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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Der Lernzielkatalog Patientensicherheit für das Medizinstudium – Ein Positionspapier des Ausschusses für Patientensicherheit und Fehlermanagement der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung

Artikel Patientensicherheit

  • corresponding author Jan Kiesewetter - Klinium der Universität München, Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, München, Deutschland
  • author Johanna Gutmann - Technische Universität München, Klinikum Rechts der Isar, München, Deutschland
  • author Sabine Drossard - Klinium der Universität München, Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, München, Deutschland; Klinikum Augsburg, Kinderchirurgische Klinik, Augsburg, Deutschland
  • author David Gurrea Salas - Klinikum Nordschwarzwald, Calw, Deutschland
  • author Wolfgang Prodinger - Medizinische Universität Innsbruck, Sektion für Hygiene und medizinische Mikrobiologie, Innsbruck, Österreich
  • author Fiona Mc Dermott - Universitätsklinikum Bonn, Institut für Patientensicherheit, Bonn, Deutschland
  • author Bert Urban - Klinikum der Universität München, Institut für Notfallmedizin und Medizinmanagement (INM), München, Deutschland
  • author Sven Staender - Spital Männedorf, Institut für Anästhesie und Intensivmedizin, Männedorf, Schweiz
  • author Heiko Baschnegger - Klinikum der Universität München, Klinik für Anästhesiologie, München, Deutschland
  • author Gordon Hoffmann - Klinikum der Universität München, Klinik für Anästhesiologie, München, Deutschland
  • author Grit Hübsch - Technische Universität Dresden, Medizinische Fakultät, Medizinisches Interprofessionelles Trainingszentrum, Dresden, Deutschland
  • author Christoph Scholz - Universitätsklinikum Ulm, Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Ulm, Deutschland
  • author Anke Meier - Universität Hamburg, Hamburg, Deutschland
  • author Mirko Wegscheider - Universitätsklinikum Leipzig, Klinik für Neurologie, Leipzig, Deutschland
  • author Nicolas Hoffmann - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie, Hamburg, Deutschland
  • author Theda Ohlenbusch-Harke - Technische Universität Dresden, Medizinische Fakultät, Medizinisches Interprofessionelles Trainingszentrum, Dresden, Deutschland
  • author Stephanie Keil - Universität Regensburg, Fakultät für Medizin, Zentrum für Lehre, Regensburg, Deutschland
  • author Christian Schirlo - Universität Zürich, Medizinische Fakultät, Dekanat, Zürich, Schweiz
  • author Lisa Kühne-Eversmann - Universität München, Hormon- und Stoffwechselzentrum München, München, Deutschland
  • author Nicole Heitzmann - Klinium der Universität München, Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, München, Deutschland
  • author Alexandra Busemann - Universitätsmedizin Greifswald, Klinik und Poliklinik für Chirurgie, Greifswald, Deutschland
  • author Ansgar Koechel - Universitätsklinikum Heidelberg, Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik, Heidelberg, Deutschland
  • author Tanja Manser - Universitätsklinikum Bonn, Institut für Patientensicherheit, Bonn, Deutschland
  • author Lena Welbergen - Klinikum der Universität München, Kinderklinik und Kinderpoliklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital, München, Deutschland
  • author Isabel Kiesewetter - Klinikum der Universität München, Klinik für Anästhesiologie, München, Deutschland

GMS J Med Educ 2016;33(1):Doc10

doi: 10.3205/zma001009, urn:nbn:de:0183-zma0010095

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2016-33/zma001009.shtml

Eingereicht: 30. Oktober 2015
Überarbeitet: 12. Januar 2016
Angenommen: 12. Januar 2016
Veröffentlicht: 15. Februar 2016

© 2016 Kiesewetter et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Seit dem vom Institute of Medicine im Jahr 2000 veröffentlichten Bericht „To err is human“ rückten die Themen Patientensicherheit und Fehlermanagement zunehmend in den wissenschaftlichen und politischen Fokus. Obwohl sich dem Thema bereits international auf verschiedensten Ebenen angenähert wurde, fehlt bislang eine strukturierte und flächendeckende Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten in diesem Bereich.

Ziele: Mit dem im Folgenden beschriebenen Lernzielkatalog Patientensicherheit möchte der Ausschuss für Patientensicherheit und Fehlermanagement der Gesellschaft für medizinische Ausbildung (GMA) eine erste gemeinsame Grundlage für die Implementierung strukturierter Patientensicherheitscurricula zur Ausbildung der Medizinstudierenden an medizinischen Fakultäten im deutschsprachigen Raum schaffen.

