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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Vereinbarkeit wissenschaftlicher Tätigkeit mit der Facharztweiterbildung Allgemeinmedizin. Eine Querschnittstudie

Forschungsarbeit Humanmedizin

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  • corresponding author Thomas Kötter - Universität zu Lübeck, Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Lübeck, Deutschland; Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Allgemeinmedizin, Hamburg, Deutschland
  • author Solveig Carmienke - Universitätsklinikum Jena, Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Allgemeinmedizin, Jena, Deutschland
  • author Wolfram J. Herrmann - Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Institut für Allgemeinmedizin, Magdeburg, Deutschland

GMS Z Med Ausbild 2014;31(3):Doc31

doi: 10.3205/zma000923, urn:nbn:de:0183-zma0009238

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2014-31/zma000923.shtml

Eingereicht: 30. Oktober 2013
Überarbeitet: 2. April 2014
Angenommen: 5. Juni 2014
Veröffentlicht: 15. August 2014

© 2014 Kötter et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Zielsetzung: An vielen Instituten für Allgemeinmedizin sind Ärzte (w/m) tätig, die sich parallel in der Facharztweiterbildung befinden (im Folgenden: ÄiW). Anders als in anderen klinischen Fächern erfolgt die klinische Weiterbildung dabei häufig bei anderen Arbeitgebern und in Teilzeit. Bislang ist wenig über die Situation der beteiligten Akteure bekannt. Ziel der Studie war es, die Sichtweisen von ÄiW, Institutsleitern (w/m) sowie der Weiterbilder (w/m) auf die Vereinbarkeit von Forschung und Lehre mit der Facharztweiterbildung Allgemeinmedizin zu explorieren.

Methodik: Institutsleiter (w/m) an deutschen Universitäten, gleichzeitig wissenschaftlich und klinisch tätige ÄiW und deren klinische Weiterbilder (w/m) wurden webbasiert befragt. Die Fragebögen setzten sich aus offenen und geschlossenen Fragen zusammen. Die Ergebnisse wurden mittels deskriptiver Statistik und qualitativer Methoden analysiert.

Ergebnisse: Es antworteten 28 Institutsleiter (w/m) und 20 ÄiW. Die ÄiW waren überwiegend zufrieden bis sehr zufrieden mit der eigenen Weiterbildungssituation. Eine wissenschaftliche Tätigkeit wird von den Befragten jedoch als schwierig vereinbar mit der Facharztweiterbildung angesehen. Als Probleme nannten die Befragten die Koordination mehrerer Arbeitsstellen und die mangelnde Anrechenbarkeit wissenschaftlicher Tätigkeit. Lösungsansätze seien Forschung ermöglichende Verbundweiterbildungen sowie einheitliche Anrechenbarkeit wissenschaftlicher Tätigkeit.

Schlussfolgerung: Eine wissenschaftliche Tätigkeit wird von den Befragten als eher schwierig vereinbar mit der Facharztweiterbildung empfunden. Gut organisiert und ausgestaltet (z.B. durch Integration im Rahmen von Verbundweiterbildungsprogrammen und Förderung durch Vorgesetzte) ließen sich beide Tätigkeiten jedoch gut verbinden.

Schlüsselwörter: Allgemeinmedizin, Facharzt, Weiterbildung, Survey


Einleitung

Die Akademisierung der Allgemeinmedizin und ihre Position im Gesundheitssystem beeinflussen sich wechselseitig [1]. In Ländern mit einem gut entwickelten Primärarztsystem wird mehr qualitativ hochwertige Forschung betrieben [2], umgekehrt kann die feste Verankerung einer wissenschaftlichen Allgemeinmedizin an den Hochschulen die Position und das Ansehen der Allgemeinmedizin innerhalb eines Gesundheitssystems stärken [3].

Die akademische Allgemeinmedizin erfährt in Deutschland in den letzten Jahren einen deutlichen Ausbau [4], [5]. Die Anzahl der medizinischen Fakultäten mit einem Institut bzw. einer Abteilung für Allgemeinmedizin steigt stetig [3]. Der Bedarf an ärztlichem Nachwuchs in diesem Bereich, der neben einer Facharztweiterbildung die klassische akademische Laufbahn bestehend aus Doktorarbeit, mehrjährigen post-Doktoratsstellen sowie Habilitation/Juniorprofessur durchläuft, wächst dadurch ebenfalls stetig [6], [7]. Dual qualifizierte Ärztinnen und Ärzte werden – in allen medizinischen Fachgebieten – gebraucht, um die wissenschaftliche Basis der Medizin auch in Zukunft sicherzustellen [8]. In anderen klinischen Fächern wie z.B. der Inneren Medizin wird diese Doppelausbildung in der Regel bei einem Arbeitgeber absolviert und mehrmonatige Forschungsrotationen gehören als übliche Praxis zur Weiterbildungszeit. So kann die Facharztweiterbildung trotz Forschung häufig ohne oder mit nur geringem Zeitverzug durchlaufen werden [9]. In der Allgemeinmedizin erfolgen wissenschaftliche und klinische Tätigkeit in aller Regel bei unterschiedlichen Arbeitgebern und es kommt zwangsläufig zu einer meist erheblich verlängerten Gesamtdauer der Weiterbildung [10].

