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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

"Wie kann ich Ihnen helfen?" – Evaluation des neuen Rezeptionsdienstes der Studierenden in den Behandlungskursen der Zahnerhaltung und Parodontologie im Rahmen eines longitudinalen Curriculums für soziale und kommunikative Kompetenzen für Zahnmediziner

Artikel Zahnmedizinische Ausbildung

  • corresponding author Nora Lichtenstein - Universität zu Köln, Medizinische Fakultät, Studiendekanat, Köln, Deutschland
  • author Isabelle Ensmann - Universität zu Köln, Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie, Köln, Deutschland
  • author Rainer Haak - Universität Leipzig, Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie, Leipzig, Deutschland
  • author Houda Hallal - Universität zu Köln, Medizinische Fakultät, Studiendekanat, Köln, Deutschland
  • author Jana Kupke - Universität zu Köln, Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie, Köln, Deutschland
  • author Jan Matthes - Universität zu Köln, Institut für Pharmakologie, Köln, Deutschland
  • author Michael Noack - Universität zu Köln, Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie, Köln, Deutschland
  • author Michael Wicht - Universität zu Köln, Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie, Köln, Deutschland
  • author Christoph Stosch - Universität zu Köln, Medizinische Fakultät, Studiendekanat, Köln, Deutschland

GMS Z Med Ausbild 2015;32(3):Doc31

doi: 10.3205/zma000973, urn:nbn:de:0183-zma0009738

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2015-32/zma000973.shtml

Eingereicht: 1. Dezember 2014
Überarbeitet: 20. April 2015
Angenommen: 2. Juni 2015
Veröffentlicht: 17. August 2015

© 2015 Lichtenstein et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Zielsetzung: An der Universität zu Köln wird seit 2009 auf der Basis der Empfehlungen der Association for Dental Education in Europe (ADEE) ein longitudinales Curriculum zur Vermittlung von sozialen und kommunikativen Kompetenzen in der Zahnmedizin (LSK-Dent) entwickelt. Im Rahmen dieses Curriculums wurde überlegt, einen Rezeptionsdienst in den Behandlungskursen der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie zu entwickeln, welcher die organisatorische und administrative Abwicklung der Patienten durch die Studierenden beinhaltet. Durch ihn sollen die Studierenden Einblicke in Praxisabläufe erhalten und er soll als Lernwelt für soziale und kommunikative Kompetenzen fungieren. Dieser Beitrag stellt sowohl das LSK-Dent Projekt als auch die Umsetzung des Rezeptionsdienstes vor und es werden erste Evaluationsergebnisse berichtet.

Methodik: Es wurden Patienten (n=575) und Studierende (n=53) mittels Fragebögen befragt. Zusätzlich wurden vier halbstandardisierte Interviews mit Studierenden geführt

Ergebnisse: Der Rezeptionsdienst konnte erfolgreich implementiert werden und wird von Patienten und Studierenden gut angenommen. Es zeigen sich erste Hinweise, dass der Rezeptionsdienst von den Studierenden als eine Lernwelt zum Trainieren von sozialen und kommunikativen Fähigkeiten wahrgenommen wird und dass die Studierenden durch ihn einen Einblick in Praxisabläufe erhalten.

Schlussfolgerung: Der Rezeptionsdienst stellt eine innovative Ergänzung der bisherigen Behandlungskurse dar und zeigt beispielhaft die Umdeutung bestehender Realitäten in modellierte Erfahrungs- und Lernwelten für Studierende. Inwiefern reflexive Elemente – konzeptionell eingebracht – den subjektiv wahrgenommenen Mehrwert erhöhen können, muss in weiteren Untersuchungen geklärt werden.

