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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Vorbilder spielen die größte Rolle – eine qualitative Studie zu Gründen für die Wahl der ärztlichen Weiterbildung an einem Universitätsklinikum

Forschungsarbeit Humanmedizin

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  • author Bonnie Stahn - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, III. Medizinische Klinik, Hamburg, Deutschland
  • corresponding author Sigrid Harendza - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, III. Medizinische Klinik, Hamburg, Deutschland

GMS Z Med Ausbild 2014;31(4):Doc45

doi: 10.3205/zma000937, urn:nbn:de:0183-zma0009374

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2014-31/zma000937.shtml

Eingereicht: 11. Januar 2014
Überarbeitet: 2. Juli 2014
Angenommen: 2. August 2014
Veröffentlicht: 17. November 2014

© 2014 Stahn et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Zielsetzung: Warum Ärzte für ihre Weiterbildung ein bestimmtes Fach an einem Universitätsklinikum wählen, ist bisher unvollständig verstanden. Unser Ziel war es, Aspekte zu identifizieren, die Ärzte verschiedener Generationen zur Wahl eines Weiterbildungsfaches mit viel oder wenig Patientenkontakt an einem Universitätsklinikums bewegt haben.

Methoden: Wir führten 14 semi-strukturierte Interviews mit Assistenz- und Oberärzten der Abteilungen für Innere Medizin (viel Patientenkontakt) und Labormedizin (wenig Patientenkontakt) am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Deutschland, durch. Wir verwendeten die Methodik der vorlagengestützte Analyse zur Kodierung der Interviewtranskripte mit wiederholter Reduktion und Entfaltung der Daten. Initiale Kodierungen und Konzepte wurden in Kategorien gruppiert bis eine abschließende Übereinstimmung erreicht war.

Ergebnisse: Wir identifizierten fünf Hauptkategorien von Faktoren, die einen Einfluss auf die Wahl des Weiterbildungsfaches hatten. Vorbilder mit professionellem Verhalten und Expertise in ihrem Fachgebiet hatten bei den Teilnehmenden den größten Einfluss auf die Wahl des Fachgebiets über die Arztgenerationen hinweg. Famulaturen und Doktorarbeit beeinflussten ebenfalls diese Entscheidung der Teilnehmenden, hauptsächlich aufgrund der Vorbildfunktion der Betreuenden. Patientenkontakt und intellektuelle Herausforderungen wurden als Faktoren für die Wahl eines Faches mit viel Patientenkontakt identifiziert. Als Gründe für die Wahl eines Universitätsklinikums als Weiterbildungseinrichtung wurden vier Kategorien identifiziert: die Möglichkeit zur Forschung, ein breites Tätigkeitsspektrums, persönliche Kontakte und zukünftige Karrieremöglichkeiten.

Schlussfolgerungen: Professionelles Verhalten von Dozierenden im Sinne eines Vorbilds wurde als größter Einflussfaktor für die Wahl des Weiterbildungsfaches identifiziert. Neben anderen Maßnahmen, um Medizinstudierende für ein bestimmtes Fachgebiet zur Weiterbildung zu interessieren, erfordert der Aspekt, dass Dozierende während des Studentenunterrichts als Vorbilder wahrgenommen werden, besondere Aufmerksamkeit, wenn Dozierende auf Studentenunterricht vorbereitet werden.

Schlüsselwörter: Innere Medizin, Labormedizin, Patientenkontakt, ärztliche Weiterbildung, Vorbild


