gms | German Medical Science

GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Prävention und Gesundheitsförderung von der Theorie zur Praxis: Die interprofessionelle MeMPE Summer University für Studierende der Medizin und der Masterstudiengänge Public Health und Epidemiology

Artikel Public Health

  • author Nadja Idler - Ludwig-Maximilians-Universität München, Medizinische Fakultät, Förderprogramm Lehre@LMU, München, Deutschland
  • author Johanna Huber - Klinikum der Universität München, Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, München, Deutschland
  • author Sabine von Mutius - Ludwig-Maximilians-Universität München, Medizinische Fakultät, Institut für Medizinische Informationsverarbeitung, Biometrie und Epidemiologie, München, Deutschland
  • author Lena Welbergen - Klinikum der Universität München, Dr. von Haunersches Kinderspital, München, Deutschland
  • corresponding author Martin R. Fischer - Klinikum der Universität München, Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, München, Deutschland

GMS J Med Educ 2016;33(5):Doc72

doi: 10.3205/zma001071, urn:nbn:de:0183-zma0010713

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2016-33/zma001071.shtml

Eingereicht: 17. Mai 2016
Überarbeitet: 27. August 2016
Angenommen: 27. August 2016
Veröffentlicht: 15. November 2016

© 2016 Idler et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Zielsetzung: An der Medizinischen Fakultät der LMU München wurde das Wahlpflichtfach „MeMPE Summer University – Ein interprofessionelles Seminar zu Prävention und Gesundheitsförderung“ im Sommersemester 2015 als Pilotprojekt umgesetzt. 20 Studierende der Studiengänge Medizin, Master of Public Health und Master of Science Epidemiology (MeMPE) haben in 90 Unterrichtseinheiten je 45 Minuten ein Modul mit theoretischer Einführung, wissenschaftlicher Projektarbeit sowie ein Modul mit Praxiseinsatz und Kongressbesuch absolviert.

Methodik: Das Projekt wurde bei den Studierenden mittels Prä- und Post-Fragebogen evaluiert (26 und 57 Items, Bewertung mittels fünfstufiger Likert-Skala von 1=„stimme voll zu“ bis 5=„stimme gar nicht zu“). Die Evaluationsinterviews der Lehrbeteiligten wurden aufgezeichnet, transkribiert und mit der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet.

Ergebnisse: Die Fragebogen-Rücklaufquote betrug 100%. Die Studierenden berichten im Prä-/Post-Vergleich eine Verbesserung des Faktenwissens (Prä-Median=3,0; Post-Median=2,0; p<0,0001), des wissenschaftlichen Arbeitens (Prä-Median=3,0; Post-Median=1,0; p<0,0001) und des interprofessionellen Arbeitens (Prä-Median=2,0; Post-Median=1,0; p=0,024). In 18 Interviews äußern die Lehrenden überwiegend ihre Motivation zur erneuten Projektteilnahme.

Schlussfolgerung: Die MeMPE-Summer-University kann als Best-Practice-Beispiel für die interprofessionelle Vermittlung von Präventions- und Gesundheitsförderungsthemen in Theorie und Praxis dienen. Die Evaluationsergebnisse zeigen, dass das Pilotprojekt eine hohe Akzeptanz bei Studierenden und Lehrenden erfahren hat und in überarbeiteter Form im Jahr 2016 erneut durchgeführt werden soll.

Schlüsselwörter: Medizinische Ausbildung, interprofessionelle Lehre, Prävention, Gesundheitsförderung, Public Health, Epidemiology


Einleitung

„Prävention und Gesundheitsförderung“ definieren seit In-Kraft-Treten der 9. Revision der Ärztlichen Approbationsordnung (ÄAppO) einen von 14 leistungsnachweispflichtigen und zu benotenden Querschnittbereichen im zweiten Abschnitt der ärztlichen Ausbildung [http://www.gesetze-im-internet.de/_appro_2002/BJNR240500002.html, zitiert 01.05.2016], [1]. Die Umsetzung des Querschnittbereichs „Prävention und Gesundheitsförderung“ weist Unterschiede zwischen den medizinischen Fakultäten hinsichtlich der koordinativen und inhaltlichen Zuständigkeit, dem zeitlichen Umfang, dem Einbezug der Versorgungspraxis sowie der Ausgestaltung des Leistungsnachweises auf [1].

