gms | German Medical Science

GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Tutorengeleitete Stresspräventions-Seminare für Medizinstudierende im ersten Studienjahr – ein Projektbericht

Artikel Studentische Stressprävention

  • author Till Johannes Bugaj - Universitätsklinikum Heidelberg, Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik, Zentrum für Psychosoziale Medizin, Heidelberg, Deutschland
  • author Christine Mücksch - Universitätsklinikum Heidelberg, Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik, Zentrum für Psychosoziale Medizin, Heidelberg, Deutschland
  • author Carolin Schmid - Universitätsklinikum Heidelberg, Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik, Zentrum für Psychosoziale Medizin, Heidelberg, Deutschland
  • author Florian Junne - Universitätsklinikum Tübingen, Abteilung Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Tübingen, Deutschland
  • author Rebecca Erschens - Universitätsklinikum Tübingen, Abteilung Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Tübingen, Deutschland
  • author Wolfgang Herzog - Universitätsklinikum Heidelberg, Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik, Zentrum für Psychosoziale Medizin, Heidelberg, Deutschland
  • corresponding author Christoph Nikendei - Universitätsklinikum Heidelberg, Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik, Zentrum für Psychosoziale Medizin, Heidelberg, Deutschland

GMS J Med Educ 2016;33(1):Doc3

doi: 10.3205/zma001002, urn:nbn:de:0183-zma0010021

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2016-33/zma001002.shtml

Eingereicht: 21. Mai 2015
Überarbeitet: 17. November 2015
Angenommen: 25. November 2015
Veröffentlicht: 15. Februar 2016

© 2016 Bugaj et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Einleitung: Ab dem ersten Studienjahr kommt es bei Medizinstudierenden zu einer kontinuierlichen Zunahme von psychischen Belastungen und folglich einer - gegenüber der vergleichbaren Bevölkerungsstichprobe - erhöhten Burnout-Prävalenz. Das Prinzip des peer-assisted learning (PAL) zeichnet sich durch „Lernen auf Augenhöhe“ aus und findet breite Anwendung im Studium der Humanmedizin. Ziel des vorliegenden Projektberichts ist die Vorstellung freiwilliger tutorengeleiteter Stresspräventions-Seminare für das erste Semester Humanmedizin sowie die Darstellung der Akzeptanzdaten nach einem Jahr der Durchführung.

Projektbeschreibung: Die dargestellten Seminare fanden im Zeitraum von November 2013 bis Januar 2014 sowie von November 2014 bis Dezember 2014 in Kleingruppen (6-10 Studierende) an jeweils drei Terminen à 90 min. an der Medizinischen Fakultät Heidelberg statt. Die Leitung der Seminare übernahmen geschulte studentische Tutoren/innen. Die Inhalte der Seminare reichten von psychoedukativen Elementen; über das Erarbeiten von konkreten Strategien zum persönlichen Zeitmanagement und Hilfestellungen bei Prüfungsangst; bis hin zur Anwendung von Entspannungsverfahren. Sämtliche Seminarabende wurden per Fragebogen evaluiert. Dabei wurden die Fragen jeweils auf einer Likert-Skala von 1 bis 7 (1=stimme voll zu; 7=stimme gar nicht zu) beantwortet.

Ergebnisse: Es nahmen 75 Studierende an den freiwilligen Seminaren teil. 65% der Teilnehmer/innen waren weiblich. Das Durchschnittsalter lag bei 20,5 (SD±3,3) Jahren. Die Seminarreihe wurde im Durchschnitt mit der Schulnote 1,2 (SD±0,4) im WS 2013/14 und 1,5 (SD±0,5) im Folgejahr bewertet. Dabei wurde die Kompetenz der studentischen Tutoren als sehr hoch eingestuft (Zustimmungen von 1,4 – 1,5 auf der Likert-Skala).