Methoden: Die Erarbeitung des Lernzielkataloges erfolgte unter Beteiligung von 13 medizinischen Fakultäten im Rahmen von zwei Ausschusstreffen, zwei mehrtägigen Workshops und mit Hilfe von Beurteilungen durch externe fachliche Expertinnen und Experten.

Ergebnisse: Der vom Ausschuss für Patientensicherheit und Fehlermanagement der GMA entwickelte Lernzielkatalog Patientensicherheit für das Medizinstudium besteht aus den drei Kapiteln: Grundlagen, Erkennen von Ursachen als Basis für proaktives Handeln und Lösungsansätze. Die Lernziele innerhalb der Kapitel sind hierarchisch auf drei Ebenen organisiert. Insgesamt beinhaltet der Lernzielkatalog 38 Lernziele. Alle Lernziele wurden mit dem Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin referenziert.

Diskussion: Der vorliegende Lernzielkatalog ist ein Produkt der Zusammenarbeit von Vertretern aus immerhin 13 medizinischen Fakultäten. Er soll im deutschsprachigen Raum die Diskussion des Themas Patientensicherheit und Fehlermanagement im Fach Medizin und die Entwicklung entsprechender Ausbildungsstrukturen voranbringen. Zukünftig kann der Lernzielkatalog Patientensicherheit für das Medizinstudium als Grundlage dienen, um die konstruktive fachliche Auseinandersetzung mit dem Thema an den jeweiligen Fakultäten zu vertiefen und die Implementierung möglichst zahlreicher curricularer Strukturen anzustoßen.

Schlüsselwörter: Patientensicherheit, Lernzielkatalog, Medizinstudium


Einleitung

Seit dem im Jahr 2000 vom Institute of Medicine (IOM) veröffentlichten Bericht „To err is human“ und den darin enthaltenen Zahlen zum Ausmaß vermeidbarer Auswirkungen unerwünschter Behandlungsereignisse in der Medizin [1], rückten die Themen Patientensicherheit und Fehlermanagement in den wissenschaftlichen und politischen Fokus vieler Länder als auch zunehmend in das Bewusstsein der Öffentlichkeit. Auch in Deutschland ist die Anzahl der unerwünschten Behandlungsereignisse nicht unerheblich [2]. Wesentliche Aspekte der Patientensicherheit wurden in Deutschland 2013 im Patientenrechtegesetz erstmalig gebündelt und die Stellung der Patienten damit gestärkt, sowie insbesondere das Vorgehen nach möglichen Behandlungsfehlern für Betroffene rechtlich geregelt [http://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&jumpTo=bgbl113s0277.pdf zuletzt aufgerufen am 23.06.2015]. Dies ist seitens der Gesetzgeber ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, der die Problematik jedoch nicht ursächlich angeht. Trotz einzelner positiver Entwicklungen in verschiedenen Fachrichtungen und Bereichen - bspw. die Gründung des ersten universitären Instituts für Patientensicherheit in Deutschland, das sich explizit diesem Forschungsschwerpunkt widmet - hat somit bis heute mehr als 10 Jahre nach dem Bericht des IOM kein konsequentes Umdenken in der Medizin sattgefunden [3], [4].

Forderungen nach Integration des Themas ‚Patientensicherheit‘ in die medizinische Ausbildung bestehen schon seit längerer Zeit: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) beispielsweise veröffentliche 2010 einen Leitfaden zur Entwicklung medizinischer Curricula zum Thema Patientensicherheit („Patient safety curriculum guide“ [5]) und auch von Seiten der Europäischen Union wurden ähnliche Empfehlungen verabschiedet und explizit zum Thema der Ausbildung aller medizinischer Berufe gemacht [http://www.eu-patient.eu/globalassets/projects/eunetpas/guidelines_final_22-06-2010.pdf zuletzt aufgerufen am 23.06.2015]. Schon 2007 setzte die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften entsprechende Akzente, indem sie Empfehlungen zur Schulung in Patientensicherheit und Fehlerkultur in der medizinischen Aus- und Weiterbildung veröffentlichte [6]. Auf Ebene der Fachgesellschaften setzt sich beispielsweise die Europäische Gesellschaft für Anästhesiologie im Rahmen des European Patient Safety Course seit 2007 für eine gezielte Weiterbildung in Patientensicherheit ein [https://www.esahq.org/patient-safety/patient-safety/patient-safety-and-quality-committee zuletzt aufgerufen am 30.09.2015]. Auch in Deutschland sind mit der Gründung des Aktionsbündnisses Patientensicherheit (APS) im Jahr 2005 und insbesondere mit der Formulierung des an alle Gesundheitsberufe gerichteten Lernzielkataloges „Wege zur Patientensicherheit“ bereits Anstrengungen bezüglich der Integration des Themas in die jeweiligen Ausbildungsstrukturen unternommen worden [7].

