gms | German Medical Science

GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

"Ruhm und Ehre" oder LOM für Lehre? - eine qualitative Analyse von Anreizverfahren für gute Lehre an Medizinischen Fakultäten in Deutschland

A qualitative study to investigate the acceptance of performance-based allocation of resources for the improvement of education at German medical schools

Forschungsarbeit/research article Humanmedizin

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GMS Z Med Ausbild 2010;27(3):Doc43

doi: 10.3205/zma000680, urn:nbn:de:0183-zma0006807

Eingereicht: 28. September 2009
Überarbeitet: 3. Dezember 2009
Angenommen: 21. Dezember 2009
Veröffentlicht: 17. Mai 2010

© 2010 Müller-Hilke.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Zielsetzung: Die Akzeptanz von Anreizverfahren für qualitativ gute Lehre an den Medizinischen Fakultäten Deutschlands zu ermitteln.

Methodik: Als Verfahren der qualitativen Analyse wurden Gruppeninterviews durchgeführt. Diese Interviews fanden an vier Medizinischen Fakultäten jeweils auf der Ebene der berufenen Professoren und des Mittelbaus statt. Die Auswertung erfolgte qualitativ und beinhaltet statistische Elemente.

Ergebnisse und Fazit: Die Ursachen für das Fehlen von Anreizverfahren für gute Lehre werden von berufenen Professoren und vom Mittelbau grundsätzlich unterschiedlich eingeschätzt. Während der Mittelbau am häufigsten die mangelnde Wertigkeit nennt, geben die Professoren mangelnde Messkriterien an. Obwohl „Ruhm und Ehre“ für beide Gruppen die größte Motivation für ein Engagement in der Lehre sind, wird Leistungsorientierte Mittelvergabe (LOM) als effektives Steuerelement anerkannt. Ein idealisiertes LOM für gute Lehre Konzept beinhaltet die Erarbeitung von Messkriterien im lokalen Konsens und die strikt zweckgebundene Verwendung von LOM für die Verbesserung der didaktischen Infrastruktur, für die hochschuldidaktische Weiterbildung der Dozenten und lehrwirksame Besetzung von Stellen.

Schlüsselwörter: LOM, Anreizsysteme, Messkriterien für gute Lehre

Abstract

Purpose: To investigate the acceptance of performance-based allocation of resources for the improvement of education at German medical schools.

Methods: As a means of qualitative analysis, group interviews were performed at four medical schools at the level of university professors and that of tenured or tenure-track scientists without a university professorship. The analysis of the interviews combined qualitative and statistical elements.

Results and Conclusions: Professors and tenured or tenure-track scientists cite different reasons for the lack of performance-based allocation of resources. While the scientists consider the low priority of students’ education to be the main reason, the professors most frequently name the lack of educational measurement systems. Fame and glory are considered by both professors and scientists to be superior motives for a commitment toward improving the quality of medical students’ education. However, performance-based allocation of resources is considered an effective steering mechanism. Ideally, each faculty should develop a local consensus on educational measurement systems. The allocations should be spent strictly on the improvement of the quality of education, e.g., by investing in the infrastructure and in the didactic qualification of teachers and by hiring highly qualified teaching personnel.

Keywords: performance-based allocation of resources, educational measurement system


Einleitung

Die kompetente Ausbildung junger Ärzte ist eine der Hauptaufgaben von Medizinischen Fakultäten und impliziert das Erreichen kognitiver, psychomotorischer und affektiver Lernziele auf den höchsten Ebenen. In der Realität verläuft die Vermittlung dieser Kompetenzen häufig suboptimal und die Gründe hierfür sind vielfältig. Sie reichen von unzureichenden Betreuungssituationen über mangelnde Lehrmittel bis hin zu ungenügender Motivation der Dozenten und werden durch die Ressourcenverknappung der öffentlichen Haushalte noch verstärkt. Die Fakultäten reagieren im Sinne der KapVO und teilen Abteilungen mit einem hohen Anteil an curriculärer Lehre mehr Personal zu. Anreizsysteme für innovative oder hochwertige Lehre sind jedoch immer noch die Ausnahme und man verlässt sich auf die intrinsische Motivation der Dozenten.