Nur ein Teil der Leiterinnen und Leiter von allgemeinmedizinischen Hochschulabteilungen (im Folgenden: Institutsleiterinnen und -leiter) verfügt über eine Weiterbildungsermächtigung und kann Ärztinnen und Ärzten in Weiterbildung (im Folgenden als ÄiW bezeichnet) dadurch eine zumindest teilweise Anrechenbarkeit der Tätigkeit in Forschung und Lehre auf die Facharztweiterbildung ermöglichen [11]. Einige wenige allgemeinmedizinische Verbundweiterbildungs- bzw. Rotationsprogramme in Deutschland ermöglichen bereits jetzt eine wissenschaftliche Tätigkeit im Rahmen der Facharztweiterbildung [12], [13].

Bislang ist über die Situation der wissenschaftlich tätigen ÄIW wenig bekannt: Weder ist bekannt, an welchen Instituten für Allgemeinmedizin eine Tätigkeit auf die Weiterbildung angerechnet werden kann, noch existieren genaue Zahlen zu an diesen Instituten wissenschaftlich tätigen ÄiW. Weiterhin ist nicht bekannt, inwieweit die wissenschaftliche Tätigkeit überhaupt als Hindernis oder ob sie gar als Katalysator auf dem Weg zur Fachärztin bzw. zum Facharzt angesehen wird. Auch die Sichtweise der klinischen Weiterbilderinnen und Weiterbilder hinsichtlich der gleichzeitigen wissenschaftlichen Tätigkeit ihrer ÄiW ist bislang nicht untersucht worden.

Zielsetzung dieser Studie war es daher,

  • die Sichtweisen von Institutsleiterinnen und -leitern, ÄiW sowie Weiterbilderinnen und Weiterbildern zur Vereinbarkeit von wissenschaftlicher Tätigkeit und Weiterbildung zu explorieren und dabei auch bereits praktizierte und für die Zukunft vorstellbare Wege zur besseren Vereinbarkeit von akademischer Tätigkeit und Facharztweiterbildung in der Allgemeinmedizin zusammenzutragen,
  • die Anrechenbarkeit von Weiterbildungsabschnitten an allgemeinmedizinischen Einrichtungen zu erheben und
  • die Anzahl der an den Instituten für Allgemeinmedizin tätigen ÄiW zu schätzen.

Methoden

Es handelt sich um eine dreiarmige Querschnittstudie. Es wurden Leiterinnen und Leiter der Institute für Allgemeinmedizin, ÄiW sowie deren aktuelle klinische Weiterbilderinnen und Weiterbilder hinsichtlich der subjektiven Wahrnehmung der oben beschriebenen Probleme befragt.

Erhebungsinstrumente

Da es bisher kein Erhebungsinstrument zur Beantwortung unserer Fragestellungen gibt, haben wir gemeinsam ein Erhebungsinstrument aus jeweils einem Fragebogen für Institutsleiterinnen und -leiter, ÄiW sowie klinische Weiterbilderinnen und Weiterbilder selbst entwickelt. Die Fragebögen enthalten sowohl geschlossene Fragen, welche quantitativ auswertbar sind, als auch offene Freitextfragen, welche qualitativ auswertbar sind.

Der Fragebogen für die Institutsleiterinnen und –leiter enthielt Fragen zur Weiterbildungsermächtigung, zur klinisch-praktischen Tätigkeit und zu den am Institut tätigen ÄiW. Er enthielt außerdem Fragen zum Thema Verbundweiterbildung. Die Freitextfragen bezogen sich auf Barrieren, Lösungsansätze und Zukunftsvisionen hinsichtlich einer wissenschaftlichen Tätigkeit während der Facharztweiterbildung Allgemeinmedizin. Zur Wahrung der Anonymität verzichteten wir auf Fragen zur Demographie.

Der Fragebogen für die ÄiW enthielt demographische Fragen sowie Fragen zur Quantifizierung der verschiedenen Tätigkeitsbereiche (Forschung, Lehre, Klinik bzw. Praxis). Wir fragten nach der Zufriedenheit mit der Weiterbildungssituation und ob eine Habilitation geplant ist. Die Freitextfragen bezogen sich bei etwas anderer Formulierung auf die gleichen Aspekte wie die Freitextfragen im Fragebogen für die Institutsleiterinnen und -leiter. Die Befragung erfolgte im Falle der Institutsleiterinnen und -leiter sowie der ÄiW webbasiert (Plattform: http://de.surveymonkey.net/). Der Fragebogen für die klinischen Weiterbilder von an Instituten für Allgemeinmedizin in Deutschland tätigen ÄiW enthielt drei Freitextfragen zu Erfahrungen mit sowie Vor- und Nachteilen der Beschäftigung von gleichzeitig wissenschaftlich tätigen ÄiW.

Die Fragebögen waren vorab einem Pretest unterzogen worden. Im Falle des Fragebogens für die Institutsleiterinnen und -leiter baten wir 7 wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an allgemeinmedizinischen Instituten in Leitungspositionen (z.B. stellvertretende Institutsleitung; jedoch keine Institutsleiterinnen oder -leiter), das Instrument auf Verständlichkeit, Akzeptanz, technische Probleme und Zeitbedarf zu prüfen. Im Falle der ÄiW testeten wir den Fragebogen an insgesamt 9 wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an allgemeinmedizinischen Instituten, die sich nicht gleichzeitig in Weiterbildung befanden (auch nicht-ärztliche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler) und nicht wissenschaftlich tätigen ÄiW.

