilanzgeminderten Patienten“ unterrichtet. Für die Abschluss-Station „Die neurologische Screening-Untersuchung“ verblieben die Studierenden bei dem Assistenzarzt, der die vorherige Station unterrichtet hatte.

Das Studierenden-Skript des Stationen-Konzeptes war inhaltlich identisch mit dem Skript des traditionellen Konzeptes. Die Gliederung wurde an die Stationen angeglichen, indem ein Kapitel pro Station zugeordnet wurde. Die zwei neuen Kapitel „Die neurologische Untersuchung von vigilanzgeminderten Patienten“ und „Die neurologische Screening-Untersuchung“ wurden durch Umgruppierung der existierenden Untersuchungsschritte erstellt. Zwei kurze klinische Vignetten, die den klinischen Bezug herstellen sollten, und die Lernziele wurden allen Kapiteln vorangestellt. Das neu formatierte Skript behielt die Länge von 24 Seiten bei.

Selbsteinschätzung und Evaluation der Studierenden

Zwei Tage nach der Durchführung des Kurses zur NU wurden die Studierenden beider Semester gefragt, freiwillig ihren persönlichen Lernerfolg für jede der allgemein akzeptieren 6 Bereiche der NU (Mentaler Status, Hirnnerven, motorisches System, Reflexe, Koordination und sensorisches System [13], [14]) auf einer 6-stufigen Bewertungsskala selbst einzuschätzen. Dies erlaubte einen Vergleich zwischen den beiden Konzepten. Die Studierenden wurden zudem gebeten, die Assistenzärzte hinsichtlich ihrer Motivation und ihres Engagements sowie ihrer Gesamt-Betreuung zu evaluieren, ebenso sollte die Gruppengröße und das Studierenden-Skript auf eine 6-stufigen Likert-Skala bewertet werden. Weiterhin wurden sie gefragt, ihre subjektiv erreichte Kompetenz hinsichtlich der Durchführung der grundlegenden Schritte der NU und den Grad der Vorbereitung für den Einsatz dieser erlernten praktischen Fertigkeiten am Krankenbett zu bewerten.

Evaluation der Assistenzärzte

Wir bestimmten die Dauer der Weiterbildung und die didaktischen Qualifikationen (Absolvierung von Workshops, Didaktik-Zertifikate etc.) für jeden Assistenzarzt bei jedem Zeitpunkt des Unterrichts der NU. Nach Ende des Blockpraktikums führten wir eine freiwillige Online-Evaluation für jedes der Lehr-Konzepte durch: Die Assistenzärzte sollten das jeweils durchgeführte Lehr-Konzept bewerten. Wir erfragten bei Assistenzärzten, die an beiden Konzepten teilgenommen hatten, eine vergleichende Bewertung.

Statistische Auswertung

Die Likert-skalierten Ergebnisse der Evaluationen und die Ergebnisse der Selbsteinschätzungen wurden mit Hilfe von SPSS 21 (IBM, USA) statistisch ausgewertet. Die Daten werden als Mittelwert mit Standardabweichung präsentiert. Die p-Werte wurden mit Hilfe von t-Tests (Signifikanz-Level 5%, zweiseitig) berechnet. Eine Anpassung für multiples Testen wurde durch die Berechnung der „False Discovery Rate“ (FDR) vorgenommen.


