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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Machbarkeit, Akzeptanz und Auswirkungen von Team-based Learning im Fach Neurologie: eine Pilotstudie

Projekt Humanmedizin

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  • corresponding author Jochen Brich - Neurologische Universitätsklinik Freiburg, Freiburg, Deutschland

GMS Z Med Ausbild 2013;30(2):Doc20

doi: 10.3205/zma000863, urn:nbn:de:0183-zma0008633

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2013-30/zma000863.shtml

Eingereicht: 26. September 2012
Überarbeitet: 10. Januar 2013
Angenommen: 7. Februar 2013
Veröffentlicht: 15. Mai 2013

© 2013 Brich.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Hintergrund/ Zielsetzung: Neurologie wird sowohl von Studierenden wie auch Ärzten anderer Fachgebiete als eines der schwersten klinischen Fächer eingestuft. Der Ansatz des Team-based Learning (TBL) als Methode des aktiven und gruppenorientierten Lernens erscheint geeignet, ein besseres Verständnis und damit einen höheren Lernerfolg für das Fach zu erreichen.

Methoden: Die freiwillige Lehrveranstaltung „TBL Neurologie“ mit insgesamt sechs 90-minütigen Einheiten wurde als Pilotprojekt im Wintersemester 2011/12 im Rahmen des regelmäßig stattfindenden Neurologiekurses im dritten klinischen Semester konzipiert und hinsichtlich des Arbeitsaufwandes bewertet. Die Akzeptanz des TBL-Konzeptes im Allgemeinen wie auch des „TBL Neurologie“ im Speziellen wurde mittels schriftlicher Evaluationen erfasst. Die Ergebnisse der Abschlussklausur wurden hinsichtlich der Teilnahme am TBL und den darin vermittelten Inhalten ausgewertet.

Ergebnisse: Die Vorbereitungszeit betrug ca. 8 Stunden pro Einheit. Die Durchführung gelang nach kurzer Einführung problemlos. Die hohe Anwesenheitsquote wie auch die durchwegs sehr positiven Evaluationen der TBL-Teilnehmer sprachen für eine sehr hohe Akzeptanz sowohl für das TBL-Konzept im Allgemeinen wie auch für die Umsetzung im Fach Neurologie. In der Abschlussklausur zeigte sich bei den TBL-Teilnehmern eine Verbesserung in den zusätzlich mit TBL vermittelten Inhalten.

Schlussfolgerung: Der einmalig relativ hohe Vorbereitungsaufwand für das TBL wurde durch ein subjektiv verbessertes Verständnis der Neurologie bei gleichzeitig höherem Interesse an dem Fach gerechtfertigt. Die hohe Akzeptanz in einem nicht team-erfahrenen Studierenden-Kollektiv lässt eine Übertragbarkeit auch auf andere vorklinische und klinische Fächer problemlos erscheinen. Die Wirksamkeit hinsichtlich messbar verbesserter Ergebnisse in klinischem Denken bzw. Problemlösen sollte im Rahmen kontrollierter Studien überprüft werden.

Schlüsselwörter: studentische Lehre, Team-based Learning, Neurologie


Einleitung

Neurologie wird von vielen Studierenden wie auch von nicht-neurologisch tätigen Ärzten als eines der schwersten klinischen Fächer eingestuft, was eine große subjektive Unsicherheit bei neurologischen Fragestellungen zur Folge hat [1], [2], [3], [4], [5]. Als wesentliche Gründe für dieses 1994 von Jozefowicz „Neurophobie“ [6] genannte Phänomen wurden in den durchgeführten Befragungen neben dem Fehlen an neuroanatomischen Vorwissen auch pauschal die schlechte Vermittlung der neurologischen Inhalte genannt, ohne zwischen speziellen Lehrformaten zu differenzieren [2], [4].

Team-based Learning (TBL) ist ein genau strukturierter Lehr- und Lern-Prozess, der von Dr. Larry K. Michaelsen in den 1970-er Jahre an der University of Oklahoma primär für Business-Schools entwickelt wurde [7]. Kurz zusammengefasst ist TBL eine aktive Lehr- und Lernstrategie in festen Klein-Gruppen (= Teams), die sich als Lerner-zentrierte Methode vor allem auf die Theorie des Konstruktivismus [8], [9] und des sozialen Lernens gründet [10]. Es ist nach einem festen Schema in drei Phasen gegliedert:

1.
Individuelle Vorbereitung außerhalb der Präsenzzeit („out-of-class“);
2.
Testung der individuellen sowie der Gruppen-„Bereitschaft“ („individual Readiness Assurance“ (iRAT) und „team Readiness Assurance “ (tRAT)) während der Präsenzzeit (“in-class“);
3.
Anwendungsübungen mit Entscheidungsfindung im Team ebenfalls in der Präsenzzeit („in-class“) [11].

