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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Das Berufsfelderkundungspraktikum an der Medizinischen Hochschule Hannover: Konzeption, Durchführung und Vierjahresevaluation

Excursions into medical fields of activity at the Hannover Medical School : conception, realization and an evaluation over four years

Projekt Humanmedizin

  • corresponding author Siegfried Geyer - Medizinische Hochschule Hannover, Medizinische Soziologie OE 5443, Hannover, Deutschland
  • author Harald Krentel - Medizinische Hochschule Hannover, Medizinische Soziologie OE 5443, Hannover, Deutschland
  • author Christina Grothusen - Medizinische Hochschule Hannover, Medizinische Soziologie OE 5443, Hannover, Deutschland
  • author Christina Nußbeck - Medizinische Hochschule Hannover, Medizinische Soziologie OE 5443, Hannover, Deutschland
  • author Jürgen Collatz - Medizinische Hochschule Hannover, Medizinische Soziologie OE 5443, Hannover, Deutschland

GMS Z Med Ausbild 2005;22(2):Doc23

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/journals/zma/2005-22/zma000023.shtml

Eingereicht: 22. August 2004
Veröffentlicht: 20. April 2005

© 2005 Geyer et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

An der Medizinischen Hochschule Hannover besteht das Berufsfelderkundungspraktikum aus vier Elementen: einer Einführungsvorlesung zur Übersicht über die Breite ärztlicher Tätigkeitsfelder, vorbereitende Seminare in spezifische, von den Studierenden zu wählende und vorgegebene Berufsfelder (Hausbesuchsprogramm, Gesundheitsamt, MDK, Drogenmedizin, Arbeitsmedizin, Sozialpsychiatrie, Justizvollzug, Sozialpädiatrie und Rechtsmedizin), dem praktischen Teil in dem vorher gewählten Feld sowie einer Nachbereitung mit Beurteilung der Gesamtveranstaltung. Dargestellt werden die Ergebnisse der Evaluation über vier Durchgänge für die Vorbereitungsseminare, für die Betreuung in den aufnehmenden Einrichtungen und Praxen, für die Nachbereitung sowie die Ergebnisse der Gesamtbeurteilung durch die Absolventinnen und Absolventen.

Insgesamt nahmen 977 Studierende an der Evaluation teil. Nach den Nachbereitungen füllten Sie einen standardisierten Fragebogen aus, der Fragen zu verschiedenen Aspekten des Praktikums enthält. Die statistischen Auswertungen wurden mittels Rangordnungsverfahren sowie einer Regressionsanalyse durchgeführt, die auch die Beurteilungen der Vorlesung berücksichtigt. Von den neun Praxisbereichen erhielt das Hausbesuchsprogramm in allen Praktikumsteilen die besten Beurteilungen, gefolgt von den Bereichen Gesundheitsamt und Arbeitsmedizin.

Während die Beurteilungen der Einführungsseminare und der Nachbereitungen über die vier Jahre unterschiedlich eingestuft wurden, gibt es mit Ausnahme der Arbeitsmedizin eine hohe Konstanz in der Betreuung durch die besuchten Einrichtungen und Praxen. Die Analysen zeigen auch, dass die von den Studierenden mit Vorliebe gewählten Bereiche in den späteren Beurteilungen nicht notwendigerweise auch weit oben erscheinen müssen.

Die Regressionsanalyse führte zu dem Schluss, dass die Nachbereitungsseminare und die allgemein orientierte Vorlesung künftig entfallen können, da ihre didaktische Bedeutung von den Studierenden nicht erkannt wird.

Schlüsselwörter: Berufsfelderkundung, Evaluation, Praktikum

Abstract

At the Hannover Medical School excursions into fields of medical activity include four elements: a lecture introducing the full range of fields of medical practice to all students, preparatory seminars for students after having chosen a special field (general medicine, public health agency, medical certification, medicine of addiction, industrial medicine, social psychiatry, medicine in prisons, social pediatrics, and forensic medicine), the practical part and a concluding seminar including an evaluation of the whole course program.

In the present paper the results of evaluations over four years are described. Detailed findings are presented for the preparatory seminars, for the practical part, for the concluding seminars, and for a summary measure reflecting the general judgement of the students.

After the end of the concluding seminars standardized questionnaires had to be completed, and 977 students returned them. The questionnaire covers a large number of aspects of the course. The statistical analyses are performed by means of nonparametric rank-ordering procedures and a regression analysis that also includes the general lecture.

