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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Integrierte Psychosomatik: Implementierung und Evaluation eines Unterrichtsmoduls für StudentInnen der Inneren Medizin

Implementation and Evaluation of a Course for Undergraduate Psychosomatic Education in Internal Medicine

Projekt Humanmedizin

  • corresponding author Christoph Nikendei - Universitätsklinik für Allgemeine Klinische und Psychosomatische Medizin, Heidelberg, Deutschland
  • author Stephan Zipfel - Medizinische Universitätsklinik Tübingen, Abteilung für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Tübingen, Deutschland
  • author Bernd Kraus - Universitätsklinik für Allgemeine Klinische und Psychosomatische Medizin, Heidelberg, Deutschland
  • author Hans-Christoph Friederich - Universitätsklinik für Allgemeine Klinische und Psychosomatische Medizin, Heidelberg, Deutschland
  • author Rainer Faber - Universitätsklinik für Allgemeine Klinische und Psychosomatische Medizin, Heidelberg, Deutschland
  • author Bernd Löwe - Universitätsklinik für Allgemeine Klinische und Psychosomatische Medizin, Heidelberg, Deutschland
  • author Thomas Müller-Tasch - Universitätsklinik für Allgemeine Klinische und Psychosomatische Medizin, Heidelberg, Deutschland
  • author Michael Schwab - Universitätsklinik für Allgemeine Klinische und Psychosomatische Medizin, Heidelberg, Deutschland
  • author Gerd Mikus - Universitätsklinik für Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie, Heidelberg, Deutschland
  • author Monika Bobbert - Universität Heidelberg, Institut für Geschichte der Medizin, Bereich Medizinethik, Heidelberg, Deutschland
  • author Wolfgang Herzog - Universitätsklinik für Allgemeine Klinische und Psychosomatische Medizin, Heidelberg, Deutschland
  • author Jana Jünger - Universitätsklinik für Allgemeine Klinische und Psychosomatische Medizin, Heidelberg, Deutschland

GMS Z Med Ausbild 2005;22(4):Doc213

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/journals/zma/2005-22/zma000213.shtml

Eingereicht: 4. August 2005
Veröffentlicht: 18. November 2005

© 2005 Nikendei et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Zielsetzung: Die Integration psychosomatischer Aspekte in die Medizinische Lehre ist häufig durch Schwierigkeiten in der Quer- und Längsvernetzung gekennzeichnet. An der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg besteht seit dem Sommersemester 2002 ein fünftägiges Unterrichtsmodul zur internistischen Psychosomatik als integraler Bestandteil des Curriculums. Mit der vorliegenden Arbeit sollen die Lernziele, methodisch-didaktische Umsetzung und Evaluation der Unterrichtseinheiten vorgestellt werden.

Methodik: Das Unterrichtsmodul umfasst die Themengebiete Somatoforme Störungen, psychische Komorbidität, Essstörungen, Familienmedizin / Ethik und Compliance. Im Wintersemester 2004 / 2005 wurde bei n = 143 StudentInnen eine Evaluation bezüglich der Akzeptanz, der methodisch-didaktischen Umsetzung sowie der subjektiven Kompetenzeinschätzungen (prä / post) durchgeführt.

Ergebnisse: Das Unterrichtsmodul Internistische Psychosomatik erfreut sich bei den StudentInnen guter Akzeptanz (M = 2,6; SD = 2,3; 1 = trifft völlig zu; 5 = trifft nicht zu), wird als wichtig für den Berufsalltag (M = 2,5; SD = 1,0) und als praxisorientiert angesehen (M = 1,7; SD = 0,9). Der Unterricht führt bei den StudentInnen zu einem signifikanten Zuwachs der subjektiven Kompetenzeinschätzung im Wissensbereich (p<0,001) und prozeduralen Bereich (p<0,001).

Schlussfolgerung: Ein Unterricht in integrierter Psychosomatik innerhalb des Faches Innere Medizin erweist sich als akzeptiertes Lehrkonzept, das in kognitiven und prozeduralen Bereichen zu einem signifikanten Kompetenzzuwachs bei den MedizinstudentInnen führt. Die Ergebnisse werden in Hinblick auf historische Entwicklungen und aktuelle Herausforderungen diskutiert.

