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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Positionspapier GMA-Ausschuss – „Interprofessionelle Ausbildung in den Gesundheitsberufen“

Positionspapier Interprofessionelle Ausbildung

  • corresponding author Ursula Walkenhorst - Universität Osnabrück, FB Humanwissenschaften, Osnabrück, Deutschland
  • corresponding author Cornelia Mahler - Universitätsklinikum Heidelberg, Abt. Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Heidelberg, Deutschland
  • author Regina Aistleithner - Gesundheit Österreich GmbH, Gesundheitsberufe, Wien, Österreich
  • author Eckhart G. Hahn - Gesellschaft für Berufliche Fortbildung, Forschung und Entwicklung e.V. an der Medizinischen Klinik 1, Universitätsklinikum Erlangen, Erlangen, Deutschland
  • author Sylvia Kaap-Fröhlich - Universität Zürich, Medizinische Fakultät, Zürich, Schweiz
  • author Sven Karstens - Universitätsklinikum Heidelberg, Abt. Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Heidelberg, Deutschland
  • author Karin Reiber - Hochschule Esslingen, Fakultät Soziale Arbeit, Gesundheit und Pflege, Esslingen, Deutschland
  • author Beate Stock-Schröer - Karl und Veronica Carstens-Stiftung, Aus- und Weiterbildung, Essen, Deutschland
  • author Beat Sottas - Stiftung Careum, Stiftungsrat, Zürich, Schweiz

GMS Z Med Ausbild 2015;32(2):Doc22

doi: 10.3205/zma000964, urn:nbn:de:0183-zma0009647

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2015-32/zma000964.shtml

Eingereicht: 19. November 2014
Überarbeitet: 26. Januar 2015
Angenommen: 30. Januar 2015
Veröffentlicht: 13. Mai 2015

© 2015 Walkenhorst et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Vorwort

„Die Diskussion um neue Kooperationsformen und Kompetenzen von Gesundheitsberufen ist nicht primär aus der Perspektive der Berufsgruppen, sondern auf der Basis der zukünftigen Anforderungen an das Gesundheitssystem - d.h. aus der Patientenperspektive - zu führen.“ [1].

Der Ausschuss „Interprofessionelle Ausbildung in den Gesundheitsberufen“ wurde im Jahr 2011 als Ausschuss der Gesellschaft für medizinische Ausbildung (GMA) eingerichtet und setzt sich aus Fachexpert/-innen aus den Gesundheitsberufen der Humanmedizin, der Pflege, der therapeutischen und diagnostischen Berufe aus Deutschland, Österreich und der Schweiz (D-A-CH-Raum) zusammen. Er wurde mit der Zielsetzung gegründet, die derzeitige interprofessionelle Ausbildung im akademischen Bereich zwischen den Gesundheitsberufen kritisch zu überprüfen und Empfehlungen in Form eines Positionspapiers für die interprofessionelle Ausbildung zu formulieren. Diese sollen die weitere Entwicklung beim Ausbau interprofessioneller Ansätze für die Ausbildung der Gesundheitsberufe in Theorie und Praxis unterstützen. Der Bedarf, sich mit der Thematik systematisch zu beschäftigen, ergibt sich aus den bisherigen Erkenntnissen über die Notwendigkeit kooperativer Zusammenarbeit zwischen den Gesundheitsberufen [2], [3], [4] sowie Erkenntnissen über die Auswirkungen kooperativer Zusammenarbeit für die Patient/-innen, die Bevölkerung sowie für die Berufsangehörigen.

Der Ausschuss hat sich in seiner Arbeit zunächst mit den berufsqualifizierenden Erstausbildungen in ausgewählten Gesundheits- und Gesundheitsfachberufen1 beschäftigt, die sich zum Teil seit wenigen Jahren auf dem Weg der Akademisierung befinden und dadurch von der bereits lange etablierten Medizin unterscheiden. Die im vorliegenden Positionspapier formulierten Empfehlungen für die interprofessionelle Ausbildung richten sich jedoch nicht nur an die genannten Berufsgruppen, sondern an alle Berufsgruppen, die in der direkten Patientenversorgung vertreten sind. Aktuell findet sich außer in der Medizin im Bildungsbereich die Situation, dass der Großteil der Erstausbildungen in den Gesundheitsberufen im Bereich der beruflichen Bildung angesiedelt und damit nicht primär akademisch sind. Diese besondere Ausgangslage hat insbesondere in der Diskussion mit den Vertreter/-innen aus der Humanmedizin in dem Ausschuss Berücksichtigung gefunden. Aus der Perspektive der Gesundheitsbildungspolitik [5] haben die aktuellen Entwicklungen in der Akademisierung der Gesundheitsberufe auch Implikationen für die künftige Bildungssteuerung und damit auch für die Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung mit allen Berufsgruppen.

Unser Dank gilt allen Mitgliedern des Ausschusses ‚Interprofessionelle Ausbildung in den Gesundheitsberufen‘ sowie den „Mitdiskutant/-innen“ in den unterschiedlichen Workshops und Ausschusssitzungen, die wichtige Impulse und Anregungen zur Entstehung des Positionspapiers gegeben haben.


Einführung

Die interprofessionelle Ausbildung hat das Ziel, auf die interprofessionelle Zusammenarbeit im späteren Berufsleben vorzubereiten und damit einen Beitrag zu einer sicheren und patienten- bzw. bevölkerungsorientierten Gesundheitsversorgung leisten zu können. Im Rahmen des Ausschusses wurde die Thematik sowohl aus einer notwendigen Versorgungsperspektive als auch aus einer Bildungsperspektive bearbeitet, wobei in den formulierten Empfehlungen die bildungswissenschaftlichen und didaktischen Perspektiven in den Vordergrund gestellt wurden. Das Positionspapier lässt sich insgesamt als Impuls für weitere Diskussionen nutzen, die im Gesundheits- und Bildungsbereich geführt werden müssen. Eine systemische Perspektive, die beide Bereiche miteinander verknüpft, ist dabei unabdingbar für die Umsetzung der Empfehlungen.

