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GMS Zeitschrift für Audiologie — Audiological Acoustics

Deutsche Gesellschaft für Audiologie (DGA)

ISSN 2628-9083

Ausmaß depressiver Symptome bei unilateral und bilateral Cochleaimplantat-Versorgten

Originalarbeit

  • corresponding author Katharina Heinze-Köhler - Cochlear-Implant-Centrum CICERO, Universitätsklinikum Erlangen, Hals-Nasen-Ohrenklinik, Kopf- und Halschirurgie, Erlangen, Deutschland
  • Effi Katharina Lehmann - Cochlear-Implant-Centrum CICERO, Universitätsklinikum Erlangen, Hals-Nasen-Ohrenklinik, Kopf- und Halschirurgie, Erlangen, Deutschland
  • Cynthia Glaubitz - Cochlear-Implant-Centrum CICERO, Universitätsklinikum Erlangen, Hals-Nasen-Ohrenklinik, Kopf- und Halschirurgie, Erlangen, Deutschland
  • Ulrich Hoppe - Cochlear-Implant-Centrum CICERO, Universitätsklinikum Erlangen, Hals-Nasen-Ohrenklinik, Kopf- und Halschirurgie, Erlangen, Deutschland

GMS Z Audiol (Audiol Acoust) 2024;6:Doc22

doi: 10.3205/zaud000057, urn:nbn:de:0183-zaud0000575

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zaud/2024-6/zaud000057.shtml

Veröffentlicht: 27. November 2024

© 2024 Heinze-Köhler et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Bisherige Studien zu depressiven Symptomen bei Personen mit Cochleaimplantat (CI) betrachteten häufig kleine unilateral oder bilateral CI-versorgte Gruppen separat. Ziel der vorliegenden Studie war daher eine Analyse und Vergleich des Ausmaßes depressiver Symptome bei bilateral CI-Versorgten und verschiedenen Gruppen unilateral CI-Versorgter innerhalb einer Studie.

Methoden: Insgesamt 331 CI-Versorgte wurden mit einer verkürzten Form des Beck Depression Inventars (BDI-V) zu einem frühen Zeitpunkt innerhalb der Basis- und Folgetherapie nach OP befragt. Diese unterteilten sich in 45 bilateral CI-Versorgte, 204 unilateral CI-Versorgte mit einem Hörgerät auf der Gegenseite, 25 unilateral CI-Versorgte mit schwerhöriger, aber unversorgter Gegenseite, sowie 57 unilateral CI-Versorgte mit normalhörender Gegenseite. Der Einfluss der Gruppenzugehörigkeit sowie der Faktoren Alter, Geschlecht und Sprachverstehen mit CI im Freiburger Einsilbertest (FBE) auf das Ausmaß depressiver Symptome wurde untersucht.

Ergebnisse: Bilateral CI-Versorgte wiesen signifikant geringere Gesamtwerte im BDI-V auf als die Referenzgruppe unilateral CI-Versorgter mit Hörgerät auf der Gegenseite. Alter und Geschlecht zeigten ähnliche Effekte wie in anderen Studien, während das Sprachverstehen mit CI keinen signifikanten Einfluss auf das Ausmaß depressiver Symptome aufwies. Die Gesamtstichprobe aller CI-Versorgten lag im Mittel im Normbereich des BDI-V.

Diskussion: Die bilaterale CI-Versorgung bei vorliegender Indikation scheint mit einem niedrigen Ausmaß depressiver Symptome einherzugehen. Erklärungsmöglichkeiten hierfür könnten die bereits durchlaufene Betreuung in der Rehabilitation nach der ersten OP sowie der wahrscheinliche Ausschluss weiterer zukünftiger Hörverschlechterungen bei bilateral CI-Versorgten sein.

Schlüsselwörter: Cochlea-Implantat, Depression, depressive Symptome, bilateral, CI-Rehabilitation


Hintergrund

Rund 1,5 Milliarden Menschen weltweit sind von Schwerhörigkeit in verschiedenen Ausprägungsgraden betroffen [44]. Als Folge eines verminderten Hörvermögens wurden vielfach Einschränkungen in der Lebensqualität der Betroffenen berichtet sowie eine Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit und eine Zunahme depressiver Symptome [1], [18], [21], [24], [40].

Bei hochgradiger Schwerhörigkeit, die nicht mehr mit konventionellen, schallverstärkenden Hörgeräten kompensiert werden kann, kommt – bei geeigneten medizinischen und rehabilitativen Voraussetzungen – die Versorgung mit einem Cochleaimplantat (CI) in Frage [8], [16], [17].

