gms | German Medical Science

GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Beeinflussung der Prüfungsergebnisse durch ein Repetitorium als Vorbereitung auf das mündliche HNO-Rigorosum und Einfluss des Geschlechts der PrüferInnen – eine retrospektive Aufarbeitung von 3961 Prüfungen

Artikel Prüfungen

  • corresponding author Matthäus C. Grasl - Medizinische Universität Wien, Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten, Wien, Österreich
  • author Rudolf Seemann - Medizinische Universität Wien, Universitätsklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Wien, Österreich
  • author Michael Hanisch - Medizinische Universität Wien, Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten, Wien, Österreich
  • author Gregor Heiduschka - Medizinische Universität Wien, Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten, Wien, Österreich
  • author Karl Kremser - Medizinische Universität Wien, Department für Medizinische Aus- und Weiterbildung, Wien, Österreich
  • author Dietmar Thurnher - Medizinische Universität Wien, Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten, Wien, Österreich

GMS Z Med Ausbild 2015;32(4):Doc38

doi: 10.3205/zma000980, urn:nbn:de:0183-zma0009802

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2015-32/zma000980.shtml

Eingereicht: 18. September 2014
Überarbeitet: 14. September 2015
Angenommen: 18. September 2015
Veröffentlicht: 15. Oktober 2015

© 2015 Grasl et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Repetitorien sind Lehrveranstaltungen, die bereits erworbenes Wissen und Kenntnisse wiederholen und meist als Vorbereitung zum Bestehen eines Examens dienen.

Zielsetzung: Zweck der Studie ist es, die Beeinflussung des Ergebnisses bei der mündlichen Gesamtprüfung (Rigorosum) im Fach Hals-Nasen-Ohrenheilkunde zu untersuchen, wenn zuvor ein interaktives mündliches Repetitorium besucht wurde. Zudem wird der Frage nachgegangen, ob es Unterschiede zwischen weiblichen und männlichen Prüfern bei der Notenvergabe gibt.

Methode: 3961 Einzelprüfungen an der Universitätsklinik für HNO-Krankheiten in Wien wurden untersucht, 725 mit Repetitorium (Versuchsgruppe) und 3236 ohne Repetitorium (Vergleichsgruppe). Das Repetitorium wurde als inhaltlich standardisiertes Wahlfach interaktiv und fallorientiert gestaltet.

Beide Gruppen wurden nach einheitlichen Kriterien (Inhalte, Dauer) geprüft. 16 männliche Prüfer und 6 weibliche Prüferinnen waren tätig. Die Benotung erfolgte in einer 5-teiligen Skala und wurde als arithmetischer Durchschnittswert mit Median, die Geschlechtsabhängigkeit der Notenvergabe wurde mit dem Wilcoxon-Rangsummentest berechnet. Die schließende Statistik bestand aus ein- und multifaktoriellen Varianzanalysen sowie uni- und multivarianten Regressionsmodellen.

Ergebnisse: Die Versuchsgruppe erzielte einen Notendurchschnitt von 2,54 gegenüber jener der Vergleichsgruppe mit 2,46. Nach Aufteilung in männliche und weibliche Prüfer ergibt sich ein Notendurchschnitt für die Versuchsgruppe von 2,54 bzw. 2,58 und für die Vergleichsgruppe von 2,44 bzw. 2,61. Der Unterschied ist statistisch signifikant (p=0,001926).

Schlussfolgerung: Das HNO-Repetitorium hat nicht zu einer Verbesserung des Notendurchschnittes bei der nachfolgenden mündlichen Prüfung über Inhalte des gesamten Faches geführt. Weibliche Prüfer benoten strenger als männliche. Der wesentliche Unterschied zwischen männlichen und weiblichen PrüferInnen in der Notengebung besteht bei der Vergabe der Noten 1 und 2 und nicht bei der Note 5 (nicht bestanden).