Um der Ressourcenverknappung der öffentlichen Haushalte zu begegnen, wächst die öffentliche Diskussion über Art und Umfang von leistungsorientierten Mittelzuweisungen, auch in Bezug auf die Lehre. Diesbezügliche Empfehlungen wurden mittlerweile sowohl vom Wissenschaftsrat als auch vom Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung, vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst in Baden-Württemberg sowie von einigen wenigen medizinischen Fakultäten und deren Studiendekanen erarbeitet [1], [2], [3], [4].

Der Stellenwert der Lehre ist aktuell in einem Umbruch begriffen, LOM für Lehre wird vom medizinischen Fakultätentag diskutiert [5] und der deutsche Hochschulverband plädiert in seinem Fachorgan für den Lohn guter Lehre [6]. An informierter Stelle werden mittlerweile nur noch die Unterscheidung von quantitativ und qualitativ sowie die Bemessungskriterien diskutiert [4], [5], [7].

Gute Lehre rückt also immer mehr in den Focus von Studierenden, Geldgebern und nicht zuletzt auch von Dozenten. Ein Anreizsystem für gute Lehre bedeutet nicht nur einen Motivationsschub für alle Dozenten und damit eine Steuerelement für die Fakultät, sondern sendet gleichzeitig ein Signal an die Studierenden und bietet die Möglichkeit, über innovative Konzepte im Wettbewerb um Landesmittel einen Standortvorteil zu erlangen.

Warum also hat sich LOM für gute und hochwertige Lehre bisher nicht durchgesetzt? Um dieser Frage nachzugehen und die Ängste und Einwände gegen LOM für Lehre abzubilden, wurde die vorliegende qualitative Untersuchung durchgeführt.


Methoden

Um die Akzeptanz von Anreizverfahren für gute Lehre zu ermitteln, wurden Gruppeninterviews an vier Medizinischen Fakultäten in Deutschland durchgeführt. Der Interviewleitfaden beinhaltete drei Kernfragen:

1.
Warum setzen sich Anreizverfahren für gute Lehre so schwer durch?
2.
Wie könnten leistungsorientiert für gute Lehre vergebene Mittel helfen, die Lehre nachhaltig zu verbessern?
3.
Was wäre für Sie persönlich ein Anreiz oder was motiviert Sie, sich in der Lehre zu engagieren?

Um einen möglichen Einfluss des Karrierestatus auf die Akzeptanz von Anreizverfahren für gute Lehre zu untersuchen, wurden diese drei Fragen in getrennten Interviews sowohl Vertretern des Mittelbaus als auch berufenen Professoren bzw. Entscheidungsträgern gestellt.

In Vorbereitung auf die Interviews wurden die Studiendekanate sämtlicher Medizinischer Fakultäten in Deutschland angeschrieben und um Auskunft gebeten, ob fakultätsintern leistungsorientierte Mittel (LOM) für gute Lehre vergeben werden und wenn ja, nach welchen Kriterien. Die vier für die Interviews ausgewählten Fakultäten sollten sich entweder aktiv in der Diskussion um LOM für gute Lehre befinden oder sie bereits im begrenzten Umfang etabliert haben. Ausgeschlossen wurden diejenigen Fakultäten, die LOM für gute Lehre bereits umfangreich umsetzen. Um möglichst vielseitige Argumente zum Thema zu erhalten, sollten die befragten Fakultäten außerdem unterschiedlichen Landesregierungen unterliegen und unterschiedlich viele Studierende ausbilden.

Die jeweilige Auswahl der Interviewpartner erfolgte dann durch die Studiendekanate. Wichtig für die Auswahl war, dass Vertreter der Vorklinik und der klinisch theoretischen Institute sowie klinisch tätige Ärzte und Vertreter der Zahnmedizin gewonnen werden konnten. Die Interviewpartner wurden jeweils im Vorfeld über die Hintergründe und Ziele des Interviews aufgeklärt, ihr Einverständnis zur Aufzeichnung mittels Videokamera und anonymisierten Auswertung wurde vor Beginn des jeweiligen Interviews eingeholt. Das Votum der lokalen Ethikkommission liegt vor.

