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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Bloggende Medizinstudierende: Eine qualitative Analyse

Forschungsarbeit Humanmedizin

  • corresponding author Severin Pinilla - Ludwig-Maximilians-Universität München, Mercator Kolleg, München, Deutschland
  • author Ludwig T. Weckbach - Ludwig-Maximilians-Universität München, München, Deutschland
  • author Stefan K. Alig - Ludwig-Maximilians-Universität München, München, Deutschland
  • author Helen Bauer - Ludwig-Maximilians-Universität München, München, Deutschland
  • author Daniel Noerenberg - Ludwig-Maximilians-Universität München, München, Deutschland
  • author Katharina Singer - Ludwig-Maximilians-Universität München, München, Deutschland
  • corresponding author Steffen Tiedt - Ludwig-Maximilians-Universität München, München, Deutschland

GMS Z Med Ausbild 2013;30(1):Doc9

doi: 10.3205/zma000852, urn:nbn:de:0183-zma0008525

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2013-30/zma000852.shtml

Eingereicht: 30. Mai 2012
Überarbeitet: 7. September 2012
Angenommen: 2. Oktober 2012
Veröffentlicht: 21. Februar 2013

© 2013 Pinilla et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Einleitung: Bloggen ist eine unter Medizinstudierenden zunehmend verbreitete Methode, Erfahrungen über das Internet mit einer weltweiten „Learning Community“ auszutauschen. Trotz intensiver Recherche sind den Autoren keine Studien bekannt, in denen spezifisch Blogs von Medizinstudierenden qualitativ analysiert wurden. Im Folgenden werden Kategorien und Themen aus diesen Blogeinträgen beschrieben und ihre medizindidaktische Bedeutung für Medizinstudierende und Lehrende diskutiert.

Methoden: In der vorliegenden qualitativen Studie wurden ursprünglich 75 von Medizinstudierenden verfasste Blogs identifiziert. 33 Blogs mit insgesamt 1228 englischen und 337 deutschen Einträgen erfüllten die Einschlusskriterien und wurden analysiert. Mit Hilfe einer komparativen Analysemethode wurden die Blogeinträge zunächst Zeile für Zeile und anschließend fokussiert kodiert. Die emergierenden Themen und Unterthemen wurden in übergeordneten Kategorien zusammengefasst.

Ergebnisse: Medizinstudierende verwenden Blogs, um über eine große Vielfalt an Erfahrungen während des Medizinstudiums zu berichten und diese zu reflektieren. Vorbereitung auf schriftliche und mündliche Examina, Erfahrungen während klinischer Praktika, der Umgang mit belastenden Situationen während des Studiums und das Sozialleben jenseits des Studiums waren Hauptthemen.

Schlussfolgerung: Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass Blogs für Medizinstudierende möglicherweise hilfreich sind, um Erfahrungen zu reflektieren. Zusätzlich können Lehrende auf diesem Weg wertvolle Einblicke in die studentische Wahrnehmung der medizinischen Ausbildung erhalten.

Die Bedeutung von Blogs in der medizinischen Ausbildung könnte durch gezieltes Kommentieren von Blogeinträgen durch Lehrende erhöht werden. Von diesem Dialog könnte auch eine örtlich unabhängige „Learning Community“ profitieren.

Schlüsselwörter: Bloggen, Medizinstudent, qualitativ, Erfahrungen, Medizinstudium


Erstautorenschaft

Gleichberechtigte Erstautoren: Severin Pinilla und Ludwig T. Weckbach.


Einleitung

Das Web 2.0 ist in der Vergangenheit zu einer immer wichtigeren Komponente der Aus- und Weiterbildung geworden. Herausragende Eigenschaften des Web 2.0 sind die gemeinschaftliche Erstellung von Inhalten und die daraus resultierende Interaktion, mit dem Ziel, Informationen mit anderen zu teilen [1]. Da nur wenig technisches Vorwissen benötigt wird und viele Web 2.0 Anwendungen kostenlos sind, sind diese einer breiten Masse zugänglich [2]. Als besonders lehrreiche Web 2.0-Anwendungen werden Wikis, Blogs und Podcasts genannt [3]. Von diesen sind Blogs die in der Literatur am häufigsten und intensivsten diskutierten Online-Tools [1].