The general medicine program consistently got the highest rankings, followed by the public health agencies and industrial medicine. With the exception of industrial medicine the rankings of the preparatory and the concluding seminars are varying over the four years considered. Highly consistent rankings emerged for the practices and institutions that had been visited by the students. Furthermore, the analyses suggest that fields that had attracted particular interest before registration did not necessarily also obtained the highest rankings.

The results of the regression analyses suggest that the concluding seminars and the general introducing lecture can be abolished since their didactic functions had not been apparent to the students.

Keywords: excursions, medical practice, evaluation


Einleitung

Das Berufsfelderkundungspraktikum (BFE) ist eine Veranstaltung im Rahmen des vorklinischen Studiums der Humanmedizin, das den Studierenden bereits im ersten Fachsemester die Breite ärztlicher Tätigkeiten vermitteln soll. Die Inhalte des Praktikums waren bisher nicht festgelegt. Veröffentlichte Empfehlungen und Konzepte sind deshalb sehr unterschiedlich [2], [5], [6] und diese Freiheit in der Ausgestaltung bleibt auch nach der Einführung der neuen Approbationsordnung [1] erhalten.

An der Medizinischen Hochschule Hannover wurde bis zum Wintersemester 1998/1999 nur eine allgemeine Einführung in das Praktikum durchgeführt, ohne dass auf bestimmte thematische Schwerpunkte hin vorbereitet wurde. Aus der Unzufriedenheit über die mangelnde Fokussierung wurde es im Hinblick auf die zu diesem Zeitpunkt bereits absehbare neue Approbationsordnung in Richtung größerer Praxisnähe umgestaltet und im Wintersemester 1999/2000 zum ersten Mal in der hier beschriebenen und evaluierten Form durchgeführt. Lediglich das Hausbesuchsprogramm wurde in seiner vorherigen Form unverändert beibehalten. Die Umgestaltung bezog sich auf eine Vorbereitung der Studierenden auf wenige vorgegebene Berufsfelder, für deren fachliche Einführung qualifizierte Referentinnen und Referenten gewonnen wurden. Die Studierenden müssen sich für ein Berufsfeld entscheiden, eine Vorbereitung auf dieses Feld hin absolvieren und dort dann ihr Praktikum ableisten. Die zugelassenen Bereiche sind das Gesundheitsamt, der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK), die Drogenmedizin, die Arbeitsmedizin, die Sozialpsychiatrie, der Justizvollzug, der Jugendmedizinische Dienst und die Rechtsmedizin. Im Gegenzug zur Einschränkung der Wahlfreiheit werden durch Kontaktaufnahme mit medizinischen Einrichtungen und Unternehmen Praktikumsplätze eingeworben.

Das Hausbesuchsprogramm [4] besteht aus einer allgemeinmedizinischen Hospitation; die Studierenden nehmen an den Besuchen von Hausärzten teil und führen im Anschluss an die Hospitation ein Patientengespräch durch, das dokumentiert wird.

Das Berufsfelderkundungspraktikum selbst besteht aus mehreren Abschnitten:

1. Im Rahmen einer Vorlesung werden in komprimierter Form ärztliche Tätigkeitsfelder vorgestellt. Dazu werden entsprechend ausgewiesene Referentinnen und Referenten gewonnen.

2. Im Rahmen jeweils dreistündiger Seminare werden die Studierenden mit den Inhalten des gewählten Berufsfelds vertraut gemacht und auf den Ablauf des Praktikumstages vorbereitet. Die Seminareinführungen werden durch Vertreterinnen und Vertreter der kooperierenden Institutionen durchgeführt.

3. Das Praktikum selbst besteht aus einer halbtägigen Hospitation in einem der wählbaren Bereiche. Im Anschluss erstellen die Studierenden einen Erfahrungsbericht, der durchgesehen und bewertet wird.

4. Zuletzt finden Nachbereitungssitzungen statt, die unter Verwendung von Erfahrungsberichten der Studierenden gestaltet werden. Dabei werden mehrere Bereiche zusammengelegt, sodass Studierenden auch Einblicke in die nicht durchlaufenen Praxisfelder erhalten.