Grundlegend für die Auswertung der vorliegenden Studie ist die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring, die durch quantitative Elemente ergänzt wurde [8]. Jedes Interview wurde zunächst mit Hilfe der Transcriva 2 Software (Bartas Technologies, MD, USA) wörtlich in normales Schriftdeutsch transkribiert. Anschließend wurden am Text mittels der MAX QDA Software (VERBI, Marburg, Deutschland) die jeweiligen Kodiereinheiten identifiziert und dann aus dem Material heraus die Auswertungskategorien festgelegt. Bei jedem weiteren Interview wurden die bereits entwickelten Auswertungskategorien in einer Rückkopplungsschleife überprüft, ggf. umbenannt, neue Kategorien gebildet oder in Überkategorien zusammengefasst. Nachfolgend wurden die Auswertungskategorien einer Reliabilitätsprüfung unterzogen. Der Cohen´s Kappa Koeffizient betrug 0,57. Die abschließende Quantifizierung der Argumente erfolgte aufgrund ihrer Nennung in unterschiedlichen Wortbeiträgen und war nicht auf die einmalige Nennung von einem Interviewpartner beschränkt. Für die Auswertung fanden lediglich bei der Auswahl der Textzitate der Nachdruck eines Arguments Berücksichtigung. Die abschließende Theoriebildung erfolgte induktiv.


Ergebnisse

Zur Situation der LOM für gute Lehre im Frühjahr 2009

Im Frühjahr 2009 vergeben 22 der 36 Medizinischen Fakultäten in Deutschland LOM für qualitativ gute Lehre und wenden dafür zwischen 0,4 und 4% der Landeszuweisungen für Forschung und Lehre auf. Ausnahmen bilden zwei Fakultäten, die 30% ihrer „freien Spitze“ bzw. alle „freien“ Mittel für die Lehre leistungsorientiert vergeben. Weitere Ausnahmen sind die Medizinischen Fakultäten in Baden-Württemberg, wo 8% der jährlichen Landeszuweisung leistungsorientiert für gute Lehre zugewiesen werden (gemessen werden IMPP Ergebnisse, Teilnahmen an hochschuldidaktischen Weiterbildungen sowie von zertifizierten Prüfern an den Staatsexamina). Eine Kappungsgrenze verhindert hier jährliche Schwankungen der Mittelzuweisung von mehr als eine Million Euro. Die verwendeten Messkriterien für gute Lehre und die Häufigkeiten ihrer Anwendung sind in Abbildung 1 [Abb. 1] zusammengefasst.

Für die Interviews wurden eine Medizinische Fakultät in Mecklenburg-Vorpommern mit einem Regelstudiengang und derzeit aktiver Diskussion um LOM für gute Lehre ausgewählt, eine Fakultät in Niedersachsen mit reformiertem Studiengang, die 2009 mit der Einführung von LOM für gute Lehre beginnen will, eine Fakultät mit ebenfalls reformiertem Studiengang in Nordrhein-Westfalen, wo die Landesregierung aktuell ein Anreizsystem für die Lehrqualität fordert und eine Fakultät in Baden-Württemberg mit deutlich reformiertem Regelstudiengang und externer, jedoch ohne interne LOM für gute Lehre .

Vergleichbarkeit der Interviews

Insgesamt wurden 18 berufene Professoren und 20 Vertreter des Mittelbaus interviewt. Abbildung 2 [Abb. 2] zeigt, dass unter den berufenen Professoren Vertreter der Vorklinik dominieren und beim Mittelbau die Klinisch tätigen Ärzte. Damit war die Verteilung der Teilnehmer in den beiden Interviewgruppen zwar leicht unterschiedlich, dennoch waren jeweils alle Bereiche vertreten.