Diskussion: Die sehr guten Bewertungen der Seminarabende unterstreichen die Bedeutung für die Studierenden, die gerade in der Schwellenphase des Studienbeginns von diesem Angebot zu profitieren scheinen. Neben dem frühen Zeitpunkt der Präventionsmaßnahme scheint sich vor allem die Entscheidung für tutoriell geleitete Seminare bewährt zu haben.

Schlussfolgerung: PAL scheint sich auch für den Bereich der Stressprävention zu bewähren – allerdings existieren bisher keine spezifischen Wirksamkeitsstudien.

Schlüsselwörter: Stress, psychosoziale Belastung, Medizinstudium, Prävention


Einleitung

Die teils erheblichen psychosozialen Belastungen im Arztberuf führen neben einer nachhaltigen Beeinträchtigung der Lebensqualität bei den betroffenen Ärzten auch zu einer Beeinträchtigung der ärztlichen Versorgung ihrer Patienten [1]. Eine - gegenüber der vergleichbaren Bevölkerungsstichprobe - erhöhte Burnout-Prävalenz liegt jedoch nicht nur bei Ärzten, sondern bereits bei Medizinstudierenden vor [2]. Dabei kommt es ab dem ersten Studienjahr zu einer kontinuierlichen Zunahme von psychischen Belastungen und zu einer gleichzeitigen Abnahme des Gesundheitsbewusstseins [3], [4]. Im Praktischen Jahr (PJ), welches das Studium abschließt, zeigen schließlich 20% der Studierenden auffällige Werte im MBI (Maslach Burnout Inventory) im Sinne einer bereits vorhandenen relevanten Burnout-Gefährdung [5], welche laut Maslach et al. mit einer emotionalen Erschöpfung, einer zunehmenden Depersonalisierung sowie dem Gefühl einer reduzierten Leistungsfähigkeit einhergeht [6]. Dabei verstehen Maslach et al. unter emotionaler Erschöpfung, dass der Kontakt zu anderen als emotional überfordernd erlebt wird und Betroffene scheinbar die Fähigkeit zur Regeneration verloren haben. Depersonalisierung meint eine zynische und erschreckend gleichgültige Reaktionsweise, etwa im direkten Patientenkontakt – daher wird diese Dimension der Diagnosekriterien nach Maslach et al. auch häufig als „Zynismus“ bezeichnet. Das Gefühl der reduzierten Leistungsfähigkeit bezieht sich auf die Neigung, sich in der eigenen Tätigkeit als nicht ausreichend kompetent und/oder effektiv zu erleben [7]. Als ursächliche Belastungsquellen werden dabei vor allem die hohen Leistungsanforderungen sowie die enorme Arbeitsbelastung diskutiert. Erst in den letzten Jahren wurden die vielfachen psychosozialen Belastungen von Medizinstudierenden zunehmend thematisiert und von zahlreichen Medizinischen Fakultäten verantwortungsvoll aufgegriffen. Dabei wünschen sich die Studierenden explizit spezifische Interventionen zur Prävention psychosozialer Erkrankungen [8] und schon das bloße Erleben auf Seiten der Studierenden, dass die Universität sich gegen die studentische Stressbelastung engagiert, reduziert die Zahl depressiver Tage sowie die Häufigkeit von Suizidgedanken der Studierenden [9]. Des Weiteren ist bekannt, dass eine universitäre Umgebung, die die Wahrnehmung für Burnout und emotionale Probleme fördert, zur Stressreduktion beiträgt [10]. Mehrere Arbeiten haben die Effekte von Entspannungsverfahren auf das Stressniveau Medizinstudierender untersucht und konnten beispielsweise einen Einfluss auf psychische Symptome (z.B. Depressivität), den empfundenen Stresslevel und kognitive Parameter nachweisen [11], [12], [13]. Allerdings existieren nach unserem Wissen bisher keine Berichte über tutorengeleitete Stresspräventions-Seminare für Medizinstudierende, die sich inhaltlich von bloßen Mentoringkonzepten unterscheiden.