Blogs sind Online-Tagebücher, die aus häufig veränderten Webseiten bestehen, deren Einträge in entgegengesetzt chronologischer Reihenfolge aufgelistet sind [4]. Sie können durch einen oder mehrere Autoren erstellt werden, und sind meistens öffentlich zugänglich. Diese Einträge können Beschreibungen von Ereignissen sowie subjektive Reflexionen, Meinungen und Vorlieben, aber auch Graphiken, Audiodateien und Videos beinhalten [5]. In einer edukativen Umgebung stellen Blogs eine Plattform für die kritische Reflexion und Interaktion in Lernprozessen dar [2]. Gleichzeitig helfen sie Studenten ihre analytischen Fähigkeiten zu stärken [5].

Trotz umfangreicher allgemeindidaktischer Forschung über Blogs gibt es relativ wenige Daten über ihre spezifische Anwendung in der medizinischen Ausbildung. Dabei werden Blogs von einer großen Anzahl von Medizinstudierenden weltweit genutzt. Die Reflexionen, Erfahrungen und Berichte, die von Medizinstudierenden in Blogs verfasst werden, könnten dazu von großem Wert für die Verbesserung des Medizinstudiums sein. In der vorliegenden qualitativen Studie wurden die Themen, über die Medizinstudierende in Blogs schreiben, analysiert und der potentielle Nutzen von Blogs für Medizinstudierende und Lehrende basierend auf dem emergierenden Themenspektrum beleuchtet.


Methoden

In dieser Studie nutzten wir den Ansatz der „Grounded Theory“, um im Mai 2012 die Blogs im World Wide Web zu analysieren, die von Personen verfasst wurden, die sich eindeutig als Medizinstudierende zu erkennen gaben [6]. Zu Beginn wurde die Online-Suchmaschine „Google“ (http://www.google.com) genutzt, um relevante Blogs zu finden. Hierbei wurden deutsche und englische Blogs in die Analyse eingeschlossen. Während für englische Blogs die Suchbegriffe „medical student blog“, „medicine student blog“ und „medical studies blog“ verwendet wurden, identifizierten wir mit Hilfe der Suchbegriffe „medizin student blog“, „medizinstudent blog“, „medizin blog“ deutsche Blogs. Zusätzlich konnten Blogs in die Analyse eingeschlossen werden, auf die von ursprünglich identifizierten Blogs durch Verlinkung verwiesen wurde. Die Einschlusskriterien für aktive Blogs basierten auf einer bereits publizierten Studie [7]. Um gleichzeitig die Aktualität zu gewährleisten, limitierten wir unsere Analyse auf Blogs mit einer Mindestaktivität von vier Blogeinträgen im letzten Jahr (ab 1.6.2011). Sogenannte Mikro-Blogs (vorgegebene maximale Zeichenanzahl pro Eintrag) oder Diskussionsforen wurden ausgeschlossen. Anschließend wurden alle Blogs durch Geschlecht des Bloggers, verwendete Sprache, Blogaktivität sowie Stand des Studiums (bei erstem Blogeintrag nach 1.6.2011) charakterisiert (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]).

Jeder eingeschlossene Blogeintrag wurde gelesen, wenn nötig übersetzt und anschließend kodiert. Aufkommende Kategorien, Themen und Unterthemen wurden mit Hilfe einer komparativen iterativen Analysemethode geordnet (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]) [8]. Die sich entwickelnde Struktur wurde permanent hinterfragt und der potentielle Nutzen von Blogs für Medizinstudierende und Lehrende diskutiert, bis alle Autoren mit der finalen Interpretation einverstanden und keine neuen Themen mehr abgrenzbar waren.

Microsoft Excel und Word wurden genutzt, um die Daten zu strukturieren. Insgesamt analysierten wir 33 Blogs, die unsere Einschlusskriterien erfüllten und beendeten die Analyse, nachdem eine thematische Sättigung erreicht war.


Ergebnisse

Unsere finale Themenstruktur ist in Tabelle 2 [Tab. 2] dargestellt und basiert auf zwei Hauptkategorien: Medizinstudium und Sozialleben. In jeder Kategorie bildeten sich unterschiedliche Themen und Unterthemen heraus. Im Bereich „Medizinstudium“ beinhalteten diese die Vorbereitung auf standardisierte Examina, klinische Praktika, die seelische Belastung während des Medizinstudiums, die Wahrnehmung von bestimmten curricularen Elementen und die Interaktion mit Kommilitonen sowie Karriereplanung, Forschungsaktivitäten, die Motivation Medizin zu studieren und das Mitteilen von Faktenwissen. In der Hauptkategorie „Sozialleben“ kamen dagegen hauptsächlich die Themen soziale Unterstützung, soziale Veranstaltungen, ehrenamtliche Tätigkeit, Religion und Sport auf.