An der Basis des Systems - in der Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten – fehlt es jedoch bislang an einer strukturierten und flächendeckenden Ausbildung; die Themen der Entstehung, Prävention und Bewältigung von unerwünschten Ereignissen werden hier bislang nur rudimentär behandelt. Dabei werden absehbar alle Ärztinnen und Ärzte im Laufe ihres Arbeitslebens mit unerwünschten Behandlungsereignissen konfrontiert werden, die auf der Grundlage von Fehlern, seien es persönlich zu verantwortende Fehler, Fehler bedingt durch die Zusammenarbeit im Team oder Fehler durch Systemversagen, entstanden sind.

Mit der Einführung des Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalogs Medizin (NKLM) [8] bietet sich die Chance, konkrete Schritte zu einer Integration dieses wichtigen Themenkomplexes in die Ausbildung angehender Ärztinnen und Ärzte einzuleiten. Aus Sicht des Ausschusses für Patientensicherheit und Fehlermanagement ist es das oberste Ziel entsprechender Ausbildungsstrukturen, den Nachwuchs für die Thematik zu sensibilisieren und ein adäquates Selbstverständnis der Rolle des Arztes hinsichtlich einer medizinischen Fehlerkultur zu verankern. Dieses berufliche Selbstverständnis sollte davon geprägt sein, auf Fehler nicht mit personenbezogener Schuldzuweisung zu reagieren („culture of blame“). Stattdessen sollten die Ärzte angeleitet werden, eine offene und konstruktive Kommunikationskultur und ein effektives Fehlermanagement zu praktizieren, die es ermöglicht, Fehler mit Patientinnen und Patienten und deren Angehörigen sowie im Team offen und wertneutral zu diskutieren, Fehlerketten zu analysieren und Präventionsmaßnahmen zu etablieren. Diesen Kulturwandel hin zu einer gelebten Sicherheitskultur („safety culture“) gilt es zu integrieren.

Ziele

Mit dem im Folgenden beschriebenen Lernzielkatalog Patientensicherheit für das Medizinstudium hat der Ausschuss für Patientensicherheit und Fehlermanagement der Gesellschaft für medizinische Ausbildung es sich zum Ziel gesetzt, eine erste gemeinsame Grundlage für die Implementierung strukturierter Curricula zur Ausbildung Medizinstudierender an medizinischen Fakultäten im deutschsprachigen Raum zu schaffen. Der Lernzielkatalog soll für die an der Umsetzung und Strukturierung der medizinischen Ausbildung Beteiligten leicht handhabbar sein und durch die Referenzierung mit dem NKLM das Thema Patientensicherheit synergetisch mit anderen Curriculumsinnovationen in Unterrichtseinheiten einbinden können.


Methoden

Der Grundstein für dieses Positionspapier wurde im Oktober 2013 auf der Jahrestagung der Gesellschaft für medizinische Ausbildung in Graz mit der Gründung des Ausschusses für Patientensicherheit und Fehlermanagement gelegt. 15 Mitglieder von 8 medizinischen Fakultäten stimmten sich über Ziel und Arbeitsweise ab. Im März 2014 fand das erste Arbeitsgruppentreffen in München statt.

Mit dem Ziel, auf einer evidenzbasierten Grundlage mögliche Lernziele für Medizinstudierende zu konzertieren wurde sich zunächst mit drei veröffentlichten Lernzielkatalogen zum Thema auseinandergesetzt [5], [9], [10]. Die Publikationen wurden ausführlich diskutiert und auf ihre Anwendbarkeit für curriculare Innovationen im deutschen Medizinstudium hin überprüft. Zudem wurde ein Beispiel einer Curriculums-Umsetzung aus der Schweiz exemplarisch vorgestellt [11][. Das zur Verfügung stehende Material bot eine sehr ausführliche, umfassende und multiprofessionelle Perspektive. Dem Bedarf nach einem möglichst konkreten Leitfaden für die deutschen medizinischen Fakultäten zur Etablierung entsprechender Curricula im Medizinstudium wurde jedoch gerade aufgrund dieser meist sehr umfassenden Herangehensweise keiner der genannten Artikel gerecht. Die bestehenden Lernzielkataloge wurden in dem folgenden Prozess somit als strukturelle und gedankliche Grundlage zur Entwicklung eines detaillierten und spezifischeren Lernzielkatalog Patientensicherheit für das Medizinstudium verwendet.

