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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Evaluiertes Training von Führungskompetenzen in der medizinischen Aus- und Weiterbildung

Übersicht Humanmedizin

  • corresponding author Jan Kiesewetter - Klinikum der LMU München, Lehrstuhl für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, München, Deutschland
  • corresponding author Marion Schmidt-Huber - Ludwig-Maximilians-Universität München, LMU Center for Leadership and People Management, München, Deutschland
  • author Janine Netzel - Ludwig-Maximilians-Universität München, LMU Center for Leadership and People Management, München, Deutschland
  • author Alexandra C. Krohn - Klinikum der LMU München, Lehrstuhl für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, München, Deutschland; Ludwig-Maximilians-Universität München, LMU Center for Leadership and People Management, München, Deutschland
  • author Matthias Angstwurm - Klinikum der LMU München, Medizinische Klinik und Poliklinik IV, München, Deutschland
  • author Martin R. Fischer - Klinikum der LMU München, Lehrstuhl für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, München, Deutschland

GMS Z Med Ausbild 2013;30(4):Doc49

doi: 10.3205/zma000892, urn:nbn:de:0183-zma0008923

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2013-30/zma000892.shtml

Eingereicht: 27. Februar 2013
Überarbeitet: 7. Juni 2013
Angenommen: 3. Juli 2013
Veröffentlicht: 15. November 2013

© 2013 Kiesewetter et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Hintergrund: Eine effektive Zusammenarbeit in Teams ist eine wichtige Voraussetzung für qualitativ hochwertige Versorgung im Gesundheitswesen. In diesem Zusammenhang spielen auch Führungskompetenzen von Ärztinnen und Ärzten im klinischen Alltag eine wichtige Rolle. Bisher wurde die Entwicklung von Führungskompetenzen in medizinischen Curricula in der Aus- und Weiterbildung von Ärztinnen und Ärzten jedoch kaum systematisch abgebildet. Die Entwicklung adäquater und effektiver Trainingsmethoden für die Vermittlung von Führungskompetenzen ist daher wünschenswert.

Ziel: Das Review soll vorliegende Ergebnisse der Literatur zu Trainings von Führungskompetenzen in der Medizin zusammenfassen und integrieren, um zukünftige Forschung und Trainingsentwicklung anzuregen.

Methode: Die Datenbanken PubMED, ERIC, PsycArticles, PsycINFO, PSYNDEX und dem Academic search complete durch EBSCOhost wurden auf Deutsch und Englisch nach Trainings von Führungskompetenzen in der Medizin durchsucht. Relevante Artikel wurden identifiziert und die Studienergebnisse hinsichtlich des zugrundeliegenden Führungsverständnisses, der Zielgruppe und Teilnehmeranzahl, der zeitlichen Ressourcen, sowie der Inhalte und Methoden des Trainings, des Evaluationsdesigns und der berichteten Trainingseffekte zusammengefasst.

Ergebnisse: Auf acht Studien trafen alle Einschluss- und kein Ausschlusskriterium zu. Die Trainings selbst sowie die thematisierten Führungskompetenzen differenzieren jedoch stark voneinander. Die Trainingsdesigns beinhalten im Schwerpunkt die theoretische Auseinandersetzung mit dem Thema Führung sowie die Diskussion von Fallstudien aus der Praxis. Die Dauer der Trainings reicht von mehrstündigen bis hin zu mehrjährigen Veranstaltungen. Die selbst eingeschätzte Reaktion der Teilnehmer auf alle Trainings war positiv; es fand jedoch bisher keine systematische Überprüfung des Trainingserfolgs in Bezug auf konkrete Verhaltensänderungen der Teilnehmer statt.

Schlussfolgerungen: Es bedarf weiterer Forschung, um die Erfolgsfaktoren für die Vermittlung von Führungskompetenzen in der medizinischen Aus- und Weiterbildung zu verstehen und die Trainingsmethoden gezielt anzupassen. Anforderungsanalysen könnten helfen, Führungskompetenzen in der Medizin besser zu erfassen. Weiterhin schlagen die Autoren vor, den Fokus zukünftig mehr auf verhaltensnahe Trainingsmethoden wie simulationsbasierte Trainings zu legen.