Rekrutierung / Ablauf

Es gibt in Deutschland 36 medizinische Fakultäten (Stand Wintersemester 2012/2013). Für eine detailliertere Beschreibung der Grundgesamtheit der Institutsleiterinnen und -leiter siehe [6,7]. Die Emailadressen der Leiterinnen und Leiter der allgemeinmedizinischen Abteilungen suchten wir per Internetrecherche auf den Webseiten der Fakultäten und konnten bei 34 der Fakultäten eine Kontaktmöglichkeit finden. Die Anzahl der wissenschaftlichen Mitarbeiter, die sich in der allgemeinmedizinischen Weiterbildung befinden, ist unbekannt. Daher baten wir einerseits die Leiterinnen und Leiter um Auskunft über die bei Ihnen beschäftigten ÄiW andererseits versuchten wir darüber hinaus die betreffenden Ärzte über den Emailverteiler der Jungen Allgemeinmedizin Deutschland (JADE) zu erreichen. Über die klinischen Weiterbilder der forschenden ÄiW gibt es bisher keine Erkenntnisse oder Kontaktmöglichkeiten. Daher baten wir alle teilnehmenden ÄiW, Ihren klinischen Weiterbildern unseren Fragebogen auszudrucken und weiterzugeben. Die Institutsleiterinnen und -leiter sowie die ÄiW wurden jeweils zweimal per Email an die Umfrage erinnert.

Auswertung

Es wurde eine Vollerhebung angestrebt, weswegen von einer Fallzahlkalkulation im Vorfeld abgesehen wurde.

Die Auswertung der quantitativen Fragen erfolgte softwaregestützt (IBM SPSS Statistics, Version 20.0) mittels deskriptiver Statistik. Als Lagemaß verwendeten wir den Median, als Streuungsmaß die Spannweite [14].

Die qualitativen Freitextantworten wurden mittels Kodieren und Kategorienbildung analysiert. Von den drei an der Studie beteiligten Forschern wurde der gesamte Textkorpus in gemeinsamen Sitzungen zeilenweise kodiert. Im Vergleich dieser Kodierungen wurden konsensuell Kategorien gebildet und zu Themenbereichen geclustert.

Ethik

Auf der Basis des Studienprotokolls wurde vorab ein Votum der Ethikkommission der Universität zu Lübeck eingeholt (Aktenzeichen 12-173).


Ergebnisse

Quantitative Ergebnisse

Achtundzwanzig der insgesamt 34 angeschrieben Institutsleiterinnen und Institutsleiter beteiligten sich an der Befragung. Mehr als die Hälfte davon (15 von 28) verfügen über eine Weiterbildungsbefugnis für das Institut. In Abbildung 1 [Abb. 1] ist die Verteilung der Dauer der anerkennungsfähigen Monate wissenschaftlicher Tätigkeit dargestellt. Der überwiegende Teil (62%) der Teilnehmer, die eine Weiterbildungsbefugnis besitzen bzw. jemals beantragt haben, berichtet über in diesem Zusammenhang aufgetretene Probleme mit der Landesärztekammer (LÄK), z.B. die Ablehnung der Anerkennung wissenschaftlicher Tätigkeit auf die Weiterbildung seitens der LÄK. Ungefähr 2/3 der Institutsleiterinnen und –leiter beschäftigen ÄiW, im Median 2,5 ÄiW (Spannweite: 1-5). Viele Institute sind an Verbundweiterbildungsprojekten beteiligt und ermöglichen den ÄiW eine wissenschaftliche Tätigkeit im Rahmen dieser (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]).

Insgesamt beteiligten sich 20 ÄiW von 34 angeschriebenen potentiellen ÄiW an der Befragung. Von diesen sind 2/3 weiblichen Geschlechts. Sie waren im Median 33 Jahre alt (Spannweite: 28-46), lebten überwiegend in einer Partnerschaft (knapp 80%) und hatten zu über 50% Kinder. Der Umfang von Forschung / Lehre / Patientenversorgung wurde im Median 15 / 5 / 20,5 Std. pro Woche angegeben. Vier der befragten ÄiW planen eine Habilitation, 9 wissen noch nicht, ob sie habilitieren werden, 6 beantworten die Frage nach der Habilitation mit nein. Dreizehn von 20 ÄiW (65%) sind mit ihrer eigenen Weiterbildungssituation zufrieden oder sehr zufrieden (siehe Abbildung 2 [Abb. 2]).

Von den klinischen Weiterbildern von an Instituten für Allgemeinmedizin in Deutschland tätigen ÄiW erhielten wir keinen ausgefüllten Fragebogen zurück.

Qualitative Ergebnisse

25 der 28 teilnehmenden Institutsleiterinnen und Institutsleiter und 17 der 20 teilnehmenden ÄiW füllten die Freitextfelder aus.

In der folgenden Darstellung von Originalzitaten haben wir zugunsten der Lesbarkeit auf die Verwendung von Auslassungszeichen verzichtet.