Schlüsselwörter: Innere Medizin, Integrierte Psychosomatik, Medizinische Lehre, subjektive Kompetenzeinschätzung, Approbationsordnung

Abstract

Introduction: The integration of psychosomatic aspects into medical education still encompasses problems. Since summer 2002, we have implemented an obligatory integrated psychosomatic training in the field of internal medicine. We report on the learning goals, the didactic realisation, implementation an evaluation of the psychosomatic training session.

Methods: The training lasts five days and includes the topics somatoform disorders, comorbidity, eating disorders, family medicine / ethics and compliance. During the winter term 2004 / 2005 n = 143 medical students were asked about acceptance, didactic realisation and increase in individual competence (pre / post).

Results: The integrated psychosomatic training in internal medicine was rated with 2.6 (SD = 2.3) on a 5-point scale and was acknowledged as practice-oriented (M = 1.7; SD = 0.9) and relevant for doctors' every-day lives (M = 2.5; SD = 1.0). According to the individual self-evaluations, increased levels of competence proved to be highly significant for knowledge and procedural skills (p<.001).

Discussion: The integrated psychosomatic training is well accepted and leads to a relevant increase in competence in internal medical practice. The presented integrated psychosomatic concept in internal medicine proves to be a viable and efficient learning tool. Results are discussed with regard to historical processes and future challenges.

Keywords: psychosomatic medicine, internal medicine, medical education, self-assessed clinical competence


Einleitung

Die studentische Ausbildung in Integrierter Psychosomatik - Rückblick und aktuelle Entwicklungen

"See one, do one, teach one" nicht "See one, think and experience one, discuss one" lautet das Lehrdiktum in der Medizin, bemerkte Lipsitt [22] in seiner Arbeit "Can We Really Teach Psychosomatic Medicine?". Unrealistischer Weise - so weiter - liege der Fokus der Medizinischen Ausbildung auf dem Heilen und nicht auf dem Behandeln von Patienten. Die Gründe für eine mögliche Unvereinbarkeit eines medizinisch-physischen Krankheitsverständnisses einerseits und eines psychosozial-emotional geprägten psychosomatischen Zugangs andererseits könnten in der unterschiedlichen Ausbildung in den somatischen und psychosomatischen Fachbereichen, differenten Wertevorstellungen sowie einem andersartigen Umgang mit Emotionen zu suchen sein [7].

Diese Feststellungen der 80er und 90er Jahre zu den Integrationsschwierigkeiten von "Soma" und "Psyche" fanden Bestätigung in einer 1992 / 1993 von Hölzer et al. [13] durchgeführten Bestandsaufnahme zum Unterricht im Fach Psychosomatik an den bundesdeutschen Hochschulen. An keiner der 28 befragten Fakultäten fand sich eine effektive Querverzahnung im Sinne einer Kooperation mit anderen (somatischen) Fächern des Curriculums und einer systematischen Integration von psychosozialen Aspekten. Auch unter den Gesichtspunkten der inhaltlichen Längsvernetzung von Vorklinik und Klinik blieb kritisch anzumerken, dass vorwiegend kognitive Inhalte in punktuell stattfindenden Unterrichtsveranstaltungen gelehrt wurden mit einem Defizit an studienbegleitender Vermittlung "affektiver" Lerninhalte. Anamnesegruppen [21], POL-Gruppen (Problem orientiertes Lernen) [11] oder ein patientenorientierter / "balintoider" Unterricht (z.B. [13]) stellten zu diesem Zeitpunkt eine Seltenheit dar.

Die neue Ärztliche Approbationsordnung (ÄAppO) stellt demgegenüber soziale und kommunikative Aspekte in den Mittelpunkt der studentischen Ausbildung, betont affektive Lerninhalte und sieht Themen wie Arzt-Patient-Beziehung, Kommunikation, Gesprächsführung, Prävention, chronische Krankheiten, Palliativmedizin und Schmerz als wesentlich für die Gestaltung der Curricula an [37]. Es existieren mittlerweile zahlreiche interessante Umsetzungsmodelle dieser Vorgaben für den Bereich Psychosomatik in Form von POL-Blockkursen (Dipol-Curriculum Dresden) [20], longitudinalen Curricula (Curriculum Köln) [19] und Modellprojekten (Modellprojekt Medizinische Psychologie, Psychotherapie und Psychosomatik, Universität Ulm) [34], [1]; Curriculum zur Förderung interaktioneller Kompetenzen, Universität Münster [33]. Da gerade die Querverzahnung mit anderen Bereichen immer wieder Problemfelder eröffnet [22], [19], [20], soll an dieser Stelle erstmals die Integration von psychosomatischen Aspekten für den Fachbereich der Inneren Medizin im Rahmen des Curriculums HEICUMED der Universität Heidelberg [35], [36] dargestellt werden.