Wesentliche Punkte sind die Übertragung der Verantwortung für das Vorwissen auf die Lernenden in Phase 1 sowie die Anwesenheit nur eines Dozenten, der kein Experte für Teamarbeit sein muss, aber inhaltlich versiert sein sollte, in den Phasen 2 und 3. Mit Hilfe der Teamarbeit und sofortigem Feedback durch den Leiter können die Teilnehmer konzeptionelles Wissen erwerben und durch die Anwendungsübungen vertiefen [11].

In den letzten Jahren wurden in vielen Publikationen positive Effekte des TBL auf den Lernerfolg [12], [13], [14], [15], [16], [17], verstärktes Engagement und Bereitschaft der Lernenden [18], [19], verbesserte Problem-Lösungs-Fertigkeiten [18], [20] und bessere Kommunikationsprozesse und Teamwork-Fertigkeiten [21], [22] berichtet.

Da nur ein Dozent für die Leitung von insgesamt bis zu 120 Studierenden erforderlich ist [23], ergibt sich ein sehr günstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis, welches zur Verbreitung von TBL an nordamerikanischen aber auch anderen internationalen medizinischen Fakultäten beigetragen hat. Aus dem deutschsprachigen Raum hingegen ist bislang nur ein einziger Bericht über zwei TBL-Module im biochemisch/pharmakologischen Bereich an der Medizinischen Universität Wien publiziert [24].

Ziel des hier beschriebenen Pilotprojektes war die Einführung von TBL im Fach Neurologie zur Förderung aktiver Lernprozesse für eine Verbesserung des Lernerfolges und Verständnisses für neurologische Erkrankungen. Insbesondere die Machbarkeit aus Sicht des Leiters und die Akzeptanz der teilnehmenden Studierenden, die den TBL-Ansatz erstmalig erlebten, sollten untersucht werden. Zudem sollten in einem zweiten Schritt auch mögliche Auswirkungen auf einen prüfungsrelevanten Wissenszuwachs erfasst werden.


Methodik

Team-based Learning

Die Methodenbeschreibung für das TBL erfolgt in Anlehnung an die von Haidet et al. [25] vorgeschlagenen Leitlinien für die Beschreibung von TBL-Aktivitäten.

Allgemeiner Zusammenhang: Das TBL Neurologie wurde als freiwillige Lehrveranstaltungs-Reihe mit 6 Einheiten im Rahmen des regulären Neurologie-Blockpraktikums der Neurologischen Universitätsklinik Freiburg angeboten, das für die Studierenden in der Regel im dritten klinischen Semester stattfindet. Die jeweils 90-minütigen Einheiten fanden wöchentlich in der zweiten Hälfte des Wintersemesters 2011/12 in den Abendstunden (17:15 – 18:45 Uhr) in einem Seminarraum der Neurologischen Klinik statt. Die Studierenden wurden über persönliche Mitteilungen in der Vorlesung bzw. in Seminaren, über die Homepage der Neurologischen Universitätsklinik und per E-Mail über die universitätseigene Lernplattform „Campusonline“ über das TBL informiert und um eine verbindliche Anmeldung per e-mail gebeten. Als Themen für die einzelnen Einheiten wurden die Vorlesungsthemen und die dafür formulierten Lernziele festgelegt: Kopfschmerz, Schlaganfall, Infektionen des Nervensystems, Polyneuropathien, Intensivneurologie und Basalganglienerkrankungen.

Team-Formation: Die Team-Bildung erfolgte durch eine zufällige gleichmäßige Verteilung beider Geschlechter auf fünf Gruppen (entsprechend 7 Teilnehmer pro Gruppe) durch den Leiter. Der Verteilungsprozess wurde den Teilnehmern nicht transparent gemacht, es wurde lediglich auf die feste Einteilung für alle Einheiten ohne Tauschmöglichkeit hingewiesen.