Depressive Symptome bei CI-Versorgten

Eine frühe Studie, die sich mit den psychologischen Auswirkungen der Cochleaimplantation befasste, fand keine Unterschiede in der Anzahl depressiver Symptome der CI-Versorgten präoperativ und ein Jahr postoperativ [11]. Die Zahl der untersuchten CI-Versorgten war jedoch mit 53 Personen vergleichsweise klein, und klinisch auffällige Personen wurden bereits vorab von der CI-Versorgung ausgeschlossen. Der Versorgungsmodus (z.B. Hörgerät, CI, normalhörend) der kontralateralen Seite wurde nicht berichtet. Mehrere spätere Studien, die jedoch bis auf eine Einzelperson keine bilateral CI-Versorgten einschlossen, zeigen eine Abnahme depressiver Symptome nach Cochleaimplantation [7], [23], [28], [34].

Bosdriesz und Kollegen [6] fanden in einer Depressionsskala keinen Unterschied zwischen Normalhörenden und einer ebenfalls kleineren Stichprobe von 37 CI-Versorgten, die im Mittel das CI bereits fünf Jahre getragen hatten, deren Versorgungsdauer jedoch auch eine breite Variabilität aufwies. Große Gruppen von CI-Versorgten sind für Studien oftmals schwer zu erreichen. Sie sind jedoch erforderlich, um sicherzustellen, dass ein tatsächlich vorhandener Effekt nicht aufgrund zu geringer Fallzahl übersehen wird.

Frühe Studien schlossen in der Regel lediglich bilateral Ertaubte oder Personen mit asymmetrischem Hörverlust mit unilateraler CI-Versorgung ein. Darüber hinaus wurden in jüngerer Zeit auch CI-Versorgte mit einseitiger Ertaubung und Normalhörigkeit auf der Gegenseite („Single sided deafness“, SSD) und bilateraler CI-Versorgung hinsichtlich der Entwicklung psychologischer Variablen nach CI-OP nachverfolgt. Für all diese Patientengruppen fanden sich Verbesserungen der hörbezogenen Lebensqualität nach Implantation [13], [29], [31]. Direkte Vergleiche innerhalb einer Studie zwischen verschiedenen Gruppen von CI-Versorgten – kategorisiert anhand des binauralen Hörstatus – zeigen postoperativ keine Gruppenunterschiede in der hörbezogenen Lebensqualität [19], [31], [39]. Depressive Symptome wurden bisher selten sowohl bei bilateral CI-Versorgten als auch bei unilateral CI-Versorgten mit asymmetrischem Hörverlust innerhalb einer Studie untersucht [19], [27]. Es fanden sich keine signifikanten Änderungen von präoperativen zu postoperativen Werten bei beiden Gruppen [19] und keine Gruppenunterschiede zu beiden Zeitpunkten [27].

Ziele der Studie

Zu spezifischeren Bereichen psychischer Belastung wie depressiven Symptomen fehlt bislang eine größere Datenmenge bei CI-Versorgten. Ziel der vorliegenden Studie war eine Analyse des Ausmaßes depressiver Symptome mit einer verkürzten Form des Beck Depression Inventars (BDI-V) [37] bei einer in einem deutschen CI-Zentrum vorkommenden Population von Patienten mit unilateraler CI-Versorgung und Hörgerät oder fehlender Versorgung bei vorhandener Hörbeeinträchtigung auf der Gegenseite, einseitiger Ertaubung (unilateral CI und Normalhörigkeit auf der Gegenseite) und bilateraler CI-Versorgung. In der retrospektiven Analyse wurden zudem demografische Variablen und das Sprachverstehen mit CI in Bezug zum Ausmaß depressiver Symptome gesetzt. Unter dem Begriff Ausmaß depressiver Symptome wird hier eine durch den Fragebogen bedingte Gewichtung der Anzahl depressiver Symptome mit ihrer Auftretenshäufigkeit verstanden. Es handelt sich daher um metrische Werte, die auch ohne Krankheitswert vorliegen können.


Methoden

Stichprobe

Untersucht wurden alle erwachsenen CI-Versorgten, die ab Januar 2014 bis Dezember 2017 im Erlanger CI-Centrum CICERO im Rahmen der rehabilitativen Basis- und Folgetherapie einen psychologischen Erstkontakt wahrnahmen, unabhängig davon, zu welchem genauen Zeitpunkt dieser stattfand, und die in die Bearbeitung und Auswertung des Fragebogens BDI-V einwilligten. Die retrospektive Datenanalyse der Fragebögen wurde durch die Ethik-Kommission der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg genehmigt (Nr.: 162_17 Bc).