An der Medizinischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München wird der Querschnittbereich Prävention und Gesundheitsförderung für Studierende der Humanmedizin im Rahmen des sogenannten Longitudinalkurses mit 3x90 Minuten Vorlesung und 2x90 Minuten Seminar umgesetzt. Der Longitudinalkurs begleitet das gesamte Studium und hat zum Ziel, die Studierenden „in die ärztliche Rolle und Verantwortung den Patienten und der Gesellschaft gegenüber einzuführen“ [https://www.mecum-online.de/de/studium/longitudinalkurs/index.html, zitiert 01.05.2016]. Für Studierende der Masterprogramme Public Health und Epidemiology wird an der Medizinischen Fakultät das Wahlpflichtfach Prävention und Gesundheitsförderung (12 ECTS) angeboten.

In diese Lehrveranstaltungen ist die Versorgungspraxis bislang noch nicht miteinbezogen. Um die aktive Partizipation Studierender zu intensivieren, bietet die Medizinische Fakultät mit dem seit Oktober 2014 zur Verfügung stehenden Fonds Lehre@LMU Praxisprojekte für Studierende an. Hierbei sollen auch Bereiche gefördert werden, die im Medizinischen Curriculum München (MeCuM) sowie im Curriculum der Masterprogramme bisher noch nicht abgedeckt werden, wie z.B. die hausärztliche Versorgung im ländlichen Raum und Praxiseinsätze im Gesundheitsamt [http://www.uni-muenchen.de/studium/lehre_at_lmu/index.html, zitiert 01.05.2016]. Ziel dieses Projektberichtes ist die Beschreibung eines Summer-University-Modells im Sinne der Best Practice, das die Vermittlung von Themen der Prävention und Gesundheitsförderung in Theorie und Praxis ermöglicht. Darüber hinaus werden Methodik und Ergebnisse der Projektevaluation berichtet.


Projektbeschreibung

Das Förderprogramm Lehre@LMU der Medizinischen Fakultät der LMU München hat im Sommersemester 2015 die „MeMPE Summer University – Ein interprofessionelles Seminar zu Prävention und Gesundheitsförderung“ vom 14.09. bis 25.09.2015 als Wahlpflichtfach (nach ÄAppO) und Pilotprojekt umgesetzt. Die Abkürzung „MeMPE“ beschreibt die Interprofessionalität des Seminars und steht für „Medizin, Master of Public Health und Master of Science Epidemiology“ (Studiengänge Humanmedizin sowie Masterprogramme Public Health und Epidemiology). Die Studierenden arbeiten in interprofessionellen Tandems bestehend aus einem Studierenden der Humanmedizin und einem Studierenden eines Masterprogramms zusammen. Da die spätere Qualität der Zusammenarbeit in der Versorgungspraxis und –forschung auch davon abhängt, inwieweit Interprofessionalität bereits im Ausbildungssystem integriert wird [2], [3], soll das Seminar den Studierenden bereits einen frühzeitigen Austausch mit inhaltlich verwandten Fachbereichen ermöglichen, damit die Denk- und Arbeitsweisen späterer Kooperationspartner bereits früh erfahren und reflektiert werden können.

Bisher gab es keine gemeinsamen Veranstaltungen dieser Studiengänge an der LMU München. Eine vergleichbare Lehrkonzeption gibt es nach unserer Kenntnis im deutschsprachigen Raum bislang nicht.

