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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Förderung interprofessioneller Kommunikation durch gemeinsame Fallbesprechungen und Visitensimulationen in der pflegerischen und medizinischen Ausbildung – ein Pilotprojekt

Artikel Interprofessionellee Ausbildung

  • corresponding author Birgit Wershofen - Klinikum der Universität München, Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, München, Deutschland
  • author Nicole Heitzmann - Klinikum der Universität München, Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, München, Deutschland
  • author Esther Beltermann - Klinikum der Universität München, Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, München, Deutschland
  • author Martin R. Fischer - Klinikum der Universität München, Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, München, Deutschland

GMS J Med Educ 2016;33(2):Doc28

doi: 10.3205/zma001027, urn:nbn:de:0183-zma0010274

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2016-33/zma001027.shtml

Eingereicht: 15. August 2015
Überarbeitet: 8. Januar 2016
Angenommen: 9. Februar 2016
Veröffentlicht: 29. April 2016

© 2016 Wershofen et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Kommunikationsdefizite zwischen Ärztinnen1 und Pflegepersonen können eine schlechte interprofessionelle Zusammenarbeit bewirken, die zu negativen gesundheitlichen Auswirkungen für Patienten führen können. Eine Förderung der interprofessionellen Kommunikation und Zusammenarbeit ist bereits in der Ausbildung von Ärztinnen und Pflegepersonen wichtig um zu einer optimalen Patientenversorgung beizutragen.

Zielsetzung: Ziel des vorliegenden Unterrichtsprojekts ist die Förderung der interprofessionellen Kommunikation für Gesundheits- und Krankenpflegeschülerinnen und Medizinstudierende durch gemeinsame Fallbesprechungen und Visitensimulationstrainings.

Methodik: Im Zeitraum von 2013 - 2015 nahmen insgesamt 39 Gesundheits- und Krankenpflegeschülerinnen und 22 Medizinstudierende an acht Seminaren teil, die jeweils Fallbesprechungen und Visitensimulationstrainings beinhalteten. Die Evaluation der Seminare erfolgte über die Einschätzung der Lernenden nach Lernzielen.

Ergebnisse: Teilnehmerinnen, die sich freiwillig zu den Seminaren anmeldeten, profitierten durch den interprofessionellen Austausch und machten positive Erfahrungen über das Arbeiten im Team.

Schlussfolgerungen: Durch die Übungen der gemeinsamen Fallbesprechungen und Visitensimulationen konnte die interprofessionelle Kommunikation bei Gesundheits- und Krankenpflegeschülerinnen und Medizinstudierenden gefördert werden. Die Lernenden nutzten die Möglichkeit bei der anderen Profession nachzufragen und machten die Erfahrung, dass ein interprofessioneller Austausch zu einer verbesserten Patientenversorgung beitragen kann.

Schlüsselwörter: Interprofessionelle Ausbildung, interprofessionelle Kommunikation, Fallbesprechungen, Visitensimulation


Einleitung

In der Zusammenarbeit von Ärztinnen und Gesundheits- und Krankenpflegerinnen zeigen sich nach wie vor kommunikative Defizite; z.B. werden die beruflichen Sichtweisen auf den Patienten nur unzureichend ausgetauscht. Die Handlungspotentiale der jeweils anderen Berufsgruppe bleiben häufig unbekannt [1]. Dieser Mangel an Kommunikation kann eine schlechte interprofessionelle Zusammenarbeit bewirken und negative gesundheitliche Auswirkung für Patienten haben [2]. Es erscheint sinnvoll, Lernende in den Gesundheitsberufen bereits in der Ausbildung auf ihre Zusammenarbeit vorzubereiten [3], [4], [5], um so zu einer effizienten, kosteneffektiven und qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung beitragen zu können [6], [7], [http://www.aacn.nche.edu/education-resources/ipecreport.pdf zitiert am 15.08.2016]. Bislang werden interprofessionelle Kommunikationstrainings in der Erstausbildung unzureichend angeboten und untersucht [8]. Um diesen Defizit zu begegnen wurde ein Unterrichtskonzept entwickelt, in dem die Kommunikation von Medizinstudierenden und Gesundheits- und Krankenpflegeschülerinnen gefördert wird. Dabei steht ein Kennenlernen der Sichtweisen und Handlungspotentiale der Professionen im Vordergrund und nicht das Üben effektiver Informationsweitergabe in kritischen Situationen (z.B. SBAR) [9], [10].