Schlüsselwörter: Zahnmedizin, Longitudinalcurriculum, soziale und kommunikative Kompetenzen, Teamfähigkeit


1. Einleitung

1.1 Soziale und kommunikative Kompetenzen in der Zahnmedizin

Die positiven Auswirkungen einer guten (Zahn-) Arzt-Patient-Kommunikation sind vielfach beschrieben und die dafür notwendige Vermittlung von sozialen und kommunikativen Kompetenzen während des Studiums der Zahnmedizin erhält derzeit viel Aufmerksamkeit [1], [2]. Besonders im Bereich der Zahnmedizin geht es zunehmend darum, den Patienten bedarfsgerecht zu beraten und erst im zweiten Schritt erfolgt die zahnmedizinische Behandlung. Die Patienten möchten dabei in die Entscheidungsfindung und Behandlungsplanung eingeschlossen werden [3]. Neben der technischen und medizinischen Expertise wird der Erfolg einer zahnmedizinischen Behandlung maßgeblich durch die Zahnarzt-Patient-Beziehung bestimmt [4]. Diese hängt wiederum von der Qualität der Kommunikation zwischen Zahnarzt und Patient ab [5].

Fehlende soziale und kommunikative Kompetenzen bei Zahnärzten wirken sich jedoch nicht nur direkt auf die Patientenbehandlung aus, sondern haben auch maßgeblichen Einfluss auf die Zufriedenheit der praktizierenden Zahnärzte. Insbesondere Berufsanfänger fühlen sich zwar für die technische Seite ihres Berufes ausreichend ausgebildet, zwischenmenschliche Beziehungen im Praxisalltag und Aspekte, die mit dem Management einer Praxis zusammenhängen, lösen hingegen Stress aus [6], [7], [8].

Auf Grundlage dieser Ergebnisse beziehen Verbände, Gremien und Arbeitsgruppen soziale und kommunikative Kompetenzen in ihre Empfehlungen und Ausbildungsstandards mit ein, wie z.B. das von der Association for Dental Education in Europe (ADEE) beschriebene Anforderungsprofil eines Zahnarztes [9], das Baseler Consensus-Statement [10] oder das Health Professions Core Communication Curriculum (HPCCC) [11]. Soziale und kommunikative Kompetenzen werden folglich als zentrale Aspekte des zahnärztlichen Berufes gesehen, spielen in der Ausbildung bisher jedoch eine untergeordnete Rolle [12]. Derzeit gibt es kein einheitliches Curriculum für soziale und kommunikative Fähigkeiten für Studierende der Zahnmedizin an deutschen Universitäten, obwohl die Wirksamkeit solcher Ausbildungskonzepte bestätigt wurde [z.B. [13]] Im voraussichtlich 2015 verabschiedeten Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Zahnmedizin (NKLZ) und in der bevorstehenden Reform der zahnärztlichen Approbationsordnung werden ähnliche Empfehlungen erwartet [14].

1.2 Vermittlung von sozialen und kommunikativen Kompetenzen in der zahnmedizinischen Ausbildung an der Universität zu Köln

Im Jahr 2009 entstand im Rahmen des Sonderprogramms „Innovation und Lehre“ (gefördert bis 2011 durch Mittel aus Studienbeiträgen) der Universität zu Köln das Projekt „Longitudinalcurriculum soziale und kommunikative Kompetenz für Zahnmediziner“ (LSK-Dent). Ziel war die Entwicklung und Implementierung eines evidenzbasierten Curriculums zur Zahnarzt-Patienten-Kommunikation. Ausgehend von den oben beschriebenen ADEE-Kriterien wurden neue Kurse entwickelt und implementiert (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]). Ziel hierbei war es, Verknüpfungen zwischen bereits bestehenden Lehrangeboten und neuen Lehrinhalten zu etablieren, sodass die neuen Unterrichtseinheiten in die bereits vorhandenen Kurse eingebunden werden konnten und keine zeitliche Mehrbelastung für die Studierenden entstand.

Ein weiterer Fokus liegt auf einer nachhaltigen Implementierung der neuen Inhalte. Deshalb wurden Schulungen für Dozenten angeboten, sodass die neuen Kurseinheiten von möglichst vielen Dozenten übernommen werden können.

Im Rahmen der etablierten Kursbausteine soll neben der Vermittlung konkreter Techniken und Kompetenzen, wie z.B. der Partizipativen Entscheidungsfindung, entsprechend der Empfehlungen zum Erwachsenenlernen auch die übergeordnete Fähigkeit zur Selbstreflektion gefördert werden, um so den Studierenden eine Auseinandersetzung mit ihrer fachlichen und persönlichen Entwicklung während des Studiums zu ermöglichen [[15], S.60 ff.].

