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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Projektbericht zum Simulatorennetzwerk: Ein Tool zur Verbesserung der Unterrichtsmaterialien und zum gezielten Einsatz von Ressourcen in Skills Labs

Projekt Humanmedizin

  • corresponding author Alexander Damanakis - Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Marburg, Klinik für Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie, Marburg, Deutschland; Philipps Universität Marburg, Fachbereich Medizin, Lehrkoordinator der chirurgischen Fächer im Dr. Reinfried Pohl Zentrum für medizinische Lehre, Marburg, Deutschland
  • author Wolf E. Blaum - Charité - Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Anästhesiologie mit Schwerpunkt operative Intensivmedizin, CVK & CCM, Berlin, Deutschland; Charité - Universitätsmedizin Berlin, Lernzentrum, Abteilung für Curriculumsorganisation, Berlin, Deutschland
  • author Christoph Stosch - Universität zu Köln, Kölner Interprofessionelles Skills Labs und Simulationszentrum KISS, Köln, Deutschland
  • author Hansjörg Lauener - Universität Bern, Institut für medizinische Lehre, Abteilung für Unterricht und Medien, Bern, Schweiz
  • author Sabine Richter - Universität Bern, Institut für medizinische Lehre, Abteilung für Unterricht und Medien, Bern, Schweiz
  • author Kai P. Schnabel - Universität Bern, Institut für medizinische Lehre, Abteilung für Unterricht und Medien, Bern, Schweiz

GMS Z Med Ausbild 2013;30(1):Doc4

doi: 10.3205/zma000847, urn:nbn:de:0183-zma0008477

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2013-30/zma000847.shtml

Eingereicht: 5. Juli 2012
Überarbeitet: 6. Dezember 2012
Angenommen: 13. Dezember 2012
Veröffentlicht: 21. Februar 2013

© 2013 Damanakis et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Die medizinische Ausbildung im deutschsprachigen Raum bemüht sich vermehrt in der letzten Dekade um mehr Praxisbezug. Dieser wird mittlerweile an vielen Fakultäten durch simulations-basierten Unterricht in Skills Labs implementiert. Simulatoren sind damit essentieller Bestandteil für diese Art der medizinischen Ausbildung. Ihre Beschaffung und der Betrieb im Rahmen eines Skills Lab verlangen einen großen Einsatz von Ressourcen. Hier soll daher ein Projekt des Ausschusses für praktische Fertigkeiten der Gesellschaft für medizinische Ausbildung vorgestellt werden, welches eine Online-Datenbank (das Simulatorennetzwerk) für einen bessern Informationsfluss zwischen den Skills Labs und für eine transparente Bewertung der Simulatoren ermöglicht.

Schlüsselwörter: Fertigkeiten, praktische Fertigkeiten, klinische Fertigkeiten, medizinische Ausbildung, Simulation, Skills Lab, Simulatoren


Einleitung

Der Einsatz von Simulation in der Lehre und zu Prüfungszwecken wird seit vielen Jahren in einer Reihe von Disziplinen praktiziert. Die simulierten Szenarien umfassen dabei so unterschiedliche Bereiche wie die Ausbildung und Prüfung von Piloten, das Training von Soldaten, den Betrieb von Kernkraftwerken oder das Üben unterschiedlicher Managementstrategien [1], [2].

Auch in der medizinischen Aus- Fort- und Weiterbildung wird Simulation zunehmend als Unterrichts- und Prüfungsformat eingesetzt [3], und beforscht [4], [5]. Issenberg und Kollegen identifizierten beispielsweise Faktoren für den sinnvollen Einsatz von Simulation in einem systematischen Review [6]. Auf nationaler Ebene fordert der Ausschuss für praktische Fertigkeiten in seinem Konsensusstatement von 2011 simulations-basierten Unterricht zur Vermittlung praktischer und kommunikativer Fertigkeiten [7].

Skills Labs sind Orte, in denen einfache Fertigkeiten ebenso wie komplexe Szenarien am Modell oder Simulator trainiert werden können. 38 von 43 medizinischen Fakultäten in den deutschsprachigen Ländern Europas betreiben derartige Zentren [8], [9]. Sie haben zu einer breiten Implementierung von Simulation in die medizinische Lehre geführt und etablieren die Simulation als Lehrform zwischen Theorie und Krankenbett.

