gms | German Medical Science

GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Der “Assessment Drives Learning”-Effekt beim Training klinisch-praktischer Fertigkeiten - Implikationen für die Curriculumsgestaltung und die Planung von Ressourcen

Forschungsarbeit Humanmedizin

  • author Beate Buss - Universitätsklinikum Heidelberg, Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik, Zentrum für Psychosoziale Medizin, Heidelberg, Deutschland
  • author Markus Krautter - Nierenzentrum Heidelberg und Sektion der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg, Heidelberg, Deutschland
  • author Andreas Möltner - Medizinische Fakultät Heidelberg, Kompetenzzentrum für Prüfungen in der Medizin/Baden-Württemberg, Heidelberg, Deutschland
  • author Peter Weyrich - UniversitätsklinikumTübingen, Department für Innere Medizin IV (Endokrinologie und Diabetologie, Angiologie, Nephrologie und Klinische Chemie), Tübingen, Deutschland
  • author Anne Werner - Universitätsklinikum Tübingen, Department für Innere Medizin VI (Psychosomatische Medizin und Psychotherapie), Tübingen, Deutschland
  • author Jana Jünger - Universitätsklinikum Heidelberg, Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik, Zentrum für Psychosoziale Medizin, Heidelberg, Deutschland
  • corresponding author Christoph Nikendei - Universitätsklinikum Heidelberg, Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik, Zentrum für Psychosoziale Medizin, Heidelberg, Deutschland

GMS Z Med Ausbild 2012;29(5):Doc70

doi: 10.3205/zma000840, urn:nbn:de:0183-zma0008407

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2012-29/zma000840.shtml

Eingereicht: 21. Oktober 2011
Überarbeitet: 4. Juni 2012
Angenommen: 30. September 2012
Veröffentlicht: 15. November 2012

© 2012 Buss et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Zielsetzung: Die Vermittlung klinisch-praktischer Fertigkeiten ist von entscheidender Bedeutung für die Berufsfähigkeit angehender Ärzte. Prozedurale Fertigkeiten werden dabei häufig zu allererst in sogenannten Skills-Labs trainiert, die eine geschützte Lernumgebung gewährleisten. Die Implementierung und auch Pflege von Skills-Labs stellt allerdings eine nicht geringfügige finanzielle Herausforderung dar. Aus diesem Grund hat sich die vorliegende Arbeit zum Ziel gesetzt, die Besuchsfrequenzen und –muster im Rahmen freiwilliger Skills-Lab-Unterrichtseinheiten zu untersuchen, um folgende Frage zu beantworten: Kann der in der Literatur beschriebene, motivationspsychologische Effekt des “Assessment drives learning” festgestellt werden und spiegelt sich dieser in dem Besuchsverhalten von Studierenden in freiwilligen Skills-Lab-Unterrichtseinheiten wider? Ausgehend von den Studienergebnissen sollen Empfehlungen für die Curriculumsplanung und das Ressourcenmanagement abgeleitet werden.

Methode:. Eine retrospektive, deskriptive Analyse studentischen Inanspruchnahmeverhaltens sowohl von freiwilligen „Basic“- als auch „Advanced“ Skills-Lab-Unterrichtseinheiten wurde durchgeführt. Hierzu wurden Teilnahmemuster von 340 Medizinstudierenden des dritten Studienjahres verschiedener Jahrgänge an der Medizinischen Fakultät Heidelberg näher untersucht.

Ergebnisse: Die Studierenden zeigten besonders zu Beginn und am Ende des Semesters eine Präferenz für die Teilnahme an freiwilligen “Basic“ Skills-Lab-Unterrichtseinheiten, die für die klinisch-praktische Prüfung relevant sind. Freiwillige “Advanced“ Skills-Lab”-Unterrichtseinheiten ohne Bezug zur klinisch-praktischen Prüfung wurden vor allem zu Beginn des Semesters genutzt, mit einem Rückgang der Besuche gegen Ende des Semesters.