Ausgeschlossen wurden Personen, bei denen aufgrund von Schwierigkeiten mit der deutschen Schriftsprache kein ausreichendes Verständnis der Fragen des BDI-V vermutet wurde. Dies erfolgte auf der Grundlage des klinischen Urteils der durchführenden Testleiterin. Weitere Ausschlusskriterien wurden nicht angewendet, um ein möglichst umfassendes Bild des Vorkommens von depressiven Symptomen bei CI-Versorgten im klinischen Alltag zu erhalten.

Insgesamt wurde der BDI-V im genannten Zeitraum von 331 CI-Versorgten ausgefüllt. Im oben genannten Zeitraum wurden im CICERO 368 Personen mit 399 Implantaten versorgt. Darüber hinaus befanden sich noch 91 Personen in der laufenden Folgetherapie, die vor 2014 operiert wurden. Demnach waren 72% aller im oben genannten Zeitraum in der Basis- oder Folgetherapie befindlichen Personen durch die Befragung mit dem BDI-V abgedeckt. Die Stichprobe von 331 Personen ist bei einer gewünschten Testpower von 80% und einem Signifikanzniveau von α=0,05 geeignet, um bei Abweichungen des BDI-V Gesamtwerts von der Normstichprobe bereits sehr kleine Effektstärken von Cohen’s d=0,15 als signifikant zu erkennen.

Von den untersuchten 331 CI-Versorgten waren 147 männlich und 184 weiblich. Im Mittel waren die CI-Versorgten zum Zeitpunkt des ersten Ausfüllens 58,68 Jahre alt (SD=15,05; Min=18; Max=85) und hatten im Mittel 5,82 (SD=6,034) Behandlungstage bereits absolviert. Dies entspricht bei den standardisierten Abläufen der Basis- und Folgetherapie im CICERO in etwa dem Zeitpunkt von einem Monat nach Erstanpassung des CI-Prozessors. Während 45 Personen beidseitig CI-versorgt waren, war der überwiegende Teil der CI-Versorgten mit 286 Personen unilateral versorgt. Diese unterteilten sich in 141 linksseitig CI-Versorgte und 145 rechtsseitig CI-Versorgte. Auf der Gegenseite war die überwiegende Zahl der unilateral CI-Versorgten mit einem Hörgerät versorgt (N=204). Weitere 25 unilateral CI-Versorgte waren auf der Gegenseite schwerhörig oder ertaubt, aber unversorgt. Weitere 57 Personen waren einseitig ertaubt (SSD) und mit CI versorgt und auf der Gegenseite normalhörend. Die Verteilung von Geschlecht und Lebensalter in den einzelnen Subgruppen findet sich in Tabelle 1 [Tab. 1]. Zur Überprüfung der Unabhängigkeit von Geschlecht und Versorgungsmodus auf der Gegenseite (Hörgerät, Bilateral, SSD, unversorgt) wurde ein Chi-Quadrat-Test durchgeführt. Dieser ergab keinen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen Geschlecht und Versorgungsmodus (χ2(3)=3,648; p=0,302). Die Gruppen nach Versorgungsmodus unterschieden sich jedoch signifikant hinsichtlich des Lebensalters (F=14,518; p<0,001).