Perspektive der ÄiW

Die Äußerungen der ÄiW zur Vereinbarkeit einer wissenschaftlichen Tätigkeit mit einer Tätigkeit als Arzt in Weiterbildung konnten drei Themenbereichen zugeordnet werden:

  • Frustration
  • Anerkennung
  • Förderung

Von den ÄiW werden die inhaltliche und die organisatorische Vereinbarkeit der zwei Aufgabenbereiche Klinik bzw. Praxis und Wissenschaft als Haupthindernisse angesehen („Man tanzt sozusagen auf zwei bzw. drei Hochzeiten (Praxis, Lehre und Forschung) gleichzeitig.“). Die inhaltliche Vereinbarkeit sei geprägt von konkurrierenden, weil in der Summe nicht erfüllbaren eigenen Ansprüchen an die beiden Bereiche: „der eigene und der Anspruch der Umgebung, beide Jobs voll auszufüllen bei dem Gefühl, an beiden Arbeitsstellen nie alles mitzubekommen“. Dem Wunsch, sich auf einen der beiden Bereiche konzentrieren zu können steht der Anspruch, sich in beiden Bereichen erfolgreich weiterzuentwickeln, gegenüber. Daraus resultiert ein Gefühl der Zerrissenheit und die Angst, keine der beiden Aufgaben „richtig“ zu machen: „Ich schaffe es weder im medizinischen noch im wissenschaftlichen Bereich zusätzlich zu dem, was gerade nötig ist, Wissen anzueignen.“. Die organisatorische Vereinbarkeit ist behindert durch die Schwierigkeit, eine (klinische) Teilzeitstelle zu finden. Es ergeben sich aus der Sicht der befragten ÄiW Nachteile finanzieller Art durch schlechtere Bezahlung der wissenschaftlichen im Vergleich zur klinischen Tätigkeit und zusätzliche steuerliche Nachteile infolge der Mehrfachbeschäftigung („Finanzielle Einbußen: Die Uni zahlt erstens nicht nach Ärztetarif und zweitens wird die zweite Stelle über Lohnsteuerkarte 6 versteuert, was nach Lohnsteuerjahresausgleich bei mir zu einem zusätzlichen Verlust vom 3500 Euro im Jahr führt.“). Insgesamt führen diese Schwierigkeiten zu einer erheblichen Frustration bei den ÄiW: „Manchmal habe das Gefühl alles, aber nichts richtig zu machen und den Wunsch, mich auf ein Teilgebiet der Medizin zu beschränken und dieses aber voll zu durchdringen.“.

Ein weiteres zentrales Hindernis wird von den ÄiW in der fehlenden Anerkennung der wissenschaftlichen Tätigkeit gesehen. Hierbei geht es nicht nur um die fehlende Anrechenbarkeit der wissenschaftlichen Tätigkeit auf die Weiterbildung, sondern auch um die fehlende Anerkennung bzw. ein mangelndes Verständnis bei Kolleginnen und Kollegen in der Praxis oder Klinik („Mangelndes Verständnis der Rotationsabteilung für relevante Weiterbildung und Veranstaltungen im R. der wissenschaftlichen Tätigkeit“). Hieraus resultiert ein belastendes Gefühl der mangelnden Wertschätzung für die eigene Arbeit („man muss aufpassen nicht immer die zweite Geige spielen zu müssen“).

Eine Reihe von schon praktizierten Lösungsansätzen werden genannt, vor allem organisatorischer Art. Dabei spielen Zeitmanagementstrategien wie ein wöchentlicher Wechsel zwischen klinisch-praktischer und wissenschaftlicher Tätigkeit oder ganze Forschungstage bei überwiegend klinisch-praktischer Tätigkeit („Klare Rotationen mit Zeitabsprachen wann klinische Arbeit und wann wissenschaftliche Arbeit“) sowie übergeordnete Strategien wie Verbundweiterbildungs- / Rotationsprogramme eine Rolle („Anstellung an einem Institut für Allgemeinmedizin mit klinischer / ambulanter Rotation, die vom Institut mit organisiert wird bei gleichzeitig einem Tag/Woche "Freistellung" um am Institut zu arbeiten sowie einem Halbjahresabschnitt Vollzeit am Institut, der von der LÄK für die Facharztweiterbildung anerkannt wird“). Auch eine völlige Trennung von Weiterbildung und wissenschaftlicher Tätigkeit durch ein „Nacheinander“ wird als Lösungsansatz genannt. Räumliche und zeitliche Nähe sowie flexible Arbeitszeiten und Stellenanteile sind weitere bestehende Strategien zur Verbesserung der Vereinbarkeit von wissenschaftlicher Tätigkeit und Weiterbildung: „Die Hausarztpraxis in der ich arbeite, liegt nahe an der wissenschaftlichen Abteilung (nur 5 Minuten mit dem Fahrrad)“.

