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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Prädiktion praktischer Leistungen in den vorklinischen Laborkursen – Die Rückkehr des Drahtbiegetests für die Zulassung Zahnmedizinstudierender in Hamburg

Forschungsarbeit Humanmedizin

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  • author Christian Kothe - Hamburg, Deutschland
  • author Johanna Hissbach - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Zentrum für Experimentelle Medizin, Institut für Biochemie und Molekulare Zellbiologie, Hamburg, Deutschland
  • corresponding author Wolfgang Hampe - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Zentrum für Experimentelle Medizin, Institut für Biochemie und Molekulare Zellbiologie, Hamburg, Deutschland

GMS Z Med Ausbild 2014;31(2):Doc22

doi: 10.3205/zma000914, urn:nbn:de:0183-zma0009147

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2014-31/zma000914.shtml

Eingereicht: 4. Oktober 2013
Überarbeitet: 7. Januar 2014
Angenommen: 19. Februar 2014
Veröffentlicht: 15. Mai 2014

© 2014 Kothe et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Obwohl einige kürzlich veröffentlichte Studien manuelles Geschick als zuverlässigen Prädiktor der Leistung in vorklinischen Laborkursen der Zahnmedizin zurückweisen, konnten sie frühere Studienergebnisse nicht widerlegen, die die Bedeutung des manuellen Geschicks in der Zahnmedizinerauswahl bestätigten. Ziel der vorliegenden Studie war, zu prüfen, ob der von uns entwickelte und in den Orientierungswochen 2008, 2009 und 2010 eingesetzte Drahtbiegetest HAM-Man zusätzlich zur Abiturdurchschnittsnote ein geeignetes Instrument für die Auswahl Zahnmedizinstudierender ist.

Regressionsanalysen ergaben, dass die Abiturdurchschnittsnote maximal 9% der Leistung in den vorklinischen Laborkursen vorhersagte, dabei in sechs von acht Regressionsmodellen weniger als 2%. Der inkrementelle Beitrag des HAM-Man zur Abiturdurchschnittsnote betrug bis zu 20.5% der praktischen, vorklinischen Leistung.

In Übereinstimmung mit Ergebnissen früherer Studien zeigte der HAM-Man als manueller Geschicklichkeitstest eine zufriedenstellende inkrementelle Validität. Während die Abiturdurchschnittsnote eher durch kognitive Faktoren bedingt wird, spiegelt der HAM-Man das Erlernen neuer psychomotorischer Fertigkeiten, räumlicher Beziehungen und zahnmedizinischer Techniken wider, die in den vorklinischen Laborkursen benötigt werden. Der Drahtbiegetest HAM-Man stellt somit ein geeignetes, zusätzliches Instrument zur Auswahl von Bewerbern* an zahnmedizinischen Fakultäten dar.

Schlüsselwörter: Drahtbiegetest, Prädiktion vorklinischer Studienerfolg, Studierendenauswahl in der Zahnmedizin


Einleitung

In den vergangenen 20 Jahren kam man in vielen Studien zur Schlussfolgerung, dass manuelles Geschick kein zuverlässiger Prädiktor der vorklinischen Laborkursleistung in der Zahnmedizin ist [1], [2], [3], [4], [5], [6], [7]. Die Geschicklichkeit wurde in diesen Studien gewöhnlich mit unterschiedlichen manuellen Fähigkeitstests erfasst, z.B. dem „O’Connor Tweezer-test“ [4], [7], einem Kreideschnitztest [1], mehreren Subtests aus diversen etablierten Geschicklichkeitstests [2] oder sogar zum Teil mit einem Computerspiel [3]. Überraschend ist der Einsatz dieser Testinstrumente im Hinblick auf die Ergebnisse von Weinstein and Kiyak [8], die in ihrer Untersuchung aufzeigten, dass manuelle Testverfahren Tätigkeiten beinhalten sollten, die vergleichbar mit den Aufgaben in den vorklinischen Laborkursen sind. Weinstein und Kiyak entwickelten den „Dental Dexterity Test” (DDT), in welchem in einer vorgegebenen Zeit mit einer Pinzette zunächst 32 Pins in eine nachgebildete menschliche Mundhöhle eingesteckt und wieder entnommen werden. Des Weiteren beziehen sich die zitierten Studien nicht auf die Ergebnisse von Kao et al. [9]. Die Autoren berichteten moderate, lineare Zusammenhänge zwischen den Leistungen eines selbstentwickelten Drahtbiegetests und praktischen Laborkursleistungen im ersten und zweiten Studienjahr (0.337<r<0.482, R2=0.162, p<0.01). Kao et al. schlussfolgerten “…wire bending is an exercise requiring perceptual process, learning of spatial relationships, and fine psychomotor skills.” (S. 672). Aber eben diese psychomotorischen Fähigkeiten und Fertigkeiten sind zum Erlernen zahnmedizinischer Behandlungsmethoden in den vorklinischen Laborkursen erforderlich.