Die neuen Inhalte werden in einer Lehr-Lern-Spirale mehrfach mit unterschiedlichen Schwerpunkten angeboten (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]). Zudem wird der Lernanreiz durch Aufnahme in den Prüfungsstoffkatalog an verschiedenen Stellen – im Sinne eines „constructive alignments“ [[15], S.95ff] – unterstützt: Im 1. und 6. Semester sowie im in der zahnärztlichen Prüfung der Fächergruppe Zahnerhaltung gibt es jeweils eine OSCE-Station zum Thema Kommunikation und Sozialverhalten.

1.3 Entstehung der Idee eines Rezeptionsdienstes im Rahmen der Behandlungskurse als integraler Bestandteil des LSK-Dent

Durch einen Neubau des Zentrums für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Universität zu Köln, in welchem auch die klinischen Behandlungskurse der Studierenden stattfinden, bot sich die Möglichkeit, einen eigenen Anmeldebereich für die Patienten der Behandlungskurse einzurichten. Bis dahin meldeten sich die Patienten der Behandlungskurse an der zentralen Anmeldung der Poliklinik an und wurden dann von ihren Behandlern im allgemeinen Wartezimmer der Poliklinik abgeholt und zu ihrem Behandlungsplatz gebracht. Durch die neuen räumlichen Gegebenheiten stellte sich die Frage, ob es möglich ist, den neuen Anmeldebereich ausschließlich durch Studierende des Behandlungskurses betreuen zu lassen. Ziel dieses neuen „Rezeptionsdienstes“ sollte es zum einen sein, eine schnelle und direkte Patientenabwicklung zu ermöglichen, zum anderen den Studierenden Einblicke in Praxisabläufe sowie ein weiteres Trainingsfeld für soziale und kommunikative Kompetenzen zu erschließen, insbesondere zur Förderung der interprofessionellen Kompetenz. Es gibt Hinweise darauf, dass das gegenseitige Rollenverständnis der Studierenden der verschiedenen Berufsgruppen, die später in zahnmedizinisches Team bilden, nur teilweise übereinstimmt [16]. Durch die Übernahme von Aufgaben, die sonst nichtzahnärztliches Fachpersonal übernimmt, im Rahmen des Rezeptionsdienstes bekommen die Studierenden die Möglichkeit, deren Rolle im zahnmedizinischen Team selbst zu erleben und so zu einer realistischen Einschätzung der Rollen und Aufgabebereiche der nichtzahnärztlichen Teammitglieder zu gelangen.

Aus dieser Idee leiteten wir folgende Fragestellungen ab:

  • Ist es realisierbar, Studierenden im Rahmen eines Rezeptionsdienstes den organisatorischen und administrativen Anmeldevorgang der Patienten des Behandlungskurses selbstständig durchführen zu lassen?
  • Akzeptieren Studierende und Patienten die Übernahme nichtärztlicher Tätigkeiten durch die Studierenden im Rahmen des klinischen Behandlungskurses der Zahnerhaltung und Parodontologie?
  • Nehmen die Studierenden den Rezeptionsdienst als ein Trainingsfeld für soziale und kommunikative Kompetenzen, insbesondere für Teamfähigkeit, wahr?

2. Methoden

2.1 Entwicklung und Einführung des Rezeptionsdienstes in den Behandlungskursen Zahnerhaltung und Parodontologie

Im WS 2010/2011 haben Mitarbeiter der Verwaltung, des Studiendekanats, der Abteilung für Zahnerhaltung und Parodontologie sowie der Arbeitsgruppe LSK-Dent gemeinsam ein Konzept zur Umsetzung des Rezeptionsdienstes für die Behandlungskursen I und II der Zahnerhaltung und Parodontologie im klinischen Abschnitt (7. und 9. Semester) erarbeitet. Die Aufgabenbereiche, die von allen beteiligten Mitarbeiterin für die Studierenden als sinnvoll und rechtlich möglich angesehen wurden, umfassen dabei den Erstkontakt (Terminierung und Empfang der Patienten), verwaltungstechnische Abläufe (z.B. Abrechnungsvorbereitungen und das Ausstellen von Bescheinigungen), Übernahme des Telefondienstes sowie die Verabschiedung der Patienten an der Rezeption. Dazu betreuen zwei Studierende während der gesamten Kurszeit an ca. drei aufeinanderfolgenden Tagen pro Semester den Rezeptionsbereich. Weitere Details zum Rezeptionsdienst siehe Anhang 1 [Anh. 1].