Das zweiwöchige Seminar umfasst 90 Unterrichtseinheiten (UE) je 45 Minuten, die an zehn Veranstaltungstagen absolviert werden. Das Seminar ist gegliedert in ein theoretisches (T) und ein praktisches (P) Modul mit den Teilmodulen T1 „Einführung Theorie“ (12 UE), T2 „wissenschaftliche Projektarbeit“(28 UE), P1 „Praxiseinsatz“ (19 UE) und P2 „Kongressbesuch“ (31 UE).

Lernziele und Programmablauf

A1 im Anhang 1 [Anh. 1] zeigt die Lernziele der MeMPE Summer University. Chronologisch verlief das Seminar wie folgt (siehe auch Seminarprogramm in A2 im Anhang 2 [Anh. 2]): Das Teilmodul T1 „Einführung Theorie“ (Tag eins und zwei) diente dem Ziel, die Studierenden durch Vorlesungen in das Themenfeld einzuführen sowie auf die Ausarbeitung ihrer wissenschaftlichen Projektarbeit vorzubereiten.

Am dritten und vierten Tag (Teilmodul P1 „Praxiseinsatz“) absolvierten die Studierenden im interprofessionellen Tandem einen Einsatz im gewählten Schwerpunktbereich Landarztpraxis, Gesundheitsamt oder Projekt Risikolotse. Das Projekt Risikolotse.de des Helmholtz Zentrums München widmet sich der Berechnung und Kommunikation des individualisierten Brustkrebs-Risikos. Im Schwerpunktbereich wurden die Studierenden in Projekte der Prävention oder Gesundheitsförderung eingebunden, um Themenfelder zur Vorbereitung ihrer wissenschaftlichen Projektarbeiten zu identifizieren.

Das Teilmodul T2 „Wissenschaftliche Projektarbeit“ (Tage fünf, sechs, sieben) bestand aus einem fünfseitigen, strukturierten Kurzbericht und einer strukturierten 11-13minütigen Kurzpräsentation, die nach Vorgaben anhand eines Logbuchs der Lernziele im Tandem erarbeitet wurden. Jedes Tandem erhielt die Möglichkeit in zwei UE die Projektidee mit einem/r MentorIn zu diskutieren und auszuarbeiten. Die MentorInnen waren erfahrene DozentInnen und PraktikerInnen aus Prävention und Gesundheitsförderung.

Im Rahmen des Teilmoduls P2 fand in Zusammenarbeit mit dem Kongress „Daten gewinnen, Wissen nutzen für die Praxis von Prävention und Versorgung“ vom 23.09. – 25.09.15 ein Kongressbesuch in Regensburg statt. In sieben UE bestand Anwesenheitspflicht (Peer-to-peer Kurzpräsentation und finale Kurzpräsentation vor öffentlichem Publikum), die restliche Zeit stand zum freien Besuch von wissenschaftlichen Vorträgen zur Verfügung.

Umsetzung und Teilnehmer

20 Studierende haben an der MeMPE Summer University erfolgreich teilgenommen: Zehn Studierende der Humanmedizin, acht Public-Health-Studierende und zwei Epidemiology-Studierende. Es konnten sechs interprofessionelle Tandems bzw. Tridems gebildet werden.

Die Kooperationspartner des Projektes waren das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), die Pettenkofer School of Public Health (PSPH) sowie die Bayerische Landesärztekammer (BLÄK). Die Teilnahme von vier Gesundheitsämtern, des Projekts Risikolotse.de sowie von drei Landarztpraxen haben die Praxiseinsätze der Studierenden ermöglicht. Unter einer Landarztpraxis wird in diesem Projekt eine Allgemeinarztpraxis im ländlichen Raum, d.h. außerhalb eines Ballungszentrums, verstanden.


Methodik der Evaluation

Die Summer University wurde bei den teilnehmenden Studierenden durch eine Fragebogenerhebung (Prä- und Post-Erhebung) sowie bei den teilnehmenden DozentInnen, MentorInnen und PraxisbetreuerInnen durch strukturierte Kurzinterviews evaluiert.

