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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

„Perle Bettenprüfungskurs für Examenskandidaten“ – Entwicklung eines Trainings für den dritten Abschnitt der ärztlichen Prüfung (mündlich-praktische Prüfung)

Artikel Praktische Fertigkeiten

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  • corresponding author Anne Karthaus - FAU Universität Erlangen-Nürnberg, Tutorin am SkillsLab PERLE, Erlangen, Deutschland
  • author Anita Schmidt - FAU Universität Erlangen-Nürnberg, Leitung Skills Lab PERLE, Erlangen, Deutschland

GMS J Med Educ 2016;33(4):Doc55

doi: 10.3205/zma001054, urn:nbn:de:0183-zma0010543

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2016-33/zma001054.shtml

Eingereicht: 23. September 2015
Überarbeitet: 13. Mai 2016
Angenommen: 20. Mai 2016
Veröffentlicht: 15. August 2016

© 2016 Karthaus et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Einführung: Viele Studierende haben Fragen und Beratungsbedarf bei der Vorbereitung für das letzte mündliche Examen. Um sie bei den Examensvorbereitungen zu begleiten und praktische Hilfestellung zu geben, wurde von Tutorinnen und Tutoren des SkillsLabs Perle- „Praxis ERfahren und LErnen“ der FAU Universität Erlangen-Nürnberg ein neues Kursmodell konzipiert.

Ziele: Der Kurs soll den Studierenden helfen, sich mit der Prüfungssituation vertraut zu machen und Sicherheit zu erlangen. So ist die Auseinandersetzung mit dieser spezifischen Situation in einem geschützten Rahmen möglich. Außerdem findet eine Anwendung und eine Vertiefung von Softskills statt.

Kurskonzept: Dieser Kurs ist angelehnt an das OSCE Modell (Objective Structured Clinical Examination), einem Fallbasierten Lern- und Prüfungsmodell. Anhand von Fallbeispielen wiederholen und vertiefen die Studierenden bereits gelerntes Wissen. Dabei werden sie von erfahrenen Tutoren begleitet, die Hilfestellung zu fachspezifischen und organisatorischen Fragen wie Kleiderordnung und Verhaltensweisen geben.

Auswertung des Kurses: Der Kurs wurde von den Teilnehmern am Ende jedes Kurses evaluiert. Anhand der Evaluation wird der Kurs stetig weiterentwickelt. Im März, April und Oktober 2015 fanden sechs Kurse mit in Summe 84 Teilnehmern statt. 76 Fragebögen (91%) wurden vollständig ausgefüllt und ausgewertet.

Diskussion: Als Stärken des Kurses sind ein guter Tutoren-Teilnehmer Schlüssel mit 1:4 (1 Tutor betreut 4 Teilnehmer), die Interaktivität des Kurses und die hohe Flexibilität auf die einzelne Gruppe eingehen zu können, zu nennen. Schwächen sind der limitierte Zeitrahmen und die bisher nicht erhobene Leistungsüberprüfung vor und nach dem Kurs.

Schlussfolgerung: Dieser Artikel zeigt im Sinne eines „best practice“-Beispiels eine Möglichkeit auf, niederschwellig und mit geringen Kosten eine Vorbereitung für das praktische Examen anzubieten.

Schlüsselwörter: Fallbasiertes Lernen, Examenskurs, Kurskonzeption, Peerteaching, praktisches Examen


Anmerkung

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichwohl für alle Geschlechter.


1. Einführung

In einem neu entwickelten Kurs, angelehnt an das OSCE-Modell, sollen die Studierenden im Praktischen Jahr auf die letzte mündliche Staatsexamensprüfung vorbereit werden.