Mittlerweile steht eine Vielzahl unterschiedlichster Simulatoren zur Verfügung und eine große Anzahl Hersteller versuchen, Ihre Simulatoren auf dem expandierenden Markt zu platzieren. Um ein adäquates Angebot an Simulatoren vorzuhalten und die diversen Verschleißteile regelmäßig zu ersetzen, sind dabei große finanzielle Ressourcen nötig, die viele Fakultäten nicht ohne weiteres aufbringen wollen oder können. Auch stellt sich die oft berechtigte Frage, wie komplex (und damit oft auch teuer) ein Simulator sein muss, um eine hohe didaktische Wertigkeit zu besitzen [10].

Bislang sind die Skills Lab-Leitungen bei der Beschaffung dieser Informationen auf die Distributoren und Hersteller angewiesen. Im günstigsten Fall ist eine weitere Fakultät bekannt, die einen interessanten Simulator besitzt, so dass auf deren Erfahrung zurückgegriffen werden kann. Eine unabhängige Quelle für diese Informationen gibt es bisher nicht.


Projektbeschreibung

Vor diesem Hintergrund entstand im Rahmen des Ausschusses für praktische Fertigkeiten der GMA [http://www.gesellschaft-medizinische-ausbildung.org/index.php?option=com_content&view=article&id=134&Itemid=120&lang=de] beim Skills Lab Symposium in Münster 2010 die Idee, einen „Geräte TÜV“ zu entwickeln, der als unabhängige Informationsquelle für alle Anwender von Simulation an medizinischen Fakultäten im deutschsprachigen Raum zur Verfügung steht.

Es formte sich eine Kerngruppe, die hauptverantwortlich das Projekt betreute und über das Fortkommen in den Ausschusssitzungen berichtete. Initial wurde das Projekt durch die Skills Labs der medizinischen Fakultäten der Universitäten Bern, Köln und Marburg getragen, wobei letztere die Koordination übernahm. Das Lernzentrum der Charité Berlin widmete sich im weiteren Verlauf vor allem der technischen Umsetzung.

Ziel war es, eine Datenbank zu schaffen, welche zunächst geschützt durch einen Login

  • Zutritt zu relevanten Information über die Simulatoren liefert,
  • ein Bewertungssystem enthält und
  • eine Verknüpfung der Simulatoren zum NKLM [11] (Arbeitspaket 14 „Praktische Fertigkeiten“) [7] bietet.

Eine erste Version des „Simulatorennetzwerks“ wurde im Sinne eines „soft starts“ auf dem Skills Lab Symposium 2012 in Marburg im Rahmen der Sitzung des Ausschusses für praktische Fertigkeiten präsentiert. Dort erhielten die anwesenden Skills-Lab Leitungen ebenfalls Zugangsdaten, welche auch das Einpflegen des eigenen Bestands an Modellen und Simulatoren erlauben.

Technische Umsetzung

Die Datenbank basiert auf der e-learning Plattform ILIAS [http://www.ilias.de/docu/goto.php?target=cat_580&client_id=docu] und nutzt dessen Wiki Funktion. Jede der vier oben genannten Säulen wird über eine Wiki-Seite repräsentiert, die wiederum die Links zu den Einzelseiten enthält (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]) [http://simnet.charite.de/ilias/goto.php?target=wiki_41_Hauptseite]. ILIAS bietet darüber hinaus ein sehr ausgereiftes System zur Rechtevergabe, die Möglichkeit des Nachrichtenaustausches zwischen den Nutzern sowie Ressourcen, um Multimediainhalte wie Fotos und Videos zugänglich zu machen.

Das Organisationsprinzip des Simulatorennetzwerks

Um eine übersichtliche Datenbank zu kreieren muss ein leicht nachvollziehbares Organisationsprinzip der Anordnung der Daten zu Grunde liegen. Daher erschien eine Struktur, die eine Querverlinkung verschiedener Organisationsstrukturen ermöglicht und jeden Simulator nach verschiedenen Kriterien sortierbar macht als sinnvoll. Es entstanden vier Säulen:

1.
Simulator: Hier ist jedem Simulator seine eigene Wiki- Seite gewidmet, wo Eckdaten wie Hersteller, ungefährer Preis, Kategorie (High scale, part task etc.) vereint sind. Außerdem als zentrales Element das Bewertungssystem, auf das weiter unten noch detailliert eingegangen wird.
2.
Skills Lab: Die Wiki-Seite der einzelnen Skills Labs soll keinesfalls die Homepages der einzelnen Institutionen ersetzen. Ein kurzer Informationstext zu dem Skills Lab, sowie einige Fotos vermitteln hier einen ersten Eindruck des Skills Lab. Eine Tabelle beinhaltet die Kontaktdaten und einen direkt Link zur Homepage.
3.
Fachgebiet: Diese Säule gliedert die Simulatoren nach den medizinischen Fachgebieten. Dabei haben wir uns an den in der Approbationsordnung angegebenen orientiert und diese dann ergänzt [12].
4.
Organsystem: Hier wird eine Verknüpfung zum Arbeitspaket 14 des Nationalen kompetenzbasierten Lernzielkatalogs (NKLM) [7] aufgebaut. Am Anfang jeder Wiki-Übersichtsseite in der Säule „Organsysteme“ findet sich ein Auszug, welche Lernziele aus dem Arbeitspaket 14 „Praktische Fertigkeiten“ des NKLM an dieser Stelle abgebildet werden.

Die vier Säulen sind untereinander verlinkt. Durch die Quer Verlinkungen kann einfach zwischen diesen Ansichten gewechselt werden. Befindet sich der Benutzer z.B. im Wiki eines Simulators (Säule: Simulator), dem das Fachgebiet Chirurgie zugeordnet ist, so bringt ihn ein Klick auf den Hyperlink zur Säule „Fachgebiet“ und darin zur Kategorie „Chirurgie“. Es öffnet sich eine Liste mit allen Simulatoren, die unter „Chirurgie“ klassifiziert sind. Die Säule „Skills Labs“ hingegen ermöglicht einen Überblick darüber, welche Simulatoren ein Skills Lab besitzt.

Bewertungssystem

Das Bewertungssystem des Simulatorennetzwerks basiert auf den zwei Grundprinzipien Freitext-Bewertung und visuelle Bewertungsskala vorgegebener Kriterien. Hinsichtlich letzterer bot ILIAS bisher nur die Möglichkeit ganze Wiki-Seiten zu bewerten. Ziel war es jedoch, einen Simulator nach vorgegebenen Kriterien (z.B. Haltbarkeit, Eignung für Prüfungen, Preis-Leistung, didaktische Qualität) mittels einer visuellen Skala bewerten zu können. Zur Entwicklung einer solchen Skala wurde ein Feature request bei den ILIAS-Entwicklern eingereicht, welches von der Mittelbauvereinigung der Universität Bern finanziert wird. Die Entwicklung der ersten Version ist aktuell (Stand 12/2012) abgeschlossen und erste Testläufe zur Fehlersuche laufen. Die Implementierung in das System wird im Januar/Februar 2013 erfolgen. Die visuelle Skala wird über Sterne, die die jeweils durchschnittliche Bewertung der Unterpunkte errechnen, realisiert. Zusätzlich wird jedem Nutzer durch einen blauen Punkt über der Bewertung seine eigene Bewertung angezeigt (siehe Film [http://www.ilias.de/docu/goto_docu_wiki_1357_Extended_Rating_in_Wiki.html]).


Diskussion

Simulation als Unterrichtsformat in medizinischer Aus- und Weiterbildung ist evidenzbasiert [4], [6]. Ein wesentliches Hindernis in der curricularen Umsetzung sehen die Autoren in den hohen Investitions- und Betriebskosten.

Die entwickelte Datenbank soll die Kommunikation und den Informationsfluss unter Simulationszentren steigern und so helfen, Fehlinvestitionen zu vermeiden und die vorhandenen Ressourcen gezielt zur Umsetzung evidenzbasierter Ausbildungsstrategien einzusetzen.

Der Erfolg der Datenbank wird von der Beteiligung der Skills Labs abhängen. Auf der GMA Tagung 2012 in Aachen wurde die Datenbank erneut im Rahmen der Sitzung des Ausschusses für praktische Fertigkeiten präsentiert und stieß dabei wiederum auf positive Resonanz. Mehrere Skills Labs haben schon Modelle eingefügt oder mittlerweile studentische Tutoren benannt, die dies tun werden. Eine für die Zukunft interessante Frage wird sein, inwieweit den Herstellern Daten aus dem Simulatorennetzwerk zur Verfügung gestellt werden können und welche Synergien sich daraus ergeben könnten. Zusätzliche Features wie zum Beispiel Verlinkungen zu spezieller Literatur oder die Aufnahme von Unterrichtskonzepten in das Simulatorennetzwerk könnten später implementiert werden .