Bei der Entwicklung des Unterrichtskonzepts wurde die Kontakthypothese [11], [12] als theoretischer Bezugsrahmen berücksichtigt. Der wesentliche Aspekt der Kontakthypothese ist die Kommunikation zwischen zwei Gruppen, die in Übungen gegenseitiges Wissen und Sichtweisen austauschen. Damit in den Übungen ein Abbau von Stereotypen und eine positive Verhaltensveränderung ermöglicht werden, ist eine kooperative Atmosphäre, ein gemeinsames Ziel, der gleiche Status der Gruppen und die Unterstützung durch Dozenten essentiell [11]. Dies erscheint insofern passend, als dass interprofessionelles Lernen in Interaktion zwischen Lernenden aus zwei oder mehr Professionen entsteht [13]. Dadurch kann ein verbesserter Austausch entstehen und eine offenere Kommunikation unter den Berufsgruppen gefördert werden [3], [14], [15], [16], [17], [18].

Für das Unterrichtsprojekt wurden zwei häufige Situationen der Zusammenarbeit herausgegriffen, in denen interprofessionelle Kommunikation zentral ist: interprofessionelle Fallbesprechungen und Stationsvisiten.

Die interprofessionelle Fallbesprechung ist eine wichtige Unterrichtsmethode, um komplexe Probleme darzustellen [2], [3], [7]. Fallbesprechungen umfassen einen kommunikativen Prozess und stellen eine Problemlage von Patienten dar. Im Team werden Lösungsideen diskutiert, um eine patientenorientierte Lösung zu entwickeln [19], [20], [21]. Durch den Austausch erhalten die Lernenden die Möglichkeit, die jeweils andere berufliche Sichtweise besser zu verstehen. Zudem führt eine Problembetrachtung aus verschiedenen Blickwinkeln zu einer effektiveren, sicheren [16] und patientenzentrierteren Versorgung [3], [13]. Die Fallbesprechung erfolgt nach einem strukturierten Ablauf, der für die Lernenden ein unterstützendes Instrument in der gemeinsamen Bearbeitung darstellt [7]. Für ethische Fragestellungen sind Ablaufstrukturen bei Fallbesprechungen etabliert [21], [22], [23]. Nahezu unbekannt ist jedoch eine Struktur, die den Fokus auf allgemeine klinische Versorgungssituationen hat [7]. In diesem Unterrichtsprojekt werden die Strukturen als Instrument für das Lernen und Üben von Fallbesprechungen genutzt. Das Ergebnis aus der Fallbesprechung ist ein abgestimmter Behandlungsplan. Im Anschluss wird der Behandlungsplan dem Patienten in einer simulierten Stationsvisite vorgestellt. Hierbei wird die gemeinsame Kommunikation mit dem Patienten geübt.

Das Ziel des vorliegenden Unterrichtsprojekts ist die Förderung der interprofessionellen Kommunikation für Gesundheits- und Krankenpflegerinnen und Ärztinnen durch gemeinsame Fallbesprechungen und Visitensimulationstrainings in der Erstausbildung. Die daraus abgeleitete Fragestellung ist: Wird die interprofessionelle Kommunikation der Lernenden durch die Teilnahme an dem interprofessionellen Seminar subjektiv verbessert?

Die Umsetzung des Unterrichtskonzepts erfolgte als Pilotprojekt zur Vorbereitung für eine Implementierung in die pflegerischen und medizinischen Curricula. Die Robert Bosch Stiftung unterstützte im Rahmen der Ausschreibung „Operation Team- Interprofessionelles Lernen in den Gesundheitsberufen“ das Pilotprojekt.


Projektbeschreibung

Im Folgenden wird der Ablauf des Unterrichtsprojekts vorgestellt.