Der Kurs „Perle-Bettenprüfung“ ist von studentischen Tutoren und Tutorinnen entwickelt und an die Bedürfnisse von Studierenden vor der letzten mündlichen Prüfung – dem dritten Staatsexamen- angepasst. Anstoß dazu war die große Nachfrage der Examenskandidaten nach einem Repetitorium für praktische Fertigkeiten und nach Tipps zum mündlichen Examen. Der Name des Kurses setzt sich zusammen aus dem Namen unseres Skillslabs Perle „Praxis ERfahren und LErnen“ und der umgangssprachlichen Bezeichnung für einen Teil des mündlichen Examens (Bettenprüfung). In Deutschland besteht die letzte mündliche Prüfung (Drittes Staatsexamen) aus einer zweitägigen Prüfung in Gruppen aus je vier Studierenden. Geprüft wird von vier Prüfern jeweils im Fach Innere Medizin, Chirurgie, dem Wahlfach und einem variierenden Fach. Dabei werden neben theoretischem Wissen häufig auch praktische Fertigkeiten geprüft.


2. Ziele

Ziel dieses Kurses ist vor allem die Vertiefung und Anwendung von Softskills wie die Ansprache von Patienten, die Ankündigungen anstehender Untersuchungen und des weiteren Vorgehens. Der Kurs soll den Studierenden helfen, sich mit der Prüfungssituation vertraut zu machen und Sicherheit zu erlangen. Im Studium erlernte Fähigkeiten kommen in der simulierten Prüfungssituation zum Einsatz. So ist die Auseinandersetzung mit dieser spezifischen Situation in einem geschützten Rahmen möglich. Der Kurs soll besonders Studierenden, die sich unsicher in Bezug auf die praktische Prüfung im dritten Staatsexamen fühlen, als Hilfestellung dienen.


3. Kurskonzept

Der Aufbau des Kurses orientiert sich am OSCE Modell (Objective Structured Clinical Examination). Die Teilnehmer durchlaufen mehrere Stationen, an denen jeweils ein Patientenfall bearbeitet wird. Die Patientenfälle wurden von Tutoren anhand aktueller Leitlinien eigens für den Kurs erstellt und von Fachärzten gegengelesen. Überprüft werden die Fähigkeiten der Anamneseerhebung und körperliche Untersuchungstechniken. Die „Prüfer“ orientieren sich an einer Checkliste, welche Schritte bei der jeweiligen Station erfolgen sollen. Für unseren Kurs haben wir das Modell insofern moduliert, als dass die Stationen in Kleingruppen von vier Studierenden durchlaufen werden. Pro Station sind 30 Minuten Zeit angesetzt, so kann jeder Fall ausführlich durchgesprochen werden und es kann individuell auf Fragen eingegangen werden.

Jede Kleingruppe besteht aus vier Studierenden (Student [1], [2], [3], [4]) die zusammen vier Stationen (Station A, B, C, D) durchlaufen. In jeder Station übernimmt einer der Teilnehmer die Rolle des Arztes/der Ärztin und bearbeitet den Fall. Die anderen Teilnehmer der Kleingruppe beobachten die Situation, geben gegebenenfalls Hilfestellung und ein abschließendes Feedback. Am Ende soll jeder Teilnehmer einen Fall absolviert und bei drei anderen Fällen als Zuschauer Hilfestellung und Feedback gegeben haben (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]). Der Tutor der jeweiligen Station hat die Aufgabe, das Fallbeispiel vorzulesen, eine Checkliste abzuhaken, die anschließend besprochen wird (siehe Anhang 1 [Anh. 1]), Hilfestellung zu geben und am Ende der Übung den Teilnehmern ein konstruktives Feedback zu geben. Die Stationen decken verschiedene Fachgebiete ab, so gibt es jeweils eine Station mit einem Fall aus der Neurologie, Chirurgie/Orthopädie und Inneren Medizin. Bei den verschiedenen Fällen bleiben grundlegende Komponenten des Untersuchungsvorgangs gleich. Am Anfang jeder Untersuchung steht die Händedesinfektion und Begrüßung des Patienten, gefolgt von einer Anamnese.

Auch werden Listen mit Tipps zu der Wahl des Outfits (siehe Anhang 2 [Anh. 2]) und eine Liste mit „Do’s und Don’ts“ (siehe Anhang 3 [Anh. 3]) ausgeteilt. In diesen Listen haben Tutoren der PERLE Informationen und Aussagen von Professorinnen und Professoren festgehalten, die zur Kleiderordnung und Verhaltensweisen im mündlichen Staatsexamen befragt wurden. Die Idee dazu entstand, da in früheren Kursen häufig praktische Tipps zu diesen Themen erfragt wurden.