Schlüsselwörter: Medizinische Ausbildung (MeSH [I02.358.399]), Führungskompetenzen (MeSH [F01.752.609]), Training


Autoren

Geteilte Erstautorenschaft der beiden erstgenannten Autoren.


Hintergrund

„Nothing in a doctor’s medical education qualifies him to be a leader“ - Larry L. Mathis [1].

Von Ärzten* wird jedoch ab dem ersten Arbeitstag erwartet, dass sie eine Führungsrolle in den zumeist heterogenen medizinischen Teams übernehmen, Verantwortung tragen und wichtige medizinische Entscheidungen treffen. Die Übernahme einer aktiven Führungsrolle und das Umsetzen von Führungsverhalten tragen dabei zu effektiverer Teamarbeit und guter Patientenversorgung bei [2], [3]. Ohne eine strukturierte Vermittlung von effektiven und situationsangemessenen Führungsverhaltensweisen sind jedoch Konflikte, verzögerte Arbeitsprozesse und kritische, patientengefährdende Ereignisse wahrscheinlich [4], [5]. Diese Erkenntnisse verdeutlichen die Notwendigkeit, junge Mediziner bereits im Rahmen ihrer Ausbildung an ihre Führungsrolle heranzuführen, indem Führungskompetenzen als Teil des medizinischen Curriculums gezielt entwickelt werden.

Der Führungsbegriff umfasst dabei die bewusste und zielbezogene soziale Einflussnahme auf Personen zur Erreichung gemeinsamer Aufgaben und Ziele und fokussiert die Führung von Mitarbeitern, Kollegen und Teams [6], [7]. Die aktive Einnahme einer Führungsrolle und die entsprechende Umsetzung von Führungskompetenzen beinhalten (vgl. Schmidt-Huber [8]; Frey, Peus & Weisweiler [9]):

  • die Formulierung von Zukunftsperspektiven sowie Aufgaben und Zielen
  • die Motivation und Unterstützung der Beteiligten zur Zielerreichung
  • den Vertrauensaufbau und die Gestaltung von tragfähigen Arbeitsbeziehungen, die Organisation von Arbeitsaktivitäten
  • die Vermittlung von Zuversicht, die Entwicklung von Beteiligten (z.B. durch Feedback geben)
  • Verantwortungsdelegation
  • Sicherstellung einer guten Arbeitsqualität
  • sowie der Umgang mit Veränderungen und Konflikten.

Die Relevanz einzelner Anforderungen variiert je nach Verantwortungsgrad (z.B. Zukunftsperspektiven zu formulieren), weist jedoch auch über Hierarchien hinweg hohe Gemeinsamkeiten auf.

Trotz der Bedeutung der systematischen Vermittlung von Führungskompetenzen in der beruflichen Aus- und Weiterbildung junger Ärzte sind die Inhalte bisher nur begrenzt in den Curricula der medizinischen Ausbildung berücksichtigt. In den weltweit veröffentlichten Lernzielkatalogen finden sich zwar Kompetenzen, die inhaltliche Parallelen zu Führungskompetenzen aufweisen, diese jedoch selten direkt aufgreifen. Eine Übersicht über die Einbettung von Führungskompetenzen in den weltweit veröffentlichten Lernzielkatalogen ist in Tabelle 1 [Tab. 1] dargestellt. Für den Vergleich der Inhalte der Lernzielkataloge wird die geschilderte Begriffsabgrenzung von Führung – als zielgerichtete soziale Einflussnahme – herangezogen.