Das Pilotprojekt ist als Seminar konzipiert und umfasst vier Lerneinheiten mit je vier Unterrichtsstunden. Für eine Übersicht ist in Abbildung 1 [Abb. 1] der Ablauf des Seminars dargestellt. Zu Beginn der ersten Lerneinheit werden die gemeinsamen und unterschiedlichen Aufgaben der beiden Professionen in der Patientenversorgung erfasst. Dies dient dem Einblick in die beruflichen Aufgaben der anderen Profession. Zusammenfassend wird das gemeinsame Ziel der Patientenversorgung hervorgehoben. Der Austausch über die beruflichen Aufgaben und ein gemeinsames Ziel sind wichtige Bestandteil der Kontakthypothese [11]. Im Folgenden werden die Lernenden in zwei Strukturen für Fallbesprechungen eingeführt: das Interprofessional Team Reasoning Framework [7] und die Fallbesprechung nach Vollmann [21]. Im Anschluss erfolgt die Einführung in Moderations- und Feedbackregeln. Die erste Fallbesprechung wird durch eine Dozentin moderiert, die Lernenden übernehmen die Rollen in den Fallbesprechungen. Anschließend werden die Durchführung und das Ergebnis der Fallbesprechung reflektiert sowie Alternativen diskutiert. Als nächstes wird der Ablauf einer gemeinsamen Stationsvisite dargestellt. Die Dozentinnen demonstrieren die Vermittlung des Ergebnisses aus der Fallbesprechung an den Patienten im Rahmen einer Stationsvisite. Dabei übernimmt ein Lernender die Patientenrolle. Anschließend erfolgt eine angeleitete Reflexion durch die Dozentinnen. Strukturiertes Feedback im Anschluss an die Simulationen ergänzt diesen Lernprozess [24].

In den zweiten und dritten Lerneinheiten werden jeweils ein bis zwei Fallbeispiele vorgestellt und für die Fallbesprechung und Visite genutzt. Die Moderation der Fallbesprechung sowie die weiteren teilnehmenden Rollen werden wechselnd von den Lernenden übernommen. In Verlauf des Seminars führen die Lernenden die Moderation der Fallbesprechung und die Reflexion mit dem Feedback zunehmend selbständig durch. Die Aufgabe der Dozentinnen ist es bezogen auf die Kontakthypothese [11] bei Bedarf unterstützend zu wirken. Um einen Perspektivenwechsel anzuregen, wird den Lernenden angeboten, die Rolle der anderen Berufsgruppe zu übernehmen.

Zum Abschluss der Lerneinheiten erfolgt ein formatives Assessment. Die Gruppe führt dabei eine Fallbesprechung selbständig durch und reflektiert diese anschließend. Das Ergebnis aus den Fallbesprechungen wird jeweils von zwei Lernenden mit einem Schauspielpatienten in einer Visitensituation simuliert. Somit ist jeder Lernende in eine Visitensimulation involviert. Der Reflexionsprozess wird durch das Feedback des Schauspielpatienten ergänzt. Mit Abschluss des Seminars erhalten die Teilnehmer des Seminars ein Zertifikat.

Ein wichtiger Aspekt in der Planung des Seminars war die Dozentenauswahl. Um positive interprofessionelle Lernerfahrungen zu ermöglichen, ist die Expertise der Lehrenden ein entscheidender Faktor [25]. Darum wurde das Seminar von Ärztinnen mit Unterrichtserfahrung und von Pflegepersonen mit Praxisanleiterqualifikation durchgeführt. Die Lehrenden wurden auf die interprofessionelle Unterrichtssituation in gemeinsamen Treffen vorbereitet. Neben den Inhalten des Seminars wurden beispielsweise Wissen über kooperatives Lernen [26], Einstellung und Annahmen über Stereotypen [17], [27] oder die Entwicklung der beruflichen Identität [27] thematisiert. Weiter wurden die Bedingungen und Aufgaben, die sich aus dem theoretischen Bezugsrahmen der Kontakthypothese [11] ergeben, wie z.B. das Aufbauen einer kooperativen Atmosphäre, besprochen.