Fazit: Die Ergebnisse zeigen einen deutlichen Einfluss klinisch-praktischer Prüfungen auf die studentischen Teilnahmen an Skills-Lab-Unterrichtseinheiten. Empfehlungen für die Planung des Curriculums und das Ressourcenmanagement werden dargestellt. Weitere, prospektive Studien sind erforderlich, um ein umfassenderes Verständnis motivationaler Faktoren zu entwickeln, die Studierende dazu veranlassen, freiwillige Skills-Lab-Unterrichtseinheiten zu besuchen. Damit kann eine noch erfolgreichere Abstimmung zwischen studentischen Anforderungen und Fakultätsangeboten sowie ein effizientes Ressourcenmanagement erzielt werden.

Schlüsselwörter: OSCE, Skills-Lab, assessment drives learning, Curriculum-Gestaltung, Ressourcenmanagement


Einleitung

Der Erwerb klinisch-praktischer Fertigkeiten ist für angehende Ärzte von zentraler Bedeutung. Erste “Skills-Labs” für das Training klinisch-praktischer Fertigkeiten wurden in den frühen 1970er Jahren an den Universitäten von Illiniois, USA [1] und Maastricht, in den Niederlanden [2] gegründet. Seitdem erfuhren Skills-Labs eine weltweite Verbreitung [3], [4], [5]. Skills-Labs ermöglichen Studierenden einen strukturierten Erwerb klinisch-praktischer Kompetenzen unter standardisierten und geschützten Rahmenbedingungen, wobei das Training sowohl unter den Studierenden selbst stattfinden kann [6] als auch mit Hilfe von Mannequins [7] oder auch Standardisierten Patienten [8]. Das Skills-Lab Training ist unter Studierenden sehr geschätzt [9] und führt auch zu einer häufigeren Durchführung klinisch-praktischer Fertigkeiten auf der Patientenstation [10]. Die Vermittlung klinisch-praktischer Fertigkeiten durch studentische Tutoren ist dabei qualitativ dem dozentengeleiteten Skills-Lab Training als gleichwertig anzusehen, was nachfolgend zu einer erfolgreichen Etablierung von Peer-Tutorenprogrammen an medizinischen Fakultäten führte [11], [12]. Wenngleich das Training klinisch-praktischer Fertigkeiten im Skills-Lab ein hohes Lernpotential in sich birgt [13], [14], [15], werden vor allem in Hinblick auf Personal, Simulatoren, Infrastruktur und Verbrauchsmaterialen hohe Anforderungen an personelle und finanzielle Ressourcen gestellt. Diese Aspekte mögen unter anderem dazu beitragen, dass das Medizinstudium deutlich mehr Kosten hervorruft als jede andere Studiendisziplin. Im Jahr 2008 wurden die finanziellen Aufwendungen für einen Studierenden, um einen Abschluss in Medizin zu erlangen, durch das Statistische Bundesamt auf 218.900 Euro beziffert [16]. Diese Kostenkalkulation entspricht in etwa der für ein Medizinstudium in Großbritannien [17]. In Hinblick auf diesen Sachverhalt, erlangt das Ressourcenmanagement eine zunehmende Bedeutung für die Curriculum-Gestaltung, insbesondere für den Bereich der Simulation, um eine effiziente und evidenzorientierte Nutzung finanzieller Rahmenbedingungen zu gewährleisten [18].