Aktuell finden sich Drahtbiegeaufgaben als Bestandteil von Studierendenauswahlverfahren z.B. an der Universität Witten/Herdecke in Deutschland [10] und der Universität Innsbruck in Österreich [11]. Arnold et al. [10] berichteten in ihrer Studie zwar Korrelationen des praktischen Teil des Studierendenauswahlverfahrens mit der praktischen Note in der Zahnärztlichen Vorprüfung (r=0.2, p<.05), ebenso wie Beier et al. [11] zu den Durchschnittsnoten nach dem ersten klinischen Jahr (r=-.373, p<.01). Leider sind in beiden Studien keine konkreten Einzelergebnisse für die Drahtbiegeaufgaben aufgeführt.

Auswahl von Zahnmedizinstudierenden in Hamburg

Seit 2004 können die Universitäten in Deutschland 60% der Erstsemesterstudierenden in der Zahnmedizin nach weiteren Zulassungskriterien zusätzlich zur Abiturdurchschnittsnote in der Hochschulquote auswählen [12]. Die verbleibenden Studienplätze werden zu gleichen Teilen über die Abiturbesten- und Wartesemesterquoten vergeben [13], in denen immer die Abiturdurchschnittsnote einbezogen ist. Die Abiturdurchschnittsnote wird aber im Vergleich zu psychomotorischen Fertigkeiten deutlich stärker durch kognitive Fähigkeiten bedingt [9], [14], sodass sie eine sehr eingeschränkte Beziehung zur praktischen Leistung in den vorklinischen Laborkursen besitzt [9], [15], [16]. Aufgrund dessen gilt es zu untersuchen, ob das Einbeziehen weiterer Kriterien in den Auswahlprozess zu einer Verbesserung des Zulassungsverfahrens führt. Dies gilt insbesondere für manuelles Geschick, das als Fähigkeit in den vorklinischen Laborkursen benötigt wird. Mit Bezug auf die Testinstrumente von Lienert [17] und Kao et al. [9] wurde das „Hamburger Auswahlverfahren für medizinische Studiengänge - Manueller Test“ (HAM-Man) [18] als Drahtbiegetest zur Messung manueller Fähigkeiten entwickelt, die in den vorklinischen Laborkursen erforderlich sind.

In einem ersten Schritt in Richtung eines erweiterten Auswahlverfahrens wurde in 2009 der Naturwissenschaftstest HAM-Nat [12], [19], [20], [21] zur Zulassung Zahnmedizinstudierender in der Hochschulquote eingeführt [22]. Die Ergebnisse des HAM-Nat (maximal 59 Punkte) und die der Abiturdurchschnittsnote (maximal 60 Punkte) wurden in einer Rangliste aggregiert. Das Ziel des HAM-Nat ist die Reduktion von Studienabbrüchen im vorklinischen naturwissenschaftlichen Studienabschnitt. In 2010 wurde das zahnmedizinische Auswahlverfahren durch den Drahtbiegetest HAM-Man erweitert.

Ziel dieser Studie ist, zu untersuchen, ob der HAM-Man ein geeignetes Auswahlkriterium zusätzlich zur Abiturdurchschnittsnote in der Zulassung zum Zahnmedizinstudium darstellt. Wir erwarten eine zufriedenstellende inkrementelle Validität des HAM-Man im Hinblick auf die praktische Leistung in den vorklinischen Laborkursen.


Methoden

Stichprobe

Der HAM-Man wurde jeweils in der Einführungswoche im Oktober mit zahnmedizinischen Erstsemesterstudierenden in drei aufeinander folgenden Jahren erprobt (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]). Die Teilnahme war freiwillig. Dreiundzwanzig von 78 über alle Quoten zugelassene Studierende nahmen in 2008 an der Untersuchung teil (Zulassung nur über Abiturdurchschnittsnote), 69 von 80 in 2009 (Zulassung über Abiturdurchschnittsnote und HAM-Nat) und 54 von 78 in 2010. Die Zulassung der Bewerber aus der zuletzt genannten Kohorte erfolgte über zwei Ranglisten, welche auf den summierten Punktzahlen von Abiturdurchschnittsnote (60 Punkte) und HAM-Nat bzw. HAM-Man beruhten. Insgesamt wurden 20 Bewerber über die zweite Rangliste zugelassen, die alle auch auf der ersten Rangliste unter den besten 70 Bewerbern lagen.