Einleitung

Die Interessen Medizinstudierender bezüglich ihres Lebensstils und ihrer Einstellung zur Wahl eines Fachgebiets für die ärztliche Weiterbildung wurden über die letzten zwanzig Jahre hin untersucht [1], [2]. Seit kurzem gibt es zunehmende Bedenken bezüglich der Attraktivität von ärztlichen Weiterbildungsprogrammen für frisch approbierte Ärztinnen und Ärzte [3]. Das Interesse von Absolventinnen und Absolventen für eine ärztliche Weiterbildung zu erregen wir in Nordamerika und Europa immer schwieriger, sowohl in Fachgebieten mit geringem als auch mit hohem Patientenkontakt [4], [5], und viel Energie wurde in die Umstrukturierung von Weiterbildungsprogrammen investiert, um Medizinstudierende an einer ärztlichen Weiterbildung in Innerer Medizin zu interessieren [6], [7], [8]. Die meisten Programme stellen sich den Herausforderungen, die sich der Inneren Medizin im 21. Jahrhundert durch die wachsende und alternde Bevölkerung bieten [9]. Außerdem wurde der Bedarf geäußert, mehr junge Wissenschaftler im Bereich der Inneren Medizin auszubilden [10]. Die Notwendigkeit, ihre ärztlichen Weiterbildungsprogramme diesen neuen Entwicklungen anzupassen, wurde auch von Fachgebieten mit geringerem Patientenkontakt erkannt [11], [12].

Etliche Faktoren wurden ermittelt, die Studierende bei der Wahl des Fachgebiets für ihre ärztliche Weiterbildung beeinflussen: Lebensstil und Einkommen [13], Geschlechter- und Persönlichkeitsmerkmale [14], Patientenkontakt [15], positive oder negative Vorbilder [16] und Famulaturen [17]. Dennoch geben fast 30% der Absolventen eines Medizinstudiums an Hochschulen in Großbritannien an, dass sie ernsthaft darüber nachgedacht haben, nicht die Fachrichtung ihrer ursprünglichen Wahl für die ärztliche Weiterbildung einzuschlagen [18]. Die folgenden Faktoren wurden als bedeutsam für ihre Rolle bei der weiteren Spezialisierung im Rahmen der Facharztausbildung identifiziert: Lebensstil, Einkommen, Prestige des Teilgebietes, Möglichkeit zur Durchführung von Prozeduren, klinische Rotation in bestimmte Teilgebiete, Kontakt mit Vorbildern während der Rotationen und Einfluss eines Mentors [19], [20], [21]. Unter Berücksichtigung dieser Faktoren und der wechselnden Attraktivität von ärztlichen Weiterbildungsprogrammen für junge Absolventen eines Medizinstudiums [3] könnte es wichtig sein – zusätzlich zur Steigerung der Attraktivität von ärztlichen Weiterbildungsprogrammen – Faktoren zu identifizieren, die während des Medizinstudiums adressiert werden könnten um Studierende zu befähigen, eine ärztliche Weiterbildung zu wählen, die zu ihren persönlichen Bedürfnissen und Erfordernissen passt. Mit Bezug auf die verschiedenen Ansätze, die angewandt wurden, um ärztliche Weiterbildungsprogramme in Fachgebieten mit hohem oder geringem Patientenkontakt zu modifizieren [8], [12], stellen wir die Hypothese auf, dass der Umfang des Patientenkontaktes eine Rolle bei der Wahl eines bestimmten Fachgebiets für die ärztliche Weiterbildung spielt.

Ziel dieser Studie war es, Karrierewege von Ärztinnen und Ärzten verschiedener Generationen (junger Assistenzärzte und erfahrener Oberärzte) in Fächern mit hohem und geringem Patientenkontakt an einem Universitätsklinikum besser zu verstehen, um Faktoren zu identifizieren, die ihre Fachgebietswahl und ihre Entscheidung, an einem Universitätsklinikum zu arbeiten, beeinflusst haben. Identifizierbare Kriterien könnten wichtige Erkenntnisse dazu beisteuern, wie Studierende während des Übergangs vom Medizinstudium zur ärztlichen Weiterbildung beraten werden können. Wir stellten insbesondere zwei Fragen:

1.
Was hat Ärzte bewogen, ihr jeweiliges Fachgebiet für die ärztliche Weiterbildung auszuwählen? und
2.
Warum haben diese Ärzte ein Universitätsklinikum für ihre Facharztweiterbildung gewählt?