In den vergangenen Jahren hat sich der Ausschuss dazu intensiv mit den nationalen Gegebenheiten in der Ausbildung der Gesundheitsberufe im D-A-CH-Raum2 wie auch mit internationalen Erfahrungen in der Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe auseinandergesetzt. Dazu wurden eine Bestandsaufnahme von nationalen und internationalen Ansätzen und Konzepten in der interprofessionellen Ausbildung durchgeführt, wie auch empirische Studien zur Untersuchung der Wirksamkeit von interprofessioneller Zusammenarbeit und interprofessionellem Lernen gesichtet und analysiert. Die darin beschriebenen strukturellen und inhaltlichen Kriterien für eine erfolgreich umgesetzte interprofessionelle Ausbildung wie auch identifizierte hinderliche Faktoren wurden zusammengetragen und bilden die Grundlage für das vorliegende Positionspapier.

Im Folgenden werden zunächst die Ausgangslage und Zusammenarbeit sowie nationale und internationale Beispiele dargestellt und die aktuelle Studienlage zusammengefasst. Daran schließen sich die daraus resultierenden Empfehlungen einschliesslich der korrespondierenden Umsetzungsstrategien des Ausschusses „Interprofessionelle Ausbildung in den Gesundheitsberufen“ zur Verbesserung der interprofessionellen Ausbildung an.


Ausgangslage

Die Gesundheitsversorgung heute und in der Zukunft ist geprägt durch demographische und epidemiologische Herausforderungen. Die Sicherung und Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung kann dabei nur durch eine qualitativ hochwertige, interprofessionelle Zusammenarbeit von allen bestehenden, möglicherweise aber auch neuen Gesundheitsberufen gewährleistet werden. Zur Vorbereitung auf die damit einhergehenden veränderten Aufgaben ergeben sich vielfältige Implikationen für die Ausbildung. Darüber hinaus sind die personellen Kapazitäten sowie die wirtschaftliche Ausrichtung vor dem Hintergrund knapper Ressourcen von Bedeutung.

Parallel tragen die Akademisierungs- und Professionalisierungsentwicklungen [6], [7] in den Gesundheitsfachberufen zunehmend zu einer besseren Qualifizierung der Berufe im Gesundheitswesen bei und bringen durch den Aufbau einer wissenschaftlichen Basis und Forschung neue Erkenntnisse über verschiedene Aspekte des Versorgungsbedarfs und neue Ansatzpunkte für Versorgungsleistungen in das Gesundheitswesen ein. Bei dieser Entwicklung spielt insbesondere die Gestaltung der Zusammenarbeit mit der Medizin eine große Rolle. Eine Akademisierung der Gesundheitsfachberufe kann nur in einem engen Schulterschluss mit den Vertreter/-innen aus der Medizin erfolgen. In welcher Form die dafür notwendige interprofessionelle Zusammenarbeit gestaltet und gelebt werden kann und muss, kann zurzeit nicht vollumfänglich beantwortet werden und bedarf weiterer konzeptioneller Arbeit und Diskussion.

Interprofessionelle Ausbildungssequenzen und -strukturen sowohl auf der Berufsfachschulebene als auch auf der Hochschulebene sind derzeit in allen Gesundheitsberufen noch selten, gewinnen aber im Zuge des Aufbaus primärqualifizierender Studiengänge in den pflegerischen und therapeutischen Berufen zunehmend an Bedeutung. Auch in der Medizin lassen sich insbesondere durch neue Ausbildungskonzepte erste Ansätze für interprofessionelles Lernen mit den übrigen Gesundheitsberufen finden. Derzeit ist die effektive Zusammenarbeit zwischen den Gesundheitsberufen meist vom Engagement einzelner Personen und Teams abhängig. Um diese Form der Zusammenarbeit schrittweise zu nachhaltigen und zukunftsorientierten Strukturen auszubauen, bedarf es entsprechender Konzepte. Diese setzen wiederum einen grundlegenden Dialog zwischen den Gesundheitsberufen und eine entsprechende Verankerung im Rahmen der Ausbildungen und deren rechtlichen Rahmenbedingungen voraus. Ausbildungsinstitutionen sollten dieses Thema im Rahmen der bestehenden Strukturen und Vorgaben aufgreifen, um ihrem auf die Zukunft gerichteten Auftrag gerecht zu werden, zu einer besseren Gesundheitsversorgung beizutragen. Gleichzeitig gilt es, an gesetzlichen Regelungen zu arbeiten, die eine Qualifizierung zum interprofessionellen Arbeiten in den Curricula absichern.

Entwicklungsstand interprofessioneller Ausbildungskonzepte in ausgewählten europäischen Ländern

Der Entwicklungsstand interprofessioneller Ausbildung stellt sich in den verschiedenen Ländern durch die unterschiedliche Verortung und Regelung der Ausbildungen der einzelnen Gesundheitsberufe sehr heterogen dar. Im Folgenden soll auf einige ausgewählte Beispiele aus europäischen Ländern eingegangen werden.

a) Deutschland

In Deutschland findet die Sozialisation der medizinischen, pflegerischen, therapeutischen und diagnostischen Gesundheitsberufe in Ausbildung und Studium weitgehend getrennt voneinander statt. Im Folgenden werden erste Modellprojekte kurz vorgestellt.