In der aktuellen Literatur finden sich unserem Wissen nach keine Studien, die die Nutzung von Skills-Lab Unterrichtseinheiten in Hinblick auf eine dem Training nachfolgende klinisch-praktische Prüfung, die dem Prinzip des “constructive alignement” [19] auf der entsprechenden Stufe der Miller-Pyramide [20] folgt, untersuchen. Als ersten Schritt für eine effizientere Ressourcenplanung wurde an der Medizinischen Fakultät Heidelberg eine retrospektive Analyse des studentischen Inanspruchnahmeverhaltens in Bezug auf freiwillige Skills-Lab Unterrichtseinheiten durchgeführt. Als theoretischer Rahmen diente das in der Literatur dokumentierte Konstrukt des “assessment drives learning” [21], [22]. In Anlehnung hieran nahmen wir an, dass eine klinisch-praktische Prüfung im Sinne eines OSCE (objective structured clinical examination [23], [24]) zu einer vermehrten Inanspruchnahme freiwilliger Skills-Lab Unterrichtsveranstaltungen führt, die prüfungsrelevante Inhalte vermitteln, im Vergleich zu Skills-Lab Unterrichtseinheiten, die keine OSCE-relevanten Themen behandeln.


Methode

Didaktische Rahmenbedingungen

Das Interdisziplinäre Skills-Lab Curriculum an der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg bietet Skills-Lab Unterrichtseinheiten vom ersten Semester bis zum Ende des Studiums an. Das Skills-Lab Training der Inneren Medizin ist dabei in dieses longitudinale Curriculum integriert und findet während des sechsten bzw. siebenten Semesters als Teil der verpflichtenden Rotation im Medizinstudium statt. Vorlesungen (8 Stunden pro Woche), Seminare der internistischen Fachdisziplinen (8 Stunden pro Woche), Problem-based Learning-Tutorien (2 Stunden pro Woche) sowie Einsätze auf der Patientenstation (2 Stunden pro Woche) sind weitere wesentliche didaktische Elemente in der studentischen Ausbildung in der Inneren Medizin. Der didaktische Rahmen des Skills-Lab Trainings basiert auf der curriculären Integration, der Anwendung des Peyton's Four-Step Approach [25], der Durchführung von Rollenspielen in kontextbasierten Lernszenarios sowie dem konstruktiven Feedback durch Mitstudierende sowie durch medizinisches Fachpersonal [26].

Das Skills-Lab Training der Inneren Medizin setzt sich aus folgenden drei Kurstypen zusammen:

1.
Obligatorisches Basic Skills-Lab Training: Einmal pro Woche werden Unterrichtseinheiten von je 90 Minuten zu verschiedenen Themenkomplexen angeboten. Die Unterrichtseinheiten werden in kleinen Gruppen von bis zu 6 Studierenden unterrichtet und durch klinisches Fachpersonal geleitet (Studenten/Dozenten Relation=6:1)
2.
Fakultatives Freies Üben von Basic Skills: Zweimal die Woche wird das fakultative Freie Üben für je 90 Minuten angeboten. Die Lehrinhalte sind identisch mit den in den obligatorischen Skills-Lab Unterrichtseinheiten trainierten Skills und relevant für die OSCE Prüfung am Ende der Rotation. Die durchschnittliche Studierenden/Tutoren-Relation liegt bei 5:1. Das fakultative Freie Üben von Basic Skills wird sowohl durch klinisches Fachpersonal als auch studentische Tutoren geleitet.
3.
Fakultative Advanced Skills-Lab Unterrichtseinheiten: Diese beginnen in der zweiten Woche des Semesters und werden als einzelne Unterrichtseinheiten von je 90 Minuten angeboten. Sie beziehen sich auf spezifische, komplexe klinisch-praktische Fertigkeiten, die ein tieferes Interesse an dem Fachgebiet der Inneren Medizin voraussetzen. Die fakultativen Advanced Skills-Lab Unterrichtseinheiten bieten die Möglichkeit, komplexere klinisch-praktische Fertigkeiten zu erwerben. Die Lernziele dieser Unterrichtseinheiten gehen dabei in Komplexität und Schwere über die regulären Lernziele hinaus. Fakultative Advanced Skills-Lab Unterrichtseinheiten werden ausschließlich von ärztlichem Fachpersonal geleitet. Das durchschnittliche Studenten/Lehrende- Verhältnis liegt bei 5:1.

Die folgende Tabelle 1 [Tab. 1] zeigt die angebotenen Skills-Lab Unterrichtseinheiten.