Methoden

Stichprobe und Instrumente

Vierzehn Assistenzärzte und Oberärzte der Abteilungen für Innere Medizin (n=8) und Laboratoriumsmedizin (n=6) des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf nahmen freiwillig an einem halbstrukturierten Interview teil. Die Charakteristika der Studienstichprobe sind in Tabelle 1 [Tab. 1] dargestellt. Alle Teilnehmenden waren über den Zweck der Studie informiert, ihre Zustimmung wurde eingeholt und die Anonymität war garantiert.

Wir verwendeten einen explorativen, qualitativen Forschungsansatz um die Gründe zu untersuchen, die der Wahl eines Fachgebiets in Innerer Medizin (viel Patientenkontakt) oder Laboratoriumsmedizin (geringer Patientenkontakt) an einem Universitätsklinikum zugrunde lagen. Der Interviewleitfaden enthielt sowohl offen Fragen zur Auswahl des medizinischen Fachgebiets für die ärztliche Weiterbildung (z.B. „Wie kamen Sie dazu, in Ihrem jetzigen Fachgebiet zu arbeiten?“) als auch spezifischer Fragen zu den Gründen der Auswahl des Fachgebiets und der ärztlichen Weiterbildung an einem Universitätsklinikum (z.B. „Hat hoher oder geringer Patientenkontakt eine Rolle bei der Wahl Ihrer Fachrichtung eine Rolle gespielt?“, „Warum haben Sie ein Universitätsklinikum für Ihre ärztliche Weiterbildung gewählt?“). Wenn bestimmte Faktoren wie z.B. Lebensstil und Einkommen, deren Relevanz bei Studierenden für die Wahl der Fachrichtung bekannt ist [13], in den Antworten auf offene Fragen nicht erwähnt wurden, wurde deren mögliche Relevanz bei der Fachgebietswahl abgefragt. Dieselbe Interviewerin (BS) führte alle Interviews durch. Im Durchschnitt dauerten die Interviews jeweils 30 bis 45 Minuten und wurden auf Tonband aufgenommen, wörtlich transkribiert und anonymisiert (Interviews Innere Medizin: 1IM bis 8IM, Interviews Laboratoriumsmedizin: 1 LM bis 6LM).

Es wurde eine bewusste Auswahlstrategie angewandt um eine ausgewogene Verteilung der Teilnehmenden im Hinblick auf Alter, Geschlecht und Erfahrung zu erreichen (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]). Unter Berücksichtigung dieser Charakteristika wurden potentielle Teilnehmende beider Abteilungen persönlich von SH angesprochen. In die erste Runde der Interviews wurden nur Oberärztinnen und Oberärzte der Abteilungen Innere Medizin (n=4) und Laboratoriumsmedizin (n=3) eingeschlossen, da sie in ihrem gewählten Fachgebiet an einem Universitätsklinikum bereits für einen bestimmten Zeitraum gearbeitet haben. Außerdem repräsentieren diese beiden Abteilungen Fachgebiete mit großen Unterschieden bezüglich des Patientenkontakts. In einer zweiten Runde von Interviews wurden nur Assistenzärzte derselben Abteilungen (Innere Medizin: N=4, Laboratoriumsmedizin: n=3) befragt, da sie eine jüngere Ärztegeneration repräsentieren.