Die Hochschule für Gesundheit in Bochum hat in ihrem Curriculum erstmals interprofessionelle Lerneinheiten für die Studiengänge Ergotherapie, Physiotherapie, Logopädie, Hebammenkunde und Pflege über den gesamten Studienverlauf hinweg integriert [http://www.hs-gesundheit.de/de/thema/die-hochschule/, zuletzt geprüft am 02.03.2015] und führt zudem Projektlernen mit Studierenden der Medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum durch (s.u.). An der Medizinischen Fakultät Heidelberg wurde 2011 ein ausbildungsintegrierender Bachelorstudiengang ‚Interprofessionelle Gesundheitsversorgung‘ eingerichtet, in dem neun unterschiedliche Gesundheitsberufe (Altenpflege, Gesundheits- und Krankenpflege, Gesundheits- und Kinderkrankenpflege , Hebammenkunde, Logopädie, medizinisch-technische Laboratioriumsassistenz, medizinisch-technische Radiologieassistenz, Physiotherapie, Orthoptik) gemeinsam studieren [8]. Lerneinheiten mit Studierenden der Humanmedizin zum Thema Teamkommunikation [9] wie auch Fachenglisch und Fehlermanagement / Fehlerkultur sind im Curriculum integriert.

In den letzten Jahren wurden zudem erste Modellprojekte zwischen Fachhochschulen und medizinischen Fakultäten angestoßen, in denen die Studierenden bereits während der Ausbildung gemeinsam lernen. So zum Beispiel in einem interprofessionellen Modellprojekt unter Beteiligung der Medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum und der Hochschule für Gesundheit, in dem Studierende aus Medizin, Pflege, den therapeutischen Berufen und der Hebammenkunde gemeinsam einen Fall bearbeiten [10]. Mit dem Förderprogramm „Operation Team – Interprofessionelles Lernen in den Gesundheitsberufen“ unterstützt die Robert Bosch Stiftung aktuell Modellprojekte, die Lehrveranstaltungen unter Beteiligung von Medizinischen Fakultäten und verschiedenen weiteren Gesundheitsberufen entwickeln, durchführen und evaluieren. Erste Veröffentlichungen hierzu sind 2015 zu erwarten.

b) Österreich

Die Ausbildung zu hochschulisch qualifizierten Gesundheitsberufen in Österreich ist bislang monoprofessionell ausgerichtet. Der Gesetzgeber berücksichtigt seit der Gesundheitsreform im Jahr 2005 aufgrund des Versorgungsbedarfs verstärkt multiprofessionelle Ansätze sowohl auf der Ebene der Gesundheitsversorgung als auch auf der Ebene der Ausbildung. Bei Gesundheitsberufeausbildungen schlägt sich dieses Erfordernis insbesondere in den kompetenzorientierten fachhochschulischen Ausbildungsvorschriften der Gesundheits- und Krankenpflege, der Hebammen und der gehobenen medizinisch-technischen Dienste (Biomedizinische Analytiker/-innen, Diätolog/-innen, Ergotherapeut/-innen , Logopäd/-innen, Orthoptist/-innen, Physiotherapeut/-innen und Radiologietechnolog/-innen) nieder. Erleichtert werden interprofessionelle Ausbildungsansätze durch Angebote für mehrere Gesundheitsberufe an einer Fachhochschule. Diese finden sich insbesondere bei weiterführenden Ausbildungen auf Masterebene. Aktuell sieht die Gesundheitsreform 2013, initiiert von Bund, Ländern und den Sozialversicherungsträgern, einen Paradigmenwechsel vor, der zu entsprechenden Anpassungen der Gesundheitsberufeausbildungen führen wird. Unter Berücksichtigung des “Health in all Policies”-Ansatzes und der Rahmen-Gesundheitsziele treten Gesundheitsförderung und Prävention in den Vordergrund. Ein Versorgungsstufenkonzept soll eine bedarfsgerechte, effektive und effiziente Versorgung zur Sicherung der hohen Versorgungsqualität gewährleisten. Auf allen Versorgungsebenen sind interdisziplinäre, multiprofessionelle und integrative Versorgungsformen vorzusehen. Derzeit werden für die einzelnen Versorgungsebenen die strukturellen, organisatorischen und finanziellen Rahmenbedingungen entwickelt. Auf deren Grundlage werden die Rollenprofile und Kompetenzen der beteiligten Gesundheitsberufe definiert. Danach werden erforderlichenfalls die ausbildungsrechtlichen Bestimmungen angepasst. Ein aktuelles Projekt zur Ausbildungsreform der Gesundheits- und Krankenpflege sowie eine Ärzteausbildungsreform werden diese Aspekte ebenso berücksichtigen wie die Änderungen der Berufsanerkennungsrichtlinie (Richtlinie 2013/55/EU). Bis zum Jahr 2016 sollten erste Ergebnisse zu Ausbildungsanpassungen aufgrund der Gesundheitsreform vorliegen und umgesetzt werden.

c) Schweiz

Die Sensibilität für interprofessionelle Ausbildung (Interprofessional Education, IPE) ist in der Schweiz beachtlich; es wird Bereitschaft zur Konkretisierung signalisiert und es sind Umsetzungsschritte initiiert worden. Dabei gilt es, zwischen zwei Handlungsebenen zu unterscheiden: Auf der Ebene der politischen strategischen Steuerung hat der regierende Schweizer Bundesrat Anstöße für interprofessionelle Versorgungsansätze gegeben und die Gesamtstrategie Gesundheit 2020 mit einem Strategiepapier zur interprofessionellen Bildung bis auf die Ebene eines didaktischen Orientierungsrahmens unterlegt [http://www.gesundheit2020.ch, zuletzt geprüft am 01.03.2015]. Treiber für diese politische Weichenstellung sind die künftigen Herausforderungen für eine bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung, insbesondere was den Zugang zur Versorgung und die Aufrechterhaltung einer hohen Qualität betrifft. Durch die zunehmenden Verschiebungen von der stationären zur ambulanten Versorgung werden Erwartungen in innovative Entwicklungen im Bereich „Advanced Practice“ gesetzt.