4. Auswertung des Kurses

Am Ende jedes Kurses haben wir in einer schriftlichen Evaluation (siehe Anhang 4 [Anh. 4]) die Meinung der Studierenden zu den folgenden Punkten erfragt:

  • Feedback der Tutoren
  • Hilfe von den Kommilitonen
  • Tipps zur Kleidung und zum Verhalten in der Prüfungssituation
  • Simulation der Prüfungssituation
  • zu jedem Fall wie leicht/schwer und wie sinnvoll/nicht sinnvoll der Fall eingestuft wurde
  • Wünsche und Anregungen der Teilnehmer

Ausgefüllt wurden die Evaluationsbögen direkt nach jedem Kurs. Im März, April und Oktober 2015 fanden sechs Kurse mit in Summe 84 Teilnehmern statt. 76 Fragebögen (91%) wurden vollständig ausgefüllt und ausgewertet. 55 Fragebögen stammen von weiblichen Studierenden (72,4%) und 21 von männlichen Studierenden (27,6%).

Die Auswertung der Evaluationsbögen ergab folgendes Bild:

Die Listen mit „Do’s and Dont’s“ wurden mit einem Mittelwert von 4,55 als sehr hilfreich bewertet. Ebenfalls als hilfreich wurden die Tipps zum Outfit empfunden mit einem Mittelwert von 4,1. Die Simulation der Prüfungssituation wurde im Mittel mit 4,7, die Hilfe der Kommilitonen mit 4,4 und das Feedback der Tutoren mit 4,8 bewertet (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]).

Der Fall zur akuten Pankreatitis wurde als sehr sinnvoll empfunden mit 4,85, jedoch wurde der Schweregrad als etwas zu leicht mit 2,95 bewertet. Der Fall zur Hyperthyreose wurde ebenfalls als sehr sinnvoll bewertet mit 4,7, der Schwierigkeitsgrad als angemessen mit 3,05. Der Fall zum Sprunggelenk wurde mit 4,75 als sehr sinnvoll evaluiert und der Schwierigkeitsgrad mit 3,05. Der Morbus Bechterew Fall wurde mit 4,4 als sinnvoll, jedoch als einziger Fall im Mittel als etwas zu schwierig evaluiert mit 3,5 (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]).

In den freien Kommentaren konnten die Studierenden Lob, Kritik und Wünsche für die Weiterentwicklung des Kurses anmerken. Dabei wurden vor allem mehr neurologische Fälle und die Untersuchung großer Gelenke gewünscht. Als Verbesserungsvorschläge wurden mehr Zeit pro Fall, die Demonstration der körperlichen Untersuchung durch den Tutor, vermehrt Fragen, die das theoretische Wissen abfragen, eine persönliche Wahl der Fachrichtung durch die Teilnehmer, sowie ein mehrstufiger Aufbau des Kurses beginnend in früheren Semestern genannt.

Positiv wurde auch die Ausgabe der Checklisten an die Teilnehmer bewertet, und allgemein die Möglichkeit, Wissen und Fertigkeiten an Fallbeispielen zu prüfen und zu festigen.


5. Diskussion

Der „Perle-Bettenprüfungskurs für Examenskandidaten“ wurde für Studierende vor dem mündlichen Staatsexamen entwickelt. Seit zwei Semestern wird dieser Kurs gehalten und stetig anhand der Evaluation weiter an die Bedürfnisse der Teilnehmer angepasst. Durch dieses Feedback zeigte sich eine besonders starke Nachfrage nach der Wiederholung von Untersuchungstechniken in der Neurologie und Orthopädie. Für das kommende Semester haben wir nun zusätzliche Neuro- und Ortho-Refresher Kurse konzipiert, welche explizit für Examenskandidaten reserviert sind.

