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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Didaktisch, praktisch, gut! 20 Jahre Training praktischer Fertigkeiten in der D-A-CH-Region

Leitartikel Praktische Fertigkeiten

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  • corresponding author Christoph Stosch - Universität zu Köln, Medizinische Fakultät, Referat für Lehre, Studium & Studienreform, Kölner Interprofessionelle Skills Labs (KISS), Köln, Deutschland
  • corresponding author Kai P. Schnabel - Universität Bern, Institut für medizinische Lehre, Abteilung für Unterricht und Medien, Bern, Schweiz

GMS J Med Educ 2016;33(4):Doc67

doi: 10.3205/zma001066, urn:nbn:de:0183-zma0010665

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2016-33/zma001066.shtml

Eingereicht: 13. Juli 2016
Überarbeitet: 13. Juli 2016
Angenommen: 13. Juli 2016
Veröffentlicht: 15. August 2016

© 2016 Stosch et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Leitartikel

In der Elektrotechnik beeinflusst der Transformator die Höhe einer Wechselspannung.

„Transformers“ sind Maschinenwesen vom Planeten Cybertron, die Ihre Körperform stetig wandeln können. Transformation beschreibt in der Genetik einen Prozess der Übertragung von DNA auf eine andere Zelle, als „maligne Transformation“ in der Medizin kennzeichnet es den Übergang zwischen normalem Zellwachstum und Tumorzellen. Eine gesellschaftliche Transformation bezeichnet den grundsätzlichen Wandel des politischen Systems in ein anderes, in der Architektur die Umnutzung bestehender Gebäude und digitale Transformation ist aus keiner Talkrunde mehr wegzudenken. Es scheint fast, als wäre „Transformation“ ein ubiquitäres Phänomen, das der Welt der Dinge inne ist und das Stagnation als Störfall betrachtet. Die Welt der Medizinischen Ausbildung ist hiervon nicht ausgenommen, auch wenn dem Betrachter die Veränderungsbereitschaft der Akteure oberflächlich betrachtet nicht immer und nicht direkt auffallen dürfte [https://de.wikipedia.org/wiki/Transformation zuletzt aufgerufen am 24.01.2016]

Ein besonders erfolgreiches Großprojekt in diesem Bereich soll nun aber mit dem vorliegenden Themenheft „Praktische Fertigkeiten“ dokumentiert werden: 20 Jahre Entwicklung der „Skills Labs“ in der D-A-CH-Region! Zwar wurden auch schon vor dieser Zeit klinisch-praktische Fertigkeiten vermittelt, auch weil es in den Ausbildungsverordnungen und -gesetzen verankert war und ist. Dass aber für deren systematische und longitudinale Unterrichtung Laboratorien, nach lat. Laborare, arbeiten, leiden, sich abmühen [https://de.wikipedia.org/wiki/Labor zuletzt aufgerufen am 24.01.2016] in nicht geringer Anzahl errichtet worden sind, kann nur als Teil eines Tranformationsprozesses, der Professionalisierung der Medizinischen Ausbildung, gedeutet werden.

Beginnend 1996 am geschichtsträchtigen Allgemeinen Krankenhaus der Stadt Wien, gefolgt von Berlin (1999), Heidelberg und Frankfurt a.M. (2000), Köln (2003), Mainz (2003) und Weiteren wurden Lernzentren für die Vermittlung von patientennahen Kompetenzen aufgebaut. Die damit einhergehende Transformation der Ausbildung in der Humanmedizin könnte auf viele Arten beschrieben werden: historisch (wann, was, warum), betriebswirtschaftlich (wie viel, wie finanziert), Outcome-orientiert (Ziel erreicht, Patienten gerettet) oder mit Blick auf die im Prozess der Medizinischen Ausbildung unterstützten Veränderungsprozesse:

  • Die Entwicklung vom rein wissensorientierten Hochschulstudium zur Kompetenzorientierung ohne systematische Eingliederung der Vermittlung von Fertigkeiten ist schlichtweg nicht denkbar.
  • Der Orientierung „vom Lehren zum Lernen“ bietet die dem handlungsorientierten Fertigkeitstraining inne wohnende Systematik („see one – do one“) ein inhärentes Feld zur unterstützten Selbststeuerung des Lernprozesses durch Bereitstellung spezifischer Kontexte, Szenarien und -oft auch formativer- Rückmeldungen.
  • Die Demokratisierung von Wissen findet durch die in den Sills Labs nicht selten eingesetzte Lehr- und Lernform des Peer-Teaching durch die geänderten Rollen im Lernprozess einen Widerhall in den Medizinischen Fakultäten.
  • Das Training praktischer Kompetenzen ist gelebter, aktiver Patientenschutz.

