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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Prüfungen an den medizinischen Fakultäten - Qualität, Verantwortung und Perspektiven

Kommentar Humanmedizin

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  • corresponding author Martin R. Fischer - Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA), Ausschuss Prüfungen; Universität Witten/Herdecke, Fakultät für Gesundheit, Institut für Didaktik und Bildungsforschung im Gesundheitswesen, Witten, Deutschland
  • author Matthias Holzer - Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA), Ausschuss Prüfungen; Ludwig-Maximilians-Universität München, Medizinische Klinik Innenstadt, Bayerisches Kompetenznetzwerk Lehre in der Medizin, Kompetenzzentrum Prüfungen, München, Deutschland
  • author Jana Jünger - Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA), Ausschuss Prüfungen; Universität Heidelberg, Medizinische Fakultät, Medizinische Klinik, Kompetenzzentrum für Prüfungen in der Medizin in Baden-Württemberg, Heidelberg, Deutschland

GMS Z Med Ausbild 2010;27(5):Doc66

doi: 10.3205/zma000703, urn:nbn:de:0183-zma0007035

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2010-27/zma000703.shtml

Eingereicht: 24. Oktober 2010
Überarbeitet: 26. Oktober 2010
Angenommen: 26. Oktober 2010
Veröffentlicht: 15. November 2010

© 2010 Fischer et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Gliederung

Kommentar

Der Ausschuss Prüfungen der GMA hat zusammen mit dem Kompetenzzentrum für Prüfungen in der Medizin in Baden-Württemberg 2008 eine Leitlinie für Fakultäts-interne schriftliche Leistungsnachweise während des Medizinstudiums publiziert [1]. In der Folge wurde die Umsetzung dieser Leitlinie als Qualitätsstandard lebhaft diskutiert. Eine Umfrage zum Ist-Zustand der Prüfungen in fakultärer Verantwortung wurde im Auftrag des Medizinischen Fakultätentages (MFT) von Heidelberg aus durchgeführt und veröffentlicht [2]. Dabei wurde klar, dass bisher schriftliche Prüfungen im Multiple-Choice (MC) Format vorherrschen und eine Reihe von Verbesserungsmöglichkeiten im Sinne eines allgemeinen Qualitätsstandards für Planung, Fragenerstellung, Review, Durchführung, Auswertung und Ergebnismitteilung bestehen. Nur eine kleine Minderheit der Fächer setzt bisher klinisch-praktische Prüfungsformate wie den OSCE ein, wenn auch mittlerweile fast jede Fakultät in zumindest einem Fach einen OSCE durchführt. Eine Vergleichbarkeit der Noten zwischen den Fakultäten ist aufgrund formal und inhaltlich unterschiedlicher Prüfungen nicht gegeben. Zur Qualitätssicherung und zur Verbesserung des interfakultären Austausches wurden Kompetenznetzwerke für die medizinische Lehre gegründet – zunächst in Baden-Württemberg und dann in Bayern. Das Thema Prüfungen spielt dabei eine zentrale Rolle. Beide Netzwerke mit jeweils fünf medizinischen Fakultäten haben die Umsetzung der GMA-Leitlinien für fakultäre Prüfungen abgefragt [3], [4]. Erfreulicherweise werden die Leitlinien von allen Fakultäten beachtet und zu einem größeren Teil bereits umgesetzt. Wie bei der MFT-Umfrage [2] ergibt sich aber auch hier ein differenziertes Bild mit unterschiedlichen Umsetzungsrealitäten zwischen den Fakultäten.

Das Erreichte ist erfreulich, aber die Weiterentwicklung der Prüfungsqualität und der überfakultäre Austausch dazu gehören weiterhin ganz oben auf die Agenda. Niemand wird den medizinischen Fakultäten diese Arbeit abnehmen. Die Etablierung weiterer regionaler Kooperationsnetzwerke zwischen den Fakultäten ist wünschenswert – können doch dadurch neben aller politisch gewollten und notwendigen Konkurrenz die erforderlichen Synergien entstehen, um die Prüfungskultur weiter zu entwickeln wie in Baden-Württemberg und Bayern gezeigt werden konnte.