Im kanadischen CanMeds Framework [10] und dem schweizerischen Lernzielkatalog [11] werden Führungskompetenzen innerhalb der ärztlichen Rolle des Kollaborators beschrieben. Im niederländischen Framework von 2009 werden Führungskompetenzen nicht explizit als Teil der Arztrolle verstanden. Erahnen lässt sich, dass in den ärztlichen Rollen wie Kollaborator und Kommunikator Führungskompetenzen nach o.g. Definition enthalten sind [12]. Im Lernzielkatalog von Schottland The Scottish Doctor finden sich Führungskompetenzen explizit als Unterpunkt der Zusammenarbeit des Arztes im multiprofessionellen Gesundheitsteam. Bereits im Vorwort erwähnt der britische Lernzielkatalog Tomorrow’s Doctors die Wichtigkeit von Führungskompetenzen im ärztlichen Handeln – während dies in älteren Versionen des Lernzielkataloges fehlte, wurde es in der aktuellen Auflage aufgenommen. Expliziert werden Führungskompetenzen ähnlich wie in Schottland unter der Kategorie Lernen und Arbeiten innerhalb des multiprofessionellen Teams [13]. Hervorzuheben ist, dass bei dieser Veröffentlichung unter dem Lernziel Führungskompetenzen auch das Folgen einer hierarchisch höheren Führungsperson genannt wird. Ähnlich ist dies im Lernzielkatalog der USA, Learning Objectives for Medical Student Education, realisiert, jedoch hierbei eingebettet in die Rolle des pflichtbewussten Arztes [14]. Im Lernzielkatalog der World Federation of Medical Education ist Führung als ein Teil der klinischen Wissenschaft und Fertigkeiten beschrieben [15].

Zusammenfassend wird deutlich, dass in den ausgewählten Lernzielkatalogen die Vermittlung von Führungskompetenzen in medizinischen Curricula, trotz deren Bedeutung für die Zusammenarbeit und auch die Patientenversorgung, unterrepräsentiert ist [1]. Entsprechend gering ist daher auch die Anzahl der Erkenntnisse, wie die Entwicklung von Führungskompetenzen in die medizinische Ausbildung integriert werden kann und welche Effekte die Entwicklungsmaßnahmen erzielen können.

Im wissenschaftlichen Diskurs der medizinischen Aus- und Weiterbildungsforschung weist weiterhin eine nur sehr begrenzte Anzahl an Veröffentlichungen und Beiträgen darauf hin, dass es bislang wenig integriertes und konzeptualisiertes Wissen zur Vermittlung von Führungskompetenzen in der medizinischen Aus- und Weiterbildung gibt. Die Autoren wollen diese Lücke anhand dieser Übersichtsarbeit schließen.


Ziel der Arbeit

Zentrales Ziel der Arbeit stellt daher die Zusammenstellung von empirischen Beiträgen dar, welche die Vermittlung von Führungskompetenzen in der medizinischen Aus- und Weiterbildung aufgreifen. Aus den identifizierten Arbeiten soll herausgearbeitet werden, welche Komponenten von Führungskompetenzen bisher aufgegriffen und trainiert wurden. Darüber hinaus soll durch die Analyse der Trainingsmethoden ein Rückschluss auf effektive Vorgehensweisen und Entwicklungsmaßnahmen gezogen werden, die als Maßstäbe zukünftiger Trainings herangezogen werden können.


Methode

Die Umsetzung dieser Übersichtsarbeit orientiert sich am BEME Guide No. 13 [16], der einen klaren Leitfaden für eine systematische Suchstrategie in medizinischen und pädagogisch-psychologischen Datenbanken beschreibt.

Datenquellen

Zwischen April und September 2012 führten zwei Autoren (ACK, JK) eine systematische Literaturrecherche in den Datenbanken PubMed, ERIC und EBSCO HOST (Databases: Academic search complete, PsycINFO, PsycArticles, PSYNDEX) mit den folgenden Suchwörtern im Titel, Abstract und in den Schlagwörtern durch: Training (training), Führungskompetenzen (leadership competency/competencies, skill/skills), Medizin (medicine). Weiterhin wurde eine systematische Internetsuche nach relevanten wissenschaftlichen Artikeln durchgeführt. Die Suche erfolgte in deutsch- und englischsprachigen Veröffentlichungen. Es wurden nur solche Artikel eingeschlossen, die das Training von Führungskompetenzen im Medizinstudium und der ärztlichen Weiterbildung (in amerikanischen Studien einschließlich der sogenannten Interns und Residents) fokussierten.

