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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Medizinstudierende und Forschung: Gibt es eine gegenwärtige Diskrepanz zwischen Ausbildung und Anforderungen?

Kommentar Humanmedizin

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GMS Z Med Ausbild 2014;31(2):Doc15

doi: 10.3205/zma000907, urn:nbn:de:0183-zma0009079

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2014-31/zma000907.shtml

Eingereicht: 28. Dezember 2013
Überarbeitet: 19. März 2014
Angenommen: 2. April 2014
Veröffentlicht: 15. Mai 2014

© 2014 Mileder.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Der vorliegende Artikel bezieht sich auf einen kürzlich in The Lancet publizierten Korrespondenzartikel, welcher erfolgreiche, von Studierenden geleitete Forschungsinitiativen als Folge von geringer Unterstützung durch Universitäten und Regierungen in Lateinamerika beschreibt. Als Medizinstudent im letzten Ausbildungsjahr mit ausgeprägtem Interesse an der Wissenschaft weckte die Thematik von studentischem Engagement in Forschungsaktivitäten mein Interesse. Die vorhandene Literatur zeigt, dass obwohl junge MedizinerInnen verpflichtet sind eigenständig Forschung zu betreiben und unter starkem Publikationsdruck stehen, formale Ausbildung in Forschungsgrundlagen und wissenschaftlichem Verfassen oftmals von medizinischen Hochschulen vernachlässigt wird. Dieser Widerspruch ist besorgniserregend, da der Fortschritt der medizinischen Profession und die Qualität der Patientenversorgung von hochqualitativer Forschung und zukünftigen Generationen von sowohl enthusiastischen als auch kompetenten ärztlichen ForscherInnen abhängen. Dieser Artikel fasst Vorschläge zur Verbesserung von studentischer Forschungskompetenz und Teilnahme an wissenschaftlichen Aktivitäten zusammen und bietet eine kritische Beurteilung dieser wichtigen Thematik, da medizinische Hochschulen ohne curriculare Forschungsausbildung und ohne aktive studentische Integration dringend eine Überarbeitung ihrer Strategien erwägen sollten.

Schlüsselwörter: Forschung, Forschungsgrundlagen, Forschungsmethodik, wissenschaftliches Schreiben, Curriculumsentwicklung, Medizinstudierende, studentische Lehre


Kommentar

Der Fortschritt der medizinischen Profession hängt unbestreitbar von gründlicher, unvoreingenommener und ethisch vertretbarer Forschung ab. Dies erfordert sowohl enthusiastische als auch kompetente ForscherInnen.

Als Medizinstudent am Beginn einer wissenschaftlichen Laufbahn las ich einen kürzlich in The Lancet erschienenen Artikel über Forschungsinitiativen von Studierenden in Lateinamerika mit großem Interesse [1]. Den Autoren zufolge haben studentische Gesellschaften eine zentrale Rolle in der Organisation und Abhaltung von wissenschaftlichen Kongressen in den vergangenen zehn Jahren gespielt. Darüber hinaus wurden von Studierenden geleitete Fachpublikationen entwickelt um „Studierende mit wissenschaftlichem Publizieren vertraut zu machen und zukünftige EditorInnen biomedizinischer Journale zu trainieren“ [1]. So sehr ich auch von diesen Beispielen akademischen Studierendenengagements beeindruckt war, so stellte sich mir doch eine Frage: Da medizinische Hochschulen damit betraut sind nicht nur DoktorInnen, sondern vielmehr akademisches Fachpersonal auszubilden, gibt es an akademischen Einrichtungen einen gegenwärtigen Mangel an formaler Forschungsausbildung und Unterstützung?