Es wurde die Methode der Vorlagen-gestützten Analyse (Template Analysis), die einer analytischen Einschätzung des Inhalts folgt, zur Kodierung der Interviews angewandt [22]. Die Rekrutierung von Interviewteilnehmenden, die Datensammlung und die Kodierung der Interviewtranskripte erfolgten simultan gemäß der Methode des permanenten Vergleichs [23]. Die Transkripte der ersten Interviewrunde (Oberärzte) wurden von beiden Autorinnen separat mit einem offenen Kodierungsverfahren Zeile für Zeile analysiert, um erste Kodes und mögliche Konzepte zu etablieren. Um die Konzepte weiter zu spezifizieren wurden die Transkripte der zweiten Interviewrunde (Assistenzärzte) zum Vergleich hinzugenommen, wobei die initialen Konzepte überprüft und modifiziert wurden. Die Transkripte der beiden verschiedenen medizinischen Abteilungen und der beiden Arztgenerationen wurden einander gegenübergestellt, um den Umfang der Kodes und Konzepte zu ermitteln. Datensammlung und Kodierung wurden nach dem 14. Interview beendet, dem Zeitpunkt, zu dem die Kodes einen akzeptablen Sättigungsgrad erreicht zu haben schienen und keine neuen Konzepte aus den Interviews mit den Assistenzärzten mehr hervorbrachten. Die Kategorien wurden danach erstellt, wie oft und in welchem Ausmaß spezifische Inhalte erwähnt wurden. Die Angemessenheit der Kategorien wurde mit den Interviewtranskripten gegengeprüft und die Ergebnisse werden gemäß dieser Kategorien präsentiert. Charakteristische Zitate wurden vom Deutschen ins Englische übersetzt und in Schriftsprache überführt, so dass der Originalinhalt erhalten blieb. Eine Zustimmung des Vizepräsidenten der Ethik-Kommission der Hamburger Ärztekammer wurde eingeholt. Dieser bestätigte die Unbedenklichkeit des Forschungsprotokolls und seine Übereinstimmung mit der Erklärung von Helsinki.


Ergebnisse

Zwei große Themen ergaben sich aus den Interviews: Gründe für die Fachgebietswahl der ärztlichen Weiterbildung mit fünf Hauptkategorien und Gründe für die Wahl eines Universitätsklinikums zur ärztlichen Weiterbildung mit vier Hauptkategorien.

Einflussfaktoren auf die Wahl des Fachgebiets für die ärztliche Weiterbildung

Fünf Hauptkategorien und vier Unterkategorien wurden identifiziert, die eine Rolle bei der Wahl eines spezifischen Fachgebiets für ein ärztliches Weiterbildungsprogramm spielen (siehe Tabelle 3 [Tab. 3]). Diese Kategorien werden im Text in derselben Reihenfolge vorgestellt, wie sie in Tabelle 3 [Tab. 3] erscheinen. Beispielhafte Zitate für die identifizierten Kategorien sind in Tabelle 4 [Tab. 4] aufgelistet. Keine der Kategorien tauchte nur in den Interviews mit den Assistenzärzten oder nur bei den Oberärzten auf.

Vorbilder

Diese Kategorie wurde vergeben, wenn Teilnehmende Interaktionen mit einzelnen Ärzten oder deren persönliche Merkmale als einflussreich auf seine oder ihre Wahl der Fachrichtung beschrieben. Die meisten Teilnehmenden erwähnten insbesondere, dass sie mindestens einen Arzt oder eine Ärztin während ihres Medizinstudiums oder ihrer Arbeit an einem Promotionsprojekt getroffen hatten, den oder die sie als Vorbild bezeichneten. Die beiden am häufigsten genannten nachahmenswerten Eigenschaften dieser Vorbilder, die als Unterkategorien identifizierte werden konnten, waren menschlicher Umgang und fachliche Kompetenz in ihrer jeweiligen Fachrichtung. Teilnehmende, die das Verhalten ihrer Vorgesetzten als negativ ansahen, verloren auch das Interesse an deren Fachgebiet.

Medizinstudium

Die Kategorie Medizinstudium umfasst jeden Hinweis, der von den Teilnehmenden auf Aspekte des Medizinstudiums, die ihre Entscheidung ein bestimmtes Fachgebiet für ihre ärztliche Weiterbildung zu wählen, gegeben wurde. Das Medizinstudium selbst wurde insgesamt nicht erwähnt als einflusshaft für die Entscheidung, eine bestimmte ärztliche Weiterbildung zu verfolgen. Ganz im Gegenteil erwähnten alle Teilnehmenden, dass ihr derzeitiges Fachgebiet im Studium unterrepräsentiert sei und nicht besonders gut unterrichtet werde. Trotzdem wurden Wahlkurse, die im deutschen Medizinstudium verpflichtende viermonatige Zeiträume in Innerer Medizin, Chirurgie und einem Wahlfach während des letzten Studienjahrs, dem sogenannten Praktischen Jahr, beinhalten, als wesentliche Faktoren für die abschließende Entscheidung der Teilnehmenden für oder gegen eine bestimmte Fachrichtung für die ärztliche Weiterbildung genannt.