Das Verhältnis zwischen obligatorischen und fakultativen Unterrichtseinheiten im Rahmen der internistischen Rotation liegt bei ca. 22 obligatorischen Einheiten im Vergleich zu mindestens 6 freiwilligen Unterrichtseinheiten pro Woche, wovon ca. 4 Einheiten fakultatives Freies Üben von Basic Skills und 2 Einheiten fakultative Advanced Skills-Lab Unterrichtseinheiten sind.

Studiendesign

Um die oben angeführte wissenschaftliche Fragestellung beantworten zu können, wurde eine retrospektive, deskriptive Analyse der studentischen Teilnahmen an den angebotenen freiwilligen Skills-Lab Unterrichtseinheiten durchgeführt. Alle Studierenden des sechsten und siebenten Semesters (n=340), die die obligatorische halbjährige Rotation in der Inneren Medizin an der Universitätsklinik Heidelberg absolvierten und damit auch den Skills-Lab Unterricht besuchten, wurden in die Studie einbezogen.

Die Teilnahme an den verschiedenen Skills-Lab Unterrichtseinheiten wurde durch das administrative Fachpersonal des Skills-Labs registriert. Um eine aussagekräftige Stichprobe zu erhalten, wurden Teilnehmer von zwei Semestern - Wintersemester 2009/2010 und Sommersemester 2010 - hinsichtlich Ihrer Inanspruchnahme freiwilliger Skills-Lab Angebote erfasst.

Statistische Analyse

Für die statistische Analyse der Daten wurde das „Statistical Package for the Social Sciences“ (SPSS, Version 17.0 SPSS Inc., Chicago, IL, USA) verwendet. Der Vorzeichentest wurde für die Identifikation von übergreifenden Unterschieden zwischen der Anzahl der Teilnahmen an fakultativem Freien Üben von Basic Skills im Vergleich zu Teilnahmen an fakultativen Advanced Skills-Lab Unterrichtseinheiten durchgeführt. Um mögliche Zeiteffekte in der Inanspruchnahme der beiden verschiedenen fakultativen Skills-Lab Angebote zu identifizieren, wurden Unterschiede in der mittleren Anzahl an Teilnahmen durch den non-parametrischen Vorzeichentest für die Wochen 2 bis 10 geprüft, die Zeitspanne in der beide freiwilligen Skills-Lab Arten angeboten wurden. Für alle Tests galt p<0,05 als statistisch signifikant.


Ergebnisse

Stichprobe

Die untersuchte Stichprobe umfasste n=340 Studierende (134 männlich, 206 weiblich; Alter: 24,7±3,32 Jahre). Es resultierten 941 Teilnahmen an freiwilligen Skills-Lab Unterrichtseinheiten über beide Semester hinweg und für beide Arten von fakultativen Skills-Lab Trainings (fakultatives Freies Üben von Basic Skills und fakultatives Advanced Skills-Lab Training), die in die statistischen Analysen einbezogen wurden.

Teilnahme an fakultativen Skills-Lab Unterrichtseinheiten

Die mittlere Anzahl von studentischen Teilnahmen an fakultativen Skills-Lab Unterrichtseinheiten pro Student zeigt eine im Durchschnitt höhere studentische Teilnahme an fakultativem Freien Üben von Basic Skills (1,84±1,91 Teilnahmen) als an fakultativen Advanced Skills-Lab Unterrichtseinheiten (0.92±1.17 Teilnahmen; p<0.001).

Abbildung 1 [Abb. 1] stellt die durchschnittlich registrierte Anzahl an studentischen Teilnahmen pro Student an fakultativen Skills-Lab Unterrichtseinheiten während der Wochen 2 bis 10 dar. Während zu erkennen ist, dass fakultatives Freies Üben von Basic Skills insbesondere in den ersten Semesterwochen (Wochen 3 bis 5) und am Ende der Rotation in der Inneren Medizin (Wochen 7 bis 10) mit einem Peak in Woche 9 (kurz vor der OSCE Prüfung) intensiv genutzt wird, sinkt die Anzahl an studentischen Teilnahmen an fakultativen Advanced Skills-Lab Unterrichtseinheiten kontinuierlich und ist am Ende in Woche 10 gleich Null.