Das Prinzip des peer-assisted learning (PAL), welches in den dargestellten tutorengeleiteten Seminaren zur Anwendung kommt, ermöglicht durch den Einsatz von studentischen Tutoren ein „Lernen auf Augenhöhe“ [14], [15]. Bei den studentischen Lernenden wird durch das PAL nachweislich je nach Fokus der Interventionen die kognitive, psychomotorische und affektive Entwicklung unterstützt, was wiederum zu einem Zuwachs in den Bereichen Selbstbewusstsein, Autonomie, Clinical Reasoning (klinisches Denken), Selbstevaluation und Zusammenarbeit mit Gleichgesinnten führt [16]. Die Vorteile für die studentischen Tutoren selbst sind in der Weiterentwicklung der eigenen Kenntnisse, Fähigkeiten und Haltungen zu sehen, so dass sie nahezu beiläufig selbst zu besseren Lernenden werden und sich bereits im Studium wichtige Fertigkeiten für die spätere Tätigkeit als Dozenten aneignen [17]. Diese Effekte wurden häufig auf die sogenannte soziale und kognitive Kongruenz zwischen studentischen Tutoren und Studierenden zurückgeführt [18], [19]. Das Konstrukt der sozialen Kongruenz bedeutet, dass studentische Tutoren und Studierende gerade aufgrund ihrer ähnlichen sozialen Rollen informell und auf besonders empathische Art miteinander kommunizieren können [20]. Darüber hinaus verfügen die studentischen Tutoren und die Studierenden über eine ähnliche Wissensbasis und vergleichbare Lernerfahrungen, was als kognitive Kongruenz bezeichnet wird. Dementsprechend sprechen beide die gleiche „Sprache”, so dass Erklärungen auf einem geeigneten Niveau erfolgen [15]. Die alarmierenden Daten zur Stressbelastung des medizinischen Nachwuchses sowie die oben dargestellte Datenlage zur Effektivität von Stressbewältigungsprogrammen einerseits, und dem pädagogischen Konzept des PAL andererseits, waren Ausgangspunkt zur Entwicklung tutorengeleiteter Stresspräventions-Seminare für das erste Semester des Studiengangs Humanmedizin am Standort Heidelberg. Ziel des vorliegenden Projektberichts ist

1.
die Vorstellung des Seminarkonzeptes sowie
2.
eine Darstellung der Akzeptanz nach einem Jahr der Durchführung,

unter der Annahme, dass diese – insbesondere wegen des Einsatzes von PAL-Tutoren/innen – hoch ist und PAL-Tutoren/innen zur Vermittlung der themenspezifischen Inhalte gut geeignet sind.


Projektbeschreibung

Stichprobe

Allen Medizinstudierenden, die im Wintersemester 2013 und 2014 ihr Studium der Humanmedizin an der Medizinischen Fakultät Heidelberg aufnahmen (WS 2013: n=321/WS 2014: n=338), wurde die Teilnahme an den Stresspräventions-Seminaren angeboten.

Zeitliche und methodische Umsetzung

Die Stresspräventions-Seminare fanden im Zeitraum November 2013 bis Januar 2014 und für den folgenden Jahrgang im Zeitraum November bis Dezember 2014 in Kleingruppen (6-10 Studierende) an jeweils drei Abendterminen à 90 min. statt. Die Leitung der Seminare übernahmen trainierte studentische Tutoren/innen. Sämtliche studentische Tutoren/innen verfügten zum Zeitpunkt des Lehreinsatzes bereits über profunde praktische Lehrerfahrung, z.B. als Aalplus- (Anatomie am Lebenden plus: Anamnese und Körperliche Untersuchung) [21] oder Skills-Lab-Tutoenr/innen, wurden aber in beiden Jahren der Durchführung vom Erstautoren des vorliegenden Projektberichts intensiv auf den Tutoreneinsatz vorbereitet. So erfolgte 2013 und 2014 in den Wochen vor dem Seminarbeginn eine Schulung, im Rahmen derer die Tutoren/innen selbst als Teilnehmer die Seminarreihe in „Echtzeit“ erleben konnten, um im Anschluss an jeden der Termine weitere theoretische Hintergründe und/oder fachdidaktische Fragen zu erläutern. Den studentischen Tutoren/innen wurde neben den festgeschriebenen, standardisierten Lehrinhalten auch individueller Gestaltungsspielraum gelassen; so wurden die Studierenden beispielsweise dazu aufgefordert, nach eigenem Ermessen persönliche Erfahrungen mit der Bewältigung des mitunter fordernden Studienalltags in die Seminare einzubringen.