5. Am Ende der Nachbereitung steht eine standardisierte Evaluation.

Nach den ersten beiden Durchläufen wurden Vertreterinnen und Vertreter der kooperierenden Einrichtungen im Anschluss an das Wintersemester in die MHH eingeladen, um die Beurteilungen in einer größeren Runde vorzustellen und diskutieren zu können. Diese Evaluationen orientierten sich primär an den Ergebnissen der Bewertungen in den Fragebögen, einzelne Berichte wurden lediglich zur Illustration verwendet. Die Skepsis, dass eine Erörterung im größeren Kreis bei den weniger gut evaluierten Einrichtungen zum Abbruch der Mitwirkung am Praktikum führen könnte, erwies sich letztlich als unbegründet. Die z.T. heftige Kritik der Studierenden wurde von den Institutionen jedoch positiv aufgenommen, und von den Verantwortlichen zur Verbesserung der Betreuung genutzt. In den beiden folgenden Jahrgängen wurden aus den Evaluationen Berichte erstellt und den Verantwortlichen zugeschickt.

Die Berichte wurden zunächst nur als Grundlage für die Scheinvergabe verwendet, in den beiden letzten hier evaluierten Durchgängen wurden den Einrichtungen zusätzlich anonymisierte Berichte von Praktika zur Verfügung gestellt, die in den jeweiligen Institutionen absolviert wurden. Im WS 2001/2002 geschah dies auf Anfrage, im WS 2002/2003 war es Teil der Rückmeldung. Die Berichte wurden vorher anonymisiert, indem das Praktikumsdatum sowie die Namen der Studierenden entfernt wurden.

Im vorliegenden Aufsatz werden die Ergebnisse der letzten vier Praktikumsdurchläufe vorgestellt. Der Schwerpunkt der Befunde liegt auf den quantitativen Befunden mit einer Betrachtung der Beurteilung der Einführungsseminare, des eigentlichen Praktikums, der Nachbereitung sowie der Gesamtbewertung. Die Vorlesung wird nur im Kontext der Gesamtbeurteilungen des Praktikums berücksichtigt.


Material und Methoden

Die Studierenden konnten sich ihr Praxisfeld selbst aussuchen, doch je voller die Listen waren, umso geringer wurden jedoch die verbleibenden Wahlmöglichkeiten. Die Zahl der Praktikumsplätze richtete sich nach den gemeldeten Aufnahmekapazitäten, sie lag jedoch immer knapp unterhalb der Zahl immatrikulierter Studierender, da ein Teil ihr Praktikum in der Nähe des Heimatorts ableisten möchte.

Zur Evaluation werden die Studierenden zum Ende des Praktikums gebeten, einen standardisierten Fragebogen (ohne Identifikation der Beurteiler) auszufüllen. Im ersten, dritten und vierten Jahr wurden die Bögen in den Nachbereitungsseminaren ausgeteilt und wieder eingesammelt. Im zweiten Jahr sollten sie zur Scheinausgabe mitgebracht werden, dieses Verfahren erwies sich im Hinblick auf den Rücklauf der Bögen als störanfällig und wenig praktikabel.

Über die vier betrachteten Jahrgänge wurden die Fragebögen von 977 Studierenden verwendet; die Differenz zur Gesamtzahl von 1380 Studierenden ergibt sich daraus, dass die Teilnahme am Praktikum auf Antrag erlassen werden konnte, wenn eine Ausbildung in einem medizinischen Bereich absolviert wurde. Nur ein geringer Anteil der Studierenden gab den Bewertungsbogen nicht ab (Tabelle 1 [Tab. 1]).

Der größte Teil der Studierenden (95,4%) absolvierte das Praktikum wie vorgesehen im ersten Fachsemester, das Durchschnittsalter lag bei M=21,2 (Sd=4,1) Jahren, wobei die Studentinnen mit M=21,2 (Sd=3,5) Jahren jünger waren als die Studenten mit M=22,0 (Sd=3,4) Jahren.

Die Verteilung der Studierenden auf die einzelnen Berufsfelder spiegelt die Aufnahmemöglichkeiten der Bereiche wieder. In der Arbeitsmedizin kommt besonders zum Tragen, dass eine vergleichsweise große Zahl von Unternehmen und Einrichtungen bereit waren, Studierende aufzunehmen.