Zukünftig zu verwirklichende Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit sind aus der Sicht der ÄIW vor allem die Anerkennung von wissenschaftlicher Tätigkeit auf die Weiterbildung, die klar und einheitlich geregelt sein muss („einfache Anerkennung durch die LÄK auch wenn es Forschung ohne direkten Patientenkontakt ist“). Es wird gefordert, dass die Arbeit in Krankenversorgung und Wissenschaft im Rahmen einer Stelle mit einem Arbeitsvertrag möglich ist. Dabei soll trotzdem eine Flexibilität hinsichtlich der Stellenanteile erhalten bleiben, die es ermöglicht, auf Phasen unterschiedlich starker Beanspruchung, wie sie im Rahmen von Forschungsprojekten üblich sind, durch Anpassung des Verhältnisses zwischen klinisch-praktischer und wissenschaftlicher Tätigkeit reagieren zu können: „Weiterhin sollten sich im Rotationsplan die Weiterbildungsmodule variabel entsprechend der Arbeitsbelastung verschieben lassen.“. Die Institutsleiterin bzw. der Institutsleiter wird zukünftig auch als Unterstützer und Koordinator der Paralleltätigkeit gesehen („Koordinator für Forschung und Weiterbildung am Institut, der Organisation etc. unterstützt“). Eine durch die Mehrfachbeschäftigung bedingte unbezahlte Mehrarbeit lehnen die ÄiW für die Zukunft ab.

Perspektive der Institutsleiter

Die Äußerungen der Institutsleiter zur Vereinbarkeit einer wissenschaftlichen Tätigkeit mit einer Tätigkeit als Arzt in Weiterbildung konnten drei Themenbereichen zugeordnet werden:

  • Organisation
  • Anerkennung
  • Qualifikation

Die schwierige Koordinierbarkeit beider, der klinischen und der wissenschaftlichen Aufgabe, ist aus der Sicht der Institutsleiter ein zentrales Hindernis bei der Vereinbarkeit von Weiterbildung und wissenschaftlicher Tätigkeit („Während in der Klinik ein Mitarbeiter durchaus ein Jahr nur wissenschaftlich tätig sein kann und trotzdem ein Weiterbildungszeugnis erhält, ist dies in der Allgemeinmedizin so nicht möglich.“). Auf der einen Seite komme die Weiterbildung durch eine zwangsläufige Teilzeittätigkeit zu kurz, auf der anderen Seite sei eine ernstzunehmende wissenschaftliche Tätigkeit und die systematische wissenschaftliche Qualifikation für dieselbe in Teilzeit ebenfalls sehr schwierig zu realisieren: „Gute Wissenschaft ist mit einer halben Stelle nur begrenzt möglich“. Durch die Kombination zweier Aufgaben entstünden eine hohe Arbeitsbelastung, Terminkonflikte, familiäre Konflikte und Konflikte zwischen den Anforderungen zweier Arbeitgeber: „Forschung und Klinik sind i.d.R. zwei Jobs bei zwei unterschiedlichen Arbeitgebern, deren Interessen und Anforderungen manchmal schwierig unter einen Hut zu bekommen sind. V.a. der organisatorische Aufwand ist groß”. Die Verlängerung der Weiterbildung, verschärft durch die mangelnde Anerkennung wissenschaftlicher Tätigkeit auf die Weiterbildung, wird als weiteres Hindernis formuliert: „Wenn man Gynäkologin/e wird, kann man nebenbei mal für 6 Mon. ins Tierlabor gehen, wenn man das will (und keiner merkt es). In der AM [Allgemeinmedizin] ist die Situation offensichtlicher!”. Finanzielle Nachteile („Ich werde als Wissenschaftler an der Uni nicht gemäß dem Ärztetarif bezahlt, was langfristig zu enormen finanziellen Einschränkungen führt.“) sowie Vorbehalte gegenüber Wissenschaft in der Allgemeinmedizin bei nicht wissenschaftlich tätigen Allgemeinmedizinern werden als weitere Hindernisse genannt. Einen Gegenpol nimmt die Aussage einer Teilnehmerin oder eines Teilnehmers ein, es gäbe „keine“ Hindernisse.

Auf die Frage nach aktuellen Lösungsansätzen wurde die Unterstützung weitgehender Flexibilität in der Arbeitszeitgestaltung, etwa durch Freistellungen, Homeoffice und Gewährung von Stellen auch mit kleinen Stellenanteilen (z.B. 25%) genannt. Wichtig erscheint den Institutsleiterinnen und Institutsleitern vor allem die persönliche (z.B. Mentoring, flache Hierarchie, Erreichbarkeit, Nutzung persönlicher Kontakte zur Vermittlung von Praxisstellen) und fachliche (z.B. Methodentraining, Kostenübernahme für Fortbildungen und Kongresse, Eröffnung von Publikationschancen) Förderung der ÄIW. Schon heute fördere man die Vereinbarkeit von Weiterbildung und wissenschaftlicher Tätigkeit durch Verbundweiterbildungen („Aufbau eines WB Verbundes“), Beteiligung an Universitätsklinik-internen Kooperationen („Es bestehen aber Kooperationen mit einigen universitären Fachabteilungen, so dass Weiterbildungsabschnitte in diesen (optionalen) Fächern möglich wären“) und damit der Ermöglichung von „Wissenschaft und Klinik unter einem Dach“ („innerhalb der internen Rotation ‚Freistellungen’ für Wissenschaft“).