Phase 1: Individuelle Vorbereitung: Für alle Einheiten wurden - neben dem Besuch der Vorlesung - die jeweiligen Vorlesungsfolien (durchschnittlich 20-30 Powerpoint-Folien) wie auch ausgesuchte Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zur Durcharbeitung empfohlen, vereinzelt auch Übersichtsarbeiten aus dem „Deutschen Ärzteblatt“ (durchschnittlich insgesamt 3-4 Seiten). Zur individuellen Vorbereitung wurden alle Teilnehmer jeweils 3-5 Tage vor einer Einheit per E-Mail auf diese Vorbereitungsmaterialien hingewiesen, die auf der elektronischen Lernplattform „Campusonline“ der Universität Freiburg für alle Teilnehmer des Neurologie-Kurses zugänglich hinterlegt wurden. Die Teilnehmer wurden in der Einführung wie auch in jeder E-Mail auf die Wichtigkeit der Vorbereitung für ein Gelingen des TBL hingewiesen.

Phase 2: Testung der individuellen sowie der Gruppen-„Bereitschaft“ (individual und team Readiness Assurance Test – iRAT und tRAT) / sofortiges Feedback: Alle TBL-Einheiten begannen mit einem papierbasierten 5-minütigem iRAT, der aus drei Multiple-Choice- (MC-) Fragen zu Klinik, Diagnostik und Therapie bestand. Die gleichen Fragen wurden dann für jeweils 5 Minuten in den Teams diskutiert, die sich auf eine Antwort und einen Teamsprecher festlegen mussten (tRAT). Auf ein Signal hin hielten die Teams ihren Antwortbuchstaben in Form eines farbig geduckten DIN-A4 Blattes gleichzeitig hoch. Es erfolgte eine durch den Leiter moderierte Diskussion der Teamsprecher über die unterschiedlichen Antworten der Teams, in der auch das Nicht-Wählen der anderen Lösungsmöglichkeiten aktiv begründet werden musste. Der Leiter gab sofortiges mündliches Feedback während und nach Beendigung der Diskussion und beendete den durchschnittlich 10 Minuten dauernden Prozess wenn erforderlich durch eine kurze Zusammenfassung des zugrunde liegenden Konzeptes.

Phase 3: Anwendungsübungen: Ablauf der Problemlösung / das “Vier-S-Prinzip”: Die Anwendungsübungen bestanden aus jeweils einem eng an reale Fälle aus dem Klinikalltag angelehnten klinischen Fall („significant problem“) mit 1 bis 2 daran anschließenden Multiple-Choice-Fragen. Die Fragen bezogen sich auf zu treffende Entscheidungen hinsichtlich diagnostischer und therapeutischer Schritte und bauten auf die im RAT vermittelten Schlüsselpunkte auf. Pro Einheit wurde eine Anwendungsübung durchgeführt, die ohne individuelle Bearbeitung direkt in alle Teams gegeben und dort für 10 Minuten bearbeitet und diskutiert wurde („same problem“). Anschließend zeigten analog dem Vorgehen beim tRAT auf ein Signal hin alle Gruppen ihren gemeinsam gefundenen Lösungsvorschlag gleichzeitig an („specific choice“ und „simultaneous reporting“). Die gewählten bzw. nicht gewählten Lösungsvorschläge wurden zwischen den Gruppen diskutiert. Erneut gab der Leiter sofortiges mündliches Feedback nach Beendigung der Diskussion und beendete den durchschnittlich 10-15 Minuten dauernden Prozess wenn erforderlich durch eine kurze Zusammenfassung des zugrunde liegenden Konzeptes.

Anreiz-Struktur / gegenseitige Beurteilung durch die Teilnehmer: Da es sich um eine freiwillige Lehrveranstaltung handelte, erfolgte keine Benotung bzw. gegenseitige Beurteilung durch die Teilnehmer. Die Motivation zur Teilnahme wurde durch den Hinweis auf die in der Literatur beschriebenen Verbesserungen auf verschiedenen Ebenen (siehe Einleitung) hergestellt.