Jeder Seminartermin beinhaltete die Vermittlung von Grundlagenwissen zu verschiedenen Aspekten von Stress, Stressverarbeitung und Zeitmanagement, sowie Diskussionen und Kleingruppenarbeiten der Studierenden, um eine vertiefte Verarbeitung der Seminarinhalte zu begünstigen [22]. Es sollte eine Atmosphäre geschaffen werden, die es den Studierenden ermöglicht, in einem sicheren Rahmen über eventuelle Stressoren zu sprechen und Anregungen und Unterstützung durch ihre Kommilitonen zu erfahren. Die Lernziele der Heidelberger Anti-Stressseminare werden in der Tabelle 1 [Tab. 1] zusammengefasst und die dazugehörigen Taxonomiestufen nach Bloom [23] benannt. Die konkreten Inhalte der einzelnen Seminartage sind Tabelle 2 [Tab. 2] zu entnehmen.

Evaluation der Seminare

Jeder einzelne Seminarabend wurde durch die Teilnehmenden per Fragebogen evaluiert. Dieser enthielt sechs wiederkehrende Items mit allgemeinen Fragen (siehe Tabelle 3 [Tab. 3], „Allgemeine Bewertung“), die sich an allen Seminarabenden wiederholten und die Studierenden zur allgemeinen Zufriedenheit mit dem besuchten Seminar, den Rahmenbedingungen und den eingesetzten Tutoren/innen befragten. sowie zusätzlich je Seminarabend weitere 3-6 Items, die auf spezifische Lerninhalte des jeweiligen Tages eingingen. Die Fragen wurden auf einer Likert-Skala von 1 bis 7 (1=stimme voll zu; 7=stimme gar nicht zu) beantwortet. Außerdem konnten die Studierenden jeden einzelnen Seminartag mit einer globalen Schulnote bewerten.


Ergebnisse

Stichprobenbeschreibung

Aus einer Grundgesamtheit von insgesamt 659 Studierenden (Jahr 1: n= 321/Jahr 2: n= 338) nahmen an den angebotenen Seminaren insgesamt 75 Studierende teil. Dies entspricht einer Anzahl von 39 Teilnehmern/innen im ersten Jahr der Durchführung und 36 Teilnehmern/innen im Folgejahr. 65% der Teilnehmer/innen waren weiblich. Das Durchschnittsalter lag bei 20,5 (±3,3) Jahren.

Beschreibung der studentischen Tutoren/innen

Im Jahr 2013 kamen insgesamt fünf Tutorinnen aus dem dritten bis fünften Studienjahr zum Einsatz (Durchschnittsalter: 25,0±2,3 Jahre). Im Folgejahr (2014) betätigten sich drei der fünf Studentinnen erneut als Tutorinnen, ergänzt um zwei männliche Tutoren aus dem 4.-5. Studienjahr (Durchschnittsalter der Tutoren/innen im Jahr 2014: 26,8±2,6 Jahre).

Evaluationsergebnisse

In Tabelle 3 [Tab. 3] werden die Daten zur allgemeinen und spezifischen Seminarevaluation dargestellt.

Das Stresspräventionsprogramm für Studierende des ersten Semesters Humanmedizin wurde von bisher n=75 Teilnehmern äußerst positiv beurteilt. Die Seminarreihe wurde im Durchschnitt mit der Schulnote 1,2 (SD±0,4) im WS 2013/14 und 1,5 (SD±0,5) im Folgejahr bewertet. Dabei wurde die Kompetenz der studentischen Tutoren als sehr hoch eingestuft (Zustimmungen von 1,4-1,5 auf der Likert-Skala).