Auf der Ebene der Bildungsinstitutionen lassen sich viele einzelne interprofessionelle Projekte identifizieren. Diese Entwicklung wird begünstigt durch allgemeine Ziele in den Bildungsgesetzen sowie kompetenzbasierte Curricula, die in den medizinischen Fakultäten, den Fachhochschulen und den Höheren Fachschulen eingesetzt werden. Durch die Akademisierung der nicht ärztlichen Gesundheitsfachberufe und die konsequente Umsetzung der Bologna Reform sind zudem vergleichbare curriculare Strukturen entstanden, die die Einführung interprofessioneller Lehrangebote auf formaler Ebene vereinfachen. Kompetenzen, die der Rolle des (interprofessionellen) „Collaborators“ im CanMeds-Rollenmodell [11] entsprechen, sind schon heute sowohl in den Abschlusskompetenzen der Fachhochschul-Gesundheitsberufe, als auch im Schweizerischen Lernzielkatalog der Humanmedizin SCLO [12] sowie im Lernzielkatalog der ärztlichen Weiterbildungsprogramme, [http://www.fmh.ch/files/pdf8/allg_lz_d.pdf, zuletzt geprüft am 02.03.2014] beschrieben. Die Abschlusskompetenzen der Fachhochschul-Gesundheitsfachberufe fokussieren dabei deutlicher auf interprofessionelle Kompetenzen zwischen diesen Gesundheitsberufen.

Noch wird „interprofessional education“ und „interprofessional training“ in den Bildungsinstitutionen und in der Praxis in ganz unterschiedlichem Ausmaß praktiziert. Ein Überblick zu den interprofessionellen Ausbildungsaktivitäten der Schweizer Hoch- und Fachschulen ist dem Bericht der Themengruppe „Interprofessionalität“ beim Bundesamt für Gesundheit zu entnehmen [http://www.bag.admin.ch/themen/berufe/11724/14204/index.html?lang=de, zuletzt geprüft am 01.03.2015].

Insgesamt gibt es in dieser Aufbruchsstimmung zwar einen „plakativen Konsens“ (Schweizerische Akademie der medizinischen Wissenschaften, s.u.), aber die Übergangsphase ist ergebnisoffen – wobei die entstandene Dynamik den Druck in der Politik, in der Versorgung und in der Bildung erhöht.

Es wird auf einen politischen Auftrag von Bund und Kantonen hingearbeitet, damit IPE als Vorbereitung und Befähigung für die interprofessionelle Praxis auf nationaler Ebene gezielt vorangetrieben werden kann. Dabei ist einerseits der Blick über patientenbezogene Funktionen hinaus auszuweiten auf Themen wie Steuerung, Finanzierung und Logistik und andererseits muss die Verankerung in der Curriculumorganisation angegangen werden.

Als positiv ist die Arbeit an der Charta „Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe“ der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften zu sehen, in der auch auf die interprofessionelle Aus- und Weiterbildung Bezug genommen wird [13]. Die Charta wurde 2014 der Öffentlichkeit vorgestellt und anschließend breit diffundiert.

d) Skandinavien

Die medizinische Fakultät der Linköping University in Schweden hat bereits seit 1986 eine insgesamt zwölfwöchige interprofessionelle Lernphase für Ärzt/-innen, Krankenpfleger/-innen , Physiotherapeut/-innen, Ergotherapeut/-innen, Sprachtherapeut/-innen und Logopäd/-innen sowie Biomediziner/-innen in den Lehrplan aufgenommen. Das Interprofessionelle Lernen ist dabei in drei aufeinander aufbauende Stufen aufgeteilt und in unterschiedlichen Studienabschnitten integriert. Bereits zu Beginn des Studiums lernen Studierende in einem siebenwöchigen gemeinsamen Modul allgemeine Grundlagen zu Gesundheit und Gesundheitsförderung sowie zu gesundheits- und sozialpolitischen Fragestellungen. Hierbei wird zugleich ein Grundstein für problembezogenes Lernen gelegt. Nach zweieinhalb Jahren finden sich die Studierenden sodann für den zweiten Teil in einem zweiwöchigen themenbezogenen Kurs zusammen, der auf die Entwicklung komplementärer beruflicher Kompetenzen und das Bewusstsein für die unterschiedlichen beruflichen Identitäten abzielt. Im dritten Teil finden sich die Studierenden in einem zweiwöchigen Praktikum in interprofessionellen Teams zusammen, mit denen sie in der realen Umgebung auf Trainingsstationen für die Betreuung der Patient/-innen zuständig sind. Nach einer Einführung organisieren sie anfallende Arbeiten und Verantwortlichkeiten selbstständig. Das Interprofessionelle Lernen wird sodann mit einer Reflexion der Lernerfahrungen abgeschlossen [http://www.hu.liu.se, zuletzt geprüft am 02.03.2015].

e) England

Eine weitere curriculare Verankerung interprofessioneller Lerneinheiten findet sich beispielsweise seit 2000 an der University of Southampton in England mit dem internetbasierten Common Learning. Dieses enthält zwei interprofessionelle Lerneinheiten, in denen sich pro Jahr etwa 3.500 Studierende aus elf Gesundheitsberufen und der Sozialarbeit miteinander austauschen. Dabei werden Studierenden zum einen gemeinsame Lehrinhalte vermittelt und zum anderen interprofessionelle Kompetenzen geschult. Die erste Lerneinheit dient dabei als Einführung in das Konzept des kollaborativen Lernens und der Teamarbeit sowie in die IT-Methoden für die anschließenden internetbasierten Module. In der zweiten Einheit haben Studierende sodann die Möglichkeit, gemeinsam in einem Audit Teamarbeit und Verhandlungsgeschick in einem interprofessionellen Kontext anzuwenden [14].