Evaluation

Zum Abschluss der letzten TBL-Einheit wurden alle anwesenden Teilnehmer gebeten, eine schriftliche Evaluation bezüglich des TBL-Ansatzes im Allgemeinen und des TBL-Neurologie-Kurses im Speziellen auf einer Lickert-Skala (von 1 = „trifft voll zu“ bis 6 = „trifft überhaupt nicht zu“) vorzunehmen. Zudem wurde eine Gesamt-Einschätzung für das TBL Neurologie in Form einer Schulnote erfragt. Auf der Rückseite bestand die Möglichkeit zu Freitextkommentaren („Folgendes fand ich gut….“ und „Folgendes fand ich weniger gut…“). Der verwendete Evaluationsbogen wurde in Anlehnung an Wiener et al. [24] entworfen.

Neurologieklausur

Die das Blockpraktikum abschließende Klausur bestand aus 40 Multiple Choice-Fragen, die einen Mix aus Reproduktionsfragen, Transferfragen und fallbasierten Problemlösungen darstellten. 15 Fragen bezogen sich auf in den TBL-Einheiten bearbeiteten Themen und wurden nach Abhalten der TBL-Einheiten und nicht vom TBL-Leiter entwickelt Die restlichen 25 Fragen bezogen sich auf komplementäre Themen wie Multiple Sklerose, Demenz, Schwindel, Muskelerkrankungen, Epilepsie, Neuroonkologie und die neurologische Untersuchung. Alle Fragen wurden von den Dozenten der Hauptvorlesung und den Lehrebeauftragten der Neurologischen Klinik zweifach intern revidiert. Neben den 35 Teilnehmern des TBL-Neurologie-Kurses nahmen noch 132 Teilnehmer des Blockpraktikums teil.

Statistische Auswertung

Alle Evaluations- und Klausur-Daten wurden mit Hilfe des Programms Excel (Microsoft) und der online frei erhältlichen Statistik-Software PAST [26] ausgewertet. Deskriptiv werden Mittelwerte und Standardabweichungen angegeben. Zur Feststellung von Unterschieden in den Klausurergebnissen zwischen den zwei Gruppen wurde der Mann-Whitney U-Test durchgeführt.


Ergebnisse

Umsetzung / Durchführung

Es meldeten sich 35 Studierende von 167 Teilnehmern des Neurologie-Blockpraktikums (21 weiblich, 14 männlich; Alter 21-29 Jahre) für das TBL Neurologie per E-Mail an. Keiner der Teilnehmer hatte bislang an einem TBL-Kurs teilgenommen. Bei der ersten Einheit erfolgte eine 5-minütige Einführung in das Konzept und den Ablauf des TBL. Die MC-Fragen und die Anwendungsübungen wurden als Präsentations-Folien gezeigt. Die Phasen des tRAT wie auch der Bearbeitung der Anwendungsübung im Team waren von Anfang an geprägt von lebhaften Diskussionen innerhalb der Teams. Auch die durch den Leiter moderierten Diskussionen zwischen den Teams zur Begründung bzw. „Verteidigung“ der vom Team gewählten Lösungsmöglichkeiten waren lebhaft, gleichzeitig aber auch immer respektvoll gegenüber den anderen Studierenden. Alle Fragen konnten zur vollen Zufriedenheit aller Teilnehmer geklärt werden, wobei nur in einem kleinen Teil der Fälle eine abschließende Klärung durch den Leiter erforderlich wurde, da die Gruppen in der gemeinsamen Diskussion bereits die kritischen Punkte meist geklärt hatten. Alle MC-Fragen des RAT wie auch der Anwendungsübungen konnten von jeweils mindestens einem Team gelöst werden. Aufgrund der Freiwilligkeit und des komplexen Stundenplans im dritten klinischen Semester nahmen nicht alle Teilnehmer an allen Einheiten teil. Im Durchschnitt waren 28 (entspr. ca. 80%, Maximum 35, Minimum 19 an einem Termin vor Weihnachten) Teilnehmer anwesend. Der Zeitaufwand für die Vorbereitung einer Einheit (Sichtung, Auswahl und Bereitstellung der geeigneten Vorbereitungsliteratur ca. 3-4 Stunden, Erstellung von drei MC-Fragen und einer Anwendungsübung ca. 4-5 Stunden) betrug im Durchschnitt ca. 8 Stunden.