Der standardisierte Fragebogen

Mit dem Fragebogen werden Aspekte der zentralen Elemente (Vorlesung, Einführungsseminar, Praktikum, Nachbereitung) erfasst, ebenso die Wahrnehmung von Wahlmöglichkeiten, Schwierigkeiten beim Zugang zu Praxisfeldern, der Erkenntniszuwachs, und schließlich werden Fragen zum Abbau von Vorurteilen gegenüber einzelnen Bereichen gestellt. Abschließend wird nach allgemeinen Beurteilungen sowie nach Anregungen zur Optimierung des Praktikums gefragt. Die Beurteilungen sollten auf einer Fünfpunktskala abgegeben werden, wobei "1" die schlechteste und "5" die beste Bewertung bezeichnet. Die Gesamtbeurteilung sollte auf einer 15-Punkteskala angegeben werden; "1" bezeichnet wiederum die beste Beurteilung, "15" die schlechteste.

Statistische Vorgehensweise

Es wird geprüft, ob sich die Verteilungen der abgegebenen Urteile für einzelne Bereiche über die vier verglichenen Jahre unterscheiden, bzw. ob die Urteile über die Praktikumsbereiche innerhalb eines gegebenen Jahres variieren. Aufgrund der schiefen Verteilungen der abgegebenen Urteile wurde der Kruskall-Wallis-Test gewählt. Dabei wird ein Test darauf durchgeführt, ob sich die Verteilungen über die betrachteten Kategorien unterscheiden.

Da eine große Zahl von signifikanten Tests durchgeführt werden, wird in den folgenden Darstellungen eine Irrtumswahrscheinlichkeit von p<0,01 akzeptiert, welche das Risiko fehlerhafter Schlüsse zwar nicht ausschließt, sich aber gegenüber den üblicherweise verwendeten 5%-Niveau reduziert.

Zusätzlich zu den Rangtests wurde die lineare Regression angewandt. Die statistischen Berechnungen wurden mit dem Statistikprogrammpaket SPSS 6.1 [3] durchgeführt.


Ergebnisse

Die Beurteilungen der einzelnen Veranstaltungsteile auf den Fünfpunkteskalen weisen durchweg schiefe Verteilungen in Richtung guter Beurteilungen auf, der Median (Md) ist daher aussagekräftiger als der Mittelwert (M).

Von den vier Veranstaltungsteilen wurde über alle vier Durchgänge der praktische Teil konsistent am besten beurteilt (Md=5,0; M=4,2) an zweiter Stelle liegen die Einführungsseminare (Md=4,0; M=3,6). Die Nachbereitungen fallen im Vergleich dazu zurück (Md=3,0; M=3,4), und die Vorlesung erhält die im Vergleich schlechtesten Werte (Md=3,0; M=2,6).

Einführungsseminare

Die Einführungen dienen der Vorbereitung auf die praktischen Teile durch Informationsvermittlung. Bei der differenzierten Betrachtung der Rangverteilungen der Praxisbereiche über die einzelnen Durchläufe (Tabelle 2 [Tab. 2]) zeigt sich, dass die Einführungen in das Hausbesuchsprogramm von den Studierenden am besten bewertet wurden. Es folgen die Bereiche Arbeitsmedizin und Gesundheitsamt, wobei diese Reihenfolge über die Jahre konstant bleibt. Die niedrigste Akzeptanz erhielt der Bereich MDK, und auch hier zeigt sich eine hohe Konsistenz. Die Rangtests der einzelnen Jahre weisen darauf hin, dass die Studierenden die Vorbereitungsveranstaltungen heterogen beurteilen.

Wenn die Bereiche einzeln über die Jahre betrachtet werden, zeigt sich, dass mit drei Ausnahmen keine Unterschiede über die Jahre feststellbar sind. Die Ausnahmen sind das Hausbesuchsprogramm und der Bereich Sozialpädiatrie/Jugendmedizin sowie der Bereich Justizvollzug.

Praktikum/ Betreuung durch die aufnehmenden Einrichtungen

Die Studierenden sollten die Betreuung in den aufnehmenden Einrichtungen und Praxen beurteilen; dies bildet ein wesentlicher Teil des eigentlichen Praktikums. Die entsprechenden Rangfolgen zeigen deutliche Überschneidungen mit den Beurteilungen der Vorbereitungsseminare. Das Hausbesuchsprogramm schneidet wiederum konsistent über alle betrachteten Jahre am besten ab, es folgen wiederum Arbeitsmedizin und das Gesundheitsamt. Die Unterschiede in den Verteilungen der Beurteilungen über die einzelnen Bereiche sind nur für die ersten beiden Jahre interpretierbar; sie sollten sich auf die Distanz zwischen den bereits genannten erstplatzierten Bereichen und den verbleibenden erklären lassen.

