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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

AKWLZ Jahrestagung 2012 in Witten

Tagungsbericht Zahnmedizin

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  • corresponding author Andreas Söhnel - Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik, Alterszahnheilkunde und Medizinische Werkstoffkunde, Greifswald, Deutschland
  • author Ute Gerhards - Universität Witten/Herdecke, Fakultät für Gesundheit (Department für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde), Abteilung für Zahnerhaltung und Präventive Zahnmedizin, Witten, Deutschland

GMS Z Med Ausbild 2013;30(2):Doc19

doi: 10.3205/zma000862, urn:nbn:de:0183-zma0008628

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2013-30/zma000862.shtml

Eingereicht: 15. März 2013
Überarbeitet: 15. März 2013
Angenommen: 25. März 2013
Veröffentlicht: 15. Mai 2013

© 2013 Söhnel et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Einleitung

Die vierte Jahrestagung des „Arbeitskreises für die Weiterentwicklung der Lehre in der Zahnmedizin“ (AKWLZ) fand am 15. und 16. Juni 2012 an der Universität Witten/Herdecke (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]) unter großem Interesse statt. Die Tagung stand am ersten Tag unter dem Thema „Hören – Verstehen –Behalten: Grundlagen des Lernens und der Wissensentstehung“, in das drei Hauptvorträge einführten.


Programm

Herr Professor Henk Schmidt, seines Zeichens Psychologe und derzeitiger Rektor der Erasmus Universität Rotterdam (Niederlande), zeigte in seinem sehr kurzweiligen und interaktiven Vortrag die Grundlagen des Lernens und die Abhängigkeit von der intrinsischen Motivation des Lernenden. Anhand einer der möglichen Techniken, mit der es dem Inder Rajan Mahadevan 1981 gelang, die Zahl ╥ aus dem Gedächtnis bis zur 31.811-ten Nachkommastelle fehlerfrei aufzusagen, demonstrierte er, wie neue Lerninhalte mit bereits vorhandenem Wissen kombiniert werden können, um Inhalte langfristiger abzuspeichern.

Herr Professor Hans-Jürgen Lange (Politikwissenschaftler, Witten/Herdecke) stellte in seinem Vortrag die Wissensvermittlung im Studium fundamentale an der gastgebenden Universität Witten/Herdecke vor. Das Studium fundamentale bildet seit Gründung der Universität als obligater Bestandteil aller Studiengänge die Basis des Bildungsansatzes der Universität. Das Ziel des Studium fundamentale ist es, den Studierenden aus einer fächerübergreifenden Perspektive verschiedene philosophische, wissenschaftliche und künstlerische Ansätze und Denkweisen nahe zu bringen und ihnen dadurch weitergehende Reflexions- und Handlungskompetenzen zu vermitteln als rein fach- und berufsbezogene Studiengänge dies in der Regel zu leisten vermögen.

In seinem Vortrag zu neuen Konzepten der Wissensmodellierung, ihre Auswirkungen auf die Entstehung von Wissen und das Lernen veranschaulichte Herr Dipl. Wirt. Ing. Alexander Ammann (Quintessenz Verlag, Berlin) anhand von Wissensräumen die derzeitige Explosion des verfügbaren Wissens und ihrer versuchten Einordnung in semantische und für Algorithmen durchsuchbare Modelle. Anhand des Projektes „K-Space in Dental Medicine“ zeigte er die problem- und aufgabenorientierte Navigation durch die in diesem Projekt abgebildeten elf Wissensräume der Zahnheilkunde und erklärte, dass diese Navigation durch selbständige Netz-Avatare in naher Zukunft unterstützt werden kann.

An diese interessanten Vorträge schloss sich eine spannende Diskussion an, bevor zur Preisverleihung der Poster- und Vortragspreise der letzten Tagung in Jena übergeleitet wurde.

Die Preise wurden durch Herrn Professor Lisson als Präsident-elect und Vorsitzender des Beirates Lehre der VHZMK überreicht. Geehrt wurde Herr Lars Kandsperger (Frankfurt) und Herr Prof. Dr. Dr. Dr. Dominik Groß (Aachen, Übergabe erfolgte bereits am Vortag) für ihre Vorträge sowie Frau Melanie Epperlein und Frau Saskia Sauer (beide Berlin) für ihr gemeinsames Poster.

Nach einem diskussionsreichen Mittagessen eröffnete Frau Dr. Janko (Frankfurt) mit ihrem Vortrag über einen Vergleich von Hospitation, Skript und Lehrfilm in Bezug auf den Lernerfolg den zweiten Teil des Tages. Sie stellte die individuellen Vorzüge und Schwächen der verglichenen Medien vor und kam zu dem Schluss, dass ein individueller Methodenmix den besten Lernerfolg erbringt.