In 2008 erhielten die Studienteilnehmer mit den zehn besten Testergebnissen einen Büchergutschein im Wert von 50,- Euro, um die Motivation der Erstsemesterstudierenden zu erhöhen. Dadurch sollte eine zur Prüfungssituation im Auswahlverfahren vergleichbare, kompetitive Atmosphäre etabliert werden. Aufgrund der Teilnehmerrückmeldung, dass dieser Anreiz keinen Einfluss auf ihre Testleistung habe, erhielten die partizipierenden Erstsemesterstudierenden in 2009 keine Belohnung. Die Datenauswertung in 2009 ergab aber einen abweichenden Mittelwert in der Testleistung des HAM-Man zwischen den ersten zwei Studienkohorten (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]), weshalb die dritte Studienkohorte wieder einen 50,- Euro Buchgutschein als Belohnung erhielt. Alle Studienteilnehmer unterschrieben eine Einverständniserklärung.

Prädiktoren
Abiturdurchschnittsnote

Die Abiturdurchschnittsnote in Deutschland variiert von 1,0 (sehr gut) bis 4,0 (ausreichend), welche über mündliche und schriftliche Abschlussprüfungsnoten sowie Kursnoten der gymnasialen Oberstufe gebildet wird.

HAM-Man

Der HAM-Man erfasst manuelle Fähigkeiten, die im Zahnmedizinstudium erforderlich sind. Der 45 Minuten dauernde Drahtbiegetest besteht aus drei Drahtfiguren (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]), die mit einer handelsüblichen Spitzzange gebogen werden müssen. Im HAM-Man wird kein professionelles Werkzeug (z.B. Dentalzangen) eingesetzt, da die meisten Bewerber keine Erfahrung im Umgang mit diesen haben, weshalb vor Testbeginn ein Training erforderlich wäre. Die Teilnehmer erhalten eine schriftliche Testinstruktion und -anweisung, auf der auch die Drahtfigurvorlagen abgedruckt sind. Wie der HAM-Man bearbeitet wird, ist freigestellt. Ein Testsatz beinhaltet sechs harte Chromium-Drähte mit einem Durchmesser von 0,8 Millimetern und einer Länge von 15 Zentimetern, von denen drei zu Übungszwecken verwendet werden können.

Zwei Juroren bewerten die drei gebogenen Drahtfiguren anhand der Kriterien „Deckungsgleichheit“ und „planes Aufliegen“ auf einer 7-stufigen Skala von 0 (sehr schlecht) bis 6 Punkte (sehr gut). und Das Kriterium „Qualität der Biegung“ geht nur mit der Hälfte der Punktzahl (0 bis 3 Punkte) in die Testleistung des HAM-Man ein, da qualitativ hochwertige Biegungen nur mit professionellen Dentalzangen umsetzbar wären. Hierbei wird geprüft, ob Knicke, Abkantungen und Deformationen in den Biegestellen der Drahtfiguren vorhanden sind, die bspw. auf eine Vielzahl von Biegeversuchen zurückzuführen wären. Die beiden Jurorenurteile werden gemittelt und anschließend zum Gesamttestergebnis addiert.

Als Juroren wurden ein Zahnarzt und ein Zahntechniker der zahnmedizinischen Fakultät Hamburg eingesetzt. In der Schulung bewerteten beide Rater mehrere gebogene Drahtproben von jeder Figur (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]). Die Urteile wurden anschließend diskutiert, bis die Bewertungen einheitlich ausfielen. Die Ermittlung der Interrater-Reliabilität erfolgte durch Intraklassen-Korrelationen (ICC), wofür unjustierte Modelle mit zweifaktoriellem Design auf Basis von Einzelwerten als Beurteilungen berechnet wurden. Die Auswertung ergab Übereinstimmungen in den Urteilen zwischen beiden Juroren = 94%. Die interne Konsistenz (Cronbachs Alpha) fiel für jede Drahtfigur in jeder Kohorte größer als 0.88 aus.