Diskussion

Rudland et al. [27] konnten zeigen, dass die Durchführung einer klinisch-praktischen Prüfung im Sinne eines OSCE nicht dazu führt, dass die Prüfungsvorbereitung durch die Studierenden Tätigkeiten in einem klinischen Setting intensiviert. Vielmehr wird durch die Autoren das große Potential kollaborativer und effizienter Lernstrategien zur Prüfungsvorbereitung beleuchtet. Die hier vorliegende Studie repräsentiert die erste uns bekannte Untersuchung, die den Einfluss einer OSCE-Prüfung auf das Inanspruchnahmeverhalten freiwilliger Skills-Lab Unterrichtseinheiten genauer beleuchtet. Dabei konnte gezeigt werden, dass freiwillige Skills-Lab Unterrichtseinheiten mit prüfungsrelevanten Inhalten (fakultatives Freies Üben von Basic Skills) über die gesamte studentische Rotation hinweg stark frequentiert werden, mit einer Zunahme gegen Ende der Rotation, die mit einem 12-Stationen-OSCE beschlossen wird. Dabei wird der Effekt des “assessment drives learning” auf das Inanspruchnahmeverhalten der Skills-Lab Unterrichtseinheiten im Sinne eines “hidden curriculum” wirksam [28]. Dieser “assessment drives learning” Effekt sollte in Bezug auf eine zukünftige Ressourcenplanung als bedeutender Faktor mit berücksichtigt werden, der die Inanspruchnahme freiwilliger Skills-Lab Unterrichtseinheiten nachhaltig beeinflusst. In ähnlicher Weise scheint die Abnahme der Frequentierung von Skills-Lab Unterrichtseinheiten mit nicht prüfungsbezogenen Lerninhalten (fakultative Advanced Skills) gegen Ende der Rotation die Beziehung zwischen OSCE-Prüfung und dem studentischen Inanspruchnahmeverhalten zu untermauern. Die Ergebnisse zeigen die Wichtigkeit eines “constructive alignments” [19] von Skills-Lab Unterrichtseinheiten mit korrespondierenden Prüfungsformaten sowie einem hierzu passenden freiwilligen Trainingsangebot.

Die mit der vorliegenden Studie gewonnenen Ergebnisse haben klare Implikationen für die curriculäre Gestaltung als auch die Ressourcenplanung. Für OSCE-relevante fakultative Skills-Lab Unterrichtseinheiten (hier: fakultatives Freies Üben von Basic Skills) müssen Räume, Personal und Material vor allem gegen Ende der Rotation zur Verfügung gestellt werden. Wenngleich OSCE-relevante, freiwillige Skills-Lab Unterrichtseinheiten über die ganze Rotation hinweg zur Verfügung gestellt werden sollten, können diese in der Mitte der Rotation mit geringerem Umfang und weniger Raum-, Personal- und Materialressourcen angeboten werden. Freiwillige nicht-prüfungsrelevante Skills-Lab Unterrichtseinheiten (hier: fakultative Advanced Skills) können gegen Ende der Rotation in der Anzahl reduziert werden. Es ist anzunehmen, dass diese Neugestaltung freiwilliger Skills-Lab Angebote eine Kostenreduktion in Hinblick auf den zu bestreitenden Personal- und Materialaufwand erlaubt.