Die Institutsleiterinnen und Institutsleiter formulieren als Zukunftsvision vorrangig eine bundesweit verbindliche und zuverlässige Anerkennung wissenschaftlicher Tätigkeit auf die Weiterbildung („Zuverlässige Anerkennung von Zeiten in Allgemeinmedizinischer Forschung für die Weiterbildung Allgemeinmedizin“). Der angestrebte Umfang anrechenbarer wissenschaftlicher Tätigkeit schwankt dabei zwischen 6 und 18 Monaten. Um den organisatorischen Hindernissen besser gerecht zu werden, werden langfristige Verträge, beispielsweise im Rahmen von Verbundweiterbildungen oder Kooperationen der Institute mit Kliniken oder an Universitätskliniken angeschlossenen Medizinischen Versorgungszentren gefordert: „Verbundweiterbildung, an der auch die Unis mit AM-Einrichtungen beteiligt sind! Noch einfacher wäre es, wenn die universitäre AM-Einrichtung an einem MVZ [Medizinischen Versorgungszentrum] beteiligt wäre!“. Dabei soll nach Ärztetarifvertrag vergütet werden („Standorten einheitliche Bezahlung (Ä-Tarife) auch in ‚theoretischen’ Instituten und Abteilungen für Allgemeinmedizin“). Um die wissenschaftliche Qualifikation zu fördern, wird der Ausbau entsprechender Programme für Nachwuchswissenschaftler gewünscht und dafür verschiedene Kostenträger wie Krankenkassen, Ärztekammer, Kassenärztliche Vereinigungen („Bereitstellung von finanziellen Mitteln aus einem Topf von Ärztekammer, KV [kassenärztliche Vereinigungen] und Krankenkassen für die universitären allgemeinmedizinischen Abteilungen zur Förderung der wissenschaftlichen Tätigkeit“) und die Universitäten selber („ausreichender Grundausstattung, die für mehr als 1 Jahr gesichert sein muss“) in die Pflicht genommen werden. Wichtig sei es, die Bildung eines Grabens zwischen akademischer und praktischer Allgemeinmedizin zu verhindern („dass die akademische Allgemeinmedizin wirklich hausärztlich relevante Themen behandelt und die z.T. bereits bestehende Kluft zwischen akademischer Allgemeinmedizin und der täglich gelebten Allgemeinmedizin [nicht] noch größer wird“). Im Widerspruch zur geforderten Anrechenbarkeit wird von einer Teilnehmerin oder einem Teilnehmer davor gewarnt, die Weiterbildung durch Forschungsanteile zu „verwässern“ („Sonst züchten wir an den Instituten nur Elfenbeinturmforscher mit Focus auf Impact und Drittmittel und nicht auf die Realität in der Praxis! Ich habe wirklich Angst vor den ‚Hausärzten’ die eine Universitätsabteilung erzeugt.“). Die Äußerung „Wissenschaft ist nicht das Rückgrat der Allgemeinmedizin! Erst Patienten, dann Lehre Lehre Lehre und dann Forschung! Wir sind doch keine Internisten...” zeugt ebenfalls von einer skeptischen Haltung innerhalb der Allgemeinmedizin gegenüber wissenschaftlicher Tätigkeit als Teil der Weiterbildung.

Vergleich der Perspektive der ÄiW und der Institutsleiterinnen und Institutsleiter

Während die ÄiW auch inhaltliche Aspekte wie fehlende inhaltlich-fachliche Konzentration und mangelnde Anerkennung/Wertschätzung betonen, sehen die Institutsleiterinnen und Institutsleiter vorrangig organisatorische und finanzielle Schwierigkeiten in der Vereinbarkeit von Wissenschaft und Facharztweiterbildung.


Diskussion

Mehr als die Hälfte der Leiterinnen und Leiter von Instituten für Allgemeinmedizin verfügen über eine Weiterbildungsermächtigung und ermöglichen ihren ÄiW damit eine Anerkennung von 6-24 Monaten wissenschaftlicher Tätigkeit auf die allgemeinmedizinische Facharztweiterbildung. Gleichzeitig wird die mangelnde Anrechenbarkeit als wichtiges Hindernis für eine Tätigkeit an einem Institut während der Facharztweiterbildung angesehen und folgerichtig eine einheitliche, zuverlässige und flächendeckende Anrechenbarkeit von wissenschaftlicher Tätigkeit an Instituten für Allgemeinmedizin auf die Weiterbildung zur Fachärztin bzw. zum Facharzt für Allgemeinmedizin sowohl von den ÄiW als auch von den Institutsleiterinnen und –leitern gefordert.

Fast zwei Drittel der gleichzeitig an einem Institut für Allgemeinmedizin tätigen ÄiW sind mit ihrer aktuellen Weiterbildungssituation zufrieden oder sehr zufrieden. Aus den Antworten auf die Freitextfragen lässt sich jedoch eine tiefe Frustration hinsichtlich der Bedingungen für eine kombiniert wissenschaftlich-klinische Tätigkeit herauslesen. Eine mangelnde Anerkennung im doppelten Sinne (durch die Kollegenschaft und Vorgesetzen sowie die LÄK) scheint hierfür der Hauptgrund zu sein.