Leistungsvariablen

Die abhängigen Variablen wurden als durchschnittliche praktische Prüfungsleistung in den vorklinischen Laborkursen operationalisiert, die den praktischen Anteil des Studienerfolgs darstellen. Der erstsemestrige Laborkurs (TPK) beinhaltete vier Prüfungen („Schnitzen von Wachszähnen“, „Aufwachsübung“, „Herstellung einer Vollgusskrone“ und „Interimsprothese“). Der nachfolgende Laborkurs im zweiten Semester (PHA I) erforderte das erfolgreiche Bestehen von drei Prüfungen („Totalprothese nach Gysi“, „Stiftaufbau und Schalenprovisorium“, „Präparation und Tangentialbrücke“). Im letzten vorklinischen Laborkurs (PHA II, fünftes Semester) mussten die Studierenden eine „Totalprothese nach Gerber“ anfertigen, die „Präparation zweier Zähne und Versorgung mittels eines Schalenprovisoriums“ durchführen und eine „Michiganschiene“ erstellen. Alle Prüfungen wurden auf einer Notenskala von 1,0 (sehr gut) bis 6,0 (ungenügend) bewertet. Es ist erforderlich, den TPK zu bestehen, um am PHA I teilnehmen zu dürfen, der wiederherum Voraussetzung für den PHA II ist. Die Laborkursergebnisse bis zum Frühling 2013 wurden in die Auswertung der vorliegenden Untersuchung einbezogen. Aufgrund tragischer, außercurricularer Umstände standen die Daten des PHA I in 2010 nicht für die Auswertung zur Verfügung.

Statistische Auswertung

Zur Ermittlung der prädiktiven Stärke von Abiturdurchschnittsnote und HAM-Man wurden zwei Regressionsmodelle berechnet. Im ersten Modell war ausschließlich die Abiturdurchschnittsnote als Einzelprädiktor praktischer Studienleistung in den vorklinischen Laborkursen eingeschlossen. Im multiplen Regressionsmodell (Methode: Einschluss) wurde der HAM-Man als zweiter Prädiktor zur Abiturdurchschnittsnote hinzugefügt, um

1.
die durch beide Prädiktoren erklärte Gesamtvarianz praktischer Laborkursleistung und
2.
den inkrementellen Beitrag des HAM-Man zu ermitteln.

Die Datenauswertung erfolgte für jede Studierendenkohorte separat, da konfundierende Einflüsse, wie bspw. die Motivation, auf die praktische Leistung der Erstsemesterstudierenden über die Jahre nicht auszuschließen sind.

Mittels des Durbin-Watson-Tests wird überprüft, ob das Auftreten von Autokorrelationen der Residuen in den multiplen Regressionsmodellen auszuschließen ist. Die Kollinearitätsstatistik ermöglicht die Identifikation von hohen Korrelationen zwischen Prädiktoren in multiplen Regressionsmodellen, wodurch Fehler in den Prädiktionsschätzungen auftreten könnten. Die Auswertungen der Untersuchungsdaten erfolgte mit der Software „PASW-Statistics“ in der Version 18.03.


Ergebnisse

Deskriptive Statistik

Aufgrund von Studienabbrüchen und -verzögerungen fiel die Teilnehmeranzahl im PHA I und PHA II geringer aus als im TPK (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]). Von besonderem Interesse ist der signifikante Unterschied im HAM-Man Ergebnis zwischen den Kohorten (F=15.3; p<.001). Die 2009er-Kohorte weist im Vergleich zur 2008er (p<.05) und 2010er (p<.001) ein signifikant geringeres Gesamtresultat im Drahtbiegetest auf, jedoch zeigte sich kein signifikanter Unterschied zwischen der 2008er und 2010er Kohorte. Die Analyse bestätigt das Vorgehen, die Auswertung der einzelnen Kohorten separiert vorzunehmen. Die Annahme der Normalverteilung musste zwar für die meisten Prädiktor- und Kontrollvariablen zurückgewiesen, konnte aber für die Leistungsvariablen bestätigt werden, wie die Signifikanzstatistik des Shapiro-Wilk-Test anzeigt (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]). Sowohl der Korrelationskoeffizient nach Pearson (r) als auch die Regressionsmaße (ß) werden nicht durch Verletzungen der Normalverteilung beeinträchtigt, jedoch ist die Zuverlässigkeit ihrer Signifikanztests anzuzweifeln [23], [24]. Die Prüfung auf Autokorrelation und Multikollinearität mittels des Durbin-Watson-Faktors und der Kollinearitätsstatistik zeigte, dass die Parameterschätzungen zuverlässig sind.