Diskussion

Die Heidelberger Stresspräventions-Seminare wurden im WS 2013/14 als freiwilliges Zusatzseminar für die Studierenden des ersten Semesters Humanmedizin eingeführt und sind seither im Heidelberger Curriculum (HeiCuMed) verankert. Die sehr guten Bewertungen der Seminarabende und die persönlichen Rückmeldungen unterstreichen den Stellenwert, den diese Seminare an der medizinischen Fakultät haben. Ein derartiges Stresspräventions-Programm ist nach unserem Erachten gerade in der Einstiegsphase des Studiums sinnvoll und hilfreich, da der Studienbeginn als herausfordernde Schwellensituation verstanden werden kann, welche für die Studierenden der Schritt in ein selbständiges Leben bedeutet. Gerade in dieser Phase der Abnabelung vom Gewohnten – bei gleichzeitiger Überforderung und Orientierungslosigkeit durch das neue „System“ – können überhöhte Selbstansprüche und Versagensängste auftreten. Eine primärpräventive Maßnahme zu so einem frühen Zeitpunkt bietet potentiell die Möglichkeit, der Entwicklung einer emotionalen Erschöpfung oder eines Zynismus frühzeitig entgegenzuwirken, wie bereits von Yusoff vorgeschlagen [24], wenngleich beweisende Daten hierfür bisher fehlen. Neben dem frühen Zeitpunkt der Präventionsmaßnahme scheint sich vor allem die Entscheidung für tutoriell geleitete Seminare bewährt zu haben, was unsere Annahme stützt, dass PAL auch in vermeintlich „sensibleren“ Bereichen wie der Stressprävention eingesetzt werden kann, welche möglicherweise eine besonders hohe Interaktivität und Spontanität seitens der Tutoren/innen verlangt. So wurde in den Evaluationen gerade die Kompetenz der studentischen Tutoren hervorgehoben. Es scheint als profitierten die Studierenden bei einem Angebot zur Stressbewältigung, bei dem es natürlich auch (und vor allem) um die Bewältigung der unmittelbaren akademischen Anforderungen geht, vom direkten Umgang mit Tutoren/innen, die die Hürden des Medizinstudiums selbst erst kürzlich überwunden haben. So erfuhr auch die Frage nach den Tutoren/innen als mögliche Rollenvorbilder einen relativ hohen Zuspruch (vgl. auch [25]). Diese Beobachtung entspricht den Konstrukten der sozialen und kognitiven Kongruenz zwischen studentischen Tutoren und Studierenden [19], [20]. Da es sich hierbei nach unserem Wissen um die erste Beschreibung von PAL im Bereich der Stressprävention an einer medizinischen Fakultät handelt, erscheint uns die Frage der Umsetzbarkeit für studentische Tutoren/innen sehr relevant – schließlich könnte ein komplexes Thema wie die Stressbewältigung auch eine Überforderung für die jungen Lehrenden darstellen. Trotz „Pioniercharakter“ sprechen unsere Erfahrungen nach den ersten zwei Durchgängen der Stresspräventions-Seminare