Über Aspekte der zeitlichen Neugestaltung des Curriculums hinaus, sollten weiterführende Lernangebote diskutiert werden, z.B. Zwischenevaluationen, innerhalb derer die Studierenden ihre klinisch-praktischen Fertigkeiten während des Lernprozesses bereits in Vorbereitung auf den OSCE überprüfen können. Solch ein Ansatz korrespondiert mit der Bedeutung, die Duvivier et al. [29] dem wiederholten Üben von klinischen Fertigkeiten sowie der Notwendigkeit der direkten Supervision und des Feedbacks zuschreiben, eine wesentliche Maßnahme zur Steigerung von Lernmotivation. In der Literatur werden vorbereitende Zwischenevaluationen innerhalb eines Kurses aufgrund ihres hohen Potentials für den langfristigen Lernerfolg, intensiv seit vielen Jahren diskutiert [30].

Über die vorgestellten Ergebnisse hinaus, die die Hypothese eines “assessment drives learning” Effekts bestätigen zu scheinen, ist es nicht so einfach, die hohe Frequentierung prüfungsrelevanter Skills-Lab Unterrichtseinheiten (hier: fakultatives Freies Üben von Basic Skills) zu Beginn des Semesters zu erklären. Dieses Ergebnis mag eher auf Prozesse im Sinne des “self-directed learning” [31] zurückzuführen zu sein. Vergleichbar mit der Inanspruchnahme nicht-prüfungsrelevanter Skills-Lab Unterrichtseinheiten (hier: fakultativer Advanced Skills), nahm die Frequentierung prüfungsbezogener freiwilliger Skills-Lab- Unterrichtseinheiten (hier: fakultatives Freies Üben von Basic Skills) bis Woche 3 der Rotation kontinuierlich zu und fiel bis Woche 6 zu einem absoluten Tiefpunkt ab. Dementsprechend könnten die ersten Wochen als eine Art Orientierungsverhalten verstanden werden, innerhalb dessen die Studierenden ihren Lernbedarf und ihre Lernziele zu definieren versuchen. Die Mitte der Rotation stellt möglicherweise eine Phase dar, in der eine Priorisierung der Lerninhalte stattfindet und Lernstrategien festgelegt und ausgewählt werden. Andere Lernfelder wie das Training auf Stationen rücken in dieser Phase des Semesters möglicherweise mehr in den Fokus der Medizinstudierenden. In der letzten Phase des Semesters treten Aspekte der Vorbereitung auf die Evaluation des Lernerfolgs und hierfür notwendige Strategien völlig in den Vordergrund. Die vorliegenden Beobachtungen zum Verlauf der Teilnahmen an freiwilligen Skills-Lab Einheiten über das Semester hinweg, lassen sich somit auch im Sinne eines “self-directed learning” Prozesses verstehen, wobei die getroffenen Annahmen in weiterführenden Untersuchungen verifiziert werden sollten.

Weiterhin sollte der Einfluss anderer Lernstrategien wie die des „patient-contact learnings“, näher berücksichtigt werden. So konnten Bokken et al. [32] zeigen, dass bei Studierenden, die sich für reale Patienten verantwortlich fühlen die Motivation für das Selbststudium bereits vor dem ersten Patientenkontakt steigt. An der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg wird das obligatorische und freiwillige Skills-Lab Training in der Inneren Medizin von Unterrichtseinheiten auf den Patientenstationen begleitet. Unsere Daten könnten dabei als Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen dem insbesondere starken Anstieg der Inanspruchnahme fakultativer Skills-Lab Unterrichtseinheiten zu Beginn des Semesters und der durch die Studierenden wahrgenommenen Verantwortung für von ihnen betreute Patienten hinweisen. Der Patientenzentrierte Lernansatz sollte in weiteren Studien vertieft untersucht werden, insbesondere bezüglich des Einflusses auf das Lernverhalten der Medizinstudenten im Zusammenhang mit freiwilligen Skills-Lab Angeboten.

