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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Themenheft „Interprofessionelle Ausbildung“ – herausgegeben von der Robert Bosch Stiftung und der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung

Leitartikel Interprofessionelle Ausbildung

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  • corresponding author Bernadette Klapper - Robert Bosch Stiftung GmbH, Themenbereich Gesundheit, Stuttgart, Deutchland
  • corresponding author Christian Schirlo - Universität Zürich, Medizinische Fakultät, Dekanat, Stabsstellenleiter, Zürich, Schweiz

GMS J Med Educ 2016;33(2):Doc38

doi: 10.3205/zma001037, urn:nbn:de:0183-zma0010378

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2016-33/zma001037.shtml

Eingereicht: 5. April 2016
Überarbeitet: 13. April 2016
Angenommen: 13. April 2016
Veröffentlicht: 29. April 2016

© 2016 Klapper et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Leitartikel

Wer sich heute für einen Gesundheitsberuf entscheidet, bleibt in Deutschland, Österreich und der Schweiz sowohl während des Studiums als auch während der Berufsausbildung meistens unter seinesgleichen. Bis heute sind Medizin- oder Pflegestudium, Gesundheits- und Krankenpflegeausbildung sowie Ausbildungen und Studiengänge der Therapieberufe, wie Physiotherapie oder Logopädie, und der medizinisch-technischen Berufe, fast ausschließlich monoprofessionell ausgerichtet. Angesichts des Anstiegs chronischer Krankheiten sowie der wachsenden Bedeutung von Multimorbidität und Demenz auch im Rahmen der demografischen Änderungen wird jedoch eine interprofessionell abgestimmte Versorgung und Betreuung immer wichtiger. Denn durch diese demografischen und epidemiologischen Veränderungen ergeben sich zunehmend komplexere Versorgungslagen und Versorgungsabläufe, deren Bewältigung im Sinne der Gesundheit, der Sicherheit und der Lebensqualität des Patienten nur in guter Zusammenarbeit gelingen kann. Kenntnisse über die Aufgaben, Kompetenzen und Zuständigkeiten der jeweils anderen Berufsgruppen sind elementar für eine gemeinsame und qualitativ hochwertige Betreuung der Patienten.

Die Vermittlung dieser „interprofessionellen“ Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten und das Wissen um Schnittmengen und Übergänge von einem Gesundheitsberuf in den anderen werden allerdings bisher kaum gefördert. Auch die Ausbildung im Bereich kommunikativer und sozialer Fähigkeiten in interprofessionellen Settings im Hinblick auf erfolgreiche Situationen der Zusammenarbeit findet sich nur vereinzelt in den verschiedenen Curricula. Gemeinsames Lernen kann die Entwicklung dieser Fähigkeiten fördern und dem Aufbau von Barrieren und falschen Vorstellungen über die jeweils anderen Berufsgruppen entgegenwirken.

Die interprofessionelle Zusammenarbeit allein wird mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht alle Probleme und Herausforderungen in der Patientenversorgung der Zukunft lösen können. Sie ist aber eine zwingende Voraussetzung, um heutigen Anforderungen genügen und den neuen Herausforderungen professionell begegnen zu können. Dazu zählen für alle Berufsgruppen die Kenntnis und Reflexion der eigenen Rolle, der Aufgaben und Verantwortlichkeiten sowie diejenigen der anderen Berufsgruppen im gemeinsamen Handeln. Eine gute Kooperation hat deutlich größere Aussichten auf Erfolg, wenn sie bereits in der Ausbildung gelernt und im späteren Berufsleben stetig durch Weiter- und Fortbildungen aktiv trainiert und vertieft geübt wird.

Und genau hier setzt das Förderprogramm „Operation Team – Interprofessionelle Ausbildungen und Fortbildungen in den Gesundheitsberufen“ der Robert Bosch Stiftung an. Ziel des Förderengagements ist, die monoprofessionelle Bildungskultur aufzubrechen und eine strukturelle Verankerung interprofessioneller Lernangebote in substantieller Qualität und Umfang durchzusetzen sowie interprofessionelle Fortbildungsangebote als nicht mehr weg zu denkende Elemente im Fortbildungskatalog unseres Gesundheitswesens zu etablieren. Dieses Ziel ist ehrgeizig und der Weg dorthin ist lang und steinig. Die Zeit und die aktuellen Rahmenbedingungen für diese Integration von interprofessionellen Aus- und Fortbildungselementen scheint nun aber gegeben zu sein; Hinweise darauf geben die sehr positive Resonanz auf alle Ausschreibungen „Operation Team“ und die beeindruckend hohe Zahl der eingereichten Anträge. In den letzten Jahren sind etliche Projekte an verschiedenen Standorten in Deutschland, Österreich und der Schweiz initiiert und unterschiedliche Ideen zum interprofessionellen Lernen und Lehren umgesetzt worden. Viele unterschiedliche curriculare Interventionen und Projekte in Aus- und Fortbildung wurden bereits pilotiert und es wurden Erfahrungen gesammelt zu unterschiedlichen inhaltlichen Schwerpunktsetzungen über die Strukturierung der interprofessionellen Lerneinheiten bis hin zu verschiedenen Zielgruppenkonstellationen und institutionellen Anbindungen. Eine wesentliche Intention und gleichsam der nächste und konsequente Schritt war es daher, diese Erfahrungen festzuhalten, die jeweiligen Projekte zu beschreiben, eine Annäherung an den Forschungsstand im Bereich der interprofessionellen Aus- und Fortbildung in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu erreichen und allen engagierten Akteuren und interessierten Institutionen zur Verfügung zu stellen.

