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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Verleihung der venia legendi (Ernennung zum Privatdozent) in der Medizin: nur pro forma?

The granting of the venia legendi (the appointment as a Privatdozent) in medicine: nothing but a meaningless ritual?

Projekt Humanmedizin

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  • corresponding author Peter Dieter - Studiendekan Medizin, Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus, TU Dresden, Dresden, Deutschland

GMS Z Med Ausbild 2005;22(4):Doc212

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/journals/zma/2005-22/zma000212.shtml

Eingereicht: 9. August 2005
Veröffentlicht: 18. November 2005

© 2005 Dieter.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Erfahrungsbericht

Vor dem Hintergrund langjährig diskutierter Defizite in der akademischen Lehre Universitätsmedizin ist es Ziel dieser Untersuchung, die derzeitigen Bedingungen der medizinischen Fakultäten bei der Ernennung zum Privatdozenten (Erteilung der venia legendi - Verleihung der Lehrbefugnis) zu erfassen und zu analysieren. Deswegen wurden im Rahmen einer schriftlichen Anfrage im 1. Halbjahr 2005 alle 35 medizinischen Fakultäten (Dekanate und Studiendekanate) in Deutschland gebeten einen Fragebogen (11 Items, siehe Abbildung 1 [Abb. 1]) innerhalb von vier Wochen zu beantworten. Der Fragebogen wurde von 29 der 35 angeschriebenen Fakultäten innerhalb dieser Frist beantwortet (Rücklaufquote 83%). Die Auswertung ergab folgendes Bild (siehe Abbildung 2 [Abb. 2]):

1. 28 Fakultäten erteilen die venia legendi nur nach vorangegangener nachgewiesener Lehrleistung.

2. Bei 20 Fakultäten muss diese Lehrleistung eine bestimmte Mindestzeit geleistet worden sein (zwischen 0.5 und 3 Jahren, Durchschnitt: 2 Jahre), bei 9 Fakultäten ist keine Mindestzeit erforderlich.

3. Bei 11 Fakultäten muss eine Mindestanzahl von Lehrstunden nachgewiesen sein (zwischen 15 und 300 Stunden, Durchschnitt: 100 Stunden), bei 18 Fakultäten ist keine Mindestanzahl von Lehrstunden erforderlich.

4. Bei 18 Fakultäten müssen die Lehrleistungen in bestimmten Unterrichtsformen geleistet worden sein (14 Fakultäten: (Haupt)Vorlesungen, 8 Fakultäten: Seminare, 7 Fakultäten: Praktika, 6 Fakultäten: Patientenbezogener Unterricht, 3 Fakultäten: Unterricht im Praktischen Jahr), bei 11 Fakultäten wird kein Unterrichtsformat vorausgesetzt.

5. Bei 17 Fakultäten muss (zumindest ein Teil) dieser Lehrleistungen an der eigenen Fakultät geleistet worden sein, bei 12 Fakultäten nicht.

6. Von 26 Fakultäten wird eine weitere Lehrleistung bei der Erteilung der venia legendi gefordert, bei 3 Fakultäten wird dies bei Erteilung der venia legendi nicht gefordert.

7. Von den 26 Fakultäten, die eine weitere Lehrleistung fordern, fordern 23 eine unbefristete Lehrleistung (bis zum Ausscheiden des Mitarbeiters).

8. 22 Fakultäten überprüfen (nur zum Teil regelmäßig) die Lehrleistung, 7 Fakultäten machen keine Überprüfung.

9. 15 der 22 Fakultäten, die die Lehrleistung überprüfen, sprechen bei Nichterfüllung der Lehrleistung eine Mahnung an den Mitarbeiter aus (durch den Dekan oder Studiendekan), bei 3 Fakultäten wird im Einzelfall ein Entzug der venia legendi in Betracht gezogen.

10/11. Eine ähnliche Verfahrensweise (Punkt 8 und 9) gilt für die Ernennung zum Apl. Professor.

Fasst man die Ergebnisse dieser Umfrage zusammen, lässt sich folgendes festhalten:

1. Es bestehen große Unterschieden in den Anforderungen zur Erteilung der venia legendi an deutschen medizinischen Fakultäten. Allerdings scheinen im Vergleich zu früheren Untersuchungen die Anforderungen gestiegen und die Unterschiede kleiner geworden zu sein [1], [2].

2. Ein Großteil der deutschen Medizinischen Fakultäten (80%) hat einen Anforderungskatalog, der bei der Erteilung der venia legendi erfüllt sein muss. In diesem Anforderungskatalog ist (zum Teil) ein Mindestumfang an Lehrleistungen (Zeitraum, Lehrstunden) bzw. bestimmte Unterrichtsformen (Vorlesungen, Seminar, Praktika, Patientenunterricht, Praktisches Jahr) enthalten. Diese Lehrleistungen müssen bei einem großen Teil der Fakultäten an der eigenen Fakultät geleistet worden sein.

3. Von fast allen Fakultäten wird eine Weiterführung dieser Lehrleistungen bei der Erteilung der venia legendi gefordert. 85% dieser Fakultäten überprüfen die Einhaltung dieser Forderung, 58% der Fakultäten sprechen bei Nichteinhaltung der geforderten Lehrleistung eine Mahnung aus bzw. erwägen im Einzelfall den Entzug des Titels venia legendi.

4. Ähnliche Regelungen gibt es bei den meisten Fakultäten für die Ernennung zum Apl. Professor.

Um eine größere Chancengleichheit für Privatdozenten zu erreichen, ist eine Beseitigung der Unterschiede in den Anforderungen der Fakultäten bei der Verteilung der venia legendi anzustreben. Der Anforderungskatalog sollte quantitativ und qualitativ dem Anforderungskatalog für die Erteilung der Habilitation (Nachweis der besonderen Befähigung für Forschung und Lehre in einem bestimmten Fach) entsprechen [3], [4]. Damit wäre ein weiterer wichtiger Schritt geschaffen, um in Deutschland Lehre und Forschung einen gleichen Stellenwert einzuräumen.


Literatur

1.
Weber A, Wacker A, Weltle D, Lehnert G. Stellenwert der Lehre an den deutschen medizinischen Fakultäten. Dtsch Med Wochenschr. 2000;125(51-52):1560-1564.
2.
Pabst R, Strate J. Große Unterschiede im Verfahren zur Ernennung zum außerplanmäßigen Professor. Verfahren und Kriterien der Forschung und Lehre an deutschen Fakultäten. Chirurg. 2000;71(1):106-108.
3.
Nagelschmidt M, Bergdolt K, Troidl H. Überprüfung der Habilitationsordnungen Medizinischer Fakultäten an deutschen Hochschulen und Vorschlägen zur Vereinheitlichung. Chirurg. 1998;69(4):481-489.
4.
von Wichert P. Habilitation in medicine - only pro forma?. Med Klin (Munich). 2000;95(4):233-234.