Evaluation

An der Evaluation nahmen 26 Teilnehmer (13 weiblich, 13 männlich) teil. Das durchschnittliche Alter der Evaluierten betrug 24,6 Jahre (21 bis 29 Jahre), zum Zeitpunkt der Evaluation befanden sie sich durchschnittlich im 9. Fachsemester (7. bis 13. Fachsemester). Die Ergebnisse der schriftlichen Evaluation bezüglich des TBL-Ansatzes im Allgemeinen und des TBL-Neurologie-Kurses im Speziellen sind in den Abbildungen 1 [Abb. 1] und 2 [Abb. 2] dargestellt. Darüber hinaus wurden 24 Freitextkommentare abgegeben: 18 unter dem Punkt „Folgendes fand ich gut….“ und 6 unter dem Punkt „Folgendes fand ich weniger gut…“ (Zusammenfassung siehe Abbildung 3 [Abb. 3]).

Korrelation mit Klausurergebnissen

Die Gruppe der TBL-Teilnehmer erreichte in der Abschlussklausur im Vergleich zur Gruppe der Nicht-TBL-Teilnehmer eine signifikant höhere Gesamtpunktzahl (33,7 vs. 32,5 Punkte, p= 0,016). Im Fragenpool der Nicht-TBL-Themen ergibt sich zwischen den zwei Teilnehmergruppen kein signifikanter Unterschied (20, 7 vs. 20,3, p= 0,358), während sich im Fragepool der TBL-Themen ein signifikant besseres Ergebnis für die TBL-Teilnehmer ergibt (13,0 vs 12,2 Punkte, p= 0,006). Zudem zeigt sich – im Unterschied zur Gruppe der Nicht-TBL-Teinehmer (0,813 vs. 0,812 Punkte pro Frage, p=0,827) – bei den TBL-Teilnehmern ein signifikant besseres Abschneiden bei den TBL-Themen im Vergleich zu den Nicht-TBL-Themen (0,867 vs. 0,828 Punkte pro Frage, p= 0,045) (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]).


Diskussion

Bei der Suche nach einer Lehrform, die den Studierenden das als komplex empfundene Fach Neurologie optimal vermitteln kann und dabei gleichzeitig einfach anwendbar und „Personal-sparend“ in der Durchführung ist, erscheint das TBL auf den ersten Blick als optimale Lösung. Aufgrund der bislang aus unklaren Gründen nicht erfolgten Verbreitung der Methode in der Medizinerausbildung im deutschsprachigen Raum sollte diese Pilotstudie Daten zu Machbarkeit und Akzeptanz liefern.

Bezüglich der Machbarkeit ergaben sich für den TBL-Leiter zwei wesentliche Aufgaben: Die Vorbereitung und die Durchführung der einzelnen Veranstaltungen. Die Auswahl der Vorbereitungsliteratur wurde mit besonderer Sorgfalt getroffen: Sie sollte eine möglichst kurze, aber strukturierte Aufarbeitung des jeweiligen Themas ermöglichen. Neben dem empfohlenen Besuch der Hauptvorlesung konnte dazu auf die dazugehörigen und auf der Lernplattform hinterlegten Vorlesungsfolien aufgebaut werden. Erfreulicherweise sind im Fach Neurologie durch die Gesellschaft für Neurologie (DGN) viele Leitlinien und deren kompakte Zusammenfassung als „Pathways“ online frei zugängig [http://www.dgn.org/leitlinien.html] und konnten somit als Vorbereitung eingesetzt werden. Durch das Hochladen der Materialen auf die zentrale Lernplattform gelang es, einen sicheren und zuverlässigen Weg zur Erreichung aller Teilnehmer zu etablieren. Ein zweiter Schwerpunkt der Vorbereitung war die Erstellung der Fragen und Anwendungsübungen. Hier erwies sich die Einschätzung des Schwierigkeitsniveaus der Fragen als kritisch: Die Findung des durch den Leiter als ideal befundenen Niveaus (MC-Fragen wurden im tRAT fast immer richtig gelöst, führten aber trotzdem zu kritischen Diskussionen innerhalb und zwischen den Teams) gelang vollständig erst ab der dritten Einheit, was dann in der Abschlussevaluation auch zu einer positiven Einschätzung der MC-Fragen in Hinblick auf eine Unterstützung des Lernprozesses führte. Der relativ hohe Zeitaufwand für die Vorbereitung einer Einheit von ca. 8 Stunden erscheint auf den ersten Blick abschreckend. Dieser ist allerdings nur bei der Erst-Durchführung zu erwarten, da sowohl die Vorbereitungsliteratur wie auch alle (sich als brauchbar erwiesenen) Fragen und Fälle bei einer Wiederholung des Moduls wieder einsetzbar wären.