Von den berufenen Professoren waren 16 Mitglied entweder des Fakultätsrats, oder der drei großen Kommissionen (Studium und Lehre, Haushalt und Struktur, Forschung) oder waren aktuell bzw. ehemals Studiendekane. Beim Mittelbau gab es nur fünf Vertreter ohne Erfahrung in Gremien. Alle anderen waren Mitglieder der großen Kommissionen oder des Senats, der Zulassungs-, Studiengebühren-, Ethik- oder Promotionskommission. Die Verteilung der Erfahrung in unterschiedlichen Gremien der akademischen Selbstverwaltung belegt sowohl für die Professoren als auch die Vertreter des Mittelbaus einen vergleichbaren Erfahrungshorizont und vergleichbares Engagement der Interviewpartner und erlaubt daher den Vergleich der Interviews auf den beiden Ebenen. Insgesamt gab es 8 Teilnehmer mit einschlägiger hochschuldidaktischer Qualifizierung, die sich unterschiedlich auf die Standorte und Interviews verteilen.

Warum setzen sich Anreizverfahren für gute Lehre so schwer durch?

Der Mittelbau gibt die mangelnde Wertigkeit der Lehre am häufigsten als Grund dafür an, dass sich Anreizverfahren für gute Lehre so schwer durchsetzen:

„Die Lehre ist nicht nur nachrangig (nach der Forschung), sondern die ist ja quasi ohne jeglichen Stellenwert."

Als zweithäufigster Grund wird genannt, dass die Medizinischen Fakultäten „falsche“ Prioritäten setzen: die Krankenversorgung steht an oberster Stelle, gefolgt von der Forschung, die – wenn erfolgreich und gut erbracht – durch LOM belohnt wird. Dieser Zustand wird dadurch perpetuiert, dass bei Berufungen die Forschungsleistung der Kandidaten im Vordergrund steht und die Lehre eine meist untergeordnete Rolle spielt. Ein Gesprächspartner beschreibt dieses Vorgehen so:

„Sieht man heute in Berufungsverhandlungen rein, scheint sich ein kleiner Wandel anzudeuten, dass auch ab und zu mal nach einem Lehrkonzept gefragt wird. Wobei es nicht unbedingt heißt, dass diesem auch besonders viel Wert zugeordnet wird. Das kann hinterher vielleicht das Zünglein an der Waage sein – ist aber eigentlich kein hartes Entscheidungskriterium.“

Als weiterer Beleg für eine mangelnde Wertigkeit und „falsche“ Priorisierung wird eine zweckwidrige Verwendung von Landesstellen, die den Kliniken gemäß der Kapazitätsverordnung zwar für die Lehre zugeteilt werden, aber in der Krankenversorgung aufgehen und somit ein Defizit bei der Lehre erzeugen, gesehen:

„Es gibt ja einen Stellenschlüssel, der berücksichtigt, dass Lehre betrieben wird. Die Stellen haben wir ja – das setzt sich nur in keiner Weise um!“

Mangelnde Messkriterien werden ebenfalls als Grund für fehlende Anreizverfahren in der Lehre genannt, wobei der Mittelbau studentische Evaluationen akzeptiert, wenn sie rücklaufoptimiert, personalisiert, transparent, homogen und sowohl zeitnah als auch retrospektiv durchgeführt werden. Als erstrebenswert werden Evaluationen durch Peers und als objektive Qualitätskriterien die Definition von Lernzielen und darauf abgestimmte Prüfungen erachtet.

Die Professoren geben als häufigsten Grund für das Fehlen von Anreizverfahren mangelnde Messkriterien für gute Lehre an:

„Es ist unwahrscheinlich schwierig zu beurteilen, woran man gute Lehre messen kann. Und nur wenn man das beurteilen und in irgendeiner Form messen kann, dann kann man das auch belohnen.“

Studentische Evaluationen werden als unzureichend und fragwürdig betrachtet, da die vom Dozenten verfolgten Ziele einer Lehrveranstaltung nicht zwingend mit den Erwartungen der Studierenden in Einklang zu bringen sind. Ein Gesprächspartner beurteilt studentische Evaluation wie folgt:

„…studentische Evaluation ist […] völlig unbrauchbar, weil es letztendlich eine Zufriedenheitsevaluation ist und ja im Prinzip mehr Stimmung misst als Qualität in der Lehre.“