Doktorarbeit

Die Kategorie Doktorarbeit ergab sich aus jeglichen Aspekten der Doktorarbeit, die von den Teilnehmenden als einflussreich auf die Wahl ihres Fachgebiets für die ärztliche Weiterbildung erwähnt wurden. Teilnehmende, die an einem Promotionsprojekt gearbeitet hatten, hatten dadurch entweder Gelegenheit, ein Vorbild zu treffen oder einen tieferen Einblick in die spezifischen Aspekte einer bestimmten Fachrichtung zu erhalten als ihnen dies während des sonstigen Medizinstudiums möglich gewesen ist.

Persönliche Erfahrungen mit einer Abteilung

Zitate wurden als persönliche Erfahrung mit einer Abteilung kategorisiert, wenn diese Erfahrung als einflussreich beschrieben wurde, sich in der jeweiligen Fachrichtung um eine Stelle für die ärztliche Weiterbildung zu bewerben. Wir beobachteten verschiedene Beispiele für persönliche Erfahrungen mit einer Abteilung (z.B. Beschäftigung als Sitzwache oder technische Assistentin, um während des Medizinstudiums Geld zu verdienen), die die Teilnehmenden dazu brachten, in einem spezifischen Fachgebiet an einem Universitätsklinikum zu arbeiten.

Facheigenschaften

Die Kategorie Facheigenschaften resultierte aus den beiden Fachgebieten, Innere Medizin und Laboratoriumsmedizin, basierend auf Eigenschaften, die einer bestimmten Fachrichtung als Begründung für die Wahl dieses Fachgebiets für die ärztliche Weiterbildung zugeschrieben werden konnten. Unter den Teilnehmenden der Abteilung Innere Medizin waren Patientenkontakt, Interventionen und intellektuelle Herausforderung wesentliche Kriterien für die Wahl von Innerer Medizin als Fach für die ärztliche Weiterbildung. Der größte Fachvorteil, der für eine ärztliche Weiterbildung in Laboratoriumsmedizin erwähnt wurde, war die ausgewogene tägliche Arbeitszeit.

Wahl eines Universitätsklinikums für die ärztliche Weiterbildung

Vier Hauptkategorien wurden am häufigsten erwähnt als Beitrag zur Entscheidung der Teilnehmenden, die ärztliche Weiterbildung an einem Universitätsklinikum zu verfolgen. Acht der 14 Teilnehmenden nannten die Möglichkeit zur Forschung als einen wichtigen Faktor für ihre Entscheidung, sich an einem Universitätsklinikum für die ärztliche Weiterbildung zu bewerben („Ich wollte von vornherein forschen […] und jetzt kann ich das endlich“, 1IM).

Sieben der 14 Teilnehmenden fühlten sich von dem breiten Spektrum an Aktivitäten an einem Universitätsklinikum angezogen, das Patientenversorgung, Forschung und Lehre einschließt („[Ein Grund, sich für Innere Medizin an einem Universitätsklinikum zu bewerben war], dass man es mit viel komplexeren Patientenfällen zu tun hat², 5IM – „Mir macht Lehre [in Laboratoriumsmedizin] Spaß und ich will das weiter machen“, 1LM).

Fünf der 14 Teilnehmenden nannten bessere zukünftige Karrieremöglichkeiten nach Abschluss der Facharztausbildung an einem Universitätsklinikum („[Es ist] immer einfacher, von der Uniklinik wegzukommen [und in einem kleineren Krankenhaus zu arbeiten] als umgekehrt“, 3LM).

Sechs der 14 Teilnehmenden hatten, wie oben erwähnt, frühere persönliche Kontakte zur Abteilung ihrer Wahl und dieser Kontakt trug nicht nur zur Wahl des Fachgebiets bei, sondern auch zu ihrer Entscheidung, an einem Universitätsklinikum zu arbeiten („Während meines Studiums hatte ich einen Job [als technische Angestellte in dieser Abteilung] und dann hab‘ ich mich um eine Stelle [in dieser Abteilung] beworben, weil es ein nettes Team war“, 8IM).