Ergebnisse

Die Charakteristika der teilnehmenden Studierenden und Assistenzärzte sind in Tabelle 2 [Tab. 2] dargestellt. Einhundertvierundvierzig von 156 Studierenden (92,3%), die den NU-Kurs mit dem traditionellen Konzept absolvierten, und 139 von 153 Studierenden (90,8%), die den NU-Kurs mit dem Stationen-Konzept absolvierten, nahmen an der Selbsteinschätzung und der Evaluation teil. Die Ergebnisse hinsichtlich des selbsteingeschätzten Lernerfolges und der Evaluation von jeder Kohorte sind in Tabelle 3 [Tab. 3] dargestellt. Acht Punkte wurden beim Stationen-Konzept signifikant besser bewertet: Drei Bereiche der NU hinsichtlich des selbsteingeschätzten Lernerfolges („Motorisches System“, Koordination“ und „Mentaler Status“) und fünf Unterpunkte in der Evaluation (Motivation und Engagement der Assistenzärzte, die Betreuung durch die Assistenzärzte, der Nutzen des Skriptes, das Gefühl für das Vorbereitet sein auf die klinische Praxis und die Gesamtbewertung).

Zehn Assistenzärzte (41,7%) nahmen an der Online-Evaluation des traditionellen Konzeptes teil. Zwei Assistenzärzte bewerteten das Konzept mit „1=sehr gut“, sieben mit „2=gut“ und einer mit „3=zufriedenstellend“, was zu einer durchschnittlichen Bewertung von 1,9 führte. An der Online-Evaluation des Stationen-Konzeptes nahmen 21 Assistenzärzte (87,5%) teil. Neun bewerteten das Konzept mit „1=sehr gut“, elf mit „2=gut“ und einer mit „3=zufriedenstellend“, was zu einer durchschnittlichen Bewertung von 1,6 führte (ohne signifikanten Unterschied zur Durchschnittsnote des traditionellen Konzeptes). Zehn von 20 an beiden Konzepten teilnehmenden Assistenzärzten bewerteten das Stationen-Konzept als „besser“ (50%) und acht als „gleichwertig“ (40%) im Vergleich zum traditionellen Konzept. Zwei Assistenzärzte favorisierten das traditionelle Konzept (10%).


Diskussion

Die Lehre der NU durch Assistenzärzte ist ein häufig verwendeter Ansatz, da diese die NU in ihrer täglichen Routine anwenden und man annimmt, dass die NU aufgrund des gut definierten Inhaltes auch von Assistenzärzten in den ersten Weiterbildungsjahren gut vermittelbar ist. In unserer Klinik hatten mehr als 40% der Assistenzärzte, die den Studierenden die NU lehrten, weniger als zwei Weiterbildungsjahre und weniger als 20% aller lehrenden Assistenzärzte wurden formell in Didaktik-Fertigkeiten ausgebildet. Auf der anderen Seite hatten all diejenigen, die ein Didaktik-Training absolviert hatten, mehr als drei Weiterbildungsjahre. Dies führt zu einer ausgeprägten Ungleichheit der lehrenden Assistenzärzte: Auf der einen Seite klinisch weniger erfahrene Assistenzärzte ohne didaktische Ausbildung, auf der anderen Seite klinisch erfahrenere Assistenzärzte mit einer höheren Wahrscheinlichkeit einer didaktischen Ausbildung. Dies könnte einen Einfluss insbesondere auf die Lehre der NU haben, da sich bei genauerer Betrachtung eine umfangreiche Menge an Tests und dazugehörigem neuroanatomischen Hintergrundwissen offenbart, was auch dazu geführt hat, dass es ausschließlich der NU gewidmete Lehrbücher gibt [15], [16], [17], [18]. In unserem Kurs wurden traditionell 59 Tests unterrichtet, was zu einer großen Menge an zu unterrichtenden Inhalten und relevantem neuroanatomischen Hintergrund geführt hat. Die Lehre dieser Mischung aus praktischen Fertigkeiten und komplexem Hintergrundwissen ist schwierig für klinisch weniger erfahrene Assistenzärzte, die nicht didaktisch ausgebildet wurden. Die Aufteilung des gesamten Inhaltes in Stationen ermöglichte den Assistenzärzten eine gezielte Vorbereitung auf spezielle Teilbereiche der NU. Das führte nicht nur zu einem fundiertem Wissen in diesem Teilbereich, sondern auch zu einem größeren Selbstvertrauen in die eigenen Untersuchungsfertigkeiten. Es wurde gezeigt, dass dies ein wichtiger Faktor für die erfolgreiche Vermittlung von praktischen Fertigkeiten ist [19], und hat wahrscheinlich auch zu der besseren Evaluierung von Motivation und Engagement sowie zu dem Gefühl der besseren Betreuung beigetragen. Die verbesserte inhaltliche Vorbereitung erlaubte es den Assistenzärzten dann auch, sich mehr auf die didaktischen Aspekte des Unterrichtens zu konzentrieren. Da nur eine Minderheit der Assistenzärzte ein didaktisches Training absolviert hatte, stellten wir eine grundlegende didaktische Struktur zur Verfügung, die individuell an den Inhalt jeder Station angepasst wurde und als Leitfaden für das Unterrichten diente. Interessanterweise bemerkten die Assistenzärzte durch die Wiederholungen der Stationen eine Lernkurve hinsichtlich ihrer didaktischen Fertigkeiten (persönliche Mitteilungen). Dies spiegelt sich in der Präferenz von 50% der Assistenzärzte für das Stationen-Konzept wieder, während nur 10% das traditionelle Konzept favorisierten.