Uneinigkeit besteht auch darüber, inwieweit IMPP Ergebnisse gute Lehre abbilden. Als akzeptable Kriterien wurden geringe Ausfallzeiten und geringe Studiendauer genannt, als erstrebenswert die Ausbildung von „guten Ärzten“ sowie die retrospektive Evaluation durch Studierende nach absolviertem Studium. Mangelnde Wertigkeit der Lehre und falsche Priorisierungen werden von den berufenen Professoren seltener als Ursachen für das Fehlen von Anreizverfahren für gute Lehre genannt. Allerdings bemängeln auch sie eine zweckwidrige Bewirtschaftung der Landesmittel, wodurch Gelder in die Ambulanzen fließen statt für eine Verteilung nach LOM Kriterien der Lehre zur Verfügung stehen. LOM für gute Lehre wurde auch aktiv abgelehnt, weil statt eines Belohnungssystems strukturelle Maßnahmen zur Verbesserung der Lehre ergriffen werden und „die Lehre mit sächlichen Dingen nicht verbessert werden kann.“

Einmalig wurden auch emotionale Hemmnisse dabei angeführt, die Lehre als letzte Bastion akademischer Freiheit dem gleichen Leistungsdruck wie dem Klinikalltag und der Forschung zu unterwerfen.

Insgesamt gab es auf diese Frage 99 Kodiereinheiten, die sich auf die 6 in Abbildung 3 [Abb. 3] dargestellten Kategorien verteilen. Alle Kategorien – bis auf die zuletzt erwähnte - wurden an allen Fakultäten genannt.

Wie könnten leistungsorientiert für gute Lehre vergebene Mittel helfen, die Lehre nachhaltig zu verbessern?

Der am häufigsten von den Professoren genannte Vorschlag beinhaltet die Flexibilisierung der Mittel, so dass die jeweilige Institution entscheiden kann, ob die leistungsorientiert erworbenen Mittel für die Ausstattung des skills labs, Anschaffung von Software oder für Personal eingesetzt werden. Am zweithäufigsten wird eine Verbesserung der Infrastruktur angestrebt:

„Wir brauchen Leute, die uns Zeichnungen anfertigen, wenn wir Skripte rausgeben, wir brauchen Bücher, wir brauchen mehr Lehrmittel.“

Am dritthäufigsten wird die hochschuldidaktische Förderung der Dozenten angeführt, die zweifach wirkt - direkt auf die Qualifikation der Lehrenden und indirekt durch den mit der Weiterbildung verbundenen Motivationsschub. Darüber hinaus wird die Bedeutung von LOM als Steuerelement anerkannt. Ein Interviewpartner pointiert das Ganze wie folgt:

„Geld schießt Tore.“

Der Mittelbau schlägt am häufigsten vor, die leistungsorientiert für gute Lehre erworbenen Mittel für mehr Stellen einzusetzen, um die für die Lehre verantwortlichen Mitarbeiter bei ihren anderen Verpflichtungen zu entlasten:

„Einen Lehrmentor pro Abteilung, der dann dafür da ist, die Jungassistenten auf den richtigen Weg zu bringen und zu begleiten.“

Fast genauso häufig wird gefordert, diese LOM ausschließlich in die Lehre zurückfließen zu lassen. Vorgeschlagen wurde auch, die für die Lehre vorgesehenen Landeszuweisungen kontrolliert für gute Lehre auszugeben. Z.B. könnte man die Stellenvergabe nach der Kapazitätsverordnung komplett aufheben und nur die tatsächlich von den einzelnen Einrichtungen erbrachten Lehrleistungen – bei entsprechender Qualität – vergüten. Die Aufhebung der Kapazitätsverordnung würde so viele Mittel freisetzen, die – wenn flexibel bewirtschaftet – die Finanzierung von Mitarbeitern wieder ermöglicht und sich somit gute Lehre richtig lohnt. Der Mittelbau befürwortet auch die Belohnung guter Lehre mit persönlichen Bonuszahlungen – weniger als Entgelt für die mit Vorbereitung verbrachten Überstunden, sondern als Zeichen der „persönlichen Würdigung für das, was ich da tue, was ich da reinhänge“.

Auf diese Frage gab es insgesamt 46 Kodiereinheiten, die in sieben Kategorien gruppiert wurden. Abbildung 4 [Abb. 4] gibt einen Überblick über die Verteilung der Antworten auf die einzelnen Kategorien. Keine Kategorie wurde an allen befragten Fakultäten genannt, keine nur einmalig.