Internistische Psychosomatik und Implikationen für das Unterrichtsmodul an der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg

Die Wichtigkeit einer Integration von psychosomatischen Aspekten im Fachbereich der Inneren Medizin wird durch eine von Friederich et al. [8] durchgeführte Erhebung untermauert: Bei 35,6% der untersuchten internistischen PatientInnen lag eine psychische Komorbidität vor, bei 13,0% handelte es sich um eine Haupt-, bei 22,6% um eine Nebendiagnose. Bei 4,3% war die psychische Diagnose der alleinige Aufnahmegrund. Die Angebote einer internistischen Psychosomatik sollten für diese PatientInnen niedrigschwellig sein, einen individuell gestuften Behandlungsplan ermöglichen und das Wissen und die Kompetenz anderer Fachgebiete systematisch einbeziehen [12].

Untersuchungen zur studentischen Erwartung an den psychosomatischen Unterricht [14], [1], [25] machten den Wunsch nach, "Veranschaulichung durch gemeinsames Gespräch mit Patienten", "viel Raum für gemeinsame Diskussion", "Einübung in die Wahrnehmung unbewusster Vorgänge bei Patienten", "eigenes Verhalten und eigene Gefühle Patienten gegenüber besser kennenzulernen" und "eine Reflexion der Arzt-Patienten-Beziehung im ärztlichen Alltag" und eine "praxisrelevante Gewichtung von Unterrichtsthemen" deutlich. In Abstimmung mit diesen Bedarfsanalysen entwickelten wir die Lernziele für unser Unterrichtsmodul wobei sich folgende Themenkomplexe für unser Modul herauskristallisierten:

(1) Diagnosestellung und Vermittlung therapeutischer Behandlungskonzepte bei somatoformen Störungen,

(2) Diagnose und Differentialdiagnose depressiver Störungen,

(3) Anamneseerhebung und Entwicklung stationärer Behandlungskonzepte bei Essstörungen,

(4) Grundlagen der partizipativen Entscheidungsfindung im Sinne des Shared-Decision-Making,

(5) Selbstversuch zur Compliance und Grundlagen der motivationalen Gesprächsführung.

Bisher existieren keine Daten zu einem integriert-psychosomatischen Unterricht im Fachbereich der Inneren Medizin, welcher integraler Bestandteil des Curriculums ist. Die Fragestellungen der vorliegenden Arbeit bezogen sich auf

(1) die Akzeptanz des Modulunterrichts internistische Psychosomatik,

(2) den Zuwachs der subjektiven Kompetenzeinschätzungen der teilnehmenden MedizinstudentInnen.


Methoden

Das Modul internistische Psychosomatik im Block Innere Medizin und die longitudinale Verzahnung

Das Modul internistische Psychosomatik ist integraler Bestandteil der 12-wöchigen internistischen Ausbildung der MedizinstudentInnen des 6. bzw. 7. Semesters an der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg im Rahmen des Heidelberger Curriculums Medicinale (HEICUMED) [35], [36]. Der so genannte Modulunterricht, der im interaktiven Seminarstil abgehalten wird, findet jeweils Vormittags zwischen 10 und 12 Uhr statt und umfasst jeweils einen zweiwöchigen Unterricht in Endokrinologie, Kardiologie, Gastroenterologie, Rheumatologie / Hämatologie sowie einen je einwöchigen Unterricht in den Fächern Nephrologie und internistische Psychosomatik. Die Gruppengröße beläuft sich auf ca. 23 StudentInnen.