Bei einem Vernetzungstreffen der im Programm „Operation Team“ geförderten Projekte im November 2014 ist so die Idee zu diesem Themenheft entstanden. Die Gesellschaft für Medizinische Ausbildung und die Robert Bosch Stiftung haben gemeinsam diese Idee weiterentwickelt und die „Operation Team“-Projekte, die GMA-Mitglieder und weitere engagierte Akteure eingeladen, sich mit wissenschaftlichen Beiträgen zum Thema „Interprofessionelle Ausbildung“ an einem gemeinsamen Themenheft zu beteiligen. Die auf unseren Aufruf erfolgte Resonanz war überwältigend und hat die Idee nochmals bestätigt.

Nun freuen wir uns, Ihnen das gemeinsame Themenheft „Interprofessionelle Ausbildung“ mit zahlreichen Beiträgen präsentieren zu können. Die Publikation ist ein wichtiger Baustein, um die Diskussion über „Interprofessionalität“ zu vertiefen und das Thema stärker in den Fokus der aktuellen berufspolitischen Entwicklungen im Gesundheitsbereich zu rücken, dafür bei den kritischen Entscheidungsträgern zu werben und engagierte Akteure in ihren Bemühungen zu unterstützen. Auch soll damit eine aktuelle Übersicht über ausgewählte Projekte und Studien im Bereich der Interprofessionalität im deutschsprachigen Raum vorgelegt werden. Dies gleichsam als Anstoß für die notwendige Generierung von weiterer wissenschaftlicher Evidenz zu den Effekten von interprofessionellen curricularen Interventionen sowie – Jill Thistlethwaite legt dies in ihrem wissenschaftlichen Editorial in diesem Heft dar – zu möglichen Mechanismen und Kontexten [1]. Ein mögliches Modell zur Kategorisierung von Studien besonders auch bezüglich methodischer Aspekte kann dabei eine von Reeves dargestellte, häufig implizit als causal angenommene Sequenz darstellen [2]. Diese Sequenz umfasst die interprofessionelle Aus- und Fortbildung und deren Effekte auf der Ebene von interprofessioneller Zusammenarbeit/Teamarbeit oder dann auf der Ebene der interprofessionellen Versorgung.

Als Herausgeber wünschen wir uns, dass die hier vorgelegten Originalarbeiten, Übersichtsarbeiten und Kommentare auf großes Interesse stoßen und insbesondere die vorgestellten Projekte die nötige Unterstützung finden, um sich weiter zu entwickeln, sich fest an den Standorten zu etablieren und als Leuchttürme national und möglichst auch international große Ausstrahlung zu entfalten. Wir hoffen, dass dieses Themenheft die aktuelle Diskussion sowohl in Bezug auf wissenschaftliche als auch auf bildungspolitische Aspekte bereichert und hilft, die noch bestehenden Lücken und Hindernisse aufzudecken und an neuen Wegen und Lösungsansätzen zu arbeiten; dies auch im Sinne der Hinwendung der Bildungseinrichtungen des Gesundheitswesens in Deutschland, Österreich und der Schweiz hin zu einer gelebten interprofessionellen Bildungskultur als eine der wesentlichen Voraussetzungen für eine nachhaltige und kontinuierlich sich verbessernde Patientenversorgung.


Danksagung

Wir danken allen Autoren für die gute Zusammenarbeit und für ihre Beiträge sowie allen Gutachtern für das unermüdliche und konsequente Begutachtungsverfahren. Außerdem gilt unser Dank allen an diesem Themenheft Mitwirkenden: Beate Herrmannsdörfer (Gesellschaft für Medizinische Ausbildung) für die tatkräftige Verwaltung der eingereichten Beiträge und Koordinierung des Peer-Review-Verfahrens, Tanja Frey (Robert Bosch Stiftung) für die kreative grafische Gestaltung des Themenheftes und Irina Cichon (Robert Bosch Stiftung) für die Gesamtkoordination.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
Thistlethwaite J. Collaboration, cooperation, communication, contact and competencies. GMS J Med Educ. 2016;33(2):Doc37. DOI: 10.3205/zma001036 Externer Link
2.
Reeves S. Shaping Interprofessional Education: Where to from here? Keynote Symposium der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg. "Der Patient im Mittelpunkt: Interprofessionelle Ausbildung und Zusammenarbeit gestalten und entwickeln". Heidelberg: Universität Heidelberg; 2014.