BDI-V

Das Beck Depression Inventar [2] zählt zu den weltweit am häufigsten eingesetzten Instrumenten zur Erfassung einer depressiven Symptomatik. Schmitt und Maes [37] entwickelten mit dem BDI-V eine verkürzte deutsche Version, um eine ökonomischere und für die ausfüllende Person weniger belastende Durchführung bei gleichen Gütekriterien zu ermöglichen [36]. Die Korrelation mit der Originalversion wird auf Gesamtwertebene mit r=0,91 und die interne Konsistenz des BDI-V wird mit α=0,93 angegeben [36]. Die abgefragten Symptome sind bis auf den Gewichtsverlust erhalten geblieben und umfassen: Stimmung, Hoffnungslosigkeit, Unzufriedenheit, Genussunfähigkeit, Schuldgefühl, Bestrafungsgefühl, Selbsthass, Selbstanklage, Selbstbestrafung, Weinen, Reizbarkeit, Sozialer Rückzug, Entschlusslosigkeit, Körperwahrnehmung, Arbeitsunfähigkeit, Schlafstörungen, Ermüdbarkeit, Appetitlosigkeit, Hypochondrie und Libidoverlust. Jedes der zwanzig Symptome wird mit einem Item in Form einer Aussage wie beispielsweise „Ich bin traurig“ abgefragt. Die schriftliche Instruktion zur Bearbeitung lautet: „In diesem Fragebogen geht es um Ihr gegenwärtiges Lebensgefühl. Bitte geben Sie zu jeder Frage an, wie häufig Sie die genannte Stimmung oder Sichtweise erleben“. Die sechsstufige Häufigkeitsskala ist numerisch von 0 bis 5 repräsentiert, wobei die Extremwerte zusätzlich sprachlich codiert sind: 0/nie und 5/fast immer. Durch Addition der jeweils angekreuzten Zahlwerte kann ein Gesamtwert mit einer Bandbreite von 0 bis maximal 100 Punkten gebildet werden. Bei Werten von 35 und darüber gehen Schmitt et al. [35] von einer Wahrscheinlichkeit von 92% aus, dass bei der betreffenden Person tatsächlich eine depressive Erkrankung vorliegt (Sensitivität). CI-Versorgten, die einen solchen Wert erreichten, wurden fachärztliche und psychotherapeutische Abklärungen empfohlen.

Freiburger Einsilbertest (FBE)

Das Sprachverstehen mit CI wurde mit dem Freiburger Einsilbertest (FBE) gemessen [9]. Alle Messungen erfolgten monaural mit CI. Das kontralaterale Ohr wurde in Abhängigkeit vom Grad der Hörbeeinträchtigung mit Stöpsel und gegebenenfalls zusätzlich mit Rauschen über Kopfhörer vertäubt. Die Messungen erfolgten unter Quasi-Freifeld-Bedingungen bei 65 dBSPL. Die Lautsprecher waren frontal in einer Entfernung von einem Meter positioniert. Das CI-System wurde vor den Messungen auf technische Integrität überprüft. Der FBE ist Teil der klinischen Evaluation der Basis- und Folgetherapie. Für die Auswertung wurde der erreichte Wert am gleichen Behandlungstag des Ausfüllens des BDI-V festgehalten. Sofern für den gleichen Tag kein Wert vorlag, wurde der zeitlich nächstgelegene Wert innerhalb eines Monats vor oder nach dem Ausfülldatum gewählt. Bei bilateral CI-Versorgten wurde der unilateral gemessene Wert der besser hörenden Seite gewählt.

Datenanalyse

Die statistische Auswertung der Daten erfolgte mit IBM SPSS Statistics for Windows, Version 24.0 (IBM Corp., Armonk, NY). Zum Vergleich der CI-Versorgten mit der BDI-V Normstichprobe [35] wurde der t-Test eingesetzt. Nach Prüfung aller Variablen hinsichtlich der statistischen Voraussetzungen wurde zur Überprüfung des Einflusses von Lebensalter, Geschlecht sowie des Versorgungsmodus auf der Gegenseite (Hörgerät, unversorgt, SSD, bilateral CI) eine multiple lineare Regression eingesetzt. Das Sprachverstehen im FBE und die bisher stattgefundene Anzahl an Behandlungsterminen in der Basis- und Folgetherapie waren korreliert und konnten daher nicht beide als Prädiktoren in die Regression eingehen. Die bisher stattgefundenen Behandlungstermine wurden gesondert betrachtet. Die Einbeziehung der verschiedenen Versorgungsmodi sowie des Geschlechts erfolgte in der Regression über Dummy-Codierung. Eine Prüfung der Ergebnisse ergab eine leicht schiefe Verteilung der standardisierten Residuen, so dass ein Bootstrapping mit 1.000 Stichproben durchgeführt wurde. Alle angegebenen p-Werte beziehen sich auf das Bootstrapping-Verfahren. Das Signifikanzniveau wurde auf α=0,05 gesetzt.


Ergebnisse

Für alle 331 CI-Versorgten ergab sich ein mittlerer BDI-V Gesamtwert von 19,67 (SD=15,66; Min=0; Max=88; Frauen: M=22,11; SD=16,40; Männer: M=16,62; SD=14,14). In Bezug auf die deutsche geschlechtsgemischte Normstichprobe [35] entspricht der Mittelwert der Gesamtstichprobe einem Prozentrang zwischen 53,4 und 56,2. Es erreichten 50 von 331 CI-Versorgten (15,1%) einen Wert von 35 oder höher. Der Gesamtwert korrelierte nicht mit der Anzahl der bis zum Erhebungszeitpunkt stattgefundenen Behandlungstermine in der Basis- und Folgetherapie (r=–0,028; p=0,610).