für eine gute Umsetzbarkeit des Vorhabens. Dabei darf natürlich nicht außer Acht gelassen werden, dass es sich bei den von uns eingesetzten Tutoren/innen zwar um völlige Novizen auf dem Gebiet der Stressbewältigung handelte, sämtliche Tutoren/innen aber über Lehrerfahrung im Vorfeld verfügten. Es erscheint uns daher gerade bei einem zunächst ungewohnten Thema essenziell, dass die eingesetzten studentischen Tutoren/innen keine zusätzlichen „Berührungsängste“ mit der studentischen Lehre selbst haben, was nur durch ein fokussiertes und wiederholtes Training des Tutorenpools gewährleistet werden kann [26]. Entsprechend äußerten die eingesetzten Tutoren/innen eine einheitlich hohe Zufriedenheit nach Durchführung der Seminare, was sich auch darin wiederspiegelt, dass drei der fünf Tutorinnen aus dem Jahr 2013 im Folgejahr erneut als Tutorinnen eingesetzt wurden. Bei der Bewertung der einzelnen Seminarbestandteile fällt auf, dass die Achtsamkeitsübungen (MBSR) unter den Entspannungsverfahren als am besten in den Alltag integrierbar erlebt wurden, wohingegen das imaginative Verfahren der Traumreise als am wenigsten gut integrierbar erlebt wurde. Die Anleitungen zu den Übungen durch die studentischen Tutoren/innen wurden als gut bis sehr gut eingeschätzt. Auch die Einheit zu den Stressbewältigungsstrategien wurde von den Teilnehmern/innen als besonders hilfreich erlebt. Bei aller Sinnhaftigkeit von Seminaren zur Stressbewältigung im Studium der Humanmedizin darf nicht unerwähnt bleiben, dass psychosozialen Themen, beispielsweise dem Umgang mit studienspezifischen Stressoren, im Rahmen der Hochschullehre ohnehin eine größere Bedeutung eingeräumt werden sollte, um die Wirkung dieser additiven Maßnahmen zu potenzieren. Nur eine Enttabuisierung von psychischen Beschwerden bei Betroffenen wird langfristig zum Ziel einer besseren Gesundheit der Medizinstudierenden führen [27]. Selbstverständlich sind für eine nachhaltige Reduktion der (teilweise systemeigenen) Belastungsfaktoren auch inhaltliche und strukturelle Veränderungen des Studiums notwendig. So stellen Modifikationen des Medizinstudiums, beispielsweise eine „Verschlankung“ der Lehrpläne und eine konsekutive Reduktion der Stoffmenge bei gleichzeitigem Mehreinsatz problemorientierter Lehre, einen wesentlichen verhältnispräventiven Eckpfeiler auf dem Weg zur dauerhaften Erhöhung der studentischen Lebensqualität dar [28], [29]. Dabei sollte stets versucht werden, den Studierenden mehr Freiräume in der Gestaltung des eigenen Studiums zu ermöglichen [30], zumal das universitäre Umfeld und eine Reduktion des Drucks im Studium nachweislich zur Verringerung gesundheitlicher Beschwerden beitragen können [31], [32], [29].