Ein Beispiel für Synergieeffekte ist die Zusammenarbeit zur Prüfungsfragenerstellung und zur Bewertung der Fragenqualität in einer überfakultären Datenbank. Diese Bemühungen tragen inzwischen an vielen Stellen Früchte. Hier sei stellvertretend für eine Reihe solcher Ansätze das Item-Managementsystem Medizin (IMS-Medizin) genannt, das inzwischen von 15 Fakultäten gemeinsam genutzt wird und vom Kompetenzzentrum in Heidelberg koordiniert wird. Wenn genug hochwertige Prüfungsfragen und OSCE-Stationen in einer Datenbank vorhanden sind, ist die Basis für überfakultäre Prüfungsverbünde und freiwillige interfakultäre Leistungsvergleiche vor dem schriftlichen 2. Staatsexamen mit entsprechenden Korrekturmöglichkeiten gelegt. Die Fragenerstellung und der Reviewprozess sind zentral elektronisch verfügbar. Zukünftig könnte die Veröffentlichung von Prüfungsinhalten bei einer entsprechend großen Zahl verfügbarer hochwertiger Fragen neu diskutiert werden. Der Schwarzhandel mit Altklausuren würde dann der Vergangenheit angehören. Die elektronische Prüfungsdurchführung ist ebenfalls bereits vielerorts etabliert. Die Entwicklung von überfakultären Standardlösungen liegt nahe und wird nicht mehr lange auf sich warten lassen. Wann wohl das schriftliche 2. Staatsexamen erstmals in elektronischer Form vom Institut für Medizinische und Pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP) durchgeführt werden wird?

Nur durch Überprüfung von Wissens und Kompetenzen, sowie einer geeigneten Rückmeldung dazu, ist Lernen sinnvoll möglich. Prüfungen stellen dabei eine Lerngelegenheit für Dozenten und Studierende dar. Allerdings sollte untersucht werden, wie die Rückmeldemodi gestaltet sein müssen, damit alle an den Prüfungen Beteiligten auch effektiv daraus lernen können. Formative Prüfungsformate leisten dazu einen wichtigen Beitrag – allen voran der Progresstest Medizin von der Charité - Universitätsmedizin Berlin, den inzwischen ein Drittel aller Medizinischen Fakultäten in Deutschland einsetzten. Solche Prüfungsinstrumente können über die Rückmeldefunktion zum Leistungsstand der Lernenden hinaus auch wichtige Beiträge zur curricularen Steuerung leisten, wie der Beitrag zum Progresstest aus München von Schmidmaier et al. [5] aufzeigt.

Der mündliche-praktische Teil des 2. Staatsexamens bedarf der besseren Strukturierung und Standardisierung. Hier entwickeln sich neue Kooperationen zwischen den Fakultäten und den zuständigen Landesprüfungsämtern, die sehr zu begrüßen sind. Die Schweiz erprobt derzeit ihr mündlich-praktisches Staatsexamen, das 2011 mit 12 bis 16 Prüfungsstationen verbindlich für alle Absolventen der Medizin sein wird. Damit ist im Gegensatz zu Deutschland dann eine überfakultäre Vergleichbarkeit nicht nur des in schriftlichen Prüfungen erfassbaren Wissens sondern auch der Fähigkeiten und Fertigkeiten möglich. Die Schweiz verfügt über einen nationalen Lernzielkatalog, auf dem die Prüfungsinhalte des mündlichen-praktischen Staatsexamens fußen. Durch den für die Medizin in Deutschland vom MFT und der GMA auf den Weg gebrachten Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin [6] arbeiten inzwischen 21 Arbeitsgruppen daran, die Voraussetzungen für eine solche nationale strukturierte mündlich-praktische Prüfung zu schaffen. Etwas Geduld bis zur Fertigstellung ist aber noch gefragt. Doch damit nicht genug: Die GMA und der Ausschuss Prüfungen sollten sich zukünftig auch verstärkt in Zusammenarbeit mit den Ärztekammern um die Qualität der Facharztprüfungen kümmern. Hier besteht erheblicher Weiterentwicklungsbedarf gerade auch im Vergleich zu den Nachbarländern Österreich und Schweiz, die beide einen erheblichen Qualitätsvorsprung im Hinblick auf Objektivität, Reliabilität und Validität der Facharztprüfungen aufzuweisen haben.