Als primären Endpunkt für den Lernerfolg der Studierenden benutzten wir kumulierte Selbsteinschätzungen, von denen kürzlich gezeigt wurde, dass sie eine gute Korrelation mit externen Standards für die Abschätzung der Effektivität von neuen Unterrichtsmethoden darstellen [20], [21]. Die kumulierten Selbsteinschätzungen in unserer Studie zeigten bei Unterricht mit dem Stationen-Konzept eine signifikante Verbesserung in drei der 6 Bereiche der NU. Der Unterricht der umfangreichen und komplexen Untersuchungsschritte für die motorischen Funktionen (Test für Muskeltonus und Kraft) und Koordination (inklusive Gang) profitierte dabei von dem strukturierten Ansatz. Der selbsteingeschätzt größere Lernerfolg für die Untersuchung des mentalen Status kann wahrscheinlich am ehesten auf die oben beschriebene bessere Vorbereitung und Verbesserung der Unterrichtstechniken der Assistenzärzte zurückgeführt werden, da insbesondere die Untersuchung des mentalen Status ein eher abstraktes und herausforderndes Unterrichtsthema ist. Drei Bereiche der NU (Reflexe, Hirnnerve und Sensibilität) wurden bereits im traditionellen Konzept fast an der Höchstgrenze evaluiert, vielleicht auch, da sich bei diesen Bereichen bereits eine intrinsische Grundstruktur für das Unterrichten anbietet. Daher bot sich hier wenig Raum für Verbesserungen und es ergab sich bei diesen Bereichen kein signifikanter Unterschied mit dem Stationen-Konzept.

In Bezug auf die Evaluationsergebnisse der Studierenden gibt es einige bemerkenswerte Punkte.

Die Studierenden evaluierten das Stationen-Konzept signifikant besser bezüglich ihrer Einschätzung, gut für die klinische Praxis vorbereitet zu sein, obwohl die Einschätzung ihrer Fähigkeit, die wesentlichen Untersuchungsschritte durchzuführen, zwischen den Gruppen keinen Unterschied zeigte. Wir vermuten, dass die Schaffung eines klinischen Kontext mittels kurzer klinischer Vignetten als Einführung für jede Station im adaptieren Skript dazu beigetragen hat, da in der klinischen Praxis nur eine Auswahl der 59 Tests bei einem Patienten - in Abhängigkeit von seinen aktuellen Beschwerden - nötig ist. Das bedeutet bereits einen Schritt in Richtung des Hypothesen-orientierten Ansatzes der NU [9].