Schlussfolgerung

Das Konzept des PAL scheint sich für den Bereich der Stressprävention zu eignen – dementsprechend gut wurden das Seminar und die ausführenden Tutoren/innen von den studentischen Teilnehmern/innen bewertet. Ob sich dieses Konzept langfristig bewährt, hängt sicherlich auch davon ab, ob ein nachhaltiger Seminareffekt erzielt werden kann. Hierzu sollten spezifische Wirksamkeitsstudien folgen.


Ethik

Das Forschungsprojekt wurde von der Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg befürwortet (Ethikantrag Nr. S-396/2013)


Förderung

Die Studie wurde gefördert durch das Ministerium für Wissenschaft und Kunst Baden-Württemberg im Rahmen des „Kompetenzzentrums zur Prävention psychischer und psychosomatischer Störungen in der Arbeits- und Ausbildungswelt”.


Danksagung

Wir bedanken uns bei Anna Cranz für das hervorragende Korrekturlesen.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
Prins JT, van der Heijden FM, Hoekstra-Weebers JE, Bakker AB, van de Wiel HB, Jacobs B, Gazendam-Donofrio SM. Burnout, engagement and resident physicians' self-reported errors. Psychol Health Med. 2009;14(6):654-666. DOI: 10.1080/13548500903311554 Externer Link
2.
Dyrbye LN, West CP, Satele D, Boone S, Tan L, Sloan J, Shanafelt TD. Burnout among U.S. medical students, residents, and early career physicians relative to the general U.S. population. Acad Med. 2014;89(3):443-451. DOI: 10.1097/ACM.0000000000000134 Externer Link
3.
Voltmer E, Rosta J, Aasland OG, Spahn C. Study-related health and behavior patterns of medical students: A longitudinal study. Med Teach. 2010;32(10):e422-428. DOI: 10.3109/0142159X.2010.496008 Externer Link
4.
Scholz M, Neumann C, Steinmann C, Hammer CM, Schroder A, Essel N, Paulsen F, Burger PH. Development and correlation of work-related behavior and experience patterns, burnout and quality of life in medical students from their freshmanship to the first state examination. Psychother Psychosom Med Psychol. 2015;65(3-4):93-98.
5.
Koehl-Hackert N, Schultz JH, Nikendei C, Möltner A, Gedrose B, van den Bussche H, Jünger J. Burdened into the job -- final-year students' empathy and burnout. Z Evid Fortbild Qual Gesundheitswes. 2012;106(2):116-124. DOI: 10.1016/j.zefq.2012.02.020 Externer Link
6.
Maslach C, Jackson SE. Maslach burnout inventory. Manual. 2. ed. Palo Alto (CA): Consulting Psychologists Press;1986.
7.
Maslach C. Die Wahrheit über Burn-out. Stress am Arbeitsplatz und was Sie dagegen tun können. Wien: Springer; 2013.
8.
Aster-Schenck IU, Schuler M, Fischer MR, Neuderth S. Psychosocial resources and burnout risk factors in medical school: a cross-sectional study and analyses of need for preventive curricular interventions. . GMS Z Med Ausbild. 2010;27(4):Doc61. DOI: 10.3205/zma000698 Externer Link
9.
Goebert D, Thompson D, Takeshita J, Beach C, Bryson P, Ephgrave K, Kent A, Kunkel M, Schechter J, Tate J. Depressive symptoms in medical students and residents: a multischool study. Acad Med. 2009;84(2):236-241. DOI: 10.1097/ACM.0b013e31819391bb Externer Link
10.
Daly MG, Willcock SM. Examining stress and responses to stress in medical students and new medical graduates. Med J Austr. 2002;177 Suppl:S14-15.
11.
Simard AA, Henry M. Impact of a short yoga intervention on medical students' health: a pilot study. Med Teach. 2009;31(10):950-952. DOI: 10.3109/01421590902874063 Externer Link
12.
Erogul M, Singer G, McIntyre T, Stefanov DG. Abridged mindfulness intervention to support wellness in first-year medical students. Teach Learn Med. 2014;26(4):350-356. DOI: 10.1080/10401334.2014.945025 Externer Link
13.
Wild K, Scholz M, Ropohl A, Brauer L, Paulsen F, Burger PH. Strategies against burnout and anxiety in medical education--implementation and evaluation of a new course on relaxation techniques (Relacs) for medical students. PloS one. 2014;9(12):e114967. DOI: 10.1371/journal.pone.0114967 Externer Link
14.
Soriano RP, Blatt B, Coplit L, CichoskiKelly E, Kosowicz L, Newman L, Pasquale SJ, Pretorius R, Rosen JM, Saks NS, Greenberg L. Teaching medical students how to teach: a national survey of students-as-teachers programs in U.S. medical schools. Acad Med. 2010;85(11):1725-1731. DOI: 10.1097/ACM.0b013e3181f53273 Externer Link