Das Lernen mit Fällen ist ein häufig genutzter Ansatz zur Initiierung von Lernprozessen für Lernende der Gesundheitsberufe [28]. Daher war die Entwicklung von Fällen für das Seminar ein weiterer zentraler Aspekt. Die Fälle basieren auf realen Problemstellungen aus der Patientenversorgung. Als Orientierung und Überprüfung der Fälle auf Bildungsinhalte wurde die pflegedidaktisch-heuristische Matrix von Darmann-Finck [29] verwendet. Die Matrix umfasst die Perspektiven der Pflegenden, der Patienten/Angehörigen und der Institution/des Gesundheitssystems im Kontext von technischem, praktischem und emanzipatorischem Erkenntnisinteresse. Zusätzlich wurde die ärztliche Perspektive ergänzt.

Da für die Bearbeitung der Fälle ein umfassendes Fallverständnis erforderlich war, wurden die Seminare für Gesundheits- und Krankenpflegeschülerinnen im dritten Ausbildungsjahr und für Medizinstudierende im 9. Semester und im praktischen Jahr (PJ) angeboten. Es sollten verschiedene Gruppenzusammensetzungen erprobt werden: interprofessionelle Gruppen und uniprofessionelle Gruppen, bestehend aus nur Gesundheits- und Krankenpflegeschülerinnen bzw. nur Medizinstudierenden.


Methoden

Zur Evaluation von interprofessioneller Ausbildung wurde eine Vielzahl an Fragebögen im internationalen Bereich entwickelt [30], [31], [32]. Inwieweit Übersetzungen von internationalen Skalen durch Unterschiede in den Ausbildungsstrukturen für den deutschsprachigen Bereich einsetzbar sind, ist nicht gesichert. Für das Seminar wurde ein Evaluationsbogen, basierend auf den intern verwendeten Evaluationsbögen der Medizinischen Fakultät der Ludwig Maximilian Universität München (LMU), entwickelt.

Der Evaluationsbogen umfasste 18 Likert-skalierte Items von 6 (stimmt überhaupt nicht) bis 1 (stimmt genau) und zwei qualitative Fragen, die sich auf positive Aspekte und Verbesserungspotentiale beziehen. Insgesamt nahmen N=61 Lernende am Seminar teil. Die Teilnehmerinnen wurden aus der Berufsfachschule für Krankenpflege Maria Regina (Gruppen 1-7) und der Privaten Berufsfachschule für Krankenpflege Dritter Orden und Barmherzige Brüder (Gruppe 8) in München und der LMU akquiriert. Die Tabelle 1 [Tab. 1] gibt einen Überblick über die Anzahl der Teilnehmerinnen, die Professionsverteilung und die Geschlechterverteilung in den Gruppen.

Die Gesundheits- und Krankenpflegeschülerinnen der ersten drei Gruppen stellten einen Klassenverbund dar. Um eine aufwendige Organisation mit Dienstabsprachen im praktischen Einsatz zu erleichtern, wurde das Seminar im ersten Erhebungsjahr im regulären Unterricht durchgeführt. Die Gruppen 1 und 2 arbeiteten interprofessionell, die Gruppe 3 (ausschließlich Gesundheits- und Krankenpflegeschülerinnen) stellte die Kontrollgruppe dar. Die Durchführung der Seminare für die Gruppen 1, 2 und 3 erfolgte parallel. Im Laufe der Durchführung der Seminare beanstandeten die Gesundheits- und Krankenpflegeschülerinnen ihre Verpflichtung zu dem Seminar. Als Konsequenz daraus wurden die Daten in der Auswertung ausgeschlossen, da die Freiwilligkeit nicht gegeben war. Eine weitere Konsequenz war, dass die folgenden Seminare außerhalb der Unterrichtszeiten angeboten wurden.