Fragebogenerhebung

Die Fragebogenerhebung fand am ersten Tag vor Veranstaltungsbeginn (Prä-Fragebogen) sowie am letzten Tag nach Ende des Seminars (Post-Fragebogen) mittels maschinenlesbarer Fragebögen statt.

Der Prä-Fragebogen umfasste 26 Items zur Selbsteinschätzung der Lernziele mittels einer fünfstufigen Likert-Skala von 1=„stimme voll zu“ bis 5=„stimme gar nicht zu“. Zusätzlich konnten die TeilnehmerInnen die Option „keine Angabe (k.A.)“ wählen. Von den 26 Items wurden 25 anhand ihrer thematischen Zugehörigkeit folgenden Subskalen zugeordnet:

1.
Faktenwissen zu den Themen Prävention und Gesundheitsförderung (15 Items),
2.
Wissenschaftliches Arbeiten (7 Items),
3.
Interprofessionelles Arbeiten (3 Items).

Ein einzelnes Item fragte nach dem Vorwissen zu den Themen Prävention und Gesundheitsförderung.

Der Post-Fragebogen umfasste 57 Items, wovon 56 auf einer fünfstufigen Likert-Skala mit zusätzlicher Antwortoption k.A. bewertet werden konnten. 26 Items erfassten äquivalent zum Prä-Fragebogen die Selbsteinschätzung der Lernziele für einen Prä-/Post-Vergleich in den drei oben genannten Subskalen. Zusätzlich umfasste der Post-Fragebogen weitere vier Subskalen, um Aspekte der Lehrveranstaltungen und des Praxiseinsatzes zu erfassen:

1.
Organisation (5 Items),
2.
Betreuung (3 Items),
3.
Didaktik (11 Items) und
4.
Gesamtbewertung des Lernerfolgs (11 Items).

Ein weiteres Item mit den Antwortkategorien A bis H erfasste die Motivation zur Teilnahme der Studierenden an der Summer University.

Zur Erstellung und Auswertung der Fragebögen wurde die Software Zensus direkt (Version 5.2.0p4) verwendet. Die Fragebögen wurden eingescannt und automatisiert ausgewertet. Je Fragebogen wurde die korrekte Datenerfassung überprüft. Für jedes Item wurde in Zensus direkt die absolute und relative Häufigkeit, der Median und die Range berechnet.

Für die Berechnung des Medians je Subskala wurde das Analyse- und Statistikprogramm SPSS verwendet. Der Median je Subskala wurde wie folgt berechnet: Zunächst wurde je Teilnehmer ein Median aus den zu einer bestimmten Subskala gehörenden Items gebildet. Danach wurde innerhalb jeder Subskala ein gepoolter Median aus den Einzel-Medianen der Teilnehmer berechnet. Die Medianwerte enthalten eine Nachkommastelle (Fünfstufige Likert-Skala: 1,0=„stimme voll zu“ bis 5,0=„stimme gar nicht zu“). Für den Prä-/Post-Vergleich der Lernziele in den drei Subskalen Faktenwissen, wissenschaftliches Arbeiten und interprofessionelles Arbeiten wurde der Mann-Whitney-Test für unabhängige Stichproben bei nicht-parametrischen Daten mit einem Signifikanzniveau von 0,05 gewählt.

Strukturierte Kurzinterviews

Die strukturierten Kurzinterviews wurden mittels eines Interviewleitfadens durchgeführt. PraxisbetreuerInnen, DozentInnen und MentorInnen wurden zu folgenden Themen befragt:

1.
Motivation zur Mitarbeit,
2.
Möglichkeit der erneuten Mitarbeit,
3.
Nützlichkeit der Unterstützung durch die Projektorganisation Lehre@LMU während der Projektvorbereitung und -durchführung,
4.
Verbesserungsmöglichkeiten der Unterstützung.