Die recherchierten Artikel (N=204) wurden anhand ihrer Titel, Schlagwörter und Abstracts hinsichtlich der Relevanz des Themas von zwei Autoren gesichtet (JK und ACK). Es wurden nur Studien eingeschlossen, welche einen konkreten Fokus auf das Training von Führungskompetenzen in der Medizin hatten und Führung im Sinne von Mitarbeiterführung und nicht im Sinne der Patientenführung verstanden. Studien mit alleinigem Trainingsschwerpunkt in Intensiv- und Notfallmedizinischen Führungsszenarien wurden ausgeschlossen, da es sich hier um ein Spezialgebiet der ärztlichen Führung handelt. Das Fachgebiet, in dem Führungskompetenzen entwickelt wurden, war für den Studieneinschluss irrelevant. Es wurden ausschließlich empirische Studien eingeschlossen, die Ergebnisse ihrer Trainingsevaluationen berichteten. Eine Übersicht über den systematischen Studienein- und -ausschluss findet sich in Abbildung 1 [Abb. 1]. Die Vorauswahl nach diesen Kriterien beinhaltete insgesamt 15 Studien.

Datenextraktion

Im nächsten Selektionsschritt wurden mittels Textanalyse jene Artikel ausgeschlossen, die keine empirischen Daten berichteten (N=4), die auf eine andere Zielgruppe als Medizinstudierende, Interns und Residents fokussierten (N=2) oder deren Studienschwerpunkt nicht die Evaluation eines Trainings beinhaltete (N=1). Insgesamt wurden nach diesem Extraktionsschritt acht Studien in die weitere Analyse eingeschlossen (vgl. Tabelle 2 [Tab. 2])

Datenanalyse und Ergebnisse

Die Kodierung und inhaltliche Analyse der eingeschlossenen Studien orientierte sich an den Zielen des Beitrags und bezog sich damit auf folgende Kriterien:

  • Zugrundeliegendes Führungsverständnis
  • Zielgruppe des Trainings und Anzahl der Teilnehmer
  • zeitliche Ressourcen des Trainings
  • Trainingsinhalte und -methoden
  • Evaluationsdesign
  • Berichtete Trainingseffekte

Tab. 3 (siehe Anhang [Anh. 1]) umfasst einen Überblick der Ergebnisse orientiert an den Analysekriterien. Im Allgemeinen erfüllten nur Studien aus den USA – veröffentlicht zwischen 1994 und 2011 – die Einschlusskriterien. Bei der Filterung der publizierten Beiträge fiel weiterhin auf, dass der Führungsbegriff sehr häufig im Sinne der hierarchischen Strukturierung einer Organisation und nur selten als direkte Mitarbeiterführung verstanden wurde.

Zugrunde gelegter Führungsbegriff

Insgesamt wird deutlich, dass die Studien ein sehr unterschiedliches Verständnis von Führung- und Führungskompetenzen beinhalten. Zwei Studien beinhalteten keine detaillierte inhaltliche Beschreibung der trainierten Führungskompetenzen, sondern betrachten Führungskompetenzen als eine generelle Kompetenz, die Mediziner ergänzend zur Lehrkompetenz [17] oder Teamfähigkeit [18] entwickeln sollten. Die Mehrzahl der Studien griff bestimmte inhaltliche Aspekte der Führungskompetenzen heraus, wie Feedbackverhalten [19], [20], [21], Kommunikation [21], [22], [23] oder Konfliktfähigkeit [19], [20]. Weiterhin wurden Motivation und Coaching [19], Kontrolle und Selbstführung [21], Wissen über Führungsstile, Situationsanalyse, Entscheidungsfähigkeit und Problemlösefähigkeit [23], Integrität und die Fähigkeit Anordnungen zu geben [22], Teammanagement, Umgang mit verschiedenen Persönlichkeiten und das Leiten von Gruppendiskussionen [24] als Teilkomponenten von Führungskompetenzen in den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt.

In den meisten eingeschlossenen Artikeln [17], [20], [22], [23], [24] betonten die Autoren die Notwendigkeit, Führungskompetenzen nicht losgelöst vom fachspezifischen Kontext zu trainieren und die Anforderungen des klinischen Alltags und der Kooperation in medizinischen Teams explizit zu berücksichtigen (N=5).

Zielgruppe, Teilnehmer und zeitliche Ressourcen

Die meisten Trainings wurden für Interns und Residents [17], [18], [20], [22], [24] und Studierende von kombinierten PhD/MD-Programmen [19] umgesetzt (N=6). In lediglich zwei Studien wurde das Training für Medizinstudierende angeboten [18], [23] (siehe Tab. 3 im Anhang [Anh. 1]). Auch die aufgewendeten zeitlichen Ressourcen variierten stark, zwischen Veranstaltungen von drei Stunden8 oder einzelnen Workshops im Rahmen mehrjähriger Programme6 bis hin zu mehrtägigen Veranstaltungen [13].