Um die curricularen Inhalte zu sondieren wurden in einem ersten Schritt übergeordnete Kategorien gebildet, teilweise angelehnt an die bestehenden Lernzielkataloge. Nach der Verabschiedung der inhaltlichen Schwerpunkte und Reihenfolge wurden in zwei Überarbeitungsrunden Lernziele formuliert, die den einzelnen Kategorien von curricularen Inhalten zugeordnet wurden. Die erste Überarbeitungsrunde fand innerhalb des Ausschusses statt. Für eine zweite Überarbeitungsrunde wurden alle Lernziele an insgesamt 16 fachliche Experten außerhalb des Ausschusses versandt, um einen Gruppenbias zu vermeiden. Die Überarbeitungsvorschläge der Experten wurden bei einem weiteren Treffen des Ausschusses im Frühjahr 2015 in München in den Lernzielkatalog integriert und die Formulierungen der Lernziele wurden vereinheitlicht. Schließlich erfolgte durch zwei Ausschussmitglieder (FM, WP) die Referenzierung der Lernziele mit dem Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin (NKLM).

Über die Zeit schlossen sich dem Ausschuss 11 weitere Mitglieder von 5 weiteren Fakultäten so, dass an der Finalisierung des Lernzielkataloges in der vorliegenden Form 26 Personen von 13 deutschsprachigen Fakultäten beteiligt waren.


Ergebnisse

Struktur

Der Lernzielkatalog Patientensicherheit ist in drei Kapitel unterteilt:

1.
Grundlagen (ca. 10-15%)
2.
Erkennen von Ursachen als Basis für proaktives Handeln (ca. 40%)
3.
Lösungsansätze (ca. 45-60%).

Die Prozentangaben sollen den Rahmen für den zeitlichen und inhaltlichen Anteil des jeweiligen Abschnittes am Gesamtcurriculum vorgeben.

Die Gliederung der einzelnen Kapitel erfolgte hierarchisch auf drei Ebenen. Ebene 1 beinhaltet dabei die Hauptkategorien bzw. -themen des jeweiligen Kapitels. Bei einigen Hauptthemen sind auf Ebene 2 weitere Unterthemen definiert. Auf Ebene 3 finden sich die verschlagworteten Inhalte des jeweiligen Lernzieles. Um kenntlich zu machen, was der Fokus der einzelnen Lernziele ist, wurde jedem Lernziel entweder die Art Wissen (38 Lernziele), die Art Haltung (15 Lernziele) oder/und die Art Fertigkeiten (15 Lernziele) zugeordnet.

Tab. 1 zeigt den vollständigen Lernzielkatalog Patientensicherheit für das Medizinstudium (siehe Anhang 1 [Anh. 1]).

Referenzierung mit dem Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin

Der Aufbau des Lernzielkataloges Patientensicherheit für das Medizinstudium wird um die drei Lernzielebenen des NKLM (Faktenwissen, Handlungs- und Begründungswissen, Handlungskompetenz) ergänzt. Das aus Sicht des Ausschusses passendste Lernziel wurde grün hinterlegt. Da die eineindeutige Zuordnung sich nicht als praktikabel erwies, wurden z.T. einzelne Lernziele des Lernzielkataloges Patientensicherheit für das Medizinstudium mit mehreren Lernzielen des NKLM referenziert. Genaue Passung der Lernziele wurde durch Unterstreichen der NKLM-Lernzielnummer in der Referenzierung kenntlich gemacht. Insgesamt konnten sieben der 38 Lernziele nicht referenziert werden, zwölf Lernziele verstehen sich ergänzend zu existierenden Lernzielen des NKLM. Diese nicht vollständige Passung ist nicht verwunderlich, da der Lernzielkatalog Patientensicherheit mit dem Ziel entwickelt wurde das Thema Patientensicherheit auf der Ebene des Medizinstudiums international anschlussfähig in deutschsprachige Medizinstudiengänge zu integrieren. Aus Platzgründen findet sich die Referenzierung mit dem Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin nicht direkt in diesem Artikel, sondern als Supplementärmaterial online (siehe Anhang 2 [Anh. 2].