Schlüsselwörter: Repetitorium, mündliche Prüfung, Benotung, Prüfer, Medizinstudium


1. Einleitung

1.1 Hintergrund

Repetitorien sind Lehrveranstaltungen, bei denen Studierenden und/oder graduierten Mitarbeitern aus allen Fächern in wenigen Tagen bis über mehrere Wochen hinweg kognitives oder prozedurales Wissen in unterschiedlicher Gewichtung vermittelt wird [1]. Die knappe, aber prägnante Darstellung der prüfungsrelevanten Aspekte steht im Vordergrund. Bewusstes Weglassen einiger Themen und das Hervorheben anderer sind die Herausforderungen, die das Gelingen eines Repetitoriums maßgeblich beeinflussen [2]. Als Prüfungsvorbereitung sind Repetitorien besonders im angloamerikanischen Raum im Curriculum fest verankert [3], [4], [5], [6], [7], [8], [9]. Im deutschsprachigen Raum sind sie allerdings meist freiwillige Lehrveranstaltungen [10], [11], [12], [1].

Die Mehrzahl der Studien umfasst Studierendenzahlen von bis zu einigen Hundert und Erhebungszeiträume von meist nur einem Studienjahr. Erhebungszeiträume von 5 Jahren und Studierendenzahlen von mehreren Tausend fehlen gänzlich.

An der Medizinischen Universität Wien wurden auf Empfehlung der Studienkommission kostenlose Repetitorien für Studierende aus Gründen der Vollständigkeit des Lehrangebotes und zur Vermeidung von Studienverzögerungen eingerichtet [13]. Ähnliche Repetitorien werden von kommerziellen Anbietern gegen nicht unerhebliche Honorare angeboten. Das Fach Hals-Nasen-Ohrenheilkunde wird als mündliche Gesamtprüfung (Rigorosum) durchgeführt und prüft kognitives und prozedurales Wissen zu den häufigsten und gefährlichsten Erkrankungen.

1.2 Ziel der Studie

Die komprimierte Wissensvermittlung in Repetitorien als Präsenzunterricht versucht Wissenslücken, die im Studium entstanden sind, durch intensive Wiederholung des Stoffes auszugleichen. In der Literatur finden sich vielfach Hinweise auf bessere Prüfungsergebnisse, wenn Repetitorien besucht werden [14], [2], [6], [10], [11].

Wir sehen als Begründung für die Relevanz unserer Studie „Beeinflussung der Prüfungsergebnisse durch ein Repetitorium als Vorbereitung auf das mündliche HNO-Rigorosum“ die allgemein gültige Meinung zu prüfen, dass Repetitorien den nachfolgenden Prüfungserfolg steigern.

Möglicher Prüfer-Bias stellt ein häufiges Risiko bei jeder Prüfung dar. Insbesondere das Geschlecht der Prüfer bei mündlichen Prüfungen führt zu Verzerrungen deren Klärung noch nicht restlos erfolgt ist. Die bisherige internationale Literatur dazu zeigt durchaus unterschiedliche Ergebnisse. Prüfer zeigen keine generelle Tendenz Prüflinge ihres Geschlechts zu bevorzugen [15]. Männliche Prüfer sind nicht strenger als weibliche Prüfer [16]. Männliche Prüfer benoten weibliche Studentinnen signifikant besser als deren männliche Kollegen [12].

Die Studie beschäftigt sich vor allem mit Faktoren der Programmevaluation und ist über das lokale Setting hinaus interessant. Sie beinhaltet das Verstehen, das Bestätigen und Steigern von Effekten der Intervention. Es wird überprüft, ob man das macht, was man zu machen glaubt. Eine zielführende Unterstützung wird angestrebt. Die Veröffentlichung der gewonnenen Daten soll im Vergleich zu anderen Programmen als Grundlage zur Beibehaltung und Vervielfältigung andernorts dienen.

Zweck der Studie ist es, die Beeinflussung des Ergebnisses bei der mündlichen Gesamtprüfung (Rigorosum) im Fach Hals-Nasen-Ohrenheilkunde zu untersuchen, wenn zuvor ein interaktives mündliches Repetitorium zur Prüfungsvorbereitung besucht wurde. Außerdem wird der Frage nachgegangen, ob es Unterschiede zwischen weiblichen und männlichen Prüfern bei der Notenvergabe gibt.