Wenn Form der Funktion folgt war und ist die Transformation der Organisation der Skills-labs als Reaktion auf diese Professionalisierung in der Medizinischen Ausbildung zu verstehen. Wurden anfänglich diese häufig als studentische Organisationen begonnen und betrieben, gilt heute eine hauptberufliche Leitung als Standard. Konnte zu Beginn das Curriculum häufig nur fakultativ und additiv angeboten werden, scheint eine curriculare Einbindung nunmehr adäquat. Zeigte sich zunächst die Unterbringung des Skills Labs in einem zum Abriss bestimmten Gebäude am Rande des Klinikumsgeländes als Anerkennung der geleisteten Aufbauarbeit, werden heute Neubauten auf „Filetgrundstücken“ errichtet. Konnten die Trainingszentren für patientennahe Fertigkeiten sich zunächst eindimensional in Richtung der Aufgabenerfüllung im Medizinischem Studium entwickeln, stehen ihnen heute Anfragen aus dem ärztlichen Weiter- und Fortbildungsprogramm aber auch der Aus-, Weiter- und Fortbildung weiterer Gesundheitsberufe in Haus; sie geraten nachgerade zur Keimzelle für interprofessionellen Unterricht.

Mussten Skills-lab-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter sich am Anfang alleine „durchschlagen“, können Sie nunmehr seit 2007 auf einen etablierten Ausschuss für Praktische Fertigkeiten der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung zurückgreifen, der jährlich ein mit bis zu 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmern besuchtes internationales Skills Lab Symposium (iSLS) veranstaltet und als Motor der beschriebenen Transformation gelten kann. Auf dem iSLS stehen neben dem wissenschaftlichen Austausch auch die Weiter- und Netzwerkbildung der Skills-Lab-Mitarbeiter*innen im Vordergrund: Treffen der studentischen Mitarbeiter*innen oder auch das regelmäßige Skills Lab Leiter*innen-Treffen (sLiT) und die Ausschusstreffen dienen letztlich der Professionalisierung der Skills Labs in der D-A-CH-Region. Inhaltlich wurde dort das „Consensus Statement on Practical Skills in Medical School“ [1] erarbeitet, welches in mehrfacher Hinsicht unverkennbaren Einfluss auf die Entwicklung des Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalogs Medizin [http://www.nklm.de zuletzt aufgerufen am 14.04.2016] hatte: Als Ideengeber für die Formulierung der „Kompetenzebenen“ und der „Meilensteine des Kompetenzerwerbs“ aber auch als Grundlage des Kapitels 14b „Klinisch-Praktische Fertigkeiten“. Derzeit wird eine den Hochschulen angemessene Zertifizierung der Einrichtungen für die Aus-, Weiter-, und Fortbildung von klinisch-praktischen Fertigkeiten erarbeitet, die noch in diesem Jahr verabschiedet werden soll.

Diese Transformation stellt abschließend die Frage nach der weiteren Entwicklung der Zentren für das Erlernen klinisch-praktischer Fertigkeiten in den Vordergrund. Auch wenn die Zukunft ihrer Natur nach offen ist, lassen sich heute schon Leitfragen ableiten, deren Beantwortung den Diskurs von morgen bestimmen werden:

  • Welche Metapher bestimmt nach der „Kompetenz“ die Diskussion um die Weiterentwicklung der Medizinischen Ausbildung und welche - deliberative - Rolle werden die Skills Labs darin spielen?
  • Welche Auswirkungen hat die mit der Professionalisierung der Skills Labs einhergehende Profanisierung dieser im Kontext der Medizinischen Fakultäten (Erfolgsorientierung, Mittelkonkurrenz)?
  • Welche Rolle spielt im Weiteren die unmittelbare Erfahrung (Erfahrungsbasiertes Lernen an Modellen und Simulatoren oder Simulationspatient*innen) angesichts von „augmented reallity“ oder anders formuliert: Transformiert die digitale Revolution die - noch materiellen - Skills labs der Zukunft in ein „Holodeck“?

„Der ›kleine Mann‹ könne sowieso nichts tun, sagt jeder. Aber wenn jeder sich noch einen kleinen Mann sucht, können viele kleine Männer ganz viel bewegen“ (© Thomas Häntsch (*1958), Fotograf [https://www.aphorismen.de/zitat/108609, aufgerufen am 05.07.2016).


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
Schnabel KP, Boldt PD, Breuer G, Fichtner A, Karsten G, Kujumdshiev S, Schmidts M, Stosch C. Konsensusstatement "Praktische Fertigkeiten im Medizinstudium" - ein Positionspapier des GMA-Ausschusses für praktische Fertigkeiten. [A Consensus Statement on Practical Skills in Medical School - a position paper by the GMA Committee on Practical Skills]. GMS Z Med Ausbild. 2011;28(4):Doc58. DOI: 10.3205/zma000770 Externer Link