15.
Yu TC, Wilson NC, Singh PP, Lemanu DP, Hawken SJ, Hill AG. Medical students-as-teachers: a systematic review of peer-assisted teaching during medical school. Adv Med Educ Pract. 2011;2:157-72.
16.
Secomb J. A systematic review of peer teaching and learning in clinical education. J Clin Nurs. 2008;17(6):703-716. DOI: 10.1111/j.1365-2702.2007.01954.x Externer Link
17.
Dandavino M, Snell L, Wiseman J. Why medical students should learn how to teach. Med Teach. 2007;29(6):558-565. DOI: 10.1080/01421590701477449 Externer Link
18.
Ten Cate O, Durning S. Dimensions and psychology of peer teaching in medical education. Med Teach. 2007;29(6):546-552. DOI: 10.1080/01421590701583816 Externer Link
19.
Lockspeiser TM, O'Sullivan P, Teherani A, Muller J. Understanding the experience of being taught by peers: the value of social and cognitive congruence. Adv Health Sci Educ Theory Pract. 2008;13(3):361-372. DOI: 10.1007/s10459-006-9049-8 Externer Link
20.
Schmidt HG, Moust JH. What makes a tutor effective? A structural-equations modeling approach to learning in problem-based curricula. Acad Med. 1995;70(8):708-714. DOI: 10.1097/00001888-199508000-00015 Externer Link
21.
Ledig T, Eicher C, Engeser P. AaLplus – History Taking and Physical Examination – a Course for Preclinical Medical Students. Z Allg Med. 2014;90:76-80
22.
Kadmon M, Strittmatter-Haubold V, Greifeneder R, Ehlail F, Lammerding-Koppel M. The sandwich principle--introduction to learner-centred teaching/learning methods in medicine. Z Evid Fortbild Qual Gesundheitswes. 2008;102(10):628-633. DOI: 10.1016/j.zefq.2008.11.018 Externer Link
23.
Bloom BS, Englehart MB, Furst EJ, Hill WH, Krathwohl DR. Taxonomy of Educational Objectives, the classification of educational goals – Handbook I: Cognitive Domain. New York: McKay; 1956.
24.
Yusoff MS. Interventions on medical students' psychological health: A meta-analysis. J Taibah University Med Sci. 2014;9(1):1-13. DOI: 10.1016/j.jtumed.2013.09.010 Externer Link
25.
Nikendei C, Andreesen S, Hoffmann K, Obertacke U, Schrauth M, Junger J. Final-year medical students as tutors for undergraduate students during their on-ward courses in internal medicine: a quantitative analysis. Z Evid Fortbild Qual Gesundheitswes. 2008;102(10):654-661. DOI: 10.1016/j.zefq.2008.11.022 Externer Link
26.
Heni M, Lammerding-Koppel M, Celebi N, Shiozawa T, Riessen R, Nikendei C, Weyrich P. Focused didactic training for skills lab student tutors - which techniques are considered helpful? GMS Z Med Ausbild. 2012;29(3):Doc41. DOI: 10.3205/zma000811 Externer Link
27.
illis JM, Perry WR, Carroll EY, Hibble BA, Davies MJ, Yousef J. Painting the picture: Australasian medical student views on wellbeing teaching and support services. Med J Aust. 2010;192(4):188-190.
28.
Slavin SJ, Schindler DL, Chibnall JT. Medical student mental health 3.0: improving student wellness through curricular changes. Acad Med. 2014;89(4):573-577. DOI: 10.1097/ACM.0000000000000166 Externer Link
29.
Kohls N, Bussing A, Sauer S, Riess J, Ulrich C, Vetter A, Jurkat HB. Psychological distress in medical students - a comparison of the Universities of Munich and Witten/Herdecke. Z Psychosom Med Psychother. 2012;58(4):409-416. DOI: 10.13109/zptm.2012.58.4.409 Externer Link
30.
Dyrbye LN, Thomas MR, Shanafelt TD. Systematic review of depression, anxiety, and other indicators of psychological distress among U.S. and Canadian medical students. Acad Med. 2006;81(4):354-373. DOI: 10.1097/00001888-200604000-00009 Externer Link
31.
Dyrbye LN, Thomas MR, Harper W, Massie FS, Jr, Power DV, Eacker A, Szydlo DW, Novotny PJ, Sloan JA, Shanafelt TD. The learning environment and medical student burnout: a multicentre study. Med Educ. 2009;43(3):274-282. DOI: 10.1111/j.1365-2923.2008.03282.x Externer Link
32.
Dyrbye LN, Power DV, Massie FS, Eacker A, Harper W, Thomas MR, Szydlo DW, Sloan JA, Shanafelt TD. Factors associated with resilience to and recovery from burnout: a prospective, multi-institutional study of US medical students. Med Educ. 2010;44(10):1016-1026. DOI: 10.1111/j.1365-2923.2010.03754.x Externer Link