Zu Beginn des Kurses werden die Studierenden zum Thema „Servicequalität im Patientenmanagement“ in einem zweistündigen Seminar durch einen externen Trainer (Kommunikationstrainer, Trainingsakademie der Bertelsmann Akademie Gütersloh) mit den Themenschwerpunkten Sales und Service) geschult. Die Studierenden üben in Rollenspielen, Telefongespräche mit Patienten zu führen, adäquat auf Beschwerden von Patienten zu reagieren und wie sie untereinander im Beisein der Patienten kommunizieren sollen. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf einer professionellen Haltung gegenüber Kollegen und Patienten, die eine wertschätzende und deeskalierende Kommunikation ermöglicht. Zusätzlich erhalten die Studierenden eine Einführung in die organisatorischen Abläufe und bekommen die Möglichkeit, in Begleitung eines Dozenten, die Abläufe an der Rezeption einzuüben. Während der laufenden Kurse stehen die Kursleiter den Studierenden als Ansprechpartner für Fragen zur Verfügung. Außerdem wird ein Austausch unter den Studierenden selbst gefördert, indem Studierende, die den Rezeptionsdienst bereits durchgeführt haben, eine Übergabe an die nachfolgenden Studierenden machen.

Anhand der ADEE-Kriterien wurden für den Rezeptionsdienst folgende mögliche Lernbereiche abgeleitet (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]).

2.2 Evaluation

Im Sommersemester 2011 und im Wintersemester 2011/2012 wurden insgesamt ca. 1500 Patienten in den Behandlungskursen behandelt. Alle erhielten Antwortkarten (siehe Anhang 2 [Anh. 2]), mit der Bitte diese nach ihrer Behandlung auszufüllen. Die Patienten wurden dabei gebeten, anzugeben, inwiefern sie Verbesserungen bei der Begrüßung und der Verabschiedung an der Rezeption für nötig erachten (vierstufige Antwortskala: „keine Verbesserung nötig“ bis „deutliche Verbesserung nötig“). Außerdem wurden sie nach ihrer Zufriedenheit bzgl. des gesamten Aufenthaltes im Behandlungskurs gefragt. Die Rücklaufquote betrug 38%. Zusätzlich wurden die Studierenden des Behandlungskurses mittels eines Fragebogens (Likert-skalierte Fragen, siehe Anhang 3 [Anh. 3]) zu verschiedenen Aspekten des Rezeptionsdienstes befragt. 53 der 98 Studierenden (54%) füllten den Fragebogen aus. Auf beiden Fragebögen wurde den Patienten beziehungsweise den Studierenden die Möglichkeit gegeben, zusätzliche Angaben in Form von Freitextkommentaren zu machen. Die Antworten waren jedoch leider unspezifisch und betrafen nicht unmittelbar den Rezeptionsdienst, sodass eine Analyse nicht sinnvoll war.

Zusätzlich wurden im Sommersemester 2014 halbstandardisierte Interviews durchgeführt, um zu explorieren, welche der anvisierten Lernfelder des Rezeptionsdienstes von den Studierenden wahrgenommen werden. Dazu wurden 4 Studierenden (4. klinisches Semester; 3 weiblich, 1 männlich), die sich freiwillig meldeten, befragt. Der Interviewleitfaden (siehe Anhang 4 [Anh. 4]) wurde entsprechend der aus den ADEE-Kriterien abgeleiteten Lernbereiche des Rezeptionsdienstes (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]) zusammengestellt. Die Interviewten waren deutsch, zwischen 23 und 29 Jahre alt und hatten den Rezeptionsdienst zwischen drei und sieben Mal durchgeführt. Keiner der Befragten verfügte über zahnmedizinische Berufserfahrung. Die Interviews wurden von einem Mitglied der Arbeitsgruppe LSK-Dent, das nicht als Dozent im Behandlungskurs tätig ist, durchgeführt und dauerten im Durchschnitt 10 Minuten. Die Interviews wurden wörtlich transkribiert. Die Antworten der Studierenden wurden den in Tabelle 2 [Tab. 2] genannten Lernbereichen zugeordnet.