Die Durchführung der TBL-Einheiten gelang aus Sicht des Leiters problemlos und auch in den Evaluation durch die Teilnehmer wurde die Rolle des TBL-Leiters durchweg als positiv bewertet, obwohl dieser keine Vorerfahrung in gruppenbasierten Lernmethoden hatte. Dies deckt sich mit der Feststellung in [11], dass für TBL-Leiter das Fachwissen Voraussetzung ist, sie aber keine „Gruppen-Prozess-Experten“ sein müssen. Dennoch erwies sich aufgrund mangelnder Expertise vor Ort zusätzlich zum Selbststudium der TBL-Grundlagenliteratur [7] und der publizierten TBL-Anwendungen [12], [13], [14], [15], [16], [17], [18], [19], [20], [21], [22], [23], [24] die Teilnahme an einem TBL-Workshop (geleitet von Herrn Prof. Wiener im Rahmen der GMA-Tagung 2011) als sehr hilfreich, da hier in einer Art Selbsttest wichtige Prinzipen des TBL erfahren werden konnten und die „Kunst“ der Diskussions-Moderation, welche in sonstigen Lehrformen nicht üblich ist, demonstriert wurde. Eine Ausbildung weiterer TBL-Leiter erscheint nach Durchführung der ersten TBL-Reihe nun lokal durch „Live-Demonstration“ mit Diskussionen bzw. Erfahrungsaustausch grundsätzlich durchführbar.

Im klinischen Abschnitt des Freiburger Curriculum wurden zum Zeitpunkt der Durchführung der Pilotstudie bis auf den Einsatz von problem-orientierten Lernens (POL) in zwei Fächern (Pharmakologie und Dermatologie) keine gruppen-basierten Lernformen angeboten. Für die Pilotstudie war es daher zunächst wichtig, durch eine gute Informationsstrategie eine ausreichende Rekrutierung von freiwilligen Teilnehmern für das TBL zu erreichen. Durch die Kombination von verschiedenen Informationswegen (persönliche Bekanntmachungen, Homepage sowie ausführlichere schriftliche Einladung per e-Mail) gelang es, ca. 20% der möglichen 167 Kandidaten zu gewinnen. Trotz der mangelnden Erfahrung mit TBL gab es - auch aufgrund der klaren Struktur des TBL - nach der Vermittlung der Prinzipien in der Einführung keine Probleme mit der Durchführung der einzelnen Schritte. Wie sich der Evaluation entnehmen lässt, lernen viele der TBL-Teilnehmer wenig mit ihren Kommilitonen. Umso überraschender waren die hohe Akzeptanz für den TBL-Ansatz bei den Teilnehmern sowie der Wunsch nach einem vermehrten Angebot von TBL-Veranstaltungen. Das unterstützt die prinzipiellen Forderungen nach mehr aktiven und team-basierten Lernstrategien, die insbesondere im Zusammenhang mit neueren Untersuchungen der sog. Millennials-Generation geäußert wurden [27].

Die Möglichkeit, Konzepte und Prinzipien anhand von Fragen und der anschließenden Diskussionen zu vermitteln, ist eine der Stärken des TBL und insbesondere im Fach Neurologie sehr wichtig. In den RAT wurde daher besonderer Wert auf die Vermittlung wichtiger Prinzipien gelegt (z.B. Zeitfaktor bei der Behandlung des akuten Schlaganfalls, Pathophysiologie der Hirndruckentstehung und klinische Folgen, usw.), die dann in der Anwendungsübung konkret angewandt werden konnten. Zudem gelang es in den Diskussionen, nicht verstandene Prinzipien oder Probleme zu entdecken und dann im Feedback konkret darauf einzugehen. So gelang es einem Teil der Teilnehmer, „Denkfehler“ aufzudecken und zu beseitigen (siehe Abbildung 2 [Abb. 2]).