Was wäre für Sie persönlich ein Anreiz oder was motiviert Sie, sich in der Lehre zu engagieren?

Sowohl für die befragten Professoren als auch für den Mittelbau ist es „eine Frage der Ehre“, Lehre gut zu machen (siehe Abbildung 5 [Abb. 5]). „Studierende zu kompetenten Ärzten auszubilden“, „Begeisterung und Interesse zu wecken“, „positives Feedback zu erhalten“ und „beliebt zu sein“ werden sowohl als Motivation als auch als Anreiz gesehen. Darüber hinaus geben Professoren den persönlichen Kontakt zu Studierenden und einen möglichen Einfluss auf einzelne Karrieren, sowie die Verbesserung der Fakultät und gute IMPP Ergebnisse als Motivation an. Vom Mittelbau wurde die Motivation genannt, über die Ausbildung zu guten Ärzten langfristig auch eine Verbesserung des Gesundheitssystems herbeizuführen. Sowohl der Mittelbau als auch die Professoren geben an, „intrinsisch für gute Lehre motiviert“ zu sein und „Spaß“ dabei zu haben, ihr Wissen und eine Botschaft an Studierende weiterzugeben. Dennoch wäre es ein Anreiz, persönliche Bonuszahlungen und eine höhere Wertschätzung zu erhalten. Vor allem der Mittelbau wünscht sich eine „Gleichstellung von Forschung und Lehre“, z.B. in Form von „Äquivalenzpunkten bei der Habilitation“ und der Vergabe von LOM. Die Aussicht auf „berufliche Sicherheit“ oder ein „Karrierepfad in der Lehre“ wird vor allem von Vorklinikern als Anreiz für ein Engagement in der Lehre gesehen, weil hier bisher allein „Impactpunkte und Drittmittel karriereförderlich wirken“ und die Lehre „eher hinderlich“ ist. „Symbolische Incentives“ und „LOM auf Institutionsebene“ wird ausschließlich von Professoren als Anreiz empfunden, den Mittelbau motiviert die mit einem Engagement in der Lehre verbundene „persönliche Weiterbildung“ und die „Bildung von Netzwerken“.

Auf diese Frage gab es insgesamt 121 Kodiereinheiten, die sich auf 10 Kategorien verteilen. Die Gesamtheit aller Kodiereinheiten, die sich in den verschiedenen Interviews ergaben, wurde in 22 Auswertungskategorien eingeteilt. Bei 20 dieser Kategorien (91%) wurde eine Sättigung der Argumente dahingehend erreicht, dass alle Kodiereinheiten diesen Kategorien zugeordnet werden konnten. Einzelnennungen von Kodiereinheiten gab es einmal bei Frage 1 (siehe Abbildung 3 [Abb. 3]) und einmal bei Frage 3 bei einer Unterkategorie zu „Ruhm und Ehre“.


Diskussion

Mit der vorliegenden Studie sollte die Akzeptanz von Anreizverfahren für qualitativ gute Lehre an vier Medizinischen Fakultäten in Deutschland ermittelt werden. Ein zentrales Ergebnis ist, dass den hier befragten Dozenten - egal ob Vertreter des Mittelbaus oder berufene Professoren – „Ruhm und Ehre“ wichtiger sind und häufiger als Motivation, sich in der Lehre zu engagieren genannt werden, als monetäre Anreize. Die sich wiederholenden Argumente deuten an, dass bereits mit den hier beschriebenen Interviews ein repräsentatives Meinungsbild erhalten wird. Wahrscheinlich ist aber auch, dass dieser Untersuchung eine Selektion von Teilnehmern zu Grunde liegt, die a priori der Lehre schon einen hohen Stellenwert einräumt. Umgekehrt wäre es aber ebenfalls möglich, dass der Widerspruch zu einer älteren Studie genau dieser Befragungsform geschuldet ist. In einer anonymen Fragebogenaktion wurden 2008 persönliche monetäre Bonuszahlungen als größter Anreiz für ein Engagement in der Lehre angegeben [9].