Über die Integration der Zahnmedizin in das interdisziplinäre SkillsLab Jena berichtete Frau Dr. Seidler. Sie zeigte, wie ein Kommunikationstraining mit Simulationspatienten zur zahnmedizinischen Anamnese entwickelt und im SkillsLab umgesetzt wurde.

Die Ergebnisse aus Sicht der Studierenden stellte Frau Dr. Schüler im sich anschließenden Vortrag dar. Die Studierenden evaluierten dieses Angebot sehr gut und gaben an, auch einen Lernerfolg bei sich zu bemerken, da sie nun besser vorbereitet auf ein systematisches und zielgerichtetes Anamnesegespräch sind. Auch wurden Hemmungen abgebaut und eine effektive Vorbereitung auf die klinische Situation ermöglicht.

Frau Dr. Erhatic (Berlin) ging in ihrem Vortrag der Frage nach, warum die Präparationswinkel für Kronenstümpfe oftmals konischer als gefordert angelegt werden. An gefrästen Stümpfen im Phantommodell mit Präparationswinkel zwischen -1° bis 15° sollten Studierende diese einmal mit Sonde und Spiegel sowie mit einem Parallelometerspiegel beurteilen. Sie konnte zeigen, dass der Parallelometerspiegel gegenüber dem zahnärztlichen Spiegel beim Schätzen des Winkels keine Verbesserung erbrachte.

Die Implementierung eines fakultativen Praxismanagement-Workshop in das Curriculum wurde von Herrn Dr. Fuchß (Leipzig) vorgestellt. Denn für das erfolgreiche Führen einer Zahnarztpraxis ist neben fachlichem Wissen auch Wissen beispielsweise um die Mitarbeiterführung, das Qualitätsmanagement und das Praxismarketing vonnöten. Diese Aspekte werden im aktuellen Curriculum nicht abgebildet, so dass ein externer Referent gewonnen werden konnte, der mit den Studierenden interessierende Fragestellungen aus dem gesamten Themenkomplex erarbeitet hat. Die Evaluation dieser Veranstaltung hat gezeigt, dass sie den Teilnehmern sehr gut gefallen hat und dass praxisrelevante Inhalte verständlich dargestellt wurden.

Herr Dr. Schulz (Mainz) berichtete von der Umsetzung eines Moduls der evidenzbasierten Medizin im Studentenunterricht zum Thema Drainage nach Weisheitszahnosteotomie im Unterkiefer. Es wurde ein EBM-Grundkurs angeboten, der eine konkrete PICO-Frage nach dem PRISMA-Protokoll zum Inhalt hatte. Der systematische Review erfolgte anhand festgelegter Suchbegriffe in verschiedenen Datenbanken und zeigte den Studierenden bei der Auswertung der Studien eindrücklich die Auswirkungen methodisch-wissenschaftlicher Untersuchungen auf die klinisch-praktische Umsetzung am Patienten.

Nach einer kurzen Kaffeepause begann die Postersession. Frau Ensmann (Köln) stellte ihr Poster der Patientenrezeption als Praktikumsinstrument für das Training von service-orientierter Kommunikation und sozialen Kompetenzen vor. Im Zuge der Neugestaltung des klinischen Kurssaals ergab sich die Möglichkeit, die Studierenden mit in den Rezeptionsdienst zu integrieren, um somit die Kommunikation mit den Patienten weitergehend zu trainieren. Sowohl von Patienten- als auch von Studentenseite aus wurde dieses Projekt sehr gut angenommen.

Das Projekt Wissenschaft zum Anfassen – Direkte Beurteilung von Adhäsivsystemen mittels Scherhaftfestigkeitsmessung präsentierte Herr PD Dr. Krause (Leipzig). Um Studierenden eine Einblick in die Konzepte und Abläufe der wissenschaftlichen Arbeit zu geben, wurde eine überschaubare und präzise Forschungsfrage entwickelt und gemeinsam mit den Studierenden bearbeitet. Neben der Erstellung standardisierter Kompositproben lernten diese auch das Protokollieren und Auswerten der Messungen. In einer abschließenden Feedbackrunde wurde die Veranstaltung positiv bewertet. Diese Veranstaltung demonstriert exemplarisch, wie Studierende der Zahnmedizin mit überschaubarem Aufwand an den Umgang mit wissenschaftlichen Fragestellungen herangeführt werden können.

Herr Riedel (Leipzig) berichtete von chirurgischen HNO-Trainingskursen für die im Rahmen der Qualitätssicherung Checklisten erarbeitet wurden, die eine gleichbleibend hohe Qualität ermöglichen sollen.

Nach der anschließenden Mitgliederversammlung des AKWLZ klang der erste Tag mit einer gemeinsamen Führung durch die Parkanlage Hohensyburg sowie einem Abendessen in geselliger Atmosphäre aus.