Hinweise für ein spezifisch verbessertes Verständnis der besprochenen Themen ergeben sich durch den Nachweis besserer Klausurergebnisse der am TBL teilnehmenden Studierenden in den TBL-assozierten Fragen. Dies ist konsistent mit einem verbesserten Abschneiden von Prüflingen in TBL-vermittelten Inhalten bei Klausuren oder anderen Tests in der Literatur [12], [13], [14], [15], [16], [17]. Bemerkenswert an den Verbesserungen im vorliegenden Pilotprojekt ist die erreichte statistische Signifikanz, da sie im Sinne einer Intention-to-treat-Analyse bei einer durchschnittlichen Anwesenheitsquote von 80% auch die Analyse eines nicht unerheblichen Anteils nicht an den Modulen teilnehmenden Studierenden beinhaltet. Die Auswertungen bezüglich der Auswirkungen der TBL-Teilnahme auf die Ergebnisse der Klausur haben aber auch wichtige Limitationen: In der Gesamtgruppe der Klausurteilnehmer waren die TBL-Teilnehmer – letztlich auch durch die freiwillige TBL-Teilnahme nachgewiesen - hoch motivierte Studierende, die Interesse an einem gruppen-basierten Lernansatz hatten. Die Übertragbarkeit dieser Ergebnisse auf eine Gruppe mit heterogener Motivation bezüglich der Teilnahme an einer gruppen-basierten Lernmethode wie auch der Neurologie an sich ist somit nicht gegeben. Eine andere Limitation entsteht durch Vergleich von Ergebnissen einer Gruppe mit einer strukturierten Intervention gegenüber einer Gruppe ohne Intervention (Performance-Bias). Abschwächend für diesen Effekt kann die Freiwilligkeit der Teilnahme mit einer Abwesenheitsquote von durchschnittlich 20% angeführt werden sowie die fehlende Kontrolle des Ausmaßes der Vorbereitungen. Zudem waren die Vorbereitungsmaterialien für alle Teilnehmer des Neurologiekurses frei zugänglich und wurden auch von durchschnittlich 30 bis 40 Nicht-TBL-Teilnehmern aufgerufen (Aufrufzahlen werden auf der Lernplattform registriert).

Da diese Pilotstudie nicht für einen Wirksamkeitsnachweis konzipiert war, sollte das Ausmaß des TBL-Effektes insbesondere auch auf komplexere Fertigkeiten wie z.B. Problemlösung im Vergleich zu anderen etablierten Lehrmethoden durch die Durchführung einer kontrollierten Studie geklärt werden.

Zuletzt soll noch ein wichtiger Punkt aus den Evaluationsergebnissen aufgegriffen werden: Die TBL-Teilnehmer gaben zu einer überwiegenden Mehrheit in der Abschlussevaluation an, dass das TBL ihr Interesse am Fach Neurologie weiter gesteigert hätte. Angesichts des aufgrund des demographischen Wandels steigenden Bedarfs an Neurologen sowie eines zunehmenden Mangels an neurologischen Weiterbildungsassistenten kann TBL in der Neurologie auch ein kleiner Baustein gegen den drohenden Neurologen-Mangel sein [http://www.dgn.org/images/stories/PM_DGN_Kampagne_Nerven_behalten.pdf].


Schlussfolgerung

Zusammengefasst zeigt die hier beschriebene Pilotstudie eine gute Machbarkeit des TBL-Ansatzes im klinischen Fach Neurologie. Der initial relativ hohe, im Verlauf dann aber absehbar geringer werdende Vorbereitungsaufwand wird durch die zu erwartenden Wirksamkeit hinsichtlich eines verbesserten Verständnisses der Neurologie sowie einem höherem Interesse an dem Fach gerechtfertigt. Grundsätzlich zeigt sich ein der Vorlesung sehr ähnliches und damit sehr günstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis. Die Akzeptanz in einem nicht in team-orientierten Methoden erfahrenen Studierenden-Kollektiv war sehr hoch, so dass bei entsprechender Vorbereitung eine Übertragbarkeit auch auf andere vorklinische und klinische Fächer problemlos erfolgen kann.

Die Wirksamkeit hinsichtlich messbar verbesserter Ergebnisse in klinischem Denken bzw. Problemlösen sollte im Rahmen kontrolliert durchgeführter Studien überprüft werden. Aufgrund der guten Resonanz wird das TBL Neurologie in zunächst freiwilliger Form am Standort Freiburg fortgesetzt werden.


Danksagung

J.B. dankt dem 12er Rat der Universität Freiburg sowie der Universität Freiburg für die finanzielle Unterstützung im Rahmen des „Projektwettbewerb: Innovatives Studium“ für Mittel aus dem Innovationsfonds.


Interessenkonflikt

Der Autor erklärt, dass er keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel hat.


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