Die Frage nach akzeptablen Belohnungssystemen spiegelt die unterschiedlichen Bedürfnisse je nach Karrierestatus und nach fachlicher Spezialisierung wider. Die Professoren „können sich vorstellen“, dass eine „individuelle Gestaltung von Arbeitsverträgen mit Zielvereinbarungen im Bereich der Lehre einiges an der Motivation erreichen könnte“, ebenso wie LOM und ihre „Flexibilität im Stellenpool für die Mitarbeiter, die in der Lehre gut sind und deren Verträge auslaufen“. Dem Mittelbau ist es wichtiger, persönliche Wertschätzung für gute Arbeit zu erhalten bzw. einen persönlichen Gewinn zu erzielen. Hierzu zählen die gleichgewichtete Berücksichtigung von Lehre und Forschung bei der Habilitation, das Ersetzen einer Publikation durch Lehrprojekte, persönliche Gratifikationen für das Lehrengagement und die Berücksichtigung für Hilfswissenschaftlerstellen bei guter Lehre. Ein ernst gemeintes Anliegen, durch LOM nachhaltig die Lehre zu verbessern, muss daher nicht nur für transparente Bemessungskriterien sorgen, sondern auch den Bedürfnissen der Mitarbeiter auf allen Karrierestufen Rechnung tragen.

Obwohl sich standortspezifische Unterschiede mit dieser begrenzten Anzahl von Interviews pro Fakultät nicht herausarbeiten lassen, zeichnen sich deutliche Abweichungen zwischen den Argumenten der Professoren und des Mittelbaus zu den Ursachen für den Mangel an Anreizverfahren für gute Lehre ab. Während die Professoren auf die Frage nach den Ursachen das Fehlen von Messkriterien angeben und einen positiven verstärkenden Effekt durch LOM für Lehre nur dann sehen, „wenn man alle irgendwie mitnimmt“, kontert der Mittelbau, „wir haben sehr wohl Kriterien, die Qualität in der Lehre darstellen – wir sind nur nicht bereit, sie umzusetzen“. Diese divergierenden Standpunkte sollten als Kapital einer jeden Fakultät gewertschätzt und in der Diskussion um LOM für gute Lehre genutzt werden. Interessant in diesem Zusammenhang wäre auch eine Befragung von Studenten – was sie als belohnenswert erachten - sowie von Mitarbeitern der zuständigen Ministerien oder Kultusministerkonferenz, welche Anreizsysteme auf politischer Ebene umsetzbar sind.

Eine nachhaltige Verbesserung der Lehre erfordert sowohl kurzfristige als auch langfristige Strategien. Langfristig müssen die Wertigkeiten von Lehre und Forschung angeglichen werden und hier sind die Fakultäten in der Pflicht, glaubwürdige Signale auszusenden – z.B. bei Berufungen, der Einführung von Äquivalenzpunkten, der Etablierung von Karrierepfaden in der Lehre, etc. Außerdem sollte jede Fakultät für sich konsensfähige und transparente Messkriterien erarbeiten – nicht nur, um den drohenden Vorgaben durch die Länder zuvorkommen - sondern auch, weil LOM als kurzfristige Maßnahme wegen ihrer steuernden Wirkung unverzichtbar sind.

Obwohl die Vorstellungen darüber, wie LOM die Lehre nachhaltig verbessern könnten zwischen den Professoren und dem Mittelbau im Detail divergieren, hatten alle Befragten konkrete Vorschläge für den Einsatz von Finanzmitteln zur Verbesserung der Lehre. Einigkeit herrschte darüber, dass LOM für gute Lehre zweifach wirken: Zum einen wirken sie unmittelbar auf die Qualität der Lehre ein - durch didaktische Qualifizierung der Dozenten oder Investition in die Infrastruktur - zum anderen erhöhen persönliche Gratifikation oder LOM die Motivation der Dozenten. Um ein zukunftsfähiges LOM für Lehre Konzept erfolgreich umzusetzen, bedarf es einer innovativen Umverteilung der Landeszuschüsse und einer Budgettrennung von Krankenversorgung und Forschung und Lehre, so dass die Steuerung auch greifen kann. Da LOM als wirkungsvolles Steuerelement für die Forschung bereits akzeptiert sind, darf auf ihre Vergabe zur Verbesserung der Lehre nicht verzichtet werden – auch gute Lehre muss sich lohnen!