Trainingsinhalte und -methoden

Für die Umsetzung der Trainingsinhalte wurden neben der Vermittlung theoretischer Inhalte größtenteils interaktive Diskussionsrunden initiiert. Diese beinhalteten entweder eine allgemeine moderierte Diskussion über die Führungsprinzipien und -kompetenzen (N=4) [18], [21], [23], [24] oder die Betrachtung effektiven Führungsverhaltens am Beispiel eines fiktiven Falles aus dem klinischen Alltag (N=3) [17], [19], [20]. Rollenspiele zum Training von tatsächlichem Führungsverhalten fanden sich in drei Studien [17], [19], [24]. Drei weitere Studien [20], [21], [23] integrierten das Training von Führungs- und Lehrkompetenzen im Rahmen der Vorbereitung und Umsetzung eines Mini-praxisrelevanten Lehrprojekts. In Einzelfällen wurden weitere Methoden wie Frontalunterricht [19], Mentoring und Selbstreflektion [24] sowie Teamentwicklungsmaßnahmen [18] umgesetzt. Eine Studie nannte keine konkrete Methodik zur Vermittlung der Trainingsinhalte [22].

Trainingsevaluation und Trainingseffekte

Insgesamt fiel bei der Analyse der Evaluationsdesigns auf, dass sehr unterschiedliche Methoden zur Evaluation herangezogen wurden. In vier Studien wurden Evaluationsdesigns berichtet, die jeweils eine Prä- und Posterhebung beinhalteten [8], [9], [10], [12], in drei Beiträgen wurden reine Posttests eingesetzt [7], [11], [13] und eine Studie machte keine Angaben zum Evaluationsdesign [6]. In allen Studien wurde ausschließlich die Selbsteinschätzung der Teilnehmer im Rahmen von Fragebogenerhebungen erfasst.

Grundsätzlich berichteten alle Studien von positiven Teilnehmerreaktionen auf die jeweiligen Trainings (z.B. Zufriedenheit [7], positive Bewertung der Qualität der Trainings [13]). Weiterhin erfassten zwei Studien mehrere Monate nach Durchführung des Trainings die wahrgenommene Effektivität der vermittelten Inhalte im klinischen Alltag. Dabei berichteten die Teilnehmer von einem spürbaren Langzeiteffekt des Trainings [20], [23]. Weiterhin beschrieb eine Studie die Zunahme des Selbstbewusstseins der Teilnehmer im Anschluss an das Training (Selbstbericht der Teilnehmer) [24]. Ebenso stellte eine Studie [22] anhand eines validierten Fragebogens eine Verbesserung der Werte in der Kommunikation, Integrität und Fähigkeit, Anordnungen zu geben, fest.


Diskussion

Die Entwicklung von Führungskompetenzen als Bestandteil der medizinischen Aus- und Weiterbildung kann aufgrund der Bedeutung eines effektiven Führungsverhaltens im klinischen Alltag als zukünftig wichtiger Baustein medizinischer Ausbildungscurricula betrachtet werden. Ziele dieser Überblicksarbeit sind daher eine Analyse bisheriger Befunde zur Entwicklung von Führungskompetenzen in der medizinischen Ausbildung sowie die Gegenüberstellung der trainierten Inhalte und angewandten Methoden. Damit sollen Erkenntnisse für die Umsetzung von effektiven Trainingsmaßnahmen zur Stärkung von Führungskompetenzen in der medizinischen Aus- und Weiterbildung gewonnen werden.

Zunächst deutet die niedrige Anzahl der eingeschlossenen Studien darauf hin, dass die systematische und evidenzbasierte Entwicklung von Führungskompetenzen derzeit keine vordergründige Rolle in der Ausbildung von Ärzten spielt. Betrachtet man die Inhalte des medizinischen Curriculums zur Ausbildung von Ärzten in Deutschland, trifft dies insbesondere in der medizinischen Aus- und Weiterbildung zu. Im in der Endabstimmung befindlichen Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin (NLKM) taucht die Ausbildung von Führungskompetenzen bisher nicht auf. Dieser Eindruck wird gestützt durch den Mangel an Studien zur Evaluation von Führungstrainingsstudien im deutschsprachigen Raum.