2. Methoden

2.1 Hintergrund

Die Rigorosenordnung als Form der mündlichen Prüfung zur Erlangung eines akademischen Grades an medizinischen Fakultäten in Österreich wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts erlassen. Sie regelte den bis zur Etablierung des Neuen Wiener Curriculums 2002 im Wesentlichen unveränderten Fächerkanon mit mündlichen Prüfungen - Rigorosen - in allen dafür vorgesehenen Fächern [17]. Diese Prüfungsform für das Fach Hals-Nasen-Ohrenheilkunde wurde in Wien 1979 eingeführt und wird auslaufend bis dato durchgeführt.

2.2 Studiendesign

Die hier dargestellte Studie ist eine retrospektive Analyse der Benotung des Rigorosums im Fach Hals-Nasen-Ohrenheilkunde von Studierenden der Humanmedizin im 3. Studienabschnitt an der Medizinischen Universität Wien. Ein Teil der Studierenden hat vor Ablegung des Rigorosums an einem prüfungsvorbereitenden Repetitorium teilgenommen.

2.3 Stichprobenbeschreibung

Der Administrator für Studienangelegenheiten an der Universitätsklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde hat vom 1.10.1997 bis 31.1.2013 ohne Personenbezug fortlaufend die Benotung von 19260 Prüfungsereignissen digital aufgezeichnet. Gleichzeitig zeichnete er verschlüsselt die einzelnen Prüfer und deren Geschlecht, sowie die Prüflinge und deren Geschlecht auf, sodass der Basisdatensatz für die weitere Bearbeitung und Auswertung vollkommen anonym geführt werden konnte. Ein Prozentsatz von ca. 10% Prüfungswiederholern wurde in die Studie mit eingeschlossen aber in der Analyse nicht extra berücksichtigt.

Für diese Studie wurde der Zeitraum vom 1.3.2004 bis 31.7.2009, in dem gleichzeitig Repetitorien stattgefunden haben, ausgewählt und die Daten von 3961 Prüfungen eingeschlossen. Die Rigorosumsprüfung im Beobachtungszeitraum wurde von 16 Männern und 6 Frauen abgenommen. Das Geschlecht der Prüflinge als Variable wurde in die Studie einbezogen.

2.4 Rahmenbedingungen des mündlichen Rigorosums aus Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde und des dazugehörigen Repetitoriums

Als Lehrveranstaltungen für das Fach Hals-, Nasen,- und Ohrenheilkunde waren vier Semesterwochenstunden Vorlesungen und eine Semesterwochenstunde Pflichtpraktikum vorgesehen. Im Untersuchungszeitraum wurde gleichzeitig zur Erweiterung dieses Lehrangebotes ein kostenloses Repetitorium zur Vorbereitung auf das mündliche HNO-Rigorosum eingerichtet. Dieses Wahlfach „Symptomorientiertes Repetitorium aus HNO-Heilkunde“ wurde laufend angeboten und immer vom selben Vortragenden - in sich wiederholenden Einheiten von 7 verschiedenen „Symptomkomplexen“– abgehalten. Anhand von klinischen Krankheitsbildern erfolgte interaktiv im „Frage-Antwort-Format“ eine symptom- und fallorientierte Stoffwiederholung. Die Studenten wurden am Beginn jeder Einheit darüber informiert, dass die Unterrichtseinheiten zwar den Lehrstoff der Symptomenkomplexe (z.B. Atemnot, Halsschmerzen etc.) abdecken, nicht aber den gesamten Lehrstoff der „HNO- Prüfung“, der in Form eines Katalogs mit ca. 200 Fragenbereichen sowohl allen Studierenden als auch allen Prüfern zur Verfügung stand. Die Lerninhalte des Repetitoriums überdeckten sich in ca. ca. 50-60% mit jenen des Rigorosum. Insgesamt ergab sich eine Standardisierung der Prüfungsinhalte, die zusätzlich noch durch die in der Rigorosenordnung festgelegte Mindestprüfzeit von 15 Minuten unterstützt wurde [18]. Studierende konnten einen Wunschprüfer angeben, im Allgemeinen wurde dies auch respektiert.

Die Benotung der studentischen Leistung beim Rigorosum erfolgte nach einer 5-teiligen Skala: 1=„sehr gut“; 2=„gut“, 3=„befriedigend“, 4=„genügend“ und 5=„nicht genügend“. Die Prüfung war bestanden bei Note 1 bis 4, bei Note 5 war eine Wiederholung notwendig.