Medizinstudium

Unsere Daten deuten an, dass Studierende Blogs nutzen, um fortwährend die Vorbereitung auf standardisierte Examina, verschiedene Aspekte von klinischen Praktika und die seelische Belastung während des Medizinstudiums zu reflektieren.

Eines der häufiger diskutierten Themen waren mündliche und schriftliche Examina wie das amerikanische USMLE und das deutsche Staatsexamen. Studenten beschrieben, wie sie sich vorbereiteten, wo sie hilfreiche Informationen fanden, welche Lerntechniken sie nutzten, wie sie zum Beispiel “von allem“ Lernlisten machten, “von Hirnnerven bis zu Autoimmunantikörpern” und welche davon am besten für sie geeignet waren. Oft kommentierten sie, wie sie mit Informationsüberfluss vor Examina umgingen und dass sie ihre Lernzeit planten und koordinierten, indem sie zusammen mit Kommilitonen bestimmte Online-Tools wie Skype oder Google Plus nutzten, “um das Material durchzuarbeiten […] und um einem strengen Zeitplan zu folgen”. Bloggende Studierende unterschieden sich darin, wie oft sie auf persönliche Lernstrategien und -erfahrungen eingingen, betonten jedoch meistens die Wichtigkeit mit Kommilitonen zusammenzuarbeiten und die “innere Stimme, im Wettbewerb mit den Kommilitonen zu stehen” zu ignorieren.

Viele Studierende schrieben über ihre Erfahrungen im klinischen Alltag und den Übergang vom theoretischen Studium der Medizin “in die Praxis und damit dem Einfluss auf das Leben anderer”. Blogs von Studierenden aus verschiedenen medizinischen Ausbildungssystemen berichteten von der Bedeutung der ersten klinischen Erfahrungen für ihre Lernmotivation und die Frage „warum man Medizin studiert”:

“Alles, was du bekommst, sind Punkte und Noten als Feedback [in den vorklinischen Jahren] und ich bin niemand, der besonders gut in den Klausuren ist. […] Ich fühle mich wirklich oft unterdurchschnittlich. Aber nun im dritten Jahr stellt sich heraus, dass ich wirklich ganz gut mit Patienten kann. Ich finde es auch viel einfacher zu lernen, jetzt, da ich sehe, dass es realen Menschen hilft.” (übersetzter englischer Blog, Medizinstudent im dritten Jahr)

Studentenblogs beinhalteten auch Beobachtungen oder Wahrnehmungen der Interaktion mit fortgeschritteneren Studierenden, Ärzten und Mitarbeitern in anderen Gesundheitsberufen. Sowohl positive Erfahrungen bezüglich der Rollenmodelle im klinischen Alltag als auch negative Beobachtungen wurden häufig diskutiert. Zum Beispiel erwähnte ein Blogger seine Eindrücke während eines klinischen Praktikums in Bezug auf die Arbeitseinstellung:

“Ich bin geschockt gewesen von der ungebremsten Negativität, die durch die Krankenhausmauern quillt. Die Leute scheinen auf ihre Fähigkeit, sich zu bemitleiden, stolz gewesen zu sein... Das bei weitem häufigste Gesprächsthema dreht sich um Beschwerden [über die Arbeit]” (übersetzter englischer Blog, Medizinstudent im vierten Jahr)

Studierende reflektierten auch über seelisch belastende Erfahrungen während des Studiums, die sich entweder auf “sterbende Patienten” oder “die Angst akademisch nicht gut genug zu sein” und “die Standards eines guten Arztes nicht zu erfüllen” bezogen.

Sozialleben

Die zweite Hauptkategorie der analysierten Blogs umfasste den privaten Lebensraum der Studierenden außerhalb des Medizinstudiums. Hauptthemen dieser Kategorie waren die Rolle sozialer Unterstützung während des Medizinstudiums, soziale Veranstaltungen, Sport und persönliche religiöse Sinnstrukturen.