Studienlage

Nach einer explorativen Literaturrecherche in Fachzeitschriften und Datenbanken wurden insgesamt 58 Publikationen zu den Themenbereichen Interprofessional Education (IPE) und Interprofessional Collaboration (IPC) gesichtet (Stand Frühjahr 2013). Zu beiden Bereichen liegen jeweils eine Metaanalyse in Form eines Cochrane Reviews [15], [16] sowie diverse Übersichtsarbeiten vor. In diesen werden verschiedene Modelle des gemeinsamen Lernens und Arbeitens beschrieben sowie Evaluationen einzelner Projekte vorgestellt. Die meisten Studien wurden in Kanada, Amerika, Schweden und England durchgeführt. Für Deutschland, Österreich und die Schweiz gibt es nur wenige Publikationen. Eine Vorreiterrolle sowohl für IPE als auch für IPC nehmen Schweden (Universität Linköping) [17] und Kanada (University of British Columbia) ein [18].

Die Studienergebnisse zeigen, dass Interprofessional Education (IPE) in gemeinsamen Lehrveranstaltungsprojekten an Hochschulen zu einem besseren Verständnis für die jeweils anderen Berufsgruppen führt und damit die eigene Berufszufriedenheit wächst [19]. Dabei ist es wichtig, dass die Lerngruppen möglichst klein und heterogen sind und die Lehre einen hohen Praxisanteil enthält. Als schwierig erwies sich in den beschriebenen Modellen die Koordination der verschiedenen Lehrpläne. Zu den untersuchten Berufsgruppen gehörten (Zahn-) Mediziner/-innen, Pflegekräfte, Pharmazeut/-innen, Sozialarbeiter/-innen, Ergotherapeut/-innen, Physiotherapeut/-innen, Hebammen und medizinisch-technische Radiologieassistent/-innen. In den wenigen und sehr heterogenen Studien, die in den Cochrane Reviews von Reeves et al. [15] und Zwarenstein et al. [16] eingeschlossen wurden, konnten bisher trotz Hinweisen auf positive Ergebnisse durch interprofessionelles Lernen und interprofessionelle Zusammenarbeit keine generalisierbaren Effekte auf Verhaltensänderungen in der Versorgungspraxis oder auf Patientenoutcomes nachgewiesen werden.

Gesichtete Studien zur Interprofessional Collaboration (IPC) kommen ebenfalls zu unterschiedlichen Einschätzungen. Alle in den vorliegenden Studien beteiligten Gesundheitsberufe sind sich über die Notwendigkeit des gemeinsamen Arbeitens einig, aber die Umsetzung wird von den verschiedenen Berufsgruppen unterschiedlich beurteilt. Auch die Zufriedenheit in der Praxis unterscheidet sich je nach Beruf. Einzelne Studien belegen jedoch eine verkürzte Liegedauer von Patient/-innen und eine Reduktion des Medikamentenverbrauchs, wenn interprofessionelles Arbeiten in Form von regelmäßigen Besprechungen und auch Fallkonferenzen im Team durchgeführt werden [20], [21]. Wichtig scheinen dabei auch klare Strukturen bezüglich der Kompetenzen im Behandlungssetting zu sein [22].

Das Fazit fast aller Studien lautet: Von einer verbesserten Kooperation und Koordination aller jeweils beteiligten Berufsgruppen im Gesundheitssystem profitiert letztendlich die Patient/-innen. Diese Hypothese gilt es aber in Form von überzeugenden empirischen Studien weiter zu belegen. Solch eine Zusammenarbeit und ein besseres Verständnis füreinander lassen sich am besten direkt in der Ausbildung über interprofessionelle Ausbildungssequenzen implementieren. Fast alle Übersichtsstudien sehen darüber hinaus einen großen Bedarf an methodisch guter Forschung in diesem Bereich.


Empfehlungen

Die aus der Analyse der Ausgangslage, der Schilderung von Beispielen aus europäischen Ländern sowie der Skizzierung der aktuellen Studienlage abgeleiteten Empfehlungen werden insgesamt aus einer bildungswissenschaftlichen und didaktischen Perspektive formuliert, wenngleich grundsätzlich auch andere Betrachtungsweisen (Gesundheitsversorgung, Gesundheitspolitik, Berufspolitik) möglich erscheinen. Eine Begründung für die Fokussierung der bildungswissenschaftlichen Perspektive ergibt sich aus dem Auftrag des Ausschusses sowie dem Anliegen der GMA, die Ausbildungen in der Medizin und den anderen Gesundheitsberufen zu verbessern.

Nach einer umfassenden Recherche, gemeinsamen Diskussionen und der Auswertung der Daten gibt der Ausschuss folgende Empfehlungen, die einer weiteren Konkretisierung bei der Anwendung sowie einer entsprechenden institutionellen Anpassung bedürfen.

1. Interprofessionelle Ausbildungskonzepte

Die Entwicklung interprofessioneller Ausbildungskonzepte im deutschsprachigen Raum hat zwar erkennbar an Bedeutung gewonnen, aber es mangelt noch an tragfähigen und nachhaltigen Konzepten, die die Bildungseinrichtungen darin unterstützen, eigene interprofessionelle Konzepte und die dafür notwendigen Strukturen zu entwickeln.

Der Ausschuss empfiehlt:

Die Entwicklung eines Gesamtkonzepts „Interprofessionelle Kompetenz“, das sich an alle Ausbildungen der Gesundheitsberufe in D-A-CH richtet. Das Konzept wird von einem interprofessionellen Expertenpanel mit Vertretern aus D-A-CH erarbeitet, ähnlich dem „Core competencies for interprofessional collaborative practice“ [23]. Zur Erarbeitung des Konzepts werden relevante Stakeholder aus der Berufspraxis, Gesundheits- und Berufspolitik, Arbeitgeber, Gesundheitswirtschaft sowie Patient/-innen im Vorfeld befragt bzw. an der Entwicklung beteiligt. Vorlagen und Empfehlungen für die Themen eines interprofessionellen Kompetenzprofils bieten unterschiedliche Konzepte/Papiere (u.a. WHO [24], CanMEDs [11], CIHC[25] ). Diese können als Grundlage dienen.