Die Auswertungs– und Interpretationsobjektivität des Messinstruments HNO-Rigorosum ist durch die Beurteilung unabhängiger Zweitbegutachter gegeben. Die Durchführungsobjektivität hätte durch den Einsatz von Zweitprüfern verbessert werden können. Dafür waren allerdings keine Ressourcen vorhanden. Die niedrige Reliabilität liegt zum Teil daran, dass der Prüfer aktiv am Prüfungsgeschehen teilnimmt [18] und ist auch Grund für die niedrige Validität [19]. Eine Evaluation des Repetitoriums wurde nicht durchgeführt.

2.5 Statistische Auswertung

Die Datenanalyse erfolgte mit dem „Statistical Package for the Social Science – SPSS“ für Windows in der Version 20. Die Prüfungsnoten der Prüfungsereignisse wurden im arithmetischen Mittel und Median für das gesamte Kollektiv, für die Versuchsgruppe mit Repetitorium, für die Vergleichsgruppe ohne Repetitorium sowie bei allen Gruppen nach Geschlecht der Prüfer, errechnet. Zudem wurde der prozentuelle Anteil der einzelnen Notenwerte der Rigorosumprüfungen gesamt und nach dem Geschlecht des Prüfers bestimmt. Der Einfluss der Faktoren Repetitorium (ja/nein), Geschlecht des/der Prüfenden (weiblich vs. männlich) und Geschlecht des Studenten (weiblich vs. männlich) wurde mittels einfaktorieller Varianzanalyse getestet, wobei das Geschlecht für die Berechnung umkodiert wurde. Dem multiplen Testen Rechnung tragend wurden alle diese drei Faktoren zudem in einer multifaktoriellen Varianzanalyse wiederholt getestet. Der Einfluss auf die Notengebung wurde des Weiteren in linearen Regressionsanalysen dargestellt. Die schließende Statistik bestehend aus ein- und multifaktoriellen Varianzanalysen sowie uni- und multivarianten Regressionsmodellen wurde mit dem Open Source Statistikprogramm „R version 3.1.2“ durchgeführt [https://www.r-project.org/].


3. Ergebnisse

3.1 Teilnehmer

Insgesamt wurden in dieser Studie 3961 Einzel-Prüfungsereignisse aus einer Institution (Universitätsklinik für HNO-Krankheiten der MedUni Wien) ausgewertet. Aus derselben Institution stammen auch die 16 männlichen und 6 weiblichen Prüfer.

3.2 Prüfungsergebnisse

Die Prüfungsergebnisse sind für alle Prüfer und getrennt nach deren Geschlecht für die Versuchsgruppe (mit Repetitorium) und Vergleichsgruppe (ohne Repetitorium) in Tabelle 1 [Tab. 1] dargestellt.

3.2.1 Notendurchschnitt im Gesamtkollektiv

Im Gesamtkollektiv der Prüfer wurde die Versuchsgruppe mit Repetitorium (n=725; Note: 2,54±1,38) gegenüber der Vergleichsgruppe ohne Repetitorium (n=3236; Note: 2,46±1,34) tendenziell schlechter benotet - statistisch war in der einfaktoriellen Varianzanalyse aber keine Signifikanz festzustellen (ANOVA: Df=1; Quadratsumme=4,2; Mittel der Quadrate=4,1559; F=2,2865; p=0,1306). In der univarianten linearen Regression ergab sich ein statistisch nicht signifikanter Effekt von 0,08376 (p des Wald-Tests=0,131) für schlechtere Noten bei Studenten die das Repetitorium absolviert haben.

3.2.2 Abhängigkeit der Prüfungsergebnisse vom Geschlecht der Prüfer

Die Notenwerte männlicher Prüfer waren im arithmetischen Mittel 2,45 mit einer Standardabweichung von 1,36 bei einer Fallzahl von 3376. Die Notenwerte weiblicher Prüfer waren im arithmetischen Mittel 2,60 mit einer Standardabweichung von 1,28 bei einer Fallzahl von 585. Weibliche Prüfer vergaben signifikant schlechtere Noten als ihre männlichen Kollegen (Wilcoxon-Rangsummentest: W=910610, p=0,001926).