3. Ergebnisse

3.1 Servicequalität und Patientenzufriedenheit

Eine deutliche Mehrheit der befragten Patienten (86%) gab an, dass sie sehr zufrieden mit ihrem Besuch im Behandlungskurs waren (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]).

Bei der Begrüßung bzw. der Verabschiedung durch die Studierenden an der Rezeption hielten 87% bzw. 89% der Patienten keine Verbesserungen für nötig. Nach eigener Einschätzung musste die Mehrheit der Patienten nicht länger als 10 Minuten warten (65%), 24% bis zu 20 Minuten und 9% mehr als 20 Minuten. 85% hielten die Wartezeit für angemessen, 3% für zu lang. Dem entsprechen die Angaben der Studierenden, wonach die neuen Abläufe eine Erleichterung des Anmeldevorgangs für die Patienten bedeuteten (siehe Abbildung 2 [Abb. 2]).

3.2 Praxiseinblick

Insgesamt gaben die Studierenden an, durch den Rezeptionsdienst einen Einblick in Praxisabläufe erhalten zu haben. Dies zeigt sich zum einen in den Antworten der Fragebögen (siehe Abbildung 3 [Abb. 3]) und in den Äußerungen in den Interviews. Besonders hervorgehoben wurde hierbei die Patiententerminierung, da die Studierenden während des Rezeptionsdienstes diese nicht nur für ihre eigenen Patienten sondern für alle an diesem Tag zu behandelnden Patienten berücksichtigen müssen und hierbei direkter Ansprechpartner für die Patienten sind.

3.3 Kommunikative und soziale Kompetenzen

Die Mehrheit der mittels Fragebogen befragten Studierenden stimmte zu, dass durch den Rezeptionsdienst ihre kommunikativen Fähigkeiten geschult würden (siehe Abbildung 4 [Abb. 4]). Die Antworten der vier Studierenden in den Interviews liefern erste Hinweise darauf, welche konkreten Kompetenzen aus Sicht der Studierenden trainiert werden und auf welche Weise. Die interviewten Studierenden berichteten, dass sie insbesondere den vermehrten Patientenkontakt im Sinne eines Trainingsfeldes für soziale und kommunikative Kompetenzen im Umgang mit Patienten sehen, da sie mit deutlich mehr und anderen Belangen der Patienten (z.B. Beschwerden, Nachfragen zu verschiedene Abläufen und Wartezeiten) konfrontiert sind, als wenn sie – wie sonst im Behandlungskurs üblich - ausschließlich mit der zahnmedizinischen Behandlung der Patienten betraut sind. Des Weiteren gaben sie an, dass bei ihnen während des Rezeptionsdienstes ein Perspektivenwechsel mit den nicht-zahnärztlichen Mitarbeitern stattfände. Durch die Übernahme der Aufgaben von den nicht-zahnärztlichen Mitarbeitern können sie sich besser in deren Rolle hineinversetzen und so einen Eindruck gewinnen, welche Bedeutung diesen Mitarbeitern in einem Praxisteam zukommt. Die Interviewten gaben an, dass sie glauben, dass diese Erfahrung für das spätere Berufsleben in einer Praxis hilfreich sei. Ein Student sagte dazu:

„Wenn man später eine eigene Praxis hat […] und den Rezeptionsdienst jetzt z.B. nicht hatte, dann weiß man gar nicht, was die Angestellten da alles leisten.“

Bei den Fragen zum Trainieren der Teamfähigkeit entsprechen die Antworten der Studierenden in den Interviews nicht unseren Erwartungen. Die Studierenden hielten Teamarbeit für einen wichtigen Aspekt der zahnärztlichen Tätigkeit, der Rezeptionsdienst als solches habe jedoch wenig mit tatsächlicher Teamarbeit zu tun gehabt. Eine Studentin sagte:

„[…]ich find jetzt an der Rezeption selber, das hat jetzt nicht so viel mit Teamarbeit zu tun. Klar, man ist da zu zweit, man teilt sich die Aufgaben, man weist die Patienten an die entsprechenden Studenten weiter […]. Aber das war‘s dann auch schon. Ich find mit der Teamfähigkeit, das ist eher in den Behandlungsteams ein Thema.“

Alle interviewten Studierenden gaben an, dass der Rezeptionsdienst beibehalten werden sollte, vor allem aufgrund der dadurch erlebbaren Rolle der nicht-zahnärztlichen Mitarbeiter.


4. Diskussion

Ziel der vorliegenden Studie war es, die Entwicklung und Umsetzung des neuen Rezeptionsdienstes im klinischen Behandlungskurs der Zahnerhaltung und Parodontologie darzustellen, zu prüfen wie der Rezeptionsdienst von den Studierenden und den Patienten angenommen wird und zu untersuchen, inwiefern der Rezeptionsdienst von den Studierenden als Lernumwelt für soziale und kommunikative Kompetenzen wahrgenommen wird.

Aus unserer Sicht ist es gelungen, den Studierenden durch den Rezeptionsdienst eine neue Lernerfahrung zu ermöglichen, die ohne zeitliche Mehrbelastung in den bestehenden Behandlungskurs integriert werden konnte. Der Rezeptionsdienst stellt eine innovative Ergänzung der bisherigen Behandlungskurse dar und zeigt beispielhaft die Umdeutung bestehender Realitäten in modellierte Erfahrungs- und Lernwelten für Studierende.

Voraussetzung für einen solchen Rezeptionsdienst waren zum einen die neuen räumlichen Bedingungen sowie die Kooperationsbereitschaft aller beteiligten Abteilungen. Insbesondere die Offenheit und Kompromissbereitschaft der Mitarbeiter aus der Verwaltung haben eine erfolgreiche Umsetzung ermöglicht. Die Vorbereitungen für die Studierenden (Kommunikationstrainings im LSK-Dent –Projekt, Schulungen in Beschwerdemanagement sowie ständige Ansprechpartner im Kurs) sind offensichtlich ausreichend, um die Patientenversorgung außerhalb der Behandlungsräume sicherzustellen.

Der Rezeptionsdienst wird sowohl von den Patienten als auch von den Studierenden positiv angenommen, was sich in einer hohen Patientenzufriedenheit und in einer hohen Akzeptanz seitens der Studierenden zeigt.