Innerhalb des Blockes I Innere Medizin finden begleitend zu diesem Modulunterricht täglich interdisziplinäre Leitsymptomvorlesungen, Kommunikationstraining mit standardisierten Patienten [15], [30], Pol-Unterricht, Skills-Lab-Training [28], [29], sowie Einsätze auf Station statt. Durch die Interdisziplinarität des Blockes werden weitere psychosomatische Aspekte in besonderer Weise innerhalb des Kommunikationstrainings [15], [30] und der Leitsymptomvorlesung direkt in die internistischen Themen integriert.

Außerhalb des Blockes I Innere Medizin findet eine Vermittlung affektiver Lerninhalte im 1. bis 3. Semester in der Medizinischen Psychologie statt. Lernziele sind hier u. a. die Schulung von Selbst- und Fremdwahrnehmung, Entwicklung eines Problembewusstseins für medizinisch-psychologische Zusammenhänge und Schulung der Gesprächsführungstechniken als Element ärztlich-psychologischen Handelns. Der longitudinale Charakter des Curriculums kommt weiterhin im 8. bzw. 9. Semester im Block III zur Geltung: mit interaktiven und patientenorientierten Seminaren der Psychosomatik, Familienmedizin, Allgemeinpsychiatrie und Kinder-Jugendpsychiatrie [2]. Zudem bestehen Kooperationen mit der Dermatologie und der Arbeitsmedizin, in deren Zusammenhang ebenfalls psychosomatische Aspekte vorgestellt und diskutiert werden.

Lernziele und methodisch-didaktische Umsetzung

Die Lernziele des Modulunterrichts internistische Psychosomatik sind Tabelle 1 [Tab. 1] zu entnehmen. Die einzelnen Modultage sind allesamt methodisch-didaktisch nach dem Sandwich-Prinzip aufgebaut [18] (siehe Tab. 2 [Tab. 2]), um den StudentInnen eine optimale individuelle Wissensverarbeitung zu ermöglichen.

Der Montag (somatoforme Störungen) umfasst eine Einführung mit einem Wochenüberblick in dessen Rahmen den StudentInnen verschiedene Aufgaben zum Modultag Compliance am Freitag der Modulwoche gestellt werden: Einige erhalten Medikamentendosimeter mit unterschiedlichen Dosierungsschemata, andere werden aufgefordert Tagebücher über Rauch- und Essverhalten führen. Anschließend beginnt der eigentliche Modulunterricht mit einer Schätzaufgabe zu Befindlichkeitsstörungen in der Allgemeinbevölkerung und einem Impulsreferat zu Häufigkeit, Prävalenz und Diagnosekriterien von somatoformen Störungen. Anschließend wird von den StudentInnen die Anamneseerhebung bei einem Patienten mit somatoformer Störung mittels standardisierter Patienten [4] in Kleingruppen geübt. In einem zweiten Schritt werden die therapeutischen Elemente in der Behandlung von somatoformen Störungen, die Mitteilung der Diagnose und die Vermittlung eines Therapiekonzeptes in Kleingruppen erarbeitet und anschließend ebenfalls anhand eines standardisierten Patienten trainiert. Bei beiden Elementen spielt das Feedback des standardisierten Patienten eine wichtige didaktische Rolle (vgl. [10]).

Der Dienstag (psychische Komorbidität) umfasst Impulsreferate zur Prävalenz komorbider Störungen, zu den primären Symptomangeboten von Seiten der Patienten sowie einen therapeutischen Stufenplan bei depressiven Störungen und Angsterkrankungen. In Kleingruppenarbeit werden die Indikationen therapeutischer Interventionen anhand klinischer Fallbeispiele erarbeitet und im Plenum diskutiert. Im Mittelpunkt des Unterrichts steht außerdem ein Fragebogen zur Erfassung psychischer Komorbidität, der im Sinne einer Selbsterfahrung erschlossen wird (PHQ-D) [24], [9].

Am Mittwoch (Essstörungen) wird eine Anorexia nervosa-Patientin in den Unterricht eingeladen. Nachdem zuvor Diagnosekriterien und wichtige Anamnesefragen in der Seminargruppe zusammengetragen wurden, führen zwei StudentInnen das Anamnesegespräch der Patientin durch. Es folgt ein Impulsreferat zur Therapie von Essstörungen, wonach die StudentInnen in Kleingruppen eine Patientenkurve für eine Anorexiepatientin ausfüllen inklusive der Festlegung von Ausgangsregelung, Essvertrag, Ernährung, Medikation und medizinischer Basisdiagnostik und sowie der Verlaufskontrolle (vgl. [23], [26]).