Diskussion

Die vorliegende Studie zeigt, dass Vorbilder mit menschlichem Umgang und fachlicher Kompetenz in ihrer jeweiligen Fachrichtung bei Absolventin eines Medizinstudiums von wesentliche Bedeutung für die Wahl des Fachgebiets für ihre ärztliche Weiterbildung sind. Insbesondere Ärzte der Abteilung für Innere Medizin hatten Vorbilder während des Praktischen Jahres getroffen oder während sie an einem Promotionsprojekt arbeiteten. Außerdem zeichneten sich diese Zeiträume durch einen intensiven Umgang mit Forschung aus, was eine zusätzliche Rolle bei den Absolventen spielte, seine oder ihre ärztliche Weiterbildung an einem Universitätsklinikum zu absolvieren.

Zum Zeitpunkt des Abschlusses ihres Medizinstudiums haben Studierende Ärzte als Vorbilder beschrieben, die sie zu einer Zeit getroffen haben, die die Wahl ihres Fachgebiets beeinflusst haben könnte [24], [25]. Trotz diese Erkenntnisse werden weiterhin viele Bemühungen in die Entwicklung attraktiverer Programme für die ärztliche Weiterbildung gesteckt [8] statt Dozierende von Medizinstudierenden zu trainieren als Vorbilder zu fungieren. Wir fanden heraus, dass das Praktische Jahr, wie auch Famulaturen [17], wichtige Zeiten während des Medizinstudiums sind, da sie den Studierenden erlauben, ihre Fachpräferenz mit der realen Arbeitssituation abzugleichen. Außerdem bieten gemäß unserer Befunde die Tertiale des Praktischen Jahres eine gute Gelegenheit, Vorbilder zu treffen, die – je nach ihrem Verhalten – die Fachgebietswahl der Studierenden positiv oder negativ beeinflussen können. Daher scheinen Faculty Development Programme mit einem speziellen Schwerpunkt auf Haltung und Verhalten von Dozierenden und Vorgesetzen [26] wesentlich zu sein, um die Fachgebietswahl von Medizinstudierenden zu unterstützten, insbesondere, da Lehrende oft nicht bemerken, welchen Einfluss ihr Verhalten auf Studierende hat [27]. Außerdem nannten unsere Teilnehmenden spezielle Facheigenschaften der Inneren Medizin, die sie an diesem Fachgebiet interessierten, z.B. Patientenkontakt, Interventionen und intellektuelle Herausforderungen, die als spezifische Lernziele in der Inneren Medizin im Praktischen Jahr bzw. in Famulaturen verankert werden sollten [28].

Gemäß der vorliegenden Studie war das Arbeiten an einem Promotionsprojekt ein anderer wichtiger Zeitraum um Vorbilder zu treffen und ein schlechter Betreuer der Doktorarbeit ist der am häufigsten genannte Grund für den Abbruch eines Promotionsprojektes [29]. In der vorliegenden Studie wurde die Möglichkeit der Mitarbeit in der Forschung als sehr wichtiger Faktor benannt für die Entscheidung, sich an einem Universitätsklinikum um eine Stelle für die ärztliche Weiterbildung zu bewerben. Daher könnte frühe Mitarbeit in der Forschung ein wichtiger Bestandteil des Medizinstudiums sein [30], um Studierende an einer universitätsbasierten ärztlichen Weiterbildung zu interessieren. Unsere Teilnehmenden beschrieben auch die Wichtigkeit der persönlichen Erfahrung mit ihrer derzeitigen Abteilung. Die Arbeit als Sitzwache oder Laborassistentin in diesen Abteilungen zum Verdienen des Lebensunterhalts eröffnete diesen Studierenden mehr Möglichkeiten, während ihres Medizinstudiums Vorbilder zu treffen.