Bei der Betrachtung der einzelnen Bereiche über die vier Durchgänge zeigt sich eine hohe Konstanz; nur für den Bereich Arbeitsmedizin werden statistische Unterschiede in der Beurteilung deutlich (Tabelle 3 [Tab. 3]).

Nachbereitung

Für die Nachbereitungsseminare wurden nur über drei der vier betrachteten Jahre Evaluationen durchgeführt. Wieder zeigen sich über die Jahre die Reihungen wie sie auch für Vorbereitung sowie für die Betreuung in den Einrichtungen gefunden wurden. Dies wird durch statistisch signifikante Unterschiede über alle drei Durchläufe dokumentiert, wobei die signifikanten Abweichungen sich im Wesentlichen durch die Abstände der erstplatzierten Bereiche zu den Verbleibenden erklären sollte. Werden die einzelnen Bereiche über die Durchläufe verglichen, ergeben sich Unterschiede beim Hausbesuchsprogramm, dem Gesundheitsamt, der Drogenmedizin und der Sozialpädiatrie/ Jugendmedizin (Tabelle 4 [Tab. 4]).

Gesamtbeurteilung

Die Studierenden sollten auf einer 15-Punkteskala angeben, wie sie das Berufsfelderkundungspraktikum insgesamt unter Einbeziehung aller Aspekte beurteilen.

Die Gesamtbeurteilungen liegen in einem ähnlichen Rahmen, wie für die einzelnen Bereiche gezeigt. Über die betrachteten Jahrgänge hinweg findet sich das Hausbesuchsprogramm wiederum auf den höchsten Rangplätzen, gefolgt vom Gesundheitsamt und der Arbeitsmedizin, wobei im ersten Durchgang die Unterschiede zwischen dem Hausbesuchsprogramm und den folgenden Rangplätzen groß, zwischen den anderen Bereichen jedoch gering sind. Dies sollte den statistisch signifikanten Unterschied erklären (Tabelle 5 [Tab. 5]).

Die Betrachtung der Jahresunterschiede bei einzelnen Bereichen zeigt, dass es innerhalb der Hausbesuchspraktika substantielle Unterschiede in der Beurteilung gibt, das gleiche gilt für das Gesundheitsamt, die Sozialpsychiatrie und den Justizvollzug. Die übrigen Bereiche weisen über die betrachteten Jahre hinweg keine statistisch bedeutsamen Differenzen im Ranking auf.

In die Gesamtbeurteilung geht eine große Menge an unterschiedlichen Informationen ein, die letztlich schwer zu quantifizieren sind. Um trotzdem Aufschlüsse über die Determinanten allgemeiner Urteile zu erhalten, wurde eine Regressionsanalyse mit der Gesamtbeurteilung als abhängiger Variable durchgeführt. Die Beurteilungen der Übersichtsvorlesung, der Einführungsveranstaltung, des praktischen Teils und der Nachbereitung wurden als unabhängige Variablen verwendet. Für alle drei wurden interpretierbare Effekte gefunden, wobei der praktische Teil mit β=49 am stärksten ins Gewicht fällt; für die Vorbereitungsseminare ist es β=0,29, für die Nachbereitung waren es β=0,16. Die Einführungsvorlesung leistete den geringsten Beitrag zur Gesamtbewertung, denn der standardisierte Regressionskoeffizient lag bei nur β=0,06.


Diskussion

Das Berufsfelderkundungspraktikum, wie es an der Medizinischen Hochschule Hannover durchgeführt wird, wurde über einen Vierjahreszeitraum nach den besuchten Praxisbereichen evaluiert. Die durchweg besten Einstufungen erhielt das Hausbesuchsprogramm mit einem allgemeinmedizinischen Fokus, das Patientenkontakt, persönliche Betreuung und Möglichkeiten zur Eigenaktivität kombiniert. Zur guten Platzierung sollte in diesem Teil des Praktikums auch beigetragen haben, dass die hausärztliche Tätigkeit mit den Studienmotivationen der Erstsemesterstudierenden entgegenkommt. Dieses Interesse an der praktischen Seite ärztlicher Tätigkeit erklärt auch den hohen Beitrag der Exkursion an der Gesamtbeurteilung.