Darüber hinaus könnte auch die Strukturierung der anfänglich überwältigenden Menge an neurologischen Tests in kleinere Einheiten zu der verbesserten Gesamt-Evaluation beigetragen haben. Diese Schlussfolgerung wird durch die signifikant bessere Evaluation des Untersuchungsskriptes unterstützt, dass bezüglich Inhalt mit dem Skript des traditionellen Konzeptes identisch war, aber in seiner Struktur an das Stationen-Konzept angeglichen wurde.

Diese Studie hat Einschränkungen. Wir haben nicht die Ausgangsfertigkeiten der Teilnehmer bestimmt. Da aber das Fach Neurologie nur an diesem einen Zeitpunkt in unserem Curriculum unterrichtet wird, gingen wir davon aus, dass die Teilnehmer dieser Studie bezüglich ihrer vorherigen neurologischen Kenntnisse und Erfahrungen keine Unterschiede aufweisen würden. Wir nutzen kumulierte Selbsteinschätzungen und Evaluationen der Studierenden als Outcome-Parameter, so dass wir nicht zeigen konnten, ob die Studierenden bessere Fertigkeiten in der Durchführung der neurologischen Tests erreichten, was üblicherweise mit einer OSCE überprüft wird. Frühe Studien von Anderson et al [22] haben jedoch gezeigt, dass gute Korrelationen zwischen kumulativen Selbsteinschätzungen von neurologischen Fertigkeiten mit Ergebnissen von OSCEs bestehen. Zudem wurde diese Studie auch gerade deshalb durchgeführt, um eine faire Grundlage für eine OSCE zu gewährleisten, da im traditionellen Konzept offensichtliche Unterschiede hinsichtlich der Lehrqualifikationen existierten. Wir konnten weiterhin mit Hilfe der Gruppengröße, die zwischen den beiden Konzepten gleich blieb und ähnliche Ergebnisse in der Evaluation beider Konzepte ergab, zeigen, dass die Evaluation und die Selbsteinschätzung verlässliche Methoden sind, um zwischen unveränderten und veränderten Ergebnissen zu differenzieren. Die hohe Bewertung der Motivation und des Engagements der Assistenzärzte könnte teilweise durch den Hawthrone-Effekt erklärt werden, aber die kontinuierlich exzellente Evaluierung des jetzt fest implementierten Stationen-Konzeptes in unserer Klinik deuten auf ein reales Ergebnis.


Schlussfolgerung

Das Stationen-Konzept erwies sich als eine erfolgreiche Unterrichtsmethode, die im Vergleich zu dem traditionellen Konzept zu einer verbesserten Selbsteinschätzung der Studierenden in Bezug auf den Lernerfolg führte, insbesondere in den Bereichen, die als komplexer eingeschätzt wurden. Zudem bietet es insbesondere für klinisch und didaktisch weniger erfahrene Assistenzärzte durch die Reduktion des Lehrinhalts, eine basale didaktische Unterstützung und der Ermöglichung des wiederholten Unterrichtens desselben Inhalts, eine gute Möglichkeit, ihre didaktischen Fertigkeiten zu verbessern. Der Aufwand, einen traditionellen NU-Kurs in einen Stationen-Kurs zu überführen, ist relativ gering, schafft aber die Voraussetzungen für eine faire Überprüfung der Studierenden in einer OSCE. In unserer Abteilung haben wir das Stationen-Konzept erfolgreich fortgeführt und eine OSCE für das nächste Semester fertig gestellt, welche dann zusätzlich zur theoretischen Multiple-Choice-Prüfung zu einer besseren Abbildung des Faches Neurologie führen soll. Da die NU einen grundlegenden und unverzichtbaren Schritt bei der Diagnoseerstellung und Behandlung von Patienten mit neurologischen Erkrankungen darstellt, kann dieses neue Unterrichtskonzept ein zusätzlicher effektiver Schritt sein, Neurologie für Studierende attraktiver zu machen.


Anmerkung

In diesem Artikel gelten grammatikalisch maskuline Personenbezeichnungen gleichermaßen für Personen männlichen und weiblichen Geschlechts.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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