Schlussfolgerungen

Der am häufigsten genannte Einwand seitens der berufenen Professoren gegen LOM für Lehre ist der Mangel an Bemessungskriterien und spiegelt die Sorge der Entscheidungsträger wider, Gelder entlang neu zu definierender Kriterien fließen zu lassen. Der Mittelbau ist qua Karrierestatus veränderungsbereiter und offen für die Möglichkeit, sich über gute Lehre zu profilieren. Einig sind sich Professoren und Mittelbau darüber, dass Investitionen in die Infrastruktur und hochschuldidaktische Weiterqualifikation der Dozenten auch zu einer nachhaltigen Verbesserung der Lehre führen. Und obwohl das Erlangen von „Ruhm und Ehre“ für alle Befragten eine größere Motivation darstellt als ein monetärer Anreiz, werden LOM als effektives Steuerelement anerkannt und würden – auch als personalisierte LOM – von den meisten als Anerkennung guter Arbeit geschätzt werden.


Danksagung

Bedanken möchte ich mich ganz herzlich bei Stefan Herzig für die konstruktive, aufmunternde und kritische Diskussion sowie bei Katrin Vogel und Kristina Eisnach für die Unterstützung in der Früh- und Spätphase dieser Arbeit. Ein besonderer Dank geht an alle Kollegen und Mitarbeiter der betroffenen Studiendekanate, die durch ihre diversen Organisationstalente meine Interviews nicht nur möglich, sondern auch höchst erfreulich gemacht haben. Ein weiterer – nicht zu unterschätzender - Dank gilt „meiner“ Fakultät für die finanzielle Unterstützung.


Literatur

1.
Wissenschaftsrat. Empfehlungen des Wissenschaftsrates zur Stärkung der Lehre in den Hochschulen durch Evaluation. Berlin: Wissenschaftsrat; 1996. Drs. 2365/96
2.
Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung. Gutachten zum „Ausstieg aus der kurativen ärztlichen Berufstätigkeit in Deutschland“. Abschlussbericht. Hamburg: Eigenverlag Rambøll Management; 2004
3.
Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg. Medizinische Ausbildung in Baden-Württemberg. Bericht der Sachverständigenkommission zur Bewertung der Medizinischen Ausbildung (BeMA). Stuttgart: Schwäbische Druckerei GmbH; 2001
4.
Herzig S, Marschall B, Nast-Kolb D, Soboll S, Rump LC, Hilgers RD. Positionspapier der nordrhein-westfälischen Studiendekane zur hochschulvergleichenden leistungsorientierten Mittelvergabe für die Lehre. GMS Z Med Ausbild. 2007;24(2):Doc109. Zugänglich unter: http://www.egms.de/static/de/journals/zma/2007-24/zma000403.shtml Externer Link
5.
Putz R. LOM für Lehre. Vortrag auf der Jahrestagung des Medizinischen Fakultätentages in Heidelberg. Berlin: Medizinischer Fakultätentag; 2008. Zugänglich unter: http://www.mft-online.de/buch8/pdf/Referat_Putz.pdf Externer Link
6.
Schlüter A. Gute Lehre muss sich lohnen. Forschung Lehre. 2008;9:596-597
7.
Syed Ali A, Schulze J, Frankenbach R, Nürnberger F. Die Evaluation der studentischen Lehre - Basis für eine leistungsorientierte Mittelvergabe (LOM)? GMS Z Med Ausbild. 2008;25(1):Doc53. Zugänglich unter: http://www.egms.de/static/de/journals/zma/2008-25/zma000537.shtml Externer Link
8.
Mayring P. Qualitative Inhaltsanalyse. Weinheim: Beltz-Verlag; 2000
9.
Hofer M, Pieper M, Sadlo M, Reipen J, Heussen N. Leistungsorientierte Mittelvergabe (LOM) in der Medizinischen Lehre. Dtsch Med Wochenschr. 2008;133:1615-20. DOI:10.1055/s-2008-1081141 Externer Link