Das entwickelte und verabschiedete Konzept ist zudem so gestaltet, dass die Implementierung in die rechtlichen Vorgaben und Curricula der einzelnen Gesundheitsberufe vorgesehen werden kann. Darüber hinaus ist das Konzept auch leitend für die didaktische Qualifizierung von Lehrenden aller Gesundheitsberufe, die im Bereich IPE tätig sind.

2. Curriculumentwicklung und Didaktische Konzepte

Interprofessionelle Lehr-/Lernkonzepte benötigen eine curriculare Gesamtkonstruktion, die es ermöglicht, eine systematische und gezielte Kompetenzentwicklung in dem Bereich vorzunehmen. Interprofessionalität und die Befähigung zu interprofessionellem Arbeiten sollten die Leitidee des Konzeptes ausmachen. Die Leitideen sollten sich auf die Strukturen, Organisationskultur und Lehr-/Lernkultur auswirken. Die notwendigen Kompetenzen sollten auf verschiedenen Qualifikationsstufen (vgl. Europäischer Qualifikationsrahmen [EQR] [26]) beschrieben werden. Aus dem curricularen Konzept müssen darüber hinaus neben den Inhalten und didaktischen Ansätzen Strukturen, Organisationskultur und Haltung erkennbar sein, die diesen Leitideen folgen.

Der Ausschuss empfiehlt:

Bildungseinrichtungen, die interprofessionelle Lernkonzepte entwickeln wollen, benötigen entsprechende personelle und sächliche Ressourcen, um die Konzepte nicht in isolierten Modulen und mit einzelnen Personen abzubilden, sondern als Gesamtkonzept zu verstehen, das an verschiedenen Merkmalen erkennbar ist. Die Entwicklung moderner und innovativer didaktischer Konzepte setzt eine entsprechende Qualifikation der Lehrenden voraus (siehe auch Empfehlung 3), aber auch eine entsprechende Kapazitätsberechnung innerhalb der Fakultäten bzw. Fachbereiche. Erforderliche rechtliche Rahmenbedingungen müssen identifiziert und geklärt werden.

Didaktische Ansätze sollten die Ansätze der Kompetenzorientierung, Problemorientierung, Handlungsorientierung und Situationsorientierung aufgreifen und u.a. die Auseinandersetzung mit Fallorientiertem Lernen in gemeinsamen Lerneinheiten, gemeinsame interprofessionelle Praxiseinsätze und Reflexionsphasen der praktischen Ausbildungsphasen, Planspiele zu Themen wie z.B. Teamgespräche, Aufnahme- / Entlassungsmanagement, Umgang mit Angehörigen sowie Forschendes Lernen beinhalten. Interprofessionelle Lernkonzepte müssen im interprofessionellen Team entwickelt und durchgeführt werden. Dazu ist es notwendig, gemeinsame Kompetenzbereiche und gemeinsame Ausbildungsinhalte zu identifizieren und für die interprofessionelle Ausbildung zu nutzen (z.B. Gesundheitswissenschaftliche Themen, Kommunikation, Teamarbeit, Arbeitsorganisation etc.).

3. Hochschuldidaktische Konzepte für die Qualifikation der Lehrenden interprofessioneller Lehr-/Lernkonzepte im Gesundheitsbereich

Die Entwicklung moderner und innovativer Lehr-/Lernkonzepte für interprofessionelles Lernen setzt eine entsprechende Qualifikation der Lehrenden voraus. Dies spielt derzeit in der Ausbildung der Lehrenden noch eine untergeordnete Rolle, da die Lehrerbildung in den Gesundheitsberufen insgesamt noch nicht professionalisiert ist. Hochschuldidaktische Weiterbildungen greifen relevante Aspekte aus einer fachdidaktischen Perspektive auf, berücksichtigen aber noch wenig die Thematik der interprofessionellen und interdisziplinären Ausbildung.

Der Ausschuss empfiehlt:

Die Qualifikation der Lehrenden im Gesundheitsbereich muss durch entsprechende berufspädagogische / medizindidaktische / gesundheitsdidaktische Weiterbildungen und Studiengänge unterstützt werden. Hierzu bedarf es sowohl eines grundlegenden Verständnisses für die Notwendigkeit dieser hochschuldidaktischen Qualifikationen als auch entsprechender Konzepte im Bildungsbereich. Zudem müssen fachdidaktische Diskussionen zum disziplinären als auch zum interprofessionellen Lernen dauerhaft verstärkt werden und durch Lehrstühle für interprofessionelle Didaktik an den Hochschulen strukturell gestützt werden.

4. Organisationsentwicklung (Fakultäts-/ Fachbereichsorganisation)

Zur Umsetzung des interprofessionellen Gesamtkonzepts sind eine Reihe von Maßnahmen auf institutioneller Ebene (Fakultäten / Ausbildungseinrichtungen) notwendig, die nachhaltig in der Evaluation abgebildet sein müssen. Die Komplexität der zu berücksichtigenden Akteure in den Institutionen variiert je nach Grad der Organisationseinheit.

Der Ausschuss empfiehlt:

In den Institutionen müssen Strukturen geschaffen werden, die es möglich machen interprofessionelle Konzepte zu entwickeln, zu reflektieren und zu gestalten. Das Thema Interprofessionalität muss an den Hochschulen und Universitäten in die Studienkommissionen Eingang finden und in anderen Einrichtungen in den entsprechenden Gremien vertreten sein. Arbeitsstrukturen müssen in den Institutionen gegründet und eingebettet werden, die die Entwicklung und Umsetzung von IPE in den Curricula begleiten und evaluieren. Die hierzu notwendige finanzielle Ausstattung und organisatorische Flexibilität sind zu gewährleisten. Dazu gehört, dass das Thema Interprofessionalität im Rahmen der Qualitätssicherung in die Lehrevaluation aufgenommen wird und die Qualität der Umsetzung überprüft wird. Um dem Nachdruck zu verleihen und die Umsetzung zu gewährleisten, sollte im Rahmen der Akkreditierung von gesundheitsbezogenen Studiengängen und Ausbildungen interprofessionelles Lernen als ein Kriterium aufgenommen werden.