Daneben sollten die MentorInnen und PraxisbetreuerInnen bei drei weiteren Fragen das Vorwissen und Kompetenzniveau der Studierenden einschätzen. Die DozentInnen wurden nur zum Vorwissen der Studierenden befragt.

Alle InterviewpartnerInnen haben Hinweise zum Datenschutz erhalten und ihre Einverständniserklärung gegeben. Die etwa zehnminütigen Interviews wurden telefonisch geführt und mittels eines Field Recorders als Audio-Datei aufgezeichnet. Die Audio-Interviews wurden 1:1 transkribiert. Die Auswertung der transkribierten Interviews erfolgte anhand der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring [4]. Um zu den Kernaussagen zu gelangen, wurde als Grundtechnik der Auswertung die zusammenfassende Inhaltsanalyse [4] in mehreren Schritten vorgenommen:

1.
anhand der Interviewfragen wurde ein Kodierschema entwickelt mit Bildung von Hauptkategorien und gegebenenfalls Subcodes (Beispiel: Bei der Frage nach erneuter Beteiligungsbereitschaft werden eine Hauptkategorie „erneute Beteiligungsbereitschaft“ sowie die Subcodes „ja/nein“, „Begründung“ und „Anmerkungen“ gebildet),
2.
die im Transkriptionstext relevanten Aussagen wurden extrahiert,
3.
paraphrasiert,
4.
generalisiert und
5.
dem Kodierschema zugeordnet.

Schritt 3. und 4. konnten mehrmals wiederholt werden, bis ein Abstraktionsniveau erreicht wurde, das die Zusammenfassung und Zuordnung von Aussagen zum Kodierschema erlaubte. Die Ergebnisse wurden in Microsoft Office Excel (Version 2013) anhand von Säulendiagrammen zusammengefasst (absolute Häufigkeit).


Ergebnisse der Evaluation

Ergebnisse der Fragebogenerhebung

Der Fragebogen-Rücklauf betrug 100% (N=21 Prä- und N=20 Post-Fragebögen). Unter den Prä-Fragebögen wurde eine Dublette vermutet, diese konnte jedoch nicht identifiziert werden. Daher gehen alle 21 Prä-Fragebögen in die Auswertung ein. Im Prä-Fragebogen traten insgesamt zehn, im Post-Fragebogen 23 Verweigerungsantworten auf.

Laut Prä-Fragebogen ist das Vorwissen (Item 1) der Teilnehmer zu den Themen Prävention und Gesundheitsförderung bereits vor Seminarbeginn hoch (Median=2,0; Range=3,0). Bei der Post-Befragung (Item 20) verschiebt sich der Median-Wert nicht, die Range wird kleiner (Median=2,0; Range=2,0) (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]).

Tabelle 1 [Tab. 1] zeigt die Ergebnisse der drei Subskalen zur Selbsteinschätzung durch die Studierenden. Im Prä-/Post-Vergleich ist die Änderung der Median-Werte jeweils hoch signifikant (Faktenwissen, p<0,0001; wissenschaftliches Arbeiten, p<0,0001) bzw. signifikant (interprofessionelles Arbeiten, p=0,024). Die Studierenden schätzen sowohl ihr Faktenwissen, als auch ihre Kompetenzen hinsichtlich des wissenschaftlichen Arbeitens und des interprofessionellen Arbeitens nach Seminarende als deutlich besser ein.

Tabelle 2 [Tab. 2] zeigt die Ergebnisse der vier weiteren Subskalen aus der Postbefragung.

Die Studierenden waren mit der Organisation und Didaktik der Lehrveranstaltungen zufrieden (Median=2,0; Range=2,0 bzw. Median=2,0; Range=3,0) und mit der Betreuung während der Lehrveranstaltungen und des Praxiseinsatzes sehr zufrieden (Median=1,0; Range=3,0). Auch die Gesamtbewertung des Lernerfolgs fällt gut aus (Median=2,0; Range=2,0). Als Gründe für die Teilnahmemotivation werden vor allem Interesse am Thema (N=16), Vertiefung des Wissens im Themenbereich (N=10) sowie das Kennenlernen der Berufsfelder (N=20) genannt.