Hinweise zum Umgang mit dem Lernzielkatalog Patientensicherheit für das Medizinstudium

Einige Hinweise mit dem hier veröffentlichen Lernzielkatalog Patientensicherheit für das Medizinstudium dargestellt werden. Ziel war die Erstellung eines Lernzielkataloges für Medizinstudierende. Der interprofessionelle Kontext wird bei der Umsetzung der Lernziele berücksichtigt. Jedoch ist der hier vorliegende Lernzielkatalog Patientensicherheit für das Medizinstudium nicht gleichermaßen für alle im Gesundheitswesen tätigen Professionen erstellt worden, sondern wurde, vor dem Hintergrund unserer Fachgesellschaft, für das bisher an den medizinischen Fakultäten etablierte Medizinstudium entwickelt. Der Lernzielkatalog beinhaltet Lernziele für alle Abschnitte des Medizinstudiums, nicht aber für die fachärztliche Weiterbildung. Die didaktische Umsetzung und die Zuordnung der Lehreinheiten zu einzelnen Fächern bleiben den einzelnen Fakultäten und Dozierenden überlassen.

Die Lernziele müssen nicht chronologisch gelehrt werden. Vielmehr dient die hier vorgeschlagene Reihenfolge der Orientierung, um möglichst zielgerichtet feststellen zu können, in welchen Fachdisziplinen einer Fakultät Lernziele schon ganz oder teilweise berücksichtigt werden. Auch bietet der Lernzielkatalog Patientensicherheit einen Überblick, welche Lernziele der Grundlagen möglicherweise noch erarbeitet werden müssen, bevor bestimmte fortgeschrittene Lernziele erfüllt werden können. Der Lernzielkatalog Patientensicherheit ist so erstellt worden, dass die Lernziele longitudinal im Medizinstudium eingebettet werden können. Ein Unterricht als Block- oder Einzelveranstaltung für wenige, ausgewählte Studierende erscheint uns nicht sinnvoll.

Die Themen Patientensicherheit und Fehlermanagement sind komplex und eine Einzelperson kann keinesfalls alleine alle Lernziele unterrichten. Die Curriculumsplaner an den einzelnen Fakultäten sollten für einzelne Teilgebiete Unterstützung von Expertinnen und Experten für die jeweiligen Lernziele einholen, um zu gewährleisen, dass Medizinstudierende die Lernziele tatsächlich erreichen können.


Diskussion

Ziel des Projektes war es grundlegende Empfehlungen für die Implementierung strukturierter Curricula zur Ausbildung Medizinstudierender an medizinischen Fakultäten im deutschsprachigen Raum zu schaffen. Es sollten die wesentlichen Lernziele zum Themen der Patientensicherheit definiert werden, die Medizinstudierende am Ende ihres Studiums erreicht haben sollen. Diese Empfehlung wurde im Rahmen von zwei Ausschusstreffen innerhalb der Jahrestagungen der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung, von zwei mehrtägigen Workshops des Ausschusses und mittels Review der Lernziele durch externe fachliche Expertinnen und Experten entwickelt. Entstanden ist der Lernzielkatalog Patientensicherheit in drei Kapiteln mit einer hierarchischen Organisation der Themen in drei Ebenen und insgesamt 38 Lernzielen.

Im Vergleich zu anderen Lernzielkatalogen zum Thema Patientensicherheit [5], [9], [10][ fällt auf, dass der hier vorgestellte Lernzielkatalog Patientensicherheit vergleichsweise wenig Lernziele beinhaltet. Dies mag Ausdruck dafür sein, dass der vorliegende Lernzielkatalog Patientensicherheit für das Medizinstudium unter der Vorgabe entwickelt wurde, einen handhabbaren und praxisnahen Lernzielkatalog für die Curriculumsplanung an den medizinischen Fakultäten zu erstellen. Dabei geht es im Wesentlichen darum Basiswissen und Basisfertigkeiten der angehenden Ärzte hinsichtlich Patientensicherheit abzubilden und nicht den einzelnen, an Patientensicherheit besonders stark interessierte Studierenden zu adressieren. Weiterhin ist der vorliegende Lernzielkatalog als erster Vorschlag einer gemeinsamen Grundlage für die Implementierung strukturierter Curricula zu verstehen und erhebt damit keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die im Lernzielkatalog enthaltenen Inhalte sind aus Sicht des Ausschusses die wichtigsten Lernziele zum Thema Patientensicherheit. Diese sollten substanzieller Bestandteil der Ausbildung von Medizinstudierenden sein.