3.2.3 Abhängigkeit der Prüfergebnisse vom Geschlecht der Studenten

Studentinnen wiesen einen Notendurchschnitt von 2,45±1,34 auf, ihre männlichen Kollegen 2,51±1,36. In der einfaktoriellen Varianzanalyse erwies sich das Geschlecht der Studenten nicht als signifikanter Einflussfaktor (ANOVA: Df=1; Quadratsumme=3,6; Mittel der Quadrate=3,64; F=2,0028; p=0,1571). Im univarianten linearen Regressionsmodell war der Effekt des weiblichen Geschlechts mit 0,06233 auf den Notendurchschnitt als nicht signifikant einzustufen (p des Wald-Test=0,157).

3.2.4 Multifaktorielle Varianzanalyse

Dem multiplen Testen Rechnung tragend wurden alle drei Faktoren in einer multivariaten Regressionsanalyse (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]) bzw. einer multifaktoriellen Varianzanalyse (siehe Tabelle 3 [Tab. 3]) getestet. Lediglich das Geschlecht der Prüfer erwies sich weiterhin als signifikanter Einflussfaktor. Durchschnittlich vergaben weibliche Prüferinnen um 0,146 Punkte schlechtere Noten.

3.2.5 Notendurchschnitt, Anzahl und Prozent der „Nicht genügend“ dargestellt nach Geschlecht der Kandidaten und Prüfer

Eine besondere Gewichtung kommt der Note 5 (nicht bestanden) zu. Der Prozentsatz variiert von maximal 12,23% bei der Kombination weibliche Kandidaten/weiblicher Prüfer bis 8,13% bei der Kombination männliche Kandidaten/weiblicher Prüfer (siehe Tabelle 4 [Tab. 4]). Durchschnittlich über alle Kombinationen ist der Prozentsatz 10,2 und damit Ausdruck für eine sehr konstante Bewertung aller Prüfer wenn es darum geht ob der Prüfling bestanden hat oder nicht.


4. Diskussion

4.1 Bedeutung der Ergebnisse und Vergleich mit der existierenden Literatur

Im Gesamtkollektiv der Prüfer wurde die Versuchsgruppe mit Repetitorium (n=725, Note: 2,54±1,38) gegenüber der Vergleichsgruppe ohne Repetitorium (n=3236, Note: 2,46±1,34) tendenziell schlechter benotet, statistisch war in der einfaktoriellen Varianzanalyse aber keine Signifikanz festzustellen und in der univariaten linearen Regression ergab sich dementsprechend ein statistisch nicht signifikanter Effekt von 0,08376 schlechteren Noten bei Studenten mit Repetitorium.

In der Literatur wird im Zusammenhang mit der Durchführung von Repetitorien immer von einer hohen Effizienz und einem hohen Grad der Annahme durch die Teilnehmer berichtet. Allerdings wird auch darauf hingewiesen, dass der damit verbundene Aufwand nicht zu unterschätzen sei. Dieser werde aber durch die gute Prüfungs- bzw. Berufsvorbereitung der Studenten aufgewogen [2].

Repetitorien können durchwegs als nützliche Lehrveranstaltungen in verschiedenen Formen betrachtet werden. Studierende geben an, ihr Wissen sei besser [6], bzw. signifikant besser [14] als vorher und ein Repetitorium sei effektiv als Vorbereitung für staatliche Prüfungen [10]. Die Studierenden seien nicht verängstigt sondern motiviert zum eigenständigen Weiterlernen. Die Noten seien besser und signifikant weniger Studierende hätten die nachfolgende Prüfung nicht bestanden. Die zeitliche Befristung sorge für kontinuierliches Lernen. Schwache und gute Studenten würden gleichermaßen gefördert [1]. Repetitorien seien effizient, kostengünstig und anpassbar für eine große Anzahl von Lernenden [3]. Bei der Prüfung von praktischen Fähigkeiten sei es zur Verbesserung der Prüfungs-Performance mit signifikanter Steigerung des Erfolges gekommen [5]. Unsere Ergebnisse stehen im Gegensatz zur einschlägigen Literatur.

Studentinnen wiesen einen Notendurchschnitt von 2,45±1,34 auf, ihre männlichen Kollegen 2,51±1,36. In der einfaktoriellen Varianzanalyse erwies sich das Geschlecht der Studenten nicht als signifikanter Einflussfaktor. Im univariaten linearen Regressionsmodell war der Effekt des weiblichen Geschlechts mit -0,06233 auf den Notendurchschnitt als nicht signifikant einzustufen.