Die Rankings zeigen aber auch, dass die Vor- und Nachbereitungen als über die Jahre unterschiedlich wahrgenommen wurden, während die Rankings der Hospitationen wenig Variation aufweisen. Wie interpretieren diese Befunde so, dass sich darin die wechselnden Rahmenbedingungen des Praktikums niederschlagen.

Auf der zweiten Stelle der Rankings steht die Arbeitsmedizin. In diesem Bereich wird zwar durchweg eine personalisierte Betreuung praktiziert, ein Patientenkontakt ist jedoch nicht durchweg vorhanden. In der Einschätzung der Verantwortlichen wurde dieser Bereich als problematisch angesehen, weil er von allen Praxisfeldern die geringste Kontinuität aufweist. Dies erklärt sich aus der über die Jahre wechselnden Aufnahmepraxis sowie durch eine Fluktuation der aufnehmenden Unternehmen. Die Arbeitsmedizin ist der einzige Bereich, der im Praktikumsteil statistisch signifikante Unterschiede in den Beurteilungen über die vier Durchläufe aufweist. Bei näherer Betrachtung liegt dieser Bruch zwischen dem ersten und den folgenden Jahren; im ersten Jahr wurden die Exkursionen im Gruppenrahmen durchgeführt, was von den Studierenden in den Berichten als kritisch vermerkt wurde. In den Folgejahren wurde dies geändert; es waren jeweils nur einzelne Studierende in einem Unternehmen, die von einer Ärztin oder einem Arzt einzeln betreut wurden, verbunden mit der Möglichkeit, mehr Fragen zu stellen und aktiver zu werden.

Das gute Ranking der Vorbereitung zum Praktikum in arbeitsmedizinischen Abteilungen ist deshalb bemerkenswert, weil sie als einziger Bereich nicht von Referentinnen und Referenten aus dem Fach, sondern von Mitarbeitern der Medizinsoziologie durchgeführt wurde, die sich erst in die Materie einarbeiten mussten und daher einen mehr theoretischen als praktisch fundierten Zugang zum Berufsfeld hatten.

Auf dem dritten Rang der Beurteilungen stand in unseren Analysen das Gesundheitsamt. Dies war nicht unbedingt zu erwarten, da im Vorfeld von den Studierenden Vorbehalte geäußert wurden. In den schriftlichen Berichten wird jedoch häufig die engagierte Betreuung in den aufnehmenden Einrichtungen hervorgehoben, zusätzlich äußerten sich die Studierenden überrascht über die große Variabilität der Tätigkeiten. Letzteres führte zwar zu einer positiven Beurteilung der Praktika in den Gesundheitsämtern, jedoch nicht dazu, dass die Erstsemester das Gesundheitsamt als möglichen Arbeitsplatz für sich selbst in Erwägung ziehen würden.

Die Einführung in die amtsärztliche Tätigkeit im Seminarrahmen wurde, legt man das von uns gewählte statische Kriterium zugrunde, über die Jahre als konstant beurteilt. Der Hintergrund dieser Einstufung bildet eine personelle Kontinuität einer Referentin und eines Referenten, verbunden mit einem konstanten Stil in der Durchführung.

Ob diese letzte Aussage uneingeschränkt zutrifft, kann letztlich nicht entschieden werden. Bei den Vorbereitungsseminaren gab es über weite Strecken personelle Kontinuität in Verbindung mit gleichbleibenden Rankings, wie in der Rechtsmedizin, der Drogenmedizin und dem MDK. Es gab aber auch Bewertungsvariationen bei personeller Kontinuität, etwa im Justizvollzug.

Abgesehen vom beschriebenen Fall Arbeits- und Betriebsmedizin, erscheint die Betreuung in den Einrichtungen und Praxen in der statistischen Analyse, als über die betrachteten Jahre konstant.