Wiederholt reflektierten Studierende über die Wichtigkeit von sozialen Beziehungen, zum Beispiel zu Ehepartnern, Freunden, Familienmitgliedern und Kommilitonen. Ein Student beschrieb zwei Gründe das Medizinstudium nicht zu schaffen: “A) niemals zu lernen, oder B) keine Unterstützung zu haben”. In der Masse der Blogs stellten Studierende entweder dar, wie sehr sie “einen ganzen Tag mit der Familie” genossen hätten oder wie “frustriert” sie wären und die Karrierewahl in Frage stellen würden, wenn ihr soziales Leben beeinträchtigt wäre und wenn sie wiederholt “einen ganzen Samstag und Sonntag Nachmittag” im Labor arbeiten oder für Klausuren lernen müssten und deshalb nicht an Familienfesten oder Geburtstagen von Freunden teilnehmen könnten. Eine andere Studentin schrieb, dass sie es speziell während der Vorbereitung auf Examina bevorzugen würde, mit Kommilitonen, die sich auf das gleiche Examen vorbereiten, ihre Freizeit zu verbringen:

“[...] Unterbewusst scheine ich mich gerade irgendwie nicht mit Leuten befassen zu können, die nicht in meiner Situation sind. Das mag vielleicht falsch sein, denn Ablenkung ist ja gut, aber irgendwie bin ich es leid zu erklären, wie ich mich gerade fühle. Es ist eben leichter, wenn der andere es auch ohne Worte weiß, weil es ihm genauso geht.” (deutscher Blog, Medizinstudentin im sechsten Jahr)

Einige Studierende beschrieben auch Aktivitäten, um den Lernaufwand und die Zeit für das Medizinstudium auszugleichen, zum Beispiel während verschiedener sozialer Veranstaltungen, ehrenamtlicher Tätigkeiten, beim Sport und die von ihnen wahrgenommene Rolle von Gott in Bezug auf ihre medizinische Laufbahn.


Diskussion

Unsere Ergebnisse zeigen, dass von Medizinstudierenden geführte Blogs eine reichhaltige Ressource für qualitative Informationen über verschiedene Erfahrungen sowohl außerhalb als auch im Rahmen des Medizinstudiums in unterschiedlichen Ausbildungssystemen darstellen. In den folgenden Absätzen konzentrieren wir uns - basierend auf den am häufigsten erwähnten Themen - auf die Diskussion des potentiellen Nutzens sowie der Limitationen von Blogs für das Medizinstudium.

Der potentielle Nutzen für Medizinstudierende und Lehrende

Viele Medizinstudierende beschrieben ihre Erfahrungen und Meinungen bezüglich der Vorbereitung auf Examina. Für Kommilitonen könnten diese Informationen von großer Bedeutung sein, da sie so mehr über verschiedene Lernstrategien erfahren und diese auf ihre individuellen Ziele und Lernvorhaben anwenden könnten. Lehrende auf der anderen Seite könnten diese Informationen nutzen, um potentielle Probleme zu erkennen und spezifische Hilfe anzubieten.

Ebenso wurden häufig Erfahrungen aus klinischen Praktika geschildert. Besonders die Interaktion mit anderen Krankenhausmitarbeitern stand im Mittelpunkt vieler Blogeinträge. Hier wurde über positive Lernerfahrungen, aber auch Schwierigkeiten berichtet. Gerade die Darstellung letzterer könnte Kommilitonen helfen, mit eigenen, ähnlichen Problemen produktiver umzugehen. Gleichzeitig könnten Praktika-Verantwortliche Blogs spezifisch nutzen, um Hindernisse für eine effektive Lernerfahrung in ihren Praktika frühzeitig zu erkennen.

Thema einiger Blogeinträge war auch die seelische Belastung während des Medizinstudiums. Blogs scheinen deshalb eine wertvolle Ressource zu sein, um mehr Informationen über das Auftreten negativer Emotionen im Medizinstudium zu sammeln, da dieses Thema in persönlichen Gesprächen häufig gemieden wird. Die Angst vor akademischem Versagen wurde von bloggenden Medizinstudierenden häufig genannt und könnte erfolgreiches Lernen und professionellen Fortschritt möglicherweise behindern [9]. Die Möglichkeit über potentielle Ursachen in einem geschützten und definierten Rahmen, zum Beispiel in Blogs, zu berichten, könnte einen effektiven Weg darstellen, um Studierende hierbei zu unterstützen.

Informationen mit anderen zu teilen ist ein Hauptprinzip von Blogs [1]. Um Effektivität für sowie Akzeptanz durch Medizinstudierende und Lehrende ausreichend beurteilen zu können, sind jedoch weitere qualitative und quantitative Daten notwendig. Blogs könnten durch Einbettung in ein Portfolio verschiedener Web 2.0-Anwendungen noch effektiver und nützlicher werden. Dies würde Studierenden ermöglichen, kursspezifische Dokumente zu teilen oder an zielgerichteten und themenspezifischen Diskussionen teilzunehmen. Jeder dieser anderen Web 2.0-Anwendungen müsste dabei individuell evaluiert werden.