Kürzlich wurde entdeckt, dass Studierende Lehrveranstaltungen die ihren Werten entgegenstehen oder die sehr inspirierend sind, in einem Maße wahrnehmen, dass sie ihre persönlichen Vorstellungen überdenken und ihre Karrieren neu ausrichten [31]. Dieser Befund und die Entdeckung in der vorliegenden Studie, dass Vorbilder der wesentlichste Einflussfaktor bei der Wahl der ärztlichen Weiterbildung sind, weist darauf hin, dass medizinische Fakultäten Faculty Development Programme mit einem speziellen Schwerpunkt auf professioneller Haltung zusätzlich zu didaktischen Fertigkeiten anbieten sollten [32]. Außer einigen fachspezifischen Eigenschaften, die die Wahl des Fachgebiets mit hohem oder geringem Patientenkontakt beeinflussten, fanden wir keine unterschiedlichen Kategorien zwischen Assistenz- und Oberärzten in Bezug auf die Wahl eines bestimmten Fachgebiets oder eines Universitätsklinikums für die ärztliche Weiterbildung.

Die beschriebenen Ergebnisse könnten in ihrer Bedeutung eingeschränkt sein, die sie nur von einem Universitätsklinikum stammen. Außerdem könnte die Auswahl der Abteilungen, die ein Fachgebiet mit hohem Patientenkontakt (d.h. Innere Medizin) und mit geringem Patientenkontakt (d.h. Laboratoriumsmedizin) repräsentieren, nicht repräsentativ genug für diese Kategorien sein. Die Generalisierbarkeit unserer Befunde könnte durch die explorative Art der Forschung limitiert sein. Trotzdem könnten die hierbei identifizierten Kategorien für weitere qualitative Explorationen an verschiedenen Universitätskliniken und für andere medizinische Fachgebiete genutzt werden, um ein theoretisches Rahmenwerk für berufliche Entscheidungsfindung in Bezug auf die ärztliche Weiterbildung zu entwickeln. Trotz dieser Einschränkungen konnten unsere Ergebnisse die Bedeutung von Vorbildern als dem wichtigsten Faktor bei der Wahl eines Fachgebiets für die ärztliche Weiterbildung an einem Universitätsklinikum hervorheben. Dieser Befund dürfte Fakultäten dazu bewegen, einen Schwerpunkt auf bestimmte Faktoren wie die Tertiale des Praktischen Jahres und die Doktorarbeit zu legen, die während des Medizinstudiums adressiert werden können. Zusätzliche benötigen medizinische Vorgesetzte und ihre Lehrhaltung weitere Entwicklungsmöglichkeiten. Eine besondere Bedeutung kommt einem stärkeren Bewusstsein von Vorgesetzten bezüglich der Wichtigkeit ihrer Vorbildrolle beim Anwerben von Ärzten für die Weiterbildung zu, insbesondere, weil negative Haltungen von Vorgesetzen ein wesentlicher Faktor dafür sind, dass Ärzte in der Weiterbildung das Interesse an einem Fachgebiet verlieren.


Schlussfolgerung

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen, dass die Haltung und die fachliche Expertise Lehrender oder Vorgesetzter während des Medizinstudiums einen wesentlichen Einfluss auf die Entscheidung von Absolventinnen und Absolventen haben, die ärztliche Weiterbildung an einem Universitätsklinikum fortzusetzen. Auch wenn weitere Studien in einem größeren Rahmen erforderlich sind, um ein Rahmenwerk für berufliche Entscheidungsfindung in Bezug auf die ärztliche Weiterbildung zu entwickeln, unterstützen unsere Befunde dennoch die Notwendigkeit eines erhöhten Bewusstseins von medizinischen Lehrenden dafür, dass sie als Vorbilder von ihren Studierenden wahrgenommen werden und welchen potentiellen Einfluss dies auf die Studierenden für die Wahl eines bestimmten Fachgebiets für die ärztliche Weiterbildung haben kann.


Danksagung

Wir danken allen Ärztinnen und Ärzten der Abteilungen für Innere Medizin und Laboratoriumsmedizin des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, die an den Interviews teilgenommen haben.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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