Diese Diskrepanzen zwischen quantitativen und qualitativen Ergebnissen sowohl bei den Institutsleiterinnen und –leitern als auch bei den ÄiW könnten Ausdruck der sehr heterogenen Grundvoraussetzungen an den einzelnen Standorten der akademischen Allgemeinmedizin in Deutschland sein [3]. An einigen Instituten herrschen nach unseren Ergebnissen schon jetzt gute Bedingungen, um während der allgemeinmedizinischen Weiterbildung wissenschaftlich tätig zu sein: Anrechenbarkeit der wissenschaftlichen Tätigkeit, Bezahlung nach Ärztetarif (TV-Ä), klinisch-praktische Weiterbildung im gleichen Haus bzw. im Rahmen einer vom Institut (mit)gestalteten Verbundweiterbildungs- bzw. Rotationsprogrammen sowie ein intensives Mentoring incl. Förderung der methodischen Qualifikation, der Vernetzung und der Veröffentlichung von Forschungsergebnissen („capacity building“ [15]). Einige deutsche Institute nehmen hier eine Vorreiterrolle ein [12], [13], [16], an vielen Standorten sind diese Voraussetzungen hingegen offenbar bislang höchstens teilweise bis gar nicht gegeben. Dies scheint nach unseren Ergebnissen vor allem an mangelnden Ressourcen der Institute oder an einer restriktiven Haltung viler LÄK hinsichtlich der Anrechenbarkeit zu liegen, jedoch auch an Vorbehalten innerhalb der Allgemeinmedizin gegenüber der Sinnhaftigkeit wissenschaftlicher Tätigkeit im Rahmen der Facharztweiterbildung.

Auch andere deutsche Fachgesellschaften wie die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin [17] und der medizinische Fakultätentag [18] fordern eine Anrechenbarkeit von wissenschaftlicher Tätigkeit auf die Weiterbildungszeit. Die Universitätsmedizin Göttingen hat gemeinsam mit der LÄK Niedersachsen ein Modellcurriculum für die Weiterbildung und Habilitation im Fach Kardiologie entwickelt, im Rahmen dessen 6 Monate Forschung auf die Weiterbildungszeit angerechnet werden können [http://www.herzzentrum-goettingen.de/de/content/lehre/579.html]. In vielen anderen Ländern ist eine wissenschaftliche Tätigkeit nicht nur ohne Verlängerung der Weiterbildungszeit möglich, sondern ausdrücklich erwünscht (z.B. USA [19], Dänemark [http://www.equip.ch/files/6/competences_119_final.doc], [http://www.helsedirektoratet.no/helsepersonell/spesialistgodkjenning/lege/Sider/allmennmedisin.aspx], Norwegen [20]). Eine Anrechenbarkeit wird auch von der World Organization of National Colleges, Academies and Academic Associations of General Practitioners / Family Physicians (WONCA) gefordert [21], [22].

Stärken und Schwächen der Arbeit

Erstmals wurden in Deutschland Aspekte der Situation von gleichzeitig wissenschaftlich tätigen ÄiW in der Allgemeinmedizin quantitativ und qualitativ erhoben. Mangels Verfügbarkeit konnte kein validiertes Befragungsinstrument Verwendung finden, die eigens entwickelten Fragen wurden jedoch vorher einem Pretest unterzogen. Der im Vergleich zu beispielsweise leitfadengestützten telefonischen Interviews hohe Vorbereitungsaufwand wurde bei schätzungsweise ähnlichem potentiellen Erkenntnisgewinn durch die vergleichsweise effiziente Datenerhebung mittels Websurvey wieder aufgewogen. Die hohe Rücklaufquote bei der Befragung der Institutsleiterinnen und –leiter macht eine Verzerrung der Ergebnisse im Sinne eines Nonresponder Bias unwahrscheinlich.

Im Falle der ÄiW kann das Risiko für einen Selektions- bzw. Nonresponder-Bias nicht sicher beurteilt werden, da aufgrund der eingeschränkten direkten Erreichbarkeit nicht gewährleistet ist, dass wir die Zielgruppe vollständig erreicht haben. Nicht bei allen angeschrieben ÄiW ließ sich sicher klären, ob diese tatsächlich zur Zielgruppe gehören. Wir können daher keine genaue Anzahl von an Instituten für Allgemeinmedizin in Deutschland tätigen ÄiW angeben und keinen zuverlässigen Nenner für die Berechnung der Rücklaufquote definieren. Daher ist auch eine Schätzung der Gesamtzahl der in Deutschland wissenschaftlich tätigen ÄiW (Fragestellung 3) nicht valide möglich. Aufgrund der insgesamt geringen Größe der Zielgruppe sowie der guten Feldkenntnis der Autoren gehen wir jedoch davon aus, die Zielgruppe nahezu vollständig erreicht zu haben. Zudem zeigte sich während der Analyse des qualitativen Teils eine inhaltliche Sättigung bei den Antworten, weswegen in Bezug auf Fragestellung 1 für die Institutsleiterinnen und –leiter sowie die ÄiW von einer weitgehendend vollständigen Erhebung gesprochen werden kann.