5. Qualitätssicherung und Evaluation

Strukturelle Rahmenbedingungen bilden eine entscheidende Grundlage für eine Qualitätssicherung. Systematisch entwickelte interprofessionelle Konzepte bedürfen demnach einer kontinuierlichen Evaluation in ihrer Prozess-, Ergebnis- und Strukturqualität, um ggf. Modifizierungen vorzunehmen. Hierüber muss ggf. in Gremien entschieden werden, die die entsprechenden Mittel zur Verfügung stellen.

Der Ausschuss empfiehlt:

Interprofessionelle Ausbildungen, die die oben genannten Konzeptelemente umsetzen wollen, bedürfen strukturell der Ausbildung an einem erkennbaren Ort (‚Verortung‘). Dies erfordert ggf. neue Institutionsformen und -strukturen bzw. eigene Organisationseinheiten innerhalb der Bildungseinrichtungen, die die Einrichtung von interprofessionellen Lerngruppen über einen längeren Zeitraum zur gemeinsamen Bearbeitung bzw. Betreuung eines Falles, eines Problems oder einer Situation ermöglichen. Darüber hinaus setzt dies die Möglichkeit der Messung der interprofessionellen Kompetenz voraus. Hierfür bedarf es zugleich der Entwicklung entsprechender Kompetenzmessinstrumente.

6. Aufbau von Forschungsstrukturen im Bereich interprofessioneller Ausbildung und Kompetenzentwicklung

Der Forschungsbedarf im Rahmen interprofessioneller Ausbildung und Kompetenzentwicklung ist erheblich. So bestehen noch keine gesicherten Erkenntnisse zur Auswirkung interprofessioneller Lernsituation für die Studierenden der unterschiedlichen Gesundheitsberufe im deutschsprachigen Raum. Weiter mangelt es derzeit an Erkenntnissen zu Entwicklungsparametern beruflicher und interprofessioneller Identität, berufspädagogischer Ansätze zur Ausbildung interprofessioneller Kompetenzen, der Identifizierung relevanter Schnittstellen im Berufsalltag, der Fortführung professionssoziologischer Diskussionen aus einer interprofessionellen Perspektive sowie einer Identifizierung der Anforderungen an das Kompetenzprofil interprofessionell Lehrender in Theorie und Praxis. Weitergehend ist es ebenso notwendig, den Nutzen einer solchen Entwicklung für die Patient/-innen und das Versorgungssystem in den Blick zu nehmen.

Der Ausschuss empfiehlt:

Der Aufbau von Strukturen in der interprofessionellen Ausbildung soll durch den Aufbau von Forschungsstrukturen im Bereich interprofessioneller Ausbildung und Kompetenzentwicklung begleitet werden. Zukünftige Forschungsprojekte zu den vorstehenden Fragestellungen sollen nicht nur von den Hochschulen initiiert, sondern auch von Berufsverbänden und wissenschaftlichen Fachgesellschaften zukünftig stärker unterstützt und initiiert werden. Eine gezielte finanzielle Förderung soll auch durch Bund und Länder bzw. Kantone erfolgen. Darüber hinaus ist eine breitere Aufmerksamkeit für die Thematik auch im Hinblick auf weitere potenzielle Fördermittelgeber erwünscht. Eine Mindestanforderung entsprechender Projekte ist die Beteiligung von mindestens zwei Berufsgruppen sowohl im Forschungsteam als auch in der untersuchten Zielgruppe.

7. Netzwerkstrukturen

Die Weiterentwicklung von Konzepten sowie die Entwicklung von Innovationen werden durch einen fachlichen und kollegialen Austausch von Ideen und Ergebnissen ermöglicht. Bislang findet der Austausch zur interprofessionellen Ausbildung und Zusammenarbeit häufig nur am Rande von Tagungen einzelner Verbände und Fachgesellschaften statt (Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA); https://gesellschaft-medizinische-ausbildung.org/, Hochschulverband Gesundheitsfachberufe e.V. (HVG); http://www.hv-gesundheitsfachberufe.de/, Deutsche Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften e.V. (DGRW); http://www.dgrw-online.de/, Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM); http://www.degam.de/) und wird kaum in den Mittelpunkt des Austauschs gestellt. Eine Vernetzung innerhalb der bestehenden Strukturen (inner- und außerhochschulisch) besteht nicht, so dass die Erfahrungen aus den Projekten und Modellen nicht nachhaltig verstetigt und weiter gegeben werden können.

Der Ausschuss empfiehlt:

Es müssen Netzwerkstrukturen gefördert werden, die einen Austausch zwischen Einrichtungen gewährleisten. Dies ermöglicht nicht nur den Austausch von Erfahrungen zwischen bestehenden Ausbildungsberufen und -modellen, sondern eröffnet auch weiteren interessierten Einrichtungen und Gremien die Option, sich über interprofessionelle Ausbildungsmodelle zu informieren und zeigt Ansprechpersonen auf, die auf dem Gebiet Erkenntnisse und Erfahrungen gesammelt haben. Ein erster Ansatzpunkt hierzu ist der Ausschuss „Interprofessionelle Ausbildung in den Gesundheitsberufen“ der GMA, der die Möglichkeit des Austausches bietet. Regelmäßige Tagungen, die die interprofessionelle Ausbildung und Zusammenarbeit in den Mittelpunkt stellen, sollen durch die Verbände und Fachgesellschaften finanziell unterstützt und gefördert werden.


Umsetzungsstrategien

Um die aufgeführten Empfehlungen umzusetzen, sieht der Ausschuss „Interprofessionelle Ausbildung in den Gesundheitsberufen“ die im Folgenden genannten Strategien als notwendig an. Diese richten sich damit an die verschiedenen Stakeholder im Gesundheits- und Bildungsbereich.