Die Teilnahme für Medizinstudierende erfolgte auf freiwilliger Basis. Trotz aufwendiger Werbeaktionen, durch Mails, Aushängen, Vorstellungen in Vorlesungen und Empfehlungen konnte nur eine geringe Anzahl an Medizinstudierenden gewonnen werden. Die interprofessionell geplanten Gruppen 1 und 2 konnten aus diesem Grund nur mit jeweils einem Medizinstudierenden besetzt werden. Die Kontrollgruppe (Gruppe 4) bestand aus vier Medizinstudierenden. In erweiterten Werbeaktionen konnten weitere 15 Medizinstudierende (Gruppen 5-8) gewonnen werden.


Ergebnisse

In den Seminaren wurde den Lernenden die Möglichkeit geboten, durch Fallbesprechungen eine strukturierte Kommunikation und das Überbringen des Ergebnisses in Visitensimulationen zu üben. Durch die geringe Teilnahme der Medizinstudierenden in den ersten Gruppen und die Änderung von regulärem Unterricht zu freiwilliger Teilnahme der Gesundheits- und Krankenpflegeschülerinnen, konnte der geplante Vergleich der Gruppen nicht durchgeführt werden. Wie zuvor berichtet, wurden nur die Daten von Personen genutzt, die freiwillig an diesem Seminar teilnahmen. Die Ergebnisse beziehen sich auf Gesundheits- und Krankenpflegerinnen aus den Gruppen 5-8 und Medizinstudierende aus den Gruppen 1, 2, 4-8. Die geringe Teilnehmerzahl begrenzte die statistische Auswertbarkeit. Es werden daher ausschließlich deskriptive Daten berichtet, die wertvolle Hinweise für eine Verstetigung und Implementierung in die medizinischen und pflegerischen Curricula bieten. Die Datenauswertung erfolgte mit dem Statistikprogramm SPSS (Version 22).

Insgesamt nahmen 12 Gesundheits- und Krankenpflegeschülerinnen und zwei Gesundheits- und Krankenpflegeschüler teil, wovon ein Schüler das Seminar aus Arbeitsgründen nicht beenden konnte. Von den 22 teilnehmenden Medizinstudierenden waren 13 weiblich und neun männlich. Von den Lernenden, die das Seminar abschließen konnten, erfolgten die Rückmeldungen zu 100%. Das durchschnittliche Alter der Gesundheits- und Krankenpflegeschülerinnen lag bei 22,5 Jahren (Range 20-29 Jahre), das der Medizinstudierenden bei 28 Jahren (Range 21-45 Jahre).

Aus den Evaluationsbögen wurden die wichtigsten Bewertungen der Lernenden in den Tabelle 2 [Tab. 2] und Tabelle 3 [Tab. 3] zusammengefasst.

Es wird ersichtlich, dass die Lernenden sich zutrauten, interprofessionelle Fallbesprechungen zu leiten. Weiter haben die Lernenden erfahren, auf was sie bei interprofessioneller Kommunikation achten müssen (M=1.66) und nutzten die Möglichkeit, bei Lernenden aus der anderen Profession nachzufragen, um deren berufliche Sichtweise zu verstehen (M=1.60). Zudem konnten sich die Lernenden auf die Sichtweisen der anderen Berufsgruppe einlassen (M=1.57). Auch machten die Lernenden die Erfahrung in den Seminaren, dass die Argumentation der anderen Berufsgruppe zu einer Veränderung in ihrer Handlung führt und so zu einer verbesserten Patientenversorgung beitragen kann (M=1.54).

Die Bewertungen über die Akzeptanz durch die Lernenden sind in Tabelle 3 [Tab. 3] aufgeführt. Die Akzeptanz wird mit den Fragen ermittelt, ob die Lernenden das Seminar weiterempfehlen würden, Interesse an weiteren interprofessionellen Seminaren haben und ob die Fälle gelungen sind. Mit einer sehr positiven Bewertung von M=1.34 zeigte sich, dass die Teilnehmerinnen das Seminar ihren Kolleginnen in der Berufsfachschule bzw. im Studium weiterempfehlen würden. Auch das Interesse, öfter in interprofessionellen Seminaren zu lernen (M=1.63), ist sehr hoch. Die Fälle wurden als gelungen (M=1.86) bewertet.