Die vollständigen Ergebnisse aller in die Subskalen eingehenden Items (Median- und Range-Werte) werden im Anhang 3 [Anh. 3] in A3 berichtet.

Ergebnisse der strukturierten Kurzinterviews

Es konnten insgesamt 18 strukturierte Kurzinterviews durchgeführt werden (N=5 MentorInnen, N=10 DozentInnen und N=8 PraxisbetreuerInnen; teils überschneidend). Zum Themengebiet „Motivation zur Mitarbeit“ konnten 40 Antworten identifiziert werden, die sich inhaltlich den folgenden fünf Kategorien zuordnen lassen (siehe Abbildung 2 [Abb. 2]).

Die Interviewten gaben 23 bzw. 20 Nennungen zur Frage „Nützlichkeit der Unterstützung durch die Projektorganisation Lehre@LMU während der Projektvorbereitung bzw. der Projektdurchführung“. Die Antworten ließen sich inhaltlich jeweils in folgende Themengebiete gliedern (siehe Abbildung 3 [Abb. 3] und Abbildung 4 [Abb. 4]).

Zur Verbesserung der Unterstützungsleistung fordern drei MentorInnen den „Betreuungsschlüssel im Mentoring zu optimieren“. DozentInnen fordern eine „Didaktik-Einführung zur Gestaltung von Lehrveranstaltungen“ (N=1) und die Verbesserung der „Sichtbarkeit von DozentInnen“ (N=1). Alle befragten MentorInnen und DozentInnen würden sich erneut am Projekt beteiligen. Von den PraxisbetreuerInnen stimmen fünf einer erneuten Mitarbeit zu. Als Gründe werden „Spaß an der Zusammenarbeit mit Studierenden“ (N=2) und „Hilfestellung für Studierende auf beruflichem Wege“ (N=5) genannt.

Drei PraxisbetreuerInnen stellen „wenig“ Vorwissen hinsichtlich allgemeiner Inhalte der Praxiseinsätze bei den Studierenden fest. Jedoch bescheinigen vier PraxisbetreuerInnen den Studierenden spezifisches „Medizinisches Wissen aus Klinik und Hausarztpraxis“. Als besondere Kompetenzen der Studierenden heben die PraxisbetreuerInnen eine „kritische und differenzierte Arbeitsweise“ (N=2), „Interesse“ (N=3) sowie „Kommunikationsstärke und Kollegialität“ (N=4) hervor. Den MentorInnen fällt es schwer, das Vorwissen der Studierenden einzuschätzen (N=3). Sie bescheinigen den Studierenden die Kompetenzen „Forschungsinteresse und Grundneugierde“ (N=5), eine „selbständige Arbeitsweise“ (N=2) und eine „wissenschaftliche Arbeitsweise“ (N=4). Laut der DozentInnen (N=4) wiesen die Studierenden ein gutes allgemeines Vorwissen auf, jedoch fiel ihnen die Einschätzung spezifischen Vorwissens schwer (N=3).


Diskussion

Die erste Durchführung der interprofessionellen MeMPE Summer University als Pilotprojekt war erfolgreich. Die Studierenden haben im Prä-/Post-Vergleich einen deutlichen Lernzuwachs durch den Seminarbesuch geäußert. Auch die Lehrbeteiligten äußerten eine hohe Zufriedenheit und eine hohe Motivation hinsichtlich einer erneuten Projektmitarbeit.