Eine Einschränkung der Aussagekraft unserer aktuellen Studie ist darin zu sehen, dass keine Aussagen bezüglich kausaler Aspekte im Zusammenhang mit der studentischen Inanspruchnahme freiwilliger Skills-Lab Angebote getroffen werden können. So wurde in der aktuellen Studie nicht analysiert, ob die Gruppe der Studierenden, die freiwillige Skills-Lab Angebote wahrnimmt, durch eine spezifische motivationale Haltung, bestehenden oder wenig vorliegenden Vorerfahrungen mit dem Training klinisch-praktischer Fertigkeiten oder einer reduzierten Selbstwirksamkeitserwartung charakterisiert ist. Darüber hinaus wurden intrinsische motivationale Faktoren wie Lifestyle-Faktoren, z.B. die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit neben dem Studium, welche in der Literatur als relevant für die Teilnahme von Studierenden an universitären Lehrveranstaltungen (Vorlesungen wie Seminare) gesehen werden [33], [34], nicht berücksichtigt. Auch diese Aspekte sind in der aktuellen Literatur nicht ausreichend erforscht und sollten in weiteren prospektiven Studien näher beleuchtet werden. Die von uns dargestellte Studie war in diesem Sinne ein erster Schritt auf dem Weg zu einer kosteneffektiveren Gestaltung von Skills-Lab Curricula.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die hier dargestellte Studie zum ersten Mal den Effekt des “assessment drives learning” für die Teilnahme an freiwilligen Skills-Lab Angeboten zeigt. Damit liefert die Studie einen substantiellen Beitrag zur Erkennung von typischem Inanspruchnahmeverhalten von Studierenden bei freiwilligen Skills-Lab Unterrichtseinheiten im Zusammenhang mit einer sich anschließenden OSCE Prüfung und erlaubt damit eine Adaptation von Curricula. Es wäre der Wusch, dass sich unter Berücksichtigung unserer Studienergebnisse Kosten für die Administration und Verbrauchsmaterialien bei der Betreibung von Skills-Labs reduzieren lassen. Ungeachtet dessen sind weitere Studien, insbesondere bezüglich motivationaler Aspekte und bestehender Vorerfahrungen von Studierenden notwendig, um ein tieferes Verständnis des studentischen Inanspruchnahmeverhaltens im Zusammenhang mit Skills-Lab Unterrichtseinheiten zu erhalten.


Hinweise zu den Autoren

  • Dr. B. Buß. ist an der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg tätig und verantwortlich für organisatorische und forschungsrelevante Themen des Skills-Lab Trainings an der Medizinischen Fakultät.
  • Dr. med. M. Krautter ist an der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg tätig und in Themen der medizinischen Lehrforschung, insbesondere auf dem Gebiet des Skills-Lab Trainings sowie der Lehre im Praktischen Jahr involviert.
  • Dr. A. Möltner ist am Kompetenzzentrum Prüfungen in der Medizin tätig und verantwortlich für die Evaluation medizinischer Prüfungen sowie die Durchführung statistischer Analysen von Forschungsprojekten.
  • PD Dr. med. P. Weyrich arbeitet am Universitätsklinikum der Universität Tübingen und ist dort u.a. für die Ausbildung im interdisziplinären Skills-Lab (DocLab) zuständig sowie für die medizinische Ausbildung im Praktischen Jahr.
  • Dr. med. A. Werner ist am Universitätsklinikum der Universität Tübingen tätig und verantwortlich für das Programm – Standardisierte Patienten – sowie die medizinische Ausbildung im Bereich der vorklinischen sowie klinischen Fächer.
  • PD Dr. med. J. Jünger, MME ist am Universitätsklinikum der Universität Heidelberg verantwortlich für das Lehrprogramm der Medizinischen Klinik. Sie ist Lehrkoordinatorin und leitet das Kompetenzzentrum Prüfungen in der Medizin/ Bad.-Württ.
  • Dr. med. C. Nikendei, MME arbeitet am Universitätsklinikum der Universität Heidelberg und leitet u.a. das Interdisziplinäre Longitudinale Skills-Lab Curriculum. An der Medizinischen Klinik ist er verantwortlich für Skills-Lab Training sowie die Ausbildung von Medizinstudenten im Praktischen Jahr.

Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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