Als Stärken unseres neuen Kurses stellten sich der gute Tutoren-Teilnehmer Schlüssel mit 1:4 (1 Tutor betreut 4 Teilnehmer), die Interaktivität des Kurses und die hohe Flexibilität auf die einzelne Gruppe eingehen zu können, heraus. In diesem Setting zeigt sich besonders ein Vorteil des peer-teaching, der auch in der Literatur mehrfach beschrieben wurde (z.B. [5]): Studierende wagen es in diesem „geschützten“ Rahmen eher, sich auszuprobieren und Fragen zu stellen. Dies ist besonders wertvoll in der angespannten Situation, in der sich die Studierenden kurz vor dem Examen befinden.

Schwächen sind hingegen der limitierte Zeitrahmen, welcher immer nur einen Ausschnitt der Prüfungsthemen ermöglicht. Auch ist es in dem bisherigen Format des Kurses nicht möglich, eine komplette körperliche Untersuchung strukturiert zu demonstrieren. Deshalb wird aktuell ein Kurs konzipiert, welcher sich nur mit der strukturierten körperlichen Untersuchung von Kopf bis Fuß befasst. Dieser Kurs soll dann schon für niedrigere Semester angeboten werden und als Grundlage für den hier vorgestellten Kurs dienen.

Eine weitere Schwäche unseres Kurses ist die fehlende Überprüfung der Weiterentwicklung und des Lernerfolgs der Teilnehmer. Deshalb ist für Erhebung der Fortschritte geplant, je Gruppe anhand der Punkte aus den Checklisten zu überprüfen, ob es innerhalb der Gruppen im Verlauf der Stationen eine Leistungssteigerung gibt.

Da dieser Kurs vor allem Sicherheit vermitteln soll, erscheint es uns nicht notwendig, ihn ins Kerncurriculum aufzunehmen. Das Erlernen einer strukturierten Untersuchung sollte bereits früher im Studium gelehrt und geprüft werden. Sehr wichtig erscheint es uns deshalb, den Kurs „Untersuchung von Kopf bis Fuß“ ins Kerncurriculum aufzunehmen.

Auffallend ist, dass der Anteil von Frauen die am Kurs teilgenommen haben in unserer Evaluation mit 72,4% höher ist als in den darauffolgenden Examen (zusammen genommen Frühjahr und Herbst 2015) mit 60,6 %. Mögliche Gründe dafür werden wir in den Folgekursen beleuchten, indem wir in der Evaluation erfragen, was die individuellen Gründe für den Besuch des Kurses waren.


6. Schlussfolgerung

Mit dem neuen Kurskonzept konnte schon auf einige der Bedürfnisse der Studierenden vor dem letzten mündlichen Examen eingegangen werden. Mithilfe der Evaluationsbögen konnte erhoben werden, dass zukünftig mit den Fallbeispielen eine noch breitere thematische Vielfalt abgedeckt werden sollte und dass zusätzlicher Übungsbedarf besonders in den Fachgebieten Neurologie und Orthopädie besteht. Diese Ergebnisse werden wir in den kommenden Semestern umsetzen und durch weitere Evaluationen die Fortschritte der Studierenden erheben.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
Chenot JF, Simmenroth-Nayda A, Koch A, Fischer T, Scherer M, Emmert B, Stanske B, Kochen MM, Himmel W. Can student tutors act as examiners in an objective structured clinical examination? Med Educ. 2007;41(11):1032-1038. DOI: 10.1111/j.1365-2923.2007.02895.x Externer Link
2.
Brazeau C, Boyd L, Crosson J. Changing an existing OSCE to a teaching tool: the making of a teaching OSCE. Acad Med. 2002;77(9):932. DOI: 10.1097/00001888-200209000-00036 Externer Link
3.
ten Cate O. A teaching rotation and a student teaching qualification for senior medical students. Med Teach. 2007;29(6):566-571. DOI: 10.1080/01421590701468729 Externer Link
4.
Dandavino M, Snell L, Wiseman J. Why medical students should learn how to teach. Med Teach. 2007;29(6):558-565. DOI: 10.1080/01421590701477449 Externer Link
5.
Lockspeiser TM, O'Sullivan P, Teherani A, Muller J. Understanding the experience of being taught by peers: the value of social and cognitive congruence. Adv Health Sci Educ Theory Pract. 2008;13(3):361-372. DOI: 10.1007/s10459-006-9049-8 Externer Link