Es gilt also auf fakultärer, regionaler, nationaler und internationaler Ebene voneinander zu lernen und eine durchgehende Prüfungskultur in hoher Qualität zu etablieren. Hierzu ergeben sich Forschungsfragen in Hülle und Fülle. Es bleibt viel zu tun!


Literatur

1.
Gesellschaft für Medizinische Ausbildung, Kompetenzzentrum Prüfungen Baden-Württemberg, Fischer MR. Leitlinie für Fakultäts-interne Leistungsnachweise während des Medizinstudiums: Ein Positionspapier des GMA-Ausschusses Prüfungen und des Kompetenzzentrums Prüfungen Baden-Württemberg. GMS Z Med Ausbild. 2008;25(1):Doc74. Zugänglich unter/available from: http://www.egms.de/static/de/journals/zma/2008-25/zma000558.shtml Externer Link
2.
Möltner A, Duelli R, Resch F, Schultz JH, Jünger J. Fakultätsinterne Prüfungen an den deutschen medizinischen Fakultäten. GMS Z Med Ausbild. 2010;27(3):Doc44. DOI: 10.3205/zma000681. Zugänglich unter/available from: http://www.egms.de/static/de/journals/zma/2010-27/zma000681.shtml Externer Link
3.
Reindl M, Holzer M, Fischer MR. Durchführung der Prüfungen nach den Leitlinien des GMA-Ausschusses Prüfungen: Eine Bestandsaufnahme aus Bayern. GMS Z Med Ausbild. 2010;27(4):Doc56. DOI: 10.3205/zma000693. Zugänglich unter/available from: http://www.egms.de/static/de/journals/zma/2010-27/zma000693.shtml Externer Link
4.
Jünger J, Möltner A, Lammerding-Köppel M, Rau T, Obertacke U, Biller S, Narciß E. Durchführung der universitären Prüfungen im klinischen Abschnitt des Medizinstudiums nach den Leitlinien des GMA-Ausschusses Prüfungen: Eine Bestandsaufnahme der medizinischen Fakultäten in Baden-Württemberg. GMS Z Med Ausbild. 2010;27(4):Doc57. DOI: 10.3205/zma000694. Zugänglich unter/available from: http://www.egms.de/static/de/journals/zma/2010-27/zma000694.shtml Externer Link
5.
Schmidmaier R, Holzer M, Angstwurm M, Nouns Z, Reincke M, Fischer MR. Querschnittevaluation des Medizinischen Curriculums München (MeCuM) mit Hilfe des Progress Test Medizin (PTM). GMS Z Med Ausbild. 2010;27(5):Doc70. DOI: 10.3205/zma000707. Zugänglich unter/available from: http://www.egms.de/en/journals/zma/2010-27/zma000707.shtml Externer Link
6.
Hahn EG, Fischer MR. Nationaler Kompetenzbasierter Lernzielkatalog Medizin (NKLM) für Deutschland: Zusammenarbeit der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA) und des Medizinischen Fakultätentages (MFT). GMS Z Med Ausbild. 2009;26(3):Doc35. DOI: 10.3205/zma000627. Zugänglich unter/available from: http://www.egms.de/static/de/journals/zma/2009-26/zma000627.shtml Externer Link