Ein Vergleich des BDI-V Gesamtwerts der Stichprobe CI-Versorgter (M=19,67; SD=15,66) mit der Normstichprobe des BDI-V (N=4494; M=20,4; SD=14,2) [35] ergab keinen signifikanten Mittelwertunterschied (t(4823)=–0,896; p=0,370).

Um einen möglichen Einfluss des Hörstatus und des Versorgungsmodus auf der Gegenseite zu überprüfen, wurde eine multiple lineare Regression mit dem BDI-V Gesamtwert als abhängiger Variable durchgeführt. Als Prädiktoren gingen neben dem Versorgungsmodus auch die bekannten Einflussfaktoren Geschlecht und Lebensalter sowie das Sprachverstehen mit CI gemessen mit dem FBE ein. Für das Gesamtmodell ergab sich R2=0,113 (p<0,001). Eine Übersicht über die Koeffizienten findet sich in Tabelle 2 [Tab. 2]. Die Geschlechtsvariable weiblich war positiv gewichtet (B=5,817; p=0,002), das heißt, weibliche CI-Versorgte erreichten höhere Gesamtwerte. Die Variable Lebensalter war negativ gewichtet, jedoch mit einer geringen Größe des Gewichts (B=–0,253; p<0,001). Das heißt, mit zunehmendem Lebensalter erreichten die CI-Versorgten niedrigere Gesamtwerte. Die Variable FBE zeigte keinen signifikanten Einfluss (B=–0,034; p=0,225). Das Ergebnis des FBE betrug im Mittel 32,30% (SD=30,82) korrekt erkannte Wörter zum Messzeitpunkt von im Mittel 5,82 Behandlungstagen (entspricht in etwa einem Monat nach Erstanpassung). Bilateral CI-Versorgte erreichten einen niedrigeren BDI-V Gesamtwert (M=14,69; SD=10,46) als alle untersuchten Gruppen unilateraler CI-Versorgung (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]). Beim Vergleich mit der Referenzgruppe der auf der Gegenseite mit Hörgerät Versorgten ergab sich ein signifikanter Einfluss der bilateralen Versorgung (B=–6,772; p=0,002). In der Gruppe der unilateral CI-Versorgten erreichten diejenigen, die auf der Gegenseite eine bekannte Schwerhörigkeit oder Ertaubung ohne Versorgung aufwiesen, deskriptiv die höchsten Gesamtwerte (M=24,24; SD=18,30). CI-Versorgte mit SSD erreichten einen Mittelwert von 20,42 (SD=16,56). Beide Gruppen unterschieden sich nicht signifikant von der Referenzgruppe der auf der Gegenseite mit Hörgerät Versorgten (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]), welche im Mittel einen Gesamtwert von 20 (SD=15,84) erreichten (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]).

Aufgrund der unterschiedlichen Altersverteilung in den Gruppen wurden verschiedene Kontrollanalysen durchgeführt, um sicherzustellen, dass das signifikante Gewicht der Gruppenvariable Bilateral nicht auf das Lebensalter zurückzuführen ist. Die Korrelation zwischen beiden Variablen war signifikant, aber sehr gering (r=–0,164; p=0,001). Bei Wiederholung der Regressionsanalyse ausschließlich mit dem Prädiktor Lebensalter ergab sich eine minimale Änderung des Regressionsgewichts zu B=–0,208 (p<0,001). Bei Wiederholung der Regressionsanalyse ausschließlich mit dem Prädiktor Bilateral ergab sich bei weiterhin bestehender Signifikanz eine Änderung des Regressionsgewichts der Gruppe Bilateral zu B=–5,766 (p=0,021). Als weitere Kontrollanalyse wurde eine Kovarianzanalyse mit dem BDI-V Gesamtwert als abhängiger Variable, der Gruppenvariable Versorgungsmodus als festem Faktor sowie der Variable Lebensalter als Kovariate durchgeführt. Es zeigte sich ein allgemeiner signifikanter Einfluss des Versorgungsmodus unter Berücksichtigung des Lebensalters (F=4,376; p=0,005). Kontraste zwischen den Untergruppen ergaben einen signifikanten Unterschied zwischen den Gruppen CI und Hörgerät und Bilateral CI (Differenz=–7,970; p=0,002). Alle anderen Vergleiche waren nicht signifikant (niedrigstes p=0,184).