Abschließend wurden die Lernenden gebeten, zu beschreiben, was ihnen am Seminar besonders gut gefallen habe bzw. was zu verbessern wäre. In Rückmeldungen auf dem Evaluationsbogen beschreiben die Lernenden den Einblick in die Sichtweise der anderen Profession als Mehrwert. Die Möglichkeit, sich auszutauschen und gemeinsam an Fällen zu arbeiten, wurde als ein sehr guter Ansatz für die Vorbereitung auf die Praxis erwähnt. Zudem wurde die positive Lernatmosphäre geschätzt. Als hilfreich wurde das strukturierte Arbeiten im Team genannt. Die Lernenden meldeten zurück, dass die Zeit des gemeinsamen Lernens angemessen war, um sich auf diese Weise zu einem Team entwickeln zu können. Zudem wurde das Feedback als hilfreich erlebt. Die Verbesserungsanregungen bezogen sich auf spätere Anfangszeiten für das Seminar und noch detailliertere Informationen in den Fällen.


Diskussion

Die erhaltenen Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Lernenden durch das Seminar ihre interprofessionelle Kommunikation subjektiv verbessern konnten. Einige Studien zeigen in ähnlicher Weise, dass gemeinsame Übungen dazu beitragen die interprofessionelle Kommunikation zu verbessern [14], [17], [18]. Zudem stellten die Lernenden bei sich eine Handlungsveränderung fest, die zu einer Optimierung der Patientenversorgung beiträgt, was ein wichtiges Ziel der interprofessionellen Zusammenarbeit darstellt [8]. Die Evaluation des Seminars ist ein erster Schritt, um die subjektive Erreichung der Lernziele und die Akzeptanz des Seminars zu erfassen. Da bisher geeignete Evaluationsinstrumente für interprofessionelle Ausbildung im deutschsprachigen Raum fehlen, wurde für das Seminar ein eigener Evaluationsbogen für die Lernenden entwickelt. In einem weiteren Schritt soll der Evaluationsbogen ggf. als Grundlage für die Entwicklung eines standardisierten validen Evaluationsinstruments dienen. Um detailliertere Erkenntnisse zu gewinnen, sind ergänzende Evaluationsmethoden (z.B. Interviews, Performanztest) erforderlich und werden für die nächste Projektphase eingeplant.

Im Folgenden werden die Herausforderungen und Änderungen in der Durchführung und die Ergebnisse des Pilotprojekts diskutiert.

Der zeitlich geplante Ablauf des Seminars stellte sich als angemessen heraus. Das Angebot, die Rolle der anderen Profession zu übernehmen, wurde nicht von allen Gruppen, bzw. Lernenden angenommen. Als Begründung führten die Lernenden auf, dass sie mit den Strukturen der Fallbesprechungen, den fachlich umfassenden Anforderungen des Falls und mit ihrer eigenen beruflichen Rolle hinreichend gefordert waren.

Herausfordernd und als sehr zeitaufwendig erwies sich die Akquise von Medizinstudierenden. Die Werbeaktionen stellten sich nur teilweise als erfolgreich heraus. Als besonders wertvoll erwies sich die persönliche Empfehlung und Unterstützung einer PJ-Beauftragten. Hinderlich für die Teilnahme am Seminar war der hohe Zeitaufwand von 16 Stunden. Eine zeitliche Reduzierung wurde nicht angedacht, da die Lernenden explizit den Mehrwert durch die gemeinsame Zeit für Übungen ausdrückten.

Die ursprüngliche Absicht, das Seminar für Gesundheits- und Krankenpflegeschülerinnen im regulären Unterricht durchzuführen, wurde nicht als Angebot, sondern als Verpflichtung wahrgenommen. Ein wichtiger Grund für den Unmut der Gesundheits- und Krankenpflegerinnen aus den ersten drei Gruppen war, dass ihre Erwartungshaltung, mit einer ausgeglichenen Anzahl an Medizinstudierenden zu lernen, nicht erfüllt wurde. Diese nicht erfüllte Erwartungshaltung trug zu der Entwicklung von gruppendynamischen Effekten bei, die bis zu einer Ablehnung des Seminars führten. Dadurch wurde deutlich, dass die Auswahl von Dozentinnen mit Unterrichtserfahrung ein wichtiger Aspekt ist, ebenso die intensive Vorbereitung [13]. Bisher werden für Lehrende keine Fortbildungsangebote für interprofessionelle Unterrichtssituationen angeboten.