Es ist gut dokumentiert dass Forschung von Medizinstudierenden nachhaltig die Medizin beeinflusst hat. Die Entdeckung von Heparin durch Jay McLean, die Erfindung des Ballonembolektomiekatheters durch Thomas Fogarty, die erste Beschreibung der pankreatischen Inselzellen durch Paul Langerhans und die Entdeckung des sinoatrialen Knotens und seiner Funktion durch Martin Flack sind nur einige Beispiele dafür, „was von begabten und entschlossenen Medizinstudierenden während einer grundlagenwissenschaftlichen oder klinischen Forschungsperiode erreicht werden kann“ [2]. Eine Studie unter britischen Studierenden zeigte jedoch, dass nur 14% einen Artikel zur Publikation übermittelt hatten, während 22% der Meinung waren in der Verfassung wissenschaftlicher Manuskripte unterrichtet worden zu sein [3]. Ein Mangel an Möglichkeiten wurde von 55% der Studierenden als primärer Grund für die Nichtteilnahme an Forschungsaktivitäten angegeben [3]. Dementsprechend wurde berichtet, dass die Möglichkeiten grundlegende Forschungsfertigkeiten im Rahmen des Medizinstudiums in Deutschland zu erwerben rar sind [4]. Trotz dieser besorgniserregenden Ergebnisse sind die Anzahl durchgeführter Forschungsprojekte und die Publikationshäufigkeit wichtige Determinanten postgradualen Erfolges und junge MedizinerInnen sind starkem Publikationsdruck ausgesetzt, welcher als „SCI article burden“ bezeichnet wurde [5].

Ein rezenter Übersichtsartikel fasste Vorschläge zur Unterstützung studentischer Teilnahme an Forschungsaktivitäten zusammen [6]. Zu den Kernpunkten zählen

1.
die Hervorhebung von Forschung als Grundlage evidenzbasierter Medizin,
2.
die Schaffung von Möglichkeiten für Studierende an wissenschaftlichen Aktivitäten teilzunehmen, und
3.
die curriculare Eingliederung von Ausbildung in Forschungsmethodik [6].

Studentische Beteiligung an praxisrelevanten Forschungsaufgaben kann eine „win-win-Situation“ darstellen, da Studierende wissenschaftliche Fertigkeiten erwerben und Gesundheitsinstitutionen Studiendaten ohne großen Aufwand erhalten [4]. Eine Studie unter kroatischen Medizinstudierenden zeigte, dass die Teilnahme an einem Kurs über Forschungsgrundlagen mit einer signifikant positiveren Einstellung gegenüber der Wissenschaft assoziiert war, was den potentiellen Einfluss solcher Programme demonstriert [7]. Eine Analyse der studentischen Forschungsprogramme an der Duke University und Stanford University fand unter den teilnehmenden Studierenden gesteigertes Interesse an einer akademischen Karriere und hohe Raten publizierter wissenschaftlicher Manuskripte [8]. Darüber hinaus zeigten Kuhnigk et al. [9], dass der Abschluss eines Dissertationsprojektes zur Verbesserung der Fähigkeit Studien kritisch zu bewerten führt und die studentische Kompetenz bezüglich eigenständiger Forschungsarbeit fördert.

In Zeiten evidenzbasierter Medizin stellen kritisches Denken und die Fähigkeit sich mit wissenschaftlicher Literatur zu befassen und diese zu beurteilen wichtige Eigenschaften für Fachpersonal im Gesundheitswesen dar. Es ist daher nicht überraschend, dass die Mehrheit der Medizinstudierenden Training in wissenschaftlichem Schreiben und Möglichkeiten zur Teilnahme an Forschungsprojekten zur Entwicklung von forschungsrelevanten Fertigkeiten begrüßen würde [3]. In der Literatur finden sich mehrere Beispiele für erfolgreiche curriculare Integration von grundlagenwissenschaftlicher und Forschungsausbildung [4], [7], [8], [10], [11]. Medizinische Hochschulen ohne derartige Ausbildungsprogramme wären gut beraten einen Vorteil aus dem ausgeprägten studentischen Interesse zu ziehen. Formale Ausbildung in Forschungsgrundlagen, Bereitstellung von fachlicher Betreuung und aktive studentische Einbindung in Forschungsaktivitäten würden nicht nur kurzfristig wissenschaftliche Ergebnisse steigern, sondern auch langfristig durch Sicherstellung von Motivation und Kompetenz unter den zukünftigen ärztlichen ForscherInnen potentiell die Gesundheitsversorgung verbessern.


Interessenkonflikt

Der Autor erklärt, dass er keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel hat.


Literatur

1.
Alfaro-Toloza P, Olmos-de-Aguilera R. Medical research and students in Latin America. Lancet. 2013;382(9904):1553. DOI: 10.1016/S0140-6736(13)62324-7 Externer Link
2.
Stringer MD, Ahmadi O. Famous discoveries by medical students. ANZ J Surg. 2009;79(12):901–908. DOI: 10.1111/j.1445-2197.2009.05142.x Externer Link
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6.
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