Korrelationsanalysen

Die schwachen Beziehungen zwischen den Prädiktoren HAM-Man und Abiturdurchschnittsnote mit nichtsignifikanten Korrelationen im Bereich von 0.105<r<0.178 (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]) deuten auf eine gute diskriminante Validität beider Variablen hin. Im Gegensatz dazu bestehen in allen Kohorten signifikante Korrelationen im Bereich von -0.473<r<-0.324 zwischen HAM-Man und der praktischen Leistung in den ersten zwei Laborkursen (TPK, PHA I). Von den moderaten Korrelationen zur praktischen Leistung im PHA II (alle r>0.3) war jedoch nur eine signifikant (p<.05).

Die Abiturdurchschnittsnote wies nur in der Kohorte 2010 eine signifikante Korrelation zur Leistung im TPK auf (r=0.242, p<.05) und in der 2008er-Kohorte lediglich eine nichtsignifikante Korrelation stärker als r>0.3 zur Leistung im PHA II. Die Korrelationsanalyse deutete für die Kontrollvariablen Alter und Geschlecht auf keine gemeinsamen Varianzanteile mit dem HAM-Man als Prädiktor hin, jedoch korrelierte Alter stark mit der Abiturdurchschnittsnote (p<.01, siehe Tabelle 2 [Tab. 2]).

Regressionsmodelle

Die Regressionsanalysen ergaben für die Abiturdurchschnittsnote einen geringen Einfluss auf die praktische Laborkursleistung in allen drei Kohorten (siehe Tabelle 3 [Tab. 3]). In fünf von acht Modellen konnte sogar nur weniger als ein Prozent der Leistungsvarianz in den vorklinischen Laborkursen durch die Abiturdurchschnittsnote aufgeklärt werden. Die inkrementelle Validität des HAM-Man über die Abiturdurchschnittsnote betrug bis zu 20.5% (siehe Tabelle 3 [Tab. 3]). Der HAM-Man besitzt gegenüber der Abiturdurchschnittsnote einen stärkeren Einfluss auf die Variablen der praktischen Laborkursleistungen, was aus dem Vergleich der standardisierten Regressionskoeffizienten hervorgeht und somit den HAM-Man als stärkeren Prädiktor praktischer Laborkursleistung in der zahnmedizinischen Vorklinik bestätigte (siehe Tabelle 3 [Tab. 3]).


Diskussion

Ist der Drahtbiegetest HAM-Man ein geeigneter Prädiktor praktischer zahnmedizinischer Leistung in den vorklinischen Laborkursen? In Übereinstimmung mit den Ergebnissen von Kao et al. [9] klärt der HAM-Man über die Abiturdurchschnittsnote hinaus bis zu 20.5% Varianz praktischer Leistung auf. Wir sehen darin ein klares Indiz für die Eignung des Drahtbiegetests zur Auswahl Zahnmedizinstudierender. Darüber hinaus konnte ebenfalls die geringe prognostische Güte der Abiturdurchschnittsnote hinsichtlich der praktischen Leistungen in den vorklinischen Laborkursen bestätigt werden (siehe Tabelle 3 [Tab. 3]).

Für viele Validierungsstudien in der Zahnmedizin stellt die geringe Stichprobengröße eine Einschränkung dar. Daher haben wir in der vorliegenden Studie drei Erstsemesterjahrgänge einbezogen. Aufgrund von Unterschieden in den einzelnen Jahrgängen, die bspw. bedingt waren durch die Art der Zulassung oder die Teilnahmemotivation, erfolgte die Auswertung separiert für jede Kohorte. Im Ergebnisvergleich der drei Untersuchungskohorten zeichnete sich aber ein klares Bild ab, in welchem der praktische Studienerfolg in den vorklinischen Laborkursen deutlich besser durch den HAM-Man als durch die Abiturdurchschnittsnote vorhergesagt wird.

Sehr schwache Korrelationen zwischen HAM-Man und der Abiturdurchschnittsnote (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]) indizierten eine gute diskriminante Validität in Übereinstimmung mit Schlussfolgerungen früherer Studien [9], [14]. Die Abiturdurchschnittsnote beruht eher auf kognitiven Fähigkeiten, während der HAM-Man manuelles Geschick erfasst. Der Drahtbiegetest spiegelt das Lernen neuer oder wenig vertrauter psychomotorischer Fertigkeiten, räumlicher Beziehungen und zahnmedizinischer Techniken in den vorklinischen Laborkursen wider, die nicht nur die Beurteilung, sondern auch den Umgang mit Formen, Längen, Tiefen und Werkstoffen erfordern. Darüber hinaus müssen Studierende zwischen akzeptablen und nichtakzeptablen Arbeitsergebnissen unterscheiden, Fehler erkennen und korrigieren und Hinweise bzw. Anhaltspunkte selbstständig richtig interpretieren. Je besser ein Instrument die zahnmedizinischen Verfahren und Methoden abbildet, desto besser wird die Prädiktion manueller Leistungen in der Zahnmedizin ausfallen.