Der zweite Tag, der unter dem Thema „Lehr- und Lernforschung“ stand, wurde durch drei Hauptvorträge inhaltlich eingeleitet. Herr Professor Martin Fischer (München) legte die Grundlagen dieses Fachgebietes dar und spannte in seinem Vortrag einen Bogen über die medizinische Fachdidaktik, der allgemeinen Bildungsforschung und den eingesetzten Forschungsmethoden. Auch gab er einen Ausblick auf die weitere Entwicklung und die Herausforderungen, auch für die anderen Berufe in der Gesundheitsversorgung.

Frau Dr. Dipl.-Psych. Zupanic (Witten/Herdecke) stellte in ihrem Vortrag das den meisten Zuhörern wenig bekannte Feld der qualitativen Forschung ausführlich vor. Sie erklärte die Prinzipien und grenzte diese von der quantitativen Forschung ab. Auch ging sie auf die Gütekriterien qualitativer Studien ein und zeigte Einsatzmöglichkeiten in der Zahnmedizin auf.

Wie eine Literaturrecherche in der Lehrforschung durchgeführt werden kann, zeigte Herr Professor Jörg Eberhard (Hannover). Anhand eines anschaulichen Beispiels führte er die Zuhörer über die Formulierung der Recherchefrage nach den PICO-Kriterien, über die Auswahl geeigneter Datenbanken auch zur Nutzung weitergehender Informationen wie Abstractbände, Tagungsbänden und vielem mehr.

Nach einer kurzen Kaffeepause präsentierte Frau Dr. Wagner (Jena) die Ergebnisse einer Befragung von Studierenden zu ihrem Wunsch-Zahnmedizinstudium. Die Auswertung der Fragebögen zeigte, dass die Studierenden sich eine bessere Vernetzung der Zahn- und Humanmedizin sowie der Vorklinik und Klinik wünschen. Auch sollten die Inhalte der einzelnen Fachgebiete klar nach Lernzielen strukturiert sein und thematisch sowie interdisziplinär abgehandelt werden. Die Erarbeitung des Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkataloges Zahnmedizin (NKLZ) wird aus studentischer Sicht für eine Verbesserung der Lehre befürwortet.

Über Gender- und Diversity-Aspekte im Blended Learning der Kieferorthopädie berichtete Frau Asselmeyer (Hannover), dass ihre Untersuchungen durchaus einen Bedarf an gender-sensibler Hochschuldidaktik zeigen. Sie empfahl Maßnahmen, die den Unterschieden in der technischen Ausstattung, der Versiertheit im Umgang mit technischen Ressourcen sowie den Anforderungen an eine curricular ansprechende Modulgestaltung entsprechen.

Einen sehr interessanten und innovativen Ansatz präsentierten Frau Dr. Rafai und Herr Lemos (Aachen) zur Vermittlung praktischer Fertigkeiten in der zahnmedizinischen Lehre. Sie entwickelten das eModul „Alginat interactiv“, um die Eigenschaften und Anmischtechnik von Alginat zu vermitteln. Neben einem interaktiven Video und einem Entscheidungsvideo entwickelten sie eine innovative gestenbasierte Bewegungsübung, in der spielerisch der Bewegungsablauf mit einem modifizierten Alginatanrührlöffel vermittelt wird. Diese neue Technik wurde während des Vortrages demonstriert, welche von befragten Studierenden als absolut hilfreich und sinnvoll für den eigenen Lernprozess empfunden wurde.

Herr Dr. Rahman (Hannover) berichtete von der Entwicklung eines interdisziplinären Moduls, in dem mehrere klinische Fälle aus der Sicht des Mundkiefergesichtschirurgen, des Zahnerhalters, des Prothetikers und des Kieferorthopäden bearbeitet wurden. Die am Ende durchgeführte Evaluation zeigte, dass sich 93,3% der Studierenden für weitere interdisziplinäre Module in der klinischen Ausbildung aussprachen.

Im letzten Vortrag zeigte Herr PD Dr. Jordan (Witten/Herdecke), wie die Vorklinik zu einem integrierten präklinischen Kurs über die letzten Jahre hinweg weiterentwickelt wurde, in dem grundlegende zahnmedizinische Behandlungsmaßnahmen von der Fissurenversiegelung bis hin zur umfangreichen prothetischen Rehabilitation in einer Lernspirale trainiert werden.


Dank

Abschließend bedankte sich Frau Prof. Petra Hahn (Freiburg) und Herr Prof. Hans-Jürgen Wenz (Kiel) bei den Referenten für die spannenden Vorträge sowie bei allen Beteiligten für die rege Teilnahme an den Diskussionen. Ein großer Dank geht an dieser Stelle auch an Herrn Prof. Zimmer und sein Team vor Ort für die hervorragende Organisation und Durchführung der Tagung.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenskonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel haben.