Gemäß Empfehlung des Ausschusses der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA) „Interprofessionelle Ausbildung in den Gesundheitsberufen“ konnte das Prinzip der Interprofessionalität ins Seminar integriert werden, um die Studierenden auf ihre interprofessionelle Zusammenarbeit im späteren Berufsleben vorzubereiten [3]. Das Interprofessional Education Collaborative Expert Panel entwickelte 2011 vier Kompetenzdomänen für die interprofessionelle kollaborative Praxis in den USA [http://www.aacn.nche.edu/education-resources/ipecreport.pdf, zitiert 01.05.2016]. Besonders die Inhalte der Kompetenzdomänen interprofessionelle Kommunikation und Teamwork werden in der MeMPE Summer University umgesetzt [http://www.aacn.nche.edu/education-resources/ipecreport.pdf, zitiert 01.05.2016]. Des Weiteren werden die didaktischen Konzepte des Peer-teaching und Mentoring im Projekt integriert [5], [6], [7].

Als Limitation des Projekts kann angeführt werden, dass das Projekt vorerst nur an einem Standort und mit kleiner Teilnehmerzahl (N=20) durchgeführt wurde. Bei der Durchführung im Sommersemester 2016 soll die Teilnehmerzahl erhöht werden. Dies soll durch eine frühzeitige Bewerbung des Seminars erreicht werden. Auch künftig soll die Bildung von ausschließlich interprofessionellen Tandems angestrebt werden. Laut Ergebnissen der Post-Evaluation haben sich einige Studierende gewünscht sowohl die Gesamtgruppe als auch ihre/n Tandem-PartnerIn für das Praxisprojekt früher kennen zu lernen. Es wird erwogen, ein Vorabtreffen zu organisieren, bei dem die Studierenden sich ihre/n Tandem-PartnerIn für das Praxisprojekt selbst auswählen können.

Die teilnehmenden Landarztpraxen, Gesundheitsämter und das Projekt Risikolotse sollen zur erneuten Teilnahme motiviert werden. Die Vernetzung mit weiteren Kooperationspartnern, wie dem Projekt „Gesundheitsförderung in der Allgemeinarztpraxis – Hindernisse und Chancen“ der Medizinischen Fakultät der LMU München in Zusammenarbeit mit dem Bereich Integrative Gesundheitsförderung der HAW Coburg, ist in Planung.

Weiterhin wird erwogen, ob das Modul P2 „Kongressbesuch“ zugunsten der Module T2 und P1 auf eine eintägige Vortragsveranstaltung der Medizinischen Fakultät der LMU München komprimiert werden könnte. Einige Studierende hatten sich mehr Zeit für die Ausarbeitung ihrer wissenschaftlichen Projektarbeit (T2), für Diskussionen zu den Projektentwürfen und für den Praxiseinsatz (P1) gewünscht. Um die Inhalte des Moduls T1 zu optimieren, wird eine noch engere Abstimmung mit den Lerninhalten des Longitudinalkurses im Medizinstudium sowie den Curricula der Studiengänge Master of Public Health und Master of Science Epidemiology angestrebt. Langfristig könnte auch eine Befragung der Studierenden, vergleichbar der Studie von Klement et al. an der Medizinfakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, stattfinden [8]. Hier wurden Medizinstudierende zu ihren Präferenzen, Haltungen und Vorkenntnissen hinsichtlich des Themenbereichs Prävention und Gesundheitsförderung befragt, um Anforderungen an die Unterrichtsvermittlung zu bestimmen [8].

Um die Erreichung der Lernziele auf individueller Ebene nachvollziehbar zu machen, sollte die Fragebogenevaluation (Prä- und Post) bei erneuter Durchführung individualisiert zuordenbar sein. Hierzu sollten auf den Fragebögen individuelle Codes vermerkt werden.

Insgesamt kann die interprofessionelle MeMPE Summer University aufgrund der Evaluationsdaten als Best-Practice-Modell zur Vermittlung von Theorie und Praxis der Prävention und Gesundheitsförderung gelten.

Eine Durchführung an weiteren Medizinischen Fakultäten an Universitäten in Deutschland wird von Lehre@LMU befürwortet.


Danksagung

Die Umsetzung des Projektes wurde ermöglicht durch die finanzielle Unterstützung aus dem Förderprogramm Lehre@LMU („Qualitätspakt Lehre“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF)) zur Förderung der Praxisorientierung.