Ein wichtiges Ergebnis aus der Durchführung der Seminare als Pilotprojekt ist die Notwendigkeit der freiwilligen Teilnahme an den interprofessionellen Seminaren. Freeth und Kollegen [13] betonen die Freiwilligkeit als einen wichtigen Motivationsfaktor für die Lernenden, was sich in den Durchführungen der Seminare auf freiwilliger Basis bestätigte und sich in den Bewertungen widerspiegelte. Eine freiwillige Anmeldung zu einem Seminar, das zum Ziel hat, die interprofessionelle Kommunikation zu fördern, weist auf ein vorbestehendes Interesse an der anderen Profession hin.

Damit die Förderung der interprofessionellen Kommunikation einen festen Platz in den Ausbildungen erhält, sollte das Seminar als Wahlmöglichkeit in die Curricula von Medizin und Pflege implementiert werden. Regelmäßige und wiederkehrende Angebote der Seminare unterstreichen die Wichtigkeit der interprofessionellen Kommunikation in der Patientenversorgung. Wenn weitere positive Lernerfolge nachgewiesen werden können, sollte in einem weiteren Schritt allen Lernenden die Möglichkeit zur interprofessionellen Ausbildung gegeben werden.


Schlussfolgerungen

Gesundheits- und Krankenpflegeschülerinnen und Medizinstudierende erlebten durch die Übungen im Seminar eine Verbesserung der interprofessionellen Kommunikation, die eine Verbesserung der Patientenversorgung ermöglicht.

Das Format und der strukturierte Ablauf des Seminars haben sich bewährt. In der Durchführung des Seminars konnten positive Lerneffekte für Gesundheits- und Krankenpflegeschülerinnen und Medizinstudierende, die freiwillig an den Seminaren teilnahmen, aufgezeigt werden. In einem weiteren Schritt ist bereits die Implementierung des Seminars in die Curricula von Pflege und Medizin in Planung, wobei auf eine ausgeglichene Anzahl an Teilnehmerinnen beider Professionen und auf freiwillige Teilnahme Wert gelegt wird. Umfassende Werbeaktionen sowohl an den Berufsfachschulen als auch an der medizinischen Fakultät sollen hierfür initiiert werden. Die Ausweitung des Kursangebotes auch auf weitere Professionen der Gesundheitsberufe ist angedacht.

Um eine qualitative hochwertige Durchführung von interprofessionellen Seminaren zu garantieren, wird geplant Schulungskonzepte für Dozentinnen anzubieten.

Aus Sicht der Lehrenden ist es wichtig, Effekte interprofessioneller Ausbildung zu verstehen, um letztendlich positive Lernsituationen zu ermöglichen. Beispielsweise ist offen, inwieweit eine Verbesserung der interprofessionellen Kommunikation auf die Anwendung der Fallbesprechungen nach vorgegebenen Strukturen zurückzuführen ist oder lediglich auf die Austauschmöglichkeit in einem gemeinsamen Lernsetting. Auch stellt sich die Frage, ob die Veränderungen in der Sichtweise und im Verhalten auf einem vorbestehenden Interesse an der anderen Berufsgruppe basiert oder durch die Erfahrung als Team zu arbeiten. Das vorgestellte Pilotprojekt bietet einen Ausgangspunkt mit dem Potential, auf weitere Fragestellungen in der interprofessionellen Ausbildung einzugehen.


Anmerkung

1 Zu Gunsten der einfacheren Lesbarkeit wird im Folgenden auf die gleichzeitige Nennung beider Geschlechter verzichtet und die weibliche Form verwendet. Gemeint und angesprochen sind jeweils beide Geschlechter in gleicher Form.


Förderung

Das Projekt wurde durch die Robert Bosch Stiftung unter dem Förderkennzeichen 32.5.1316.0004.0 unterstützt.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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