Die Interpretation der Ergebnisse unterliegt in der vorliegenden Studie einigen Einschränkungen. Das geringere HAM-Man Testergebnis in der zweiten Kohorte (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]) ist sehr wahrscheinlich auf die fehlende Verstärkung der Teilnahmemotivation durch das Aussetzen des Anreizes zurückzuführen. Außerdem schränkt die nichtparametrische Verteilung der Untersuchungsdaten die Zuverlässigkeit der Konfidenzintervalle der Korrelations- und Regressionsanalyse ein. Demzufolge sollten die Signifikanztests für die vorliegenden Untersuchungsergebnisse nicht interpretiert werden. Die in drei Kohorten unterteilte Ergebnisauswertung gewährleistet jedoch, einen Trend anstelle eines zufälligen Effekts zu ermitteln.

Die schwachen negativen Beziehungen zwischen der Abiturdurchschnittsnote und den Laborkursnoten (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]) sollten nicht als Indizes interpretiert werden, dass eine schlechtere Abiturdurchschnittsnote zu einer besseren praktischen Leistung in den vorklinischen Laborkursen führt. Die Korrelationen könnten verzerrt sein durch die Stichprobencharakteristika, Varianzlimitierungen in der Abiturdurchschnittsnote aufgrund der Studienzulassung, der Stichprobengröße oder die Motivation Erstsemesterstudierender, am HAM-Man teilzunehmen. Ebenfalls ist die berichtete starke Korrelation zwischen der Abiturdurchschnittsnote und dem Alter nicht überraschend. Das Zulassungsverfahren in Deutschland gibt Bewerbern mit einer schlechteren Abiturdurchschnittsnote die Chance, einen Studienplatz in der Zahnmedizin über die Wartesemesterquote zu erhalten, wofür sie aber einige Jahre nach Erhalt der Hochschulzugangsberechtigung warten müssen.

Der HAM-Man erwies sich als ein geeignetes Zulassungsinstrument in der Zahnmedizin. In zukünftigen Studien soll die Beziehung zwischen Geschicklichkeit und räumlichem Vorstellungsvermögen näher untersucht werden, um Erkenntnisse über weitere mögliche Auswahlinstrumente zu erhalten.


Schlussfolgerung

Der Drahtbiegetest HAM-Man ist ein geeignetes, zusätzlich zur Abiturnote einzusetzendes Auswahlinstrument für Bewerber zahnmedizinischer Fakultäten. Der Test ist sehr ökonomisch in der Durchführung, die nur einen geringen finanziellen und organisatorischen Aufwand erfordert. In Kombination mit der Abiturdurchschnittsnote führt ein Drahtbiegetest nicht nur zu einer verbesserten Prädiktion praktischer Leistungen Studierender in der vorklinischen Zahnmedizin, sondern erhöht auch die Zulassungschancen für motivierte Studierende mit einer schlechteren Abiturdurchschnittsnote.


Danksagung

Herrn Prof. U. Koch-Gromus, Frau Prof. Bärbel Kahl-Nieke und Herrn Prof. Guido Heydecke sei für ihre großzügige Unterstützung unserer Forschungsarbeit gedankt. Im Besonderen sind Frau Prof. Heike Korbmacher-Steiner, Herrn Dr. Sascha Pieger und Herrn PD Dr. Hartwig Seedorf für ihre hilfreichen Vorschläge und Diskussionen sowie für die zur Verfügung gestellten Daten zu danken. Darüber hinaus danken wir Herrn Alexander Vogelsang für seine unerlässliche Hilfe beim Aggregieren der Daten, Frau Julia Weinberg für die Unterstützung bei der Durchführung des HAM-Man und Frau Dr. Eva Vahle-Hinz sowie Herrn Lutz Knobloch für das unermüdliche Bewerten der Drahtbiegeproben und hilfreiches Feedback. Die Studie wurde unterstützt durch Förderfonds Lehre des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf und das Universitätskolleg des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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