Die unterschiedlich den Trainings zugrunde gelegten Führungsbegriffe und Ausbildungsinhalte in der medizinischen Ausbildung zeigen weiterhin wenig Einigkeit darüber, welche inhaltlichen Schwerpunkte in der Entwicklung von Führungskompetenzen gerade im ersten Ausbildungsschritt gesetzt werden sollten. Die Ergebnisse offenbaren einen klaren Bedarf an gesicherten Erkenntnissen über die Inhalte zur Entwicklung von Führungskompetenzen, gerade in der medizinischen Aus- und Weiterbildung. Hierzu bedarf es zunächst strukturierter Anforderungsanalysen unter Einbezug der verschiedenen Beteiligten im klinischen Alltag (z.B. Mediziner mit und ohne Führungsverantwortung, Pflegekräfte, Medizinstudierende, weitere Beteiligte: vgl. Dieckmann [25]).

Bei der Analyse der Trainingsinhalte fällt weiterhin eine Fokussierung auf die Vermittlung theoretischer Inhalte auf. Nur in drei der analysierten Studien wurden theoretische Impulse durch Rollenspiele und experimentelles Lernen ergänzt. Es stellt sich die Frage, ob nicht umgekehrt eine Fokussierung auf Rollenspiele und Simulationen mit intensivem Feedback sowie ergänzenden fachspezifischen und fachübergreifenden Wissensaspekten zu möglicherweise nachhaltigerer Umsetzbarkeit in der Praxis führt. Befunde aus der simulationsbasierten Trainingsliteratur [3], z.B. zur Entwicklung von effektiver Teamarbeit [5], sprechen für die Effektivität interaktiver Trainingsansätze. Dies kann beispielsweise in Form von simulationsbasierten Trainingseinheiten gelingen, die erfolgskritische Führungssituationen des Klinikalltags beinhalten und mit Unterstützung von professionellen Rollenspielpartnern und Videofeedback umgesetzt werden. Auf diese Weise werden die zentralen Inhalte nicht nur theoretisch bewusst gemacht, sondern können das individuelle Verhaltensrepertoire der Seminarteilnehmer gezielt erweitern.

Darüber hinaus wurde in keiner der eingeschlossenen Studien detailliert auf die Voraussetzungen des Dozenten/Trainers/Lehrenden eingegangen, die es bedarf, um Führungskompetenzen trainieren zu können. Aufgrund der Spezifität des Themas und des erforderlichen fachspezifischen Wissens und Erfahrungshintergrunds stellt sich die Frage, inwieweit medizinisches Fachpersonal ohne Unterstützung eines Experten für Führungsfragen ausreichend qualifiziert dafür ist, Führungskompetenzen zu vermitteln. Beispielsweise könnte für die Trainings gezielt mit professionellen Trainern kooperiert werden. Alternativ könnten Train-the-Trainer Seminare für Führungskompetenzen in postgraduale medizindidaktische Weiterbildungskurse, wie den Master of Medical Education, eingebettet werden,

Weiterhin wird in allen Studien von positiven Trainingseffekten berichtet. Allerdings wurden die Effekte zum einen als reine Selbstberichte der Teilnehmer erhoben. Zum anderen stellen die erhobenen Erfolgskriterien die einfachste Evaluationsstufe im etablierten Evaluationsmodell von Kirkpatrick [26] (Stufe 1: Reaktion der Teilnehmer, Stufe 2: Lerneffekte, Stufe 3: Verhaltensänderungen und Stufe 4: organisationale Effekte) dar. Nur zwei der eingeschlossenen Studien erhoben neben den selbstberichteten Reaktionen der Teilnehmer zur Zufriedenheit zusätzlich validierte Fragebögen [22] und Wissenstests [20], um Lern- und Transfereffekte zu evaluieren. Dabei stand jedoch nicht das konkrete Führungsverhalten, sondern das Selbstbewusstsein und die Selbstwirksamkeit der Teilnehmer im Fokus. Damit zeigen die Ergebnisse einen klaren Bedarf an Interventionsstudien über die Effekte von Trainings zu Führungskompetenzen auf. Diese sollten sowohl die Prä-Post-Leistung der Teilnehmer als auch deren Motivation sowie den die Transfer der Inhalte in den klinischen Alltag evaluieren. Darüber hinaus sollten Evaluationen Wirkmechanismen für die erzielten Effekte beinhalten, wie z.B. die Realitätsnähe der Trainings oder die Nützlichkeit der Inhalte. Methodisch kann dies beispielsweise durch qualitative Tagebuchstudien der Teilnehmer zwischen einzelnen Trainingssitzungen oder durch längsschnittliche Kontrollgruppendesigns erreicht werden.