Diese Ergebnisse stimmen mit bereits in der Literatur erwähnten überein [12], [15], [16], [17], [18].

4.2 Das HNO-Repetitorium hat nicht zu einer Verbesserung des Notendurchschnittes bei der nachfolgenden mündlichen Prüfung über Inhalte des gesamten Faches geführt.

Der Dozent des Repetitoriums war auch gleichzeitig Prüfer. Ein Bias im Sinne „Vorlieben des Prüfers erkennen beim Repetitorium“ lag nicht vor. Die durchschnittlichen Notenwerte im Vergleich zu Studenten ohne Repetitorium waren nur unwesentlich besser.

Eine Differenzierung in leistungsstarke und –schwache Studenten wurde nicht durchgeführt.

Warum in unserer Studie der Notendurchschnitt der Versuchsgruppe, die am Repetitorium teilnahm, im Vergleich zur Vergleichsgruppe, die kein Repetitorium besuchte, keineswegs - entgegen der Erwartung - besser war, sondern tendenziell sogar schlechter, erklären sich die Autoren folgendermaßen: Studenten betrachteten das Repetitorium als Ersatz für das Selbststudium und nicht als Ergänzung und Wiederholung, und als Zeitersparnis - immerhin ist das HNO-Rigorosum eine der letzten Prüfungen im Studium. Außerdem könnte ein relativ großer zeitlicher Abstand zwischen der Teilnahme am Repetitorium und der Rigorosum-Prüfung entstanden sein und die für die Prüfung notwendigen Prüfungsinhalte wurden nur zu 50-60% im Repetitorium präsentiert. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass möglicherweise der Effekt des „Bulimielernens“ durch das Repetitorium gefördert wurde. Das bedeutet: Lernen für eine Einzelprüfung mit Abspeicherung im Kurzzeitgedächtnis, „Ausspucken“ des Wissens bei der Prüfung, um danach ohne „Verdauung“, wieder zu vergessen. Die Motivation für die Teilnahme am Repetitorium wurde nicht explizit erfragt. In Betracht kommen dafür:

  • Angebot, in kurzer Zeit ein straffes Lehr/Lernprogramm zu erfahren
  • Interesse am HNO-Fach
  • strukturierten interaktiven, fallorientierten Unterricht bei einem Dozenten mit hoher fachlicher und didaktischer Kompetenz erleben zu wollen
  • Ausgleich der fehlenden Auseinandersetzung mit Lehrinhalten
  • „Fernstudium“ ohne Besuch der Vorlesungen
  • Förderung des eigenständigen Weiterlernens
  • Beseitigung von Angst und Unsicherheit vor der Prüfung.
4.3 Die durchschnittlichen Notenwerte bei weiblichen Prüfern sind signifikant schlechter als bei männlichen Prüfern.