Es sei allen Personen gedankt, die sich im Rahmen der MeMPE Summer University als DozentInnen, MentorInnen sowie in die Projektkoordination eingebracht haben. Wir danken besonders den MitarbeiterInnen des LGLs.

Wir danken den Arztpraxen von Dr. med. Michael Rosenberger, Dr. med. Günter Oberprieler und Dr. med. Wolfgang Blank, den Gesundheitsämtern Regensburg, Erlangen, Erding und Weilheim-Schongau sowie dem Projekt Risikolotse des Helmholtz Zentrums München für die Ermöglichung der Praxiseinsätze der Studierenden.

Wir danken der Bayerischen Landesärztekammer für die ideelle Unterstützung und Bekanntmachung des Seminars sowie die Möglichkeit die Summer University als innovatives Projekt der medizinischen Ausbildung an der Universität beim diesjährigen 74. Bayerischen Ärztetag in Deggendorf vorzustellen.


Abkürzungsverzeichnis

  • ÄAppO: Ärztliche Approbationsordnung
  • BLÄK: Bayerische Landesärztekammer
  • BMBF: Bundesministerium für Bildung und Forschung
  • ECTS: European Credit Transfer System
  • GMA: Gesellschaft für Medizinische Ausbildung
  • HAW: Hochschule für angewandte Wissenschaften
  • k.A.: Keine Angabe
  • LGL: Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit
  • LMU: Ludwig-Maximilians-Universität
  • MeCuM: Medizinisches Curriculum München
  • MeMPE: Medizin, Master of Public Health und Master of Science Epidemiology
  • PSPH: Pettenkofer School of Public Health
  • UE: Unterrichtseinheit

Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenskonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
Walter U, Klippel U, Bisson S. Umsetzung der 9. Ärztlichen Approbationsordnung im Querschnittsbereich Prävention und Gesundheitsförderung" an den medizinischen Fakultäten in Deutschland. Gesundheitswes. 2007;69(4):240-248. DOI: 10.1055/s-2007-973838 Externer Link
2.
D'Amour D, Oandasan I. Interprofessionality as the field of interprofessional practice and interprofessional education: an emerging concept. J Interprof Care. 2005;19(Supplement):8-20. DOI: 10.1080/13561820500081604 Externer Link
3.
Walkenhorst U, Mahler C, Aistleithner R, Hahn EG, Kaap-Fröhlich S, Karstens S, Reiber K, Stock-Schröer B, Sottas B. Positionspapier GMA-Ausschuss – "Interprofessionelle Ausbildung in den Gesundheitsberufen". GMS Z Med Ausbild. 2015;32(2):Doc22. DOI: 10.3205/zma000964 Externer Link
4.
Mayring P. Qualitative Inhaltsanalyse: Grundlagen und Techniken. 11th ed. Weinheim/Basel: Beltz; 2015.
5.
Hill AG, Yu TC, Wilson NC, Hawken SJ, Singh PP, Lemanu DP. Medical students-as-teachers: a systematic review of peerassisted teaching during medical school. Adv Med Educ Pract. 2011;2:157-172. DOI: 10.2147/AMEP.S14383 Externer Link
6.
Benè KL, Bergus G. When learners become teachers. A review of peer teaching in medical student education. Fam Med. 2014;46(10):783-787.
7.
Stenfors-Hayes T, Hult H, Dahlgren LO. What does it mean to be a mentor in medical education? Med Teach. 2011;33(8):e423-428. DOI: 10.3109/0142159X.2011.586746 Externer Link
8.
Klement A, Bretschneider K, Lautenschläger C, Stang A, Herrmann M, Haerting J. Prävention und Gesundheitsförderung im Medizinstudium: Querschnittstudie zu Präferenzen, Haltungen und Vorkenntnissen von Studierenden. GMS Z Med Ausbild. 2011;28(1):Doc17. DOI: 10.3205/zma000729 Externer Link