Am Donnerstag (Shared-Decision-Making / Familientherapie / Ethik) werden Konzepte der gemeinsamen Entscheidungsfindung von Arzt und Patient (Shared-Decision-Making) [5] erläutert und im Rollenspiel umgesetzt. In einem zweiten Schritt werden Möglichkeiten der Einbeziehung des Familiensystems bei der Behandlung von Patienten beleuchtet. Schließlich wird der Fall eines schwerkranken intensivpflichtigen Patienten unter den Gesichtspunkten des mutmaßlichen Patientenwillens, der medizinischen Diagnose und Prognose, der Einstellung der Familienmitglieder und der ökonomischen Zielvorgaben aus ethischer Perspektive diskutiert und die Möglichkeiten und Schwierigkeiten im Umgang mit Patientenverfügungen erarbeitet [6].

Der Freitag (Compliance) beginnt mit einem Impulsreferat zur Medikamentencompliance, gefolgt von der Auswertung der Medikamentendosimeter, die die StudentInnen zu Beginn der Woche mit Einnahmeinstruktionen erhalten hatten. Zusätzlich werden Raucher-, Ess-, Sporttagebücher analysiert. Die für die Compliance förderlichen und hinderlichen Faktoren werden mit Blick auf den Selbstversuch in Kleingruppen gesammelt und kategorisiert. Es folgt eine Einführung zur motivationalen Gesprächsführung (vgl. [32]) mit nachfolgenden Rollenspiel-Übungen zu Arzt-Patientengesprächen.

Evaluationsinstrumente und statistische Analyse

Zur Evaluation des Modulunterrichts wurde ein Fragebogen mit 15 Items verwandt, um Informationen zur Akzeptanz und methodisch-didaktischen Umsetzung auf einer Skala von 1 bis 5 zu erhalten. In einem prä/post-Design erhielten die StudentInnen zusätzlich einen Fragebogen zur subjektiven Kompetenzeinschätzung mit 20 Items, bei dem zu jedem Modultag angenommene Kompetenzen zu kognitiven Aspekten (10 Items) und zu prozeduralen Aspekten (10 Items) auf einer Skala von 1 bis 6 anzugeben waren. Die Teilnahme an der Fragebogenevaluation war allen StudentInnen freigestellt.

Bezüglich der Akzeptanz des Moduls internistische Psychosomatik wurden Mittelwerte gebildet. Zur Berechnung des Kompetenzgewinnes wurden Differenzen der subjektiven Kompetenzeinschätzungen zu Beginn und am Ende des Moduls gebildet und anschließend ein t-Test durchgeführt.


Ergebnisse

Stichprobenbeschreibung Fragebogenrücklauf

Die Evaluation erfolgte im Wintersemester 2004 / 2005 während dessen insgesamt 143 MedizinstudentInnen, darunter 87 Frauen und 56 Männer mit einem Durchschnittsalter von 24,8 Jahren am Modulunterricht internistische Psychosomatik teilnahmen. Beim Fragebogen zur Akzeptanz und methodisch-didaktischen Umsetzung wurde ein Rücklauf von 68,5% erreicht. An der Evaluation zur subjektiven Kompetenzeinschätzung nahmen vor dem Modulunterricht 85,2% StudentInnen teil (prä-Messung), nach dem Modulunterricht 81,7% der Teilnehmer (post-Messung). Eine prä/post-Differenz konnte bei 73,9% der MedizinstudentInnen ermittelt werden.