Schlussfolgerungen

Der systematische Einsatz simulations-basierten Unterrichts an medizinischen Fakultäten in Skills Labs im deutschsprachigen Raum ist noch relativ jung. Die Evidenz der eingesetzten Verfahren muss noch verbessert werden. Nur ein ressourcen- schonender Einsatz von Simulation wird den Unterricht in Skills Labs auf Dauer etablieren können und somit eine relevante wissenschaftliche Begleitung ermöglichen. Das Simulatorennetzwerk strebt somit an, einen Beitrag zum effizienten Einsatz von Ressourcen in der medizinischen Lehre zu leisten. Den Autoren ist sowohl national als auch international kein ähnliches Projekt bekannt. Der Erfolg der Maßnahme wird von der Beteiligung der Anwender simulations-basierter Ausbildung in den Skills Labs abhängen. Es sind verschiedene Schulungsmaßnahmen geplant und bereits umgesetzt, die diese Beteiligung herbeiführen können.


Danksagung

Allen, die schon ein Modell in das Simulatorennetzwerk eingepflegt haben.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
Issenberg SB, Gordon MS, Gordon DL, Safford RE, Hart IR. Simulation and new learning technologies. Med Teach. 2001;16(1):16-23.
2.
Tekian A, McGuire CH, McGaghie WC. Innovative Simulations for Assessing Professional Competence. Chicago: University of Illinois at Chicago, Department of Medical Education; 1999.
3.
Issenberg SB, McGaghie WC, Hart IR, Mayer JW, Felner JM, Petrusa ER, Waugh RA, Brown DD, Safford RR, Gessner IH, Gordon DL, Ewy GA. Simulation technology for health care professional skills training and assessment. JAMA. 1999;282(9):861-866. DOI: 10.1001/jama.282.9.861 Externer Link
4.
McGaghie WC, Issenberg SB, Petrusa ER, Scalese RJ. A critical review of simulation-based medical education research: 2003-2009. Med Educ. 2010;44(1):50-63. DOI: 10.1111/j.1365-2923.2009.03547.x Externer Link
5.
Issenberg SB, Ringsted C, Ostergaard D, Dieckmann P. Setting a research agenda for simulation-based healthcare education: a synthesis of the outcome from an Utstein style meeting. Simul Healthc. 2011;6(3):155-167. DOI: 10.1097/SIH.0b013e3182207c24 Externer Link
6.
Issenberg SB, McGaghie WC, Petrusa ER, Lee Gordon D, Scalese RJ. Features and uses of high-fidelity medical simulations that lead to effective learning: a BEME systematic review. Med Teach. 2005;27(1):10-28. DOI: 10.1080/01421590500046924 Externer Link
7.
Schnabel KP, Boldt PD, Breuer G, Fichtner A, Karsten G, Kujumdshiev S, Schmidts M, Stosch C. Konsensusstatement "Praktische Fertigkeiten im Medizinstudium" – ein Positionspapier des GMA-Ausschusses für praktische Fertigkeiten. GMS Z Med Ausbild. 2011;28(4):Doc58. DOI: 10.3205/zma000770 Externer Link
8.
Segarra LM, Schwedler A, Weih M, Hahn EG, Schmidt A. Der Einsatz von medizinischen Traniningszentren für die Ausbildung zum Arzt in Deutschland, Österreich und der Schweiz. GMS Z Med Ausbild. 2008;25(2):Doc80. Zugänglich unter/available from: http://www.egms.de/static/de/journals/zma/2008-25/zma000564.shtml Externer Link
9.
Damanakis A, Stibane T, Klose KJ. Ein Statusreport über Skills Labs als Institutionen zum Erlernen praktischer und kommunikativer Fertigkeiten in der medizinischen Ausbildung; Dissertation. (noch nicht abgeschlossen)
10.
Norman G, Dore K, Grierson L. The minimal relationship between simulation fidelity and transfer of learning. Med Educ. 2012;46(7):636-647. DOI: 10.1111/j.1365-2923.2012.04243.x Externer Link
11.
Hahn EG, Fischer MR. Nationaler Kompetenzbasierter Lernzielkatalog Medizin (NKLM) für Deutschland: Zusammenarbeit der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA) und des Medizinischen Fakultätentages (MFT). GMS Z Med Ausbild. 2009;26(3):Doc35. DOI: 10.3205/zma000627 Externer Link
12.
Bundesministerium für Gesundheit. Approbationsordnung für Ärzte vom 27. Juni 2002. Bundesgesetzbl. 2002;I(44):2417ff.