Hinsichtlich der Umsetzung des Lernzielkataloges Patientensicherheit soll bewusst den Fakultäten die größtmögliche Freiheit gelassen werden. Dies ist auch vor dem Hintergrund der an vielen Fakultäten angestrebten Anpassung des Curriculums im Hinblick auf den gerade veröffentlichten NKLM zu sehen.

Die Zuordnung der Art der Lernziele (Wissen, Haltung, Fertigkeiten) war zum Teil nicht eindeutig. Es steht aber außer Frage, dass gerade Haltungen schwierig zu unterrichten sind und eine Überprüfung zwar möglich, jedoch nicht trivial ist [12]. Einstellungsänderungen bei Studierenden durch gut strukturierte Kurse stehen teilweise in der Praxis wenig reflektierte ärztliche Handlungsmuster und Normen entgegen. Daher ist, bei allem Enthusiasmus über die Einführung des Themas in medizinische Curricula, nicht mit einer schnellen Änderung von ungünstigen Einstellungen zum Thema Patientensicherheit im ärztlichen Alltag zu rechnen. Die hier beschriebenen Lernziele zielen jedoch auf einen Kompromiss zwischen wünschenswerter langfristiger Entwicklung hinsichtlich des ärztlichen Rollenverständnisses und einer Sicherheitskultur und der zeitnahen, praktischen Umsetzbarkeit in medizinischen Fakultäten unter curricularen und ökonomischen Sachzwängen ab.

Insbesondere die deutschsprachige aber auch die internationale Evidenz zur Umsetzung von Patientensicherheitscurricula und insbesondere deren Auswirkung auf Outcomeparameter ist noch gering. Beispielsweise ist aus der Arzt-Patient-Kommunikationsforschung bekannt, dass keine unmittelbare Verbindung zwischen verbesserter Kommunikation und Gesundheitsversorgungsparametern abgeleitet werden kann [13]. Empfehlungen zur Umsetzung dieser wenigen vorhandenen Evidenz für einzelne Themenbereiche existieren nur sehr bedingt [14]. Offen ist auch für viele Bereiche, wer mit welcher Qualifikation befähigt ist, die Lehrinhalte zu unterrichten.

Somit gilt es in den kommenden Jahren nicht nur eine flächendeckende und strukturierte Ausbildung aller Gesundheitsberufe zum Thema Patientensicherheit zu etablieren, sondern auch die entstehenden Strukturen kritisch zu begleiten und ihre Wirksamkeit zu evaluieren. Auch wenn der sich hier abzeichnende Forschungsbedarf für alle Beteiligten eine Herausforderung darstellt, wird es nur so möglich sein langfristig effektive und nachhaltige Strukturen zum Umgang mit Fehlern in der Medizin sowie für eine höchstmögliche Patientensicherheit zu schaffen.

Die vorliegende Veröffentlichung stellt einen praktikablen Lernzielkatalog als Produkt der Zusammenarbeit von Vertretern aus immerhin 13 medizinischen Fakultäten dar und soll damit die Diskussion des Themas im Fach Medizin im deutschen Sprachraum und die Entwicklung entsprechender Ausbildungsstrukturen voranbringen. Es wäre zu wünschen, dass der Lernzielkatalog Patientensicherheit für das Medizinstudium als Grundlage dient, um die konstruktive fachliche Auseinandersetzung mit dem Thema an den jeweiligen Fakultäten zu vertiefen und die Implementierung möglichst zahlreicher curricularer Strukturen anzustoßen.


Anmerkung

Das Positionspapier wurde dem GMA-Vorstand vorgelegt und von diesem am 25.01.2016 verabschiedet.


Danksagung

Die Autoren bedanken sich für die finanzielle Unterstützung der Ausschusstreffen durch die Gesellschaft für Medizinische Ausbildung zur Vorbereitung dieses Manuskripts. Weiterhin sind die Autoren den Expertinnen und Experten dankbar für die kritischen Rückmeldungen zu einzelnen Lernzielen des Lernzielkataloges Patientensicherheit für das Medizinstudium.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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