Grenzen und Möglichkeiten von Blogs

Eine Beschränkung, Blogs als Informationsquelle zu nutzen, besteht in der relativ unstrukturierten Art und Weise, in der individuelle Blogger über ihre Erfahrungen berichten. Blogs unterscheiden sich dazu sehr in der Tiefe der Reflexion über die oben genannten Themen. Dadurch wird es schwieriger und zeitaufwendiger für Leser, für sie relevante Informationen zu finden. Bereits veröffentlichte Daten zeigen, dass Technologie das Lernen nicht unterstützte, wenn sie unstrukturiert verwendet wurde [2].

Ebenfalls limitierend in der Bewertung von Blogs wirkt das Fehlen von Informationen, zum Beispiel wie viele Personen einen Blog tatsächlich lesen. Während unserer Analyse haben wir den Eindruck gewonnen, dass Blogeinträge insgesamt selten von Lesern kommentiert werden. Dagegen besteht gerade durch interaktives Bloggen die Möglichkeit, Reflexionen und Erfahrungen in einer theoretisch globalen „Learning Community“ zu diskutieren [5].

Spezifisch ausgewiesene Plattformen könnten diesen Prozess erleichtern, indem sie in das Curriculum integriert werden und Studierende motivieren, Einträge anderer Studierender zu kommentieren [10]. Möglicherweise würden dadurch Reflexionen tiefgründiger und der Gewinn für andere Studierende größer. Solche Plattformen wurden zum Beispiel an der Loma Linda University School of Medicine (http://ilusm.wordpress.com/) und an der University of Ottawa implementiert, [11]. Derartige longitudinale qualitative Daten könnten letztlich auch hilfreich sein, um zu untersuchen, wie verschiedene Erfahrungen das epistemologische System eines Studenten beeinflussen.

Weiterhin zeigte sich, dass es zunächst eine mühsame Aufgabe darstellte, relevante Blogs zu finden. Verlinkungen dieser auf einer einfach zu erreichenden Plattform könnten zu einer erhöhten Interaktion von Lesern und Bloggern führen.

Schließlich zeigte sich auch, dass Elemente des sogenannten „hidden curriculum“ in Blogs sichtbar werden und eine zusätzliche Quelle zur Bewertung von Lehreinheiten und klinischen Erfahrungen darstellen können. Zur Nutzung dieser Quelle und nachfolgender Analysen müssten jedoch die administrativen und wissenschaftlichen Voraussetzungen geschaffen werden. Obwohl sich englische und deutsche Blogs hinsichtlich der Themen nicht unterschieden, rückte das Thema „Work-Life-Balance“ in englischen Blogs stärker in den Mittelpunkt als in deutschen Blogs, in welchen häufiger über Forschungsarbeiten diskutiert wurde. Ein Grund dafür könnte unter anderem die Verschiedenheit der medizinischen Ausbildungssysteme sein.


Schlussfolgerung

Medizinstudierende nutzen Blogs, um über viele verschiedene Erfahrungen während des Studiums sowie Aspekte ihres Soziallebens zu reflektieren. Blogs scheinen deshalb eine geeignete Plattform zu bieten, Erfahrungen mit einer weltweiten „Learning Community“ zu teilen. Obwohl wir nur selten auf Kommentare und Diskussionen, die sich auf Blogeinträge bezogen, gestoßen sind, empfehlen wir Lehrenden und Mentoren diese Möglichkeit für formatives Feedback zu nutzen. Zusätzlich könnten Lernerfahrungen durch Ratschläge und Hinweise auf metakognitive Prozesse größeren Nutzen haben.

Darüber hinaus können medizinische Fakultäten durch die Analyse von Blogs studentische Wahrnehmungen von expliziten und impliziten curricularen Elementen schneller erfassen und darauf reagieren.

In Anbetracht der Tatsache, dass deutsche und englische Blogs größtenteils gleiche Themen und Kategorien beschrieben, sind noch viele weitere Anwendungen für die internationalen medizinischen Ausbildungssysteme vorstellbar. Besonders Austauschprogramme könnten von gezielt eingesetzten und strukturierten Blogs durch den entstehenden studentischen Erfahrungsaustausch profitieren.


Danksagung

Die Autoren danken Frau Dr. Vanessa Fong und Frau Maya Weilundemo von der Harvard Graduate School of Education für Ihre herausragende Einführung in qualitative Forschungsmethoden.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

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