Fragebogen zur Akzeptanz und zur subjektiven Kompetenzeinschätzung

Die Evaluation des Modulunterrichts internistische Psychosomatik im Wintersemester 2004 / 2005 zeigte in Bezug auf Akzeptanz und methodisch-didaktische Umsetzung, dass sich das Unterrichtsmodul bei den StudentInnen einer guter Akzeptanz erfreut (M = 2,6; SD = 2,3; 1 = trifft völlig zu; 5 = trifft nicht zu), für den Berufsalltag als wichtig erachtet (M = 2,5; SD = 1,0) und als praxisorientiert angesehen wird (M = 1,7; SD = 0,9). Hervorgehoben wurden die positive Lernatmosphäre (M = 2,0; SD = 1,1)und die zur Mitarbeit motivierenden Dozenten (M = 1,9; SD = 1,0). In Tab. 3 [Tab. 3] werden die subjektiven Kompetenzeinschätzungen vor dem Modulunterricht und am Ende des Modulunterrichts veranschaulicht. Die angegebenen p-Werte beziehen sich auf die errechnete Veränderung der studentischen Kompetenzeinschätzungen.


Diskussion

In der vorliegenden Arbeit wurde die Integration psychosozialer und psychosomatischer Aspekte in die Innere Medizin an der Universitätsklinik Heidelberg vorgestellt. Häufig zeichnen sich innovative Projekte zur Vermittlung psychosozialer Kompetenzen durch einen Modellcharakter aus [34], [1] oder stellen ein freiwilliges Angebot für Studenten dar [33]. Das vorgestellte Modul internistische Psychosomatik ist ein integraler Pflichtbestandteil der internistischen Ausbildung aller MedizinstudentInnen an der Universität Heidelberg. Es stößt bei den StudentInnen auf gute Akzeptanz und führt in allen gemessenen kognitiven und prozeduralen Kompetenzbereichen zu einem signifikanten subjektiven Zuwachs des Wissens und Handlungsvermögens. Die Ergebnisse zeigen, dass sich psychosoziale Aspekte systematisch in somatische Fachbereiche integrieren lassen. Wenngleich es sich um ein Unterrichtsmodul der Inneren Medizin handelt, ist eine Übertragbarkeit der Lerninhalte und Themengebiete in viele somatische Bereiche möglich.

Mit dem hier vorgestellten internistisch-psychosomatischen Modulunterricht versuchten wir einerseits ein eigenständiges psychosomatisches Profil in der Inneren Medizin zu etablieren, andererseits psychosomatische Aspekte systematisch im Rahmen der Leitsymptomvorlesung und des Kommunikationstrainings mit standardisierten Patienten [15], [30] zu integrieren.

Um eine dauerhafte Einstellungsänderungen bei den StudentInnen zu erzielen, ist es von besonderer Bedeutung, dass die vermittelten Lerninhalte im Sinne des "assessment drives learning" systematisch geprüft werden. An der Medizinischen Universitätsklinik werden am Ende des Bockes Innere Medizin im Rahmen einer klinisch-praktischen OSCE-Prüfung (objektive structured clinical examination) konsequent studentische kommunikative, psychosoziale und psychosomatische Kompetenzen überprüft und bewertet [27].

Limitationen

Es sind zukünftig weitere Anstrengungen bezüglich eines Wirksamkeitsnachweises psychosomatischer Lehrmethoden über die Evaluation von Akzeptanz und der subjektiven Kompetenzeinschätzung hinaus notwendig, da mehrere Arbeiten im Bereich der klinisch-praktischen Fertigkeiten aufzeigen, dass subjektive Kompetenzeinschätzungen von StudentInnen nur bedingt mit einer objektiven Leistungsüberprüfung korrelieren (z.B.[3] ). Dies sollte uns dazu anhalten, unsere Lehrkonzepte mit praxisnahen Prüfungsfragen wie Key-feature-Fragen (vgl.[31]) und klinisch-praktischen Prüfungen wie dem OSCE (vgl. [16]) wenn möglich in kontrollierten Designs zu überprüfen und Langzeiteffekte zu eruieren.


Fazit

Ein Unterricht in integrierter Psychosomatik innerhalb des Faches Innere Medizin erweist sich als akzeptiertes Lehrkonzept, das in kognitiven und prozeduralen Bereichen zu einem signifikanten Kompetenzzuwachs bei den MedizinstudentInnen führt. Objektive Leistungsnachweise über die Evaluation von Akzeptanz und subjektiven Selbsteinschätzungen der MedizinstudentInnen hinaus bleiben eine große Herausforderung für die psychosomatischen Fachbereiche.


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