Die Studierenden scheinen den Rezeptionsdienst als eine Lernwelt wahrzunehmen, in der sie sowohl Einblicke in Praxisabläufe erhalten als auch ihre sozialen und kommunikativen Kompetenzen trainieren. Die interviewten Studierenden berichteten, dass durch den Rezeptionsdienst der Perspektivenwechsel mit den nicht-zahnärztlichen Mitarbeitern einer Zahnarztpraxis gefördert werde und zu einer Wertschätzung dieser Mitarbeiter und ihrer Rolle im Team beitrage. Aufgrund der kleinen Stichprobe lassen sich die Angaben der Studierenden aber nur als erste Hinweise verstehen, die nahelegen, dass durch den Rezeptionsdienst das von der ADEE geforderte „professionelle Verhalten gegenüber allen Mitgliedern des zahnmedizinischen Teams“ [[9], S.195] so explizit gefördert werden kann. Interessant und kontraintuitiv sind in diesem Zusammenhang die Äußerungen der Studierenden, der Rezeptionsdienst habe wenig mit Teamarbeit zu tun, obwohl an anderer Stelle in den Interviews die Relevanz der Erfahrung für die spätere Arbeit im Praxisteam als sehr hoch eingeschätzt wird. Diese Diskrepanz lässt sich aus unserer Sicht am ehesten durch die studentische Orientierung in der vorherrschende Kursstruktur erklären: Die Studierenden sind durch die Einteilung in rein studentisch besetzte Behandlungsteams sehr auf dieses dyadische Team fokussiert, da diese Zusammenarbeit maßgeblich für den Behandlungserfolg und somit das Bestehen des Kurses verantwortlich ist. Zusätzlich könnten auch die Abläufe an der Rezeption eine Rolle spielen: teilweise ließen sich die Aufgaben, die vom Rezeptionsteam gemeinsam ausgeführt werden, auch alleine bearbeiten, sodass die grundlegenden Aspekte der Teamarbeit wie Aufgaben- und Rollenverteilung und das damit zusammenhängende Gefühl des Aufeinander-Angewiesenseins nicht so deutlich erfahren werden wie bei der Patientenbehandlung und somit die Notwendigkeit der Teamarbeit während des Rezeptionsdienstes nur bedingt wahrgenommen wird. Es gibt jedoch auch in der Literatur Hinweise darauf, dass die Relevanz der Teamarbeit und die Ausbildung der eigenen Teamfähigkeit von den Studierenden der Zahn- und Humanmedizin generell unterschätzt wird, da diese Fähigkeiten im Studium selten explizit vermittelt werden, sondern vielmehr Teil des „hidden curriculum“ sind [17]. Vor diesem Hintergrund erscheint es uns wichtig, dass wir zukünftig, z.B. durch Nachbesprechungen der Rezeptionsdienste mit den Studierenden, die relevanten Aspekte der Teamfähigkeit reflektieren und so das Thema interprofessionelle Teamarbeit stärker ins Bewusstsein der Studierenden rücken. Es gilt dann zu prüfen, ob durch diese reflektorische Auseinandersetzung die Lernerfahrungen während der Rezeptionsdienste von den Studierenden dann auch unter diesem Gesichtspunkt bewusst wahrgenommen werden und so der Rezeptionsdienst stärker als Lernumfeld für Teamfähigkeit, entsprechend der Empfehlungen für das Trainieren von Teamarbeit [18], fungieren kann.

Bei der Interpretation der Ergebnisse sind die eher geringen Rücklaufquoten (38% der Patienten, 54% der Studierenden) und die geringe Anzahl an Interviews zu berücksichtigen, wodurch nicht auszuschließen ist, dass es zu einem Selektionsbias infolge der Freiwilligkeit der Teilnahme gekommen ist. Hinzukommt, dass es sich bei den erhobenen Daten um Selbsteinschätzungen der Patienten und Studierenden handelt [19], [20]. Die Erfassung dieser Selbsteinschätzungen stellt jedoch nach Kirkpatrick [21] den ersten wichtigen Teilschritt bei der Evaluation von Trainingsmaßnahmen (Akzeptanz und Zufriedenheit; subjektiver Lernerfolg) dar. Um vermutete, langfristige Effekte der Lernerfahrungen im Rezeptionsdienst auf die Teamfähigkeit bzw. weitere soziale und kommunikative Kompetenzen nachzuweisen und um genauere Aussagen darüber treffen zu können, auf welche Art und Weise diese Kompetenzen im Rahmen des Rezeptionsdienstes trainiert werden können, sind weitere Untersuchungen notwendig: Durch den longitudinalen Aufbau des Curriculums und die somit bewusst angestrebte wechselseitige Beeinflussung der einzelnen Kursbausteine erscheint eine Überprüfung einzelner Lernziele nur bedingt möglich. Um eine Aussage über die Kompetenzverbesserung der Studierenden treffen zu können, wird stattdessen angestrebt, den Kompetenzerwerb des gesamten Curriculums bei Absolventinnen und Absolventen zu erfassen.


Danksagung

Die Autoren bedanken sich bei allen, die zum Gelingen des umfangreichen Gesamtprojekts beigetragen haben: Sabine Bornemann, Dr. med. dent. Sonja Derman, Dr. med. dent. Dirk Duddeck, Dr. rer. medic. Franz-Josef Faber, Dr. med. dent. Isabelle Graf , Dr. med. dent. Julia Neuschulz, Dr. med. dent. Sven Scharf, Claus Schlebusch und der Fachschaft Zahnmedizin der Universität zu Köln.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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