1.
Damit die Ausbildungen in den Gesundheitsberufen den künftigen Anforderungen im Gesundheitssystem entsprechen, müssen interprofessionelle Ausbildungssequenzen Eingang in die Curricula finden. Die hier aufgeführten Empfehlungen und Strategien zu Inhalten und Strukturen können hierzu einen wesentlichen Beitrag leisten. Es wird gewünscht, dass diese Diskussionen von Seiten der Hochschulleitungen, Fakultäten, Berufsverbände, wissenschaftlichen Fachgesellschaften sowie der Gesundheits- und Bildungspolitik weiter unterstützt und begleitet werden.
2.
Zur Etablierung von arbeitsfähigen interprofessionellen Arbeitsstrukturen sollte eine inhaltliche und organisatorische Anbindung von akademischen Ausbildungsgängen in den Gesundheitsberufen neben den bisherigen hochschulischen Angeboten u.a. an den Medizinischen Fakultäten erfolgen [http://www.mft-online.de/files/140213_stellungnahme_akademisierung_pflegeberufe.pdf, zuletzt geprüft am 02.03.2015].
3.
Das vorliegende Positionspapier soll in die Diskussion u.a. mit dem Medizinischen Fakultätentag, dem Verband der Universitätsklinika (VUD) und den Verband der Pflegedirektorinnen und Pflegedirektoren (VPU) eingebracht werden. Weiter soll auf eine konkrete Umsetzung der Empfehlungen hingearbeitet werden. Zur Konkretisierung und weitergehenden fachlichen Erläuterung steht der Ausschuss gerne zur Verfügung.
4.
Das Thema Interprofessionalität soll nachhaltig in allen Gremien verstetigt werden, die mit der Ausbildung und Vertretung der Gesundheitsberufe in Bildung und Praxis betraut sind. Hierzu bedarf es ggf. auch weiterführender Ressourcen, die von Land und Bund bereitgestellt werden müssen.
5.
Zur Umsetzung der aufgestellten Empfehlungen kann die Förderung von wissenschaftlichen Projekten im Bereich Interprofessionelle Ausbildung und deren Publikationen wie auch die Auslobung von Preisen für die Umsetzung von interprofessionellen Ausbildungsprojekten und die gemeinsame Ausrichtung von Tagungen zu dem Thema durch öffentliche Einrichtungen (u.a. BMBF) hilfreich sein.

Zusammenfassung/Ausblick

Es hat sich gezeigt, dass das Thema Interprofessionalität in den Ausbildungen der Gesundheitsberufe (Medizin, Pflege, Therapie, Diagnostik) zunehmend in den theoretischen und praktischen Fokus fachlicher Diskussionen in Deutschland, Österreich und der Schweiz rückt. Es besteht weitgehend Konsens in der Erkenntnis der notwendigen engeren Zusammenarbeit der Berufe in Theorie und Praxis. Diese soll bereits zu einem frühen Zeitpunkt beginnen, damit Schülerinnen, Schüler und Studierende voneinander, aneinander und miteinander lernen können.

Probleme in der Umsetzung einer interprofessionellen Ausbildung sind vor allem als organisations- und systembedingt identifiziert worden. Es müssen daher zukünftig Strukturen in den Fakultäten und Ausbildungseinrichtungen geschaffen werden, die das gemeinsame Lernen und die interprofessionelle Zusammenarbeit erleichtern und fördern. Dies wird das Personal im Gesundheitswesen von Morgen auf die Herausforderungen des Gesundheitssystems der Zukunft gut vorbereiten. Nicht übersehen werden darf dabei allerdings, dass sich neben strukturellen Aspekten auch Defizite in der Haltung und gelebten Kultur der Ausbildungs- und Berufsgruppen finden lassen, an denen gemeinsam gearbeitet werden muss.

Um die Nachhaltigkeit aktueller und zukünftiger Projekte zur interprofessionellen Ausbildung zu sichern, gilt es zunächst, ein entsprechendes Gesamtkonzept zu entwickeln, welches alle Aspekte berücksichtigt. Darüber hinaus sind organisatorische als auch politische Strukturen zu schaffen und Ressourcen zu gewährleisten, die eine fundierte Entwicklung von interprofessionellen Ausbildungsangeboten ermöglichen. Die Angebote sind curricular einzubinden, kontinuierlich zu überprüfen und weiterzuentwickeln. Parallel sind Strukturen aufzubauen und erforderliche Ressourcen zu gewähren, um Forschung zur interprofessionellen Ausbildung und Zusammenarbeit angemessen entwickeln zu können. Diese sollte u.a. die Auswirkung interprofessioneller Ausbildungskonzepte auf die Lernenden und Lehrenden als auch auf die Versorgung zeigen und Instrumente zur Qualitätssicherung (weiter-)entwickeln.

Der Ausschuss „Interprofessionelle Ausbildung in den Gesundheitsberufen“ kann dabei die Funktion eines Netzwerks wahrnehmen. Es gilt entsprechende Strukturen für die interprofessionelle Ausbildung auch in den wissenschaftlichen Fachgesellschaften auszubauen, um auch zukünftig Erkenntnisse und Erfahrungen zu sammeln sowie eine professionelle Vertretung für interprofessionelle Anliegen in der Ausbildung, aber auch in der Praxis zu gewährleisten.


Anmerkungen

Das Positionspapier wurde dem GMA-Vorstand vorgelegt und von diesem am 30.01.2015 verabschiedet.

1 Wenn in dem Papier von ‚Gesundheitsberufen‘ gesprochen wird, sind damit die Berufe in der Medizin, Pflege, Therapie, Diagnostik etc. gemeint. Der Begriff ‚Gesundheitsfachberufe‘ meint die sich derzeit akademisierenden Berufe in der Pflege, Therapie und im Hebammenwesen. In der Schweiz und Österreich werden hierunter auch die sich akademisierenden Berufe in der Diagnostik angesprochen.

2 D-A-CH-Raum: Deutschland – Österreich – Schweiz


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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