Verzerrungen der Prüfungsergebnisse durch Prüfer sind ein latentes Risiko bei Prüfungen. Menschen unterscheiden sich in vielen Verhaltensweisen und es ist nicht überraschend, dass Prüfer Tendenzen zur Bevorzugung oder Benachteiligung bei der Benotung von Kandidaten zeigen. Wenn dies bekannt ist, sollte frühzeitig dagegen Maßnahmen ergriffen werden. Diese reichen von randomisierter Kandidatenzuteilung bis zu kommissionellen Prüfungen oder sogar der Aufgabe der mündlichen zugunsten einer schriftlichen Prüfung [20]. Eine mögliche Ursache für unterschiedliche geschlechtsspezifische Benotung könnte in der Wirkung einer oder mehrerer anderer Probandenmerkmale liegen, die bisher nicht untersucht wurden. Diese Variablen könnten in unterschiedlichem Maße bei männlichen und weiblichen Prüfern wirken, sodass unterschiedliche Zusammenhänge zu erklären wären [15]. In Betracht kommen die freie Prüferwahl, das Alter der Kandidaten, die Prüfungserfahrung der Prüfer, die Sympathie oder Vorbehalte dem Prüfling gegenüber. Wiskin et al. [21] beschreiben in ihrer Publikation zum Thema Gender als Variable beim OSCE der Kommunikationsfähigkeit im Niveau des letzten Ausbildungsjahres, dass weibliche Prüfer besser benoten und geben als Behebung die strategische Gleichstellung von männlichen und weiblichen Prüfern an. Auch Boehm et al . [12] berichten über das Rigorosum im Fach Sozialmedizin eine bessere Benotung durch weibliche Prüfer. McManus et al. [22] sehen als Lösung der Problematik, bei einer spezifischen Verzerrung zum Nachteil von Personen mit individuellen Eigenschaften wie Geschlecht oder ethnischer Zugehörigkeit bei einer praxisbezogen Prüfung pro Station gleichzeitig zwei Prüfer einzusetzen. Mit dem multi-faktoriellen Rasch-Modell schätzen sie den Effekt, dass Prüfer bevorzugen oder verschärfen, und gleichen durch die Paarung der am wenigsten und am höchsten strengen Prüfer aus. Trotz vieler möglicher Bias haben die Rigorosumsprüfer, die an dieser Studie teilnahmen, diese Prüfungsform geschätzt. Denn sie bot die Möglichkeit, deklaratives und prozedurales Wissen gleichzeitig symptom- oder fallbezogen gemeinsam mit Grundlagenwissen zu prüfen. Immerhin ergab sich bei der Durchfallquote kein signifikanter Unterschied zwischen weiblichen und männlichen Prüfern.

4.4 Stärken und Schwächen der Studie
4.4.1 Stärken

Als Stärken der retrospektiven Studie sehen die Autoren das klare Konzept. Die insgesamt hohe Anzahl der Probanden ermöglichte klare statistische Aussagen. Im langen Beobachtungszeitraum von 5 Jahren wurden alle 22 tätigen Prüfer mit einbezogen.

4.4.2 Schwächen

Das Design ist zwar einfach und wenig robust, jedoch schnell durchzuführen und kostengünstig. Ein strukturiertes Feedback von Studierenden und Prüfern wurde nicht durchgeführt. Damit hätte man näher auf personenabhängige Verzerrungen bei der Interaktion zwischen Prüfern und Geprüften eingehen können. Es wurde nicht festgestellt, wie oft Studierende am Repetitorium teilnahmen und in welchem Abstand zum Prüfungstermin. Die ca. 10% Prüfungsrepetenten wurden nicht gesondert in der Auswertung berücksichtigt. Mit einer Evaluation des Repetitoriums wäre die „Reaktionsebene“ getrennt von der „Lernebene“ [23], [24] möglich geworden.


5. Schlussfolgerung

Die Begründung für diese Studie war es, den Nutzen und die Beeinflussungen durch das Geschlecht der Prüfer des HNO-Rigorosums an der Medizinischen Universität Wien zu untersuchen. Das HNO-Repetitorium hat nicht zu einer Verbesserung des Notendurchschnittes beim Rigorosum zum Fach HNO-Heilkunde geführt. Die durchschnittlichen Notenwerte bei weiblichen Prüfern sind signifikant schlechter als bei männlichen Prüfern. Der wesentliche Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Prüfern lag bei der Vergabe der Noten 1 und 2 und nicht bei der Vergabe der Note 5 (nicht bestanden). Sehr konstant gelang bei der Prüfung allen Prüfern jene Kandidaten zu bestimmen, die nicht bestanden haben. Als relative Limitierung sind die niedrige Reliabilität der Studie und damit auch der Grund für eine niedrige Validität zu sehen. Aufgrund der Einführung der neuen Studienordnung für Medizin 2002, deren Prüfungsordnung keine Rigorosen mehr vorsieht, werden dafür keine Repetitorien mehr abgehalten. Allerdings gibt es im 1. Studienjahr Repetitorien für die Jahrgangsprüfung bei denen die Studierenden bisher nicht namentlich erfasst werden.


Anmerkung

In dieser Publikation wurde für Personen der Einfachheit halber die männliche Form verwendet. Es sind aber selbstverständlich immer beide Geschlechter gemeint.


Danksagung

Die Autoren danken allen Lehrenden der Universitätsklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde der Medizinischen Universität Wien, die sich an dieser Studie als Prüfer beteiligt haben.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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