Limitationen dieser Übersichtsarbeit

Bei der Interpretation der Ergebnisse sollten einige Limitationen dieser Übersichtsarbeit in Betracht gezogen werden. Zum einen fokussieren die Suchkriterien zielgenau auf jene Studien, die auf die Entwicklung von Führungskompetenzen in der Medizin abzielen. Die Recherche konzentrierte sich auf bereits publizierte Beiträge. Dadurch kann trotz aller Sorgfalt nicht ausgeschlossen werden, dass vereinzelte äquivalent passende Studien nicht eingeschlossen wurden, die gerade entstehen und zeitnah publiziert werden. Des Weiteren beschränkt die geringe Anzahl der eingeschlossenen Studien die generelle Aussagekraft dieser Überblicksarbeit. Weiterhin konnten trotz Verwendung deutscher und englischer Suchbegriffe nur Studien aus den USA eingeschlossen werden. Dadurch stellt sich die Frage, inwieweit die Ergebnisse der evaluierten Programme in Deutschland in ähnlicher Form erfolgreich wären.


Schlussfolgerungen

Die Ergebnisse der Arbeit verweisen darauf, dass die Entwicklung von Führungskompetenzen derzeit offenbar keinen zentralen Inhalt in der medizinischen Aus- und Weiterbildungsforschung in Europa und den USA bildet. Dies zeigt sich zum einen in der nur geringen Anzahl publizierter Trainingsstudien und zum anderen ausschließlich aus den in den USA veröffentlichten Programmen.

Für eine klare Erfassung, welche Führungskompetenzen ein Mediziner für die Bewältigung der Anforderungen und Aufgaben in seinem Alltag aufbauen muss, sollten Anforderungsanalysen auf verschiedenen Hierarchieebenen und mit allen Beteiligten des klinischen Alltags durchgeführt werden. Die Autoren hoffen durch diese Überblicksarbeit Forschung zur Effektivität und Erfolgsrelevanz von Führungskompetenzen im klinischen Alltag anzustoßen. Es sollte dabei auch untersucht werden, welche konkreten Facetten von Führungskompetenzen in der medizinischen Ausbildung aufgegriffen werden sollten und wie diese effektiv vermittelt werden können. Weiterhin sollten mehr Anstrengungen unternommen werden, Trainings von Führungskompetenzen als festen Bestandteil in die medizinische Ausbildung zu integrieren. Durch das Training von Führungskompetenz und die Vermittlung von positiven Rollenmodellen besteht die Chance angehende Mediziner gezielt auf ihre zukünftig Führungsrolle und –verantwortung vorzubereiten, da das Bewusstsein für die Bedeutung eines ethischen und reflektierten Führungsverhaltens geschärft und der Aufbau eines effektiven Verhaltensrepertoires unterstützt wird.

Darüber hinaus verweisen die Ergebnisse der eingeschlossenen Studien darauf, dass mehr Forschung zu den Effekten von Trainings von Führungskompetenzen in der medizinischen Ausbildung erforderlich ist. Bisher scheinen vor allem Fallbesprechungen und Diskussionen von allgemeinen Führungsprinzipien sowie die damit einhergehende Reflexion der eigenen Rolle zu positiven Reaktionen bei den Teilnehmern zu führen. Ob jedoch auch tatsächliche Führungsverhaltensweisen erlernt werden und in die Praxis transferiert und angewendet werden, ist mit den eingeschlossenen Studien nicht nachzuvollziehen und sollte in zukünftigen Studien evaluiert werden.


Anmerkung

*Im Interesse der erleichterten Lesbarkeit und damit der Verständlichkeit wird nur die verallgemeinerte männliche Sprachform gewählt. Hierbei sind aber immer ausdrücklich beide Geschlechter angesprochen.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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