Eine weitere Schwäche der Studie ist die mangelnde Erreichung der Weiterbilderinnen und Weiterbilder wissenschaftlich tätiger ÄiW. Verantwortlich hierfür könnten nach Ansicht der Autoren neben einer generell als niedrig geltenden Bereitschaft von Hausärztinnen und Hausärzten zur Beteiligung an wissenschaftlichen Projekten [23] das (im Gegensatz zu den Institutsleiterinnen und –leitern und den ÄiW) geringere Eigeninteresse an einer Untersuchung des Themas, mangelnde zeitliche Ressourcen und die per se fehlende Anonymität sein. Möglicherweise bestanden auch bei den ÄiW Barrieren hinsichtlich der Weitergabe des Fragebogens an ihre Weiterbilderinnen und Weiterbilder, z.B. aufgrund des zusätzlichen Aufwandes oder des Abhängigkeitsverhältnisses.

Aufgrund der Anonymität der Befragung können wir die verschiedenen Weiterbildungsermächtigungen nicht den Instituten zuordnen. Eine Vermeidung von Verzerrung durch soziale Erwünschtheit bzw. von Nichtteilnahme infolge mangelnder Anonymität erschien uns jedoch wichtiger als eine genaue Zuordnung der Weiterbildungsermächtigungen.

Implikationen für Praxis und zukünftige Forschung

Unsere Ergebnisse unterstreichen die Forderung nach einer bundeseinheitlichen, verlässlichen Anerkennung wissenschaftlicher Tätigkeit an Instituten für Allgemeinmedizin auf die allgemeinmedizinische Facharztweiterbildung [24].

Eine Verankerung der Anerkennung in der Weiterbildungsordnung, wie sie in anderen europäischen Ländern bereits vorhanden ist und in Deutschland im o.g. Modellprojekt erprobt wird, könnte die kontinuierliche wissenschaftliche Tätigkeit im Rahmen einer Verbundweiterbildung fördern. Hierdurch könnten die organisatorisch-finanziellen Hindernisse für eine parallele wissenschaftliche und klinisch-praktische Tätigkeit während der Weiterbildung reduziert werden. Die geäußerte fehlende Anerkennung im Sinne von Wertschätzung oder zumindest Akzeptanz der wissenschaftliche Tätigkeit spricht dafür, dass die universitären Standorte gezielt Kliniken und Praxen suchen sollten, welche an der Weiterbildung wissenschaftlich tätiger ÄiW interessiert sind und ihnen entsprechend flexible Arbeitsbedingungen bieten können und wollen.

Der aus den qualitativen Antworten der wissenschaftlich tätigen ÄiW sich ergebenden Frustration und fehlenden Anerkennung sollte systematisch im Sinne der Nachwuchsförderung begegnet werden. Die überschaubare Zahl wissenschaftlich tätiger ÄiW eröffnet die Möglichkeiten einer konzertierten Aktion beispielsweise im Sinne einer Nachwuchsakademie, durch welche die wissenschaftlich tätigen ÄiW begleitet, gefördert und vernetzt werden können.

Die Wirksamkeit solcher Maßnahmen auf die Bereitschaft junger Ärztinnen und Ärzte, in der Allgemeinmedizin nicht zur praktisch, sondern auch wissenschaftlich tätig zu werden, sollte in zukünftigen Studien untersucht werden. Solche Studien sollten die Besetzungsquote ausgeschriebener Ärztestellen für wissenschaftliche Mitarbeit an Instituten für Allgemeinmedizin, die Anzahl wissenschaftlicher Publikationen mit Autoren, die sich noch in der Weiterbildung befinden sowie die Anzahl allgemeinmedizinischer Habilitationen als Zielkriterien verwenden.


Schlussfolgerungen

  • Eine wissenschaftliche Tätigkeit wird von den Befragten derzeit eher als Hindernis für die Facharztweiterbildung Allgemeinmedizin empfunden. Gut organisiert und ausgestaltet könnte die Kombination beider Tätigkeiten die allgemeinmedizinische Ausbildung jedoch sogar bereichern.
  • Um eine wissenschaftliche Tätigkeit an allgemeinmedizinischen Instituten für ÄiW attraktiver zu machen, fordern die Befragten eine Anrechenbarkeit dieser Tätigkeit auf die Weiterbildung, eine Verringerung organisatorischer Hürden für eine Paralleltätigkeit in Forschung und Praxis (beispielsweise durch Integration von wissenschaftlicher Tätigkeit in Verbundweiterbildungs- bzw. Rotationsprogramme), eine Bezahlung nach dem Ärztetarif (TV-Ä) und systematisches „capacity building“.

Danksagung

Die Autoren bedanken sich bei allen Studienteilnehmerinnen und –teilnehmern recht herzlich. Besonderer Dank gilt allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern am Pretest der Fragebögen.


Interessenkonflikt

Thomas Kötter, Solveig Carmienke und Wolfram Herrmann sind sowohl als ÄiW klinisch-praktisch als auch an einem universitären Institut wissenschaftlich tätig.


Literatur

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Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Allgemeinmedizin - spezialisiert auf den ganzen Menschen. Positionen zur Zukunft der Allgemeinmedizin und der hausärztlichen Praxis. Frankfurt: DEGAM; 2012. Zugänglich unter/available from: http://www.degam.de/files/Inhalte/Degam-Inhalte/Ueber_uns/Positionspapiere/DEGAM_Zukunftspositionen.pdf (zuletzt überprüft 11.02.2014) Externer Link
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