Im Methodenabschnitt wurde darauf hingewiesen, dass die Studierenden sich ihr Praxisfeld selbst wählen können, dass aber nach der Einschreibung in die begehrteren Bereiche (z.B. Rechtsmedizin, Justizvollzug oder Drogenmedizin) die weniger Attraktiven übrig bleiben. Es ist daher plausibel, dass aufgrund dieser Selektion einige besser, andere dagegen schlechter abschneiden könnten. Ob dies tatsächlich der Fall ist, kann mit den vorliegenden Daten nicht untersucht werden, jedoch lassen sich aus den referierten Befunden einige Schlüsse ziehen. Das Hausbesuchsprogramm ist beliebt, es ist auch in den Rankings konsistent gut platziert. Die Rechtsmedizin ist einer der Bereiche, die bei der Einschreibung am schnellsten gefüllt sind. Im Ranking steht die Rechtsmedizin aber nicht auf den vorderen Plätzen. Folgt man den schriftlichen Berichten der Studierenden, gibt es vorab nur wenig ausgeprägte Sympathien für das Gesundheitsamt, auch die Arbeitsmedizin wird eher aus Verlegenheit gewählt, trotzdem erreichen diese beiden Bereiche gute Rankings. Wir schließen daraus, dass die vor Beginn des Praktikums bestehenden Präferenzen die Beurteilungen entweder nicht oder nur in geringem Maß bestimmt haben.

Abschließend stellt sich die Frage, welche Folgerungen sich aus den referierten Befunden ergeben. Hinsichtlich der Optimierung des Praktikums gibt die Regressionsanalyse eine Entscheidungshilfe auf die Frage, ob auf die Nachbereitungsseminare verzichtet werden kann, wie im zweiten Durchgang praktiziert. Wenn das Kriterium die Gesamtbeurteilung ist, kann dies durchaus empfohlen werden. Dies wurde im Wintersemester 2003/2004 auch umgesetzt. Offensichtlich wird der Rückmeldung von Erfahrungen anderer Studierender, mit der Möglichkeit des Vergleichs mit den Eigenen, nur wenig Bedeutung zugemessen. Der geringe Beitrag der Vorlesung zur Gesamtbeurteilung sowie die relativ schlechte Beurteilung führten dazu, dass auch dieses Element des Berufsfelderkundungspraktikums im letzten Wintersemester nicht mehr angeboten wurde.

Die Evaluation des Praktikums hat damit gezeigt, dass es von den Studierenden durchaus positiv bewertet und angenommen wurde. Sie hat zu Konsequenzen hinsichtlich der künftigen Struktur der Veranstaltung geführt.


Danksagung

Die Konzeption und die Durchführung des Berufsfelderkundungspraktikums wäre ohne die Kooperation mit Abteilungen innerhalb und außerhalb der Hochschule nicht möglich gewesen. Wir möchten uns an dieser Stelle bei den Kolleginnen und Kollegen bedanken, die uns bei der Organisation und insbesondere durch ihre Mitwirkung in den Vorbereitungsseminaren besonders unterstützt haben. Es sind (in alphabetischer Reihenfolge): Frau Auffenberg (JVA Hannover), Herr Dr. Bartusch (Abt. Sozialpsychiatrie der MHH), Frau Voigt und Herr Dr. Behrends (beide Fachbereich Gesundheit, vormals Gesundheitsamt Hannover), Frau Dr. Ehrhardt (Jugendmedizinischer Dienst der Stadt Hannover), Frau Prof. Dr. Wrbitzky (Abt. Arbeitsmedizin der MHH), Herr PD Dr. Middelhoff und Frau Dr. Döbel-Hansen (beide MDK Hannover) und Frau Dr. Voigt (Fachbereich Gesundheit der Region Hannover). Sie stehen auch für die große Zahl von Ärztinnen und Ärzten, die in ihren Hausarztpraxen sowie in den verschiedenen medizinischen Einrichtungen Studierende betreut und zum Erfolg der Veranstaltung beigetragen haben.


Literatur

1.
Bundesregierung. Approbationsordnung für Ärzte vom 27. Juni 2002. Bundesgesetzblatt. 2002;44:2405-2435.
2.
Kahlke W. Das Praktikum der Berufsfelderkundung nach dem Hamburger Modell. Med Ausbild. 1995;12:126-135.
3.
Norusis MJ, SPSS Inc. SPSS for Windows manual , advanced statistics for version 6 SPSS Inc., Chicago; 1993.
4.
Patschan O, Maier B, Knabe H. Das Hausbesuchsprogramm an der Medizinischen Fakultät der Universität Greifswald im Rahmen des neuen Schwerpunkts Community Medicine. Med Ausbild. 2003;11:27-34.
5.
Rockenbauch B, Borgetto B. Begleitbuch zur Berufsfelderkundung. Giessen: J.F.Lehmanns Verlag; 1995.
6.
Sponholz G, Baitsch H. Praktikum der Berufsfelderkundung. Med Gen.1993;3:254-257.