In einem nächsten Schritt wurde zudem der Gesamtwert der Gruppe Bilateral mit dem Mittelwert der Normstichprobe des BDI-V verglichen. Hier zeigte sich ein signifikant niedrigerer Mittelwert der bilateral CI-Versorgten (t(4537)=–2,690; p=0,007). Alle anderen Gruppen unterschieden sich nicht signifikant von der Normstichprobe (niedrigstes p=0,178).

Zur zusätzlichen Überprüfung von Gruppenunterschieden im BDI-V wurden Unterschiede im Vorkommen von erhöhten Gesamtwerten von 35 und darüber zwischen den Gruppen ausgewertet. Bei diesen Werten gehen die Autoren des BDI-V mit einer Wahrscheinlichkeit von 92% davon aus, dass eine depressive Erkrankung vorliegt [35], wobei für die tatsächliche Diagnose weiterführende Begutachtungen erforderlich wären. In der Gruppe Bilateral wiesen 4,4% der Personen Gesamtwerte von 35 und darüber auf. In den anderen Gruppen lag der Anteil bei 14,8% (CI & Hörgerät), 17,2% (SSD) und 32% (Gegenseite unversorgt). Im Chi-Quadrat-Test bestand ein signifikanter Zusammenhang zwischen Gruppe und Anteil der Personen mit Gesamtwerten von 35 und darüber (χ2(3)=9,776; p=0,021).


Diskussion

Innerhalb der CI-Versorgten wiesen bilateral CI-Versorgte ein niedrigeres Ausmaß depressiver Symptome auf als die Vergleichsgruppe mit CI und Hörgerät. Unilateral CI-Versorgte mit unversorgter schwerhöriger Gegenseite und CI-Versorgte mit SSD unterschieden sich jedoch nicht signifikant von dieser Vergleichsgruppe. Die vorliegende Studie zeigt darüber hinaus, dass sich CI-Versorgte insgesamt bezüglich des Ausmaßes depressiver Symptome im Mittel nicht von der repräsentativen Normstichprobe [35] unterscheiden, während die Gruppe bilateral CI-Versorgter signifikant niedrigere Werte im BDI-V aufweist als die Normstichprobe.

Hörvermögen und Ausmaß depressiver Symptome – Einfluss des Versorgungsmodus auf der Gegenseite

Die messbaren Hörleistungen der CI-Versorgten wiesen eine große Variabilität auf, was auch in bisherigen Studien zu finden ist [5], [10], [30]. Die Hörleistungen im Alltag sind bei unilateral CI-Versorgten zudem stark durch den Hör- und Versorgungsstatus der Gegenseite mitbestimmt. In dieser Studie wurde die Hörleistung unilateral CI-Versorgter auf der Gegenseite nicht quantifiziert, sondern lediglich kategorisiert in die Variablen SSD, Hörgerät und unversorgt. Diese Kategorien unterschieden sich sowohl untereinander als auch im Vergleich zur Normstichprobe nicht signifikant hinsichtlich des Ausmaßes depressiver Symptome. CI-Versorgte mit unversorgter Hörschädigung auf der Gegenseite wiesen deskriptiv ein etwas höheres Ausmaß depressiver Symptome auf. Sowohl in der Gruppe mit einer unversorgten Gegenseite als auch in der großen Gruppe der auf der Gegenseite Hörgeräte-Versorgten besteht jedoch eine beträchtliche Variabilität der Hörleistungen auch dieser Gegenseite. Das hier gefundene Ergebnis widerspricht daher nicht dem in anderen Studien ermittelten Zusammenhang zwischen Hörvermögen und seelischer Gesundheit [1], [18], [24], [40], zumal der Anteil erhöhter Gesamtwerte bei einem signifikanten Gruppeneffekt in der Gruppe mit unversorgter Gegenseite am höchsten war. Depressive Symptome können sich darüber hinaus negativ auf das spätere Sprachverstehen mit CI auswirken, sogar wenn sie insgesamt noch im unauffälligen Normbereich liegen [15].

Bilateral CI-Versorgte zeigten im Mittel ein geringeres Ausmaß depressiver Symptome als unilateral CI-Versorgte und als die Normstichprobe des BDI-V. Bichey und Miyamoto [4] berichten nach bilateraler CI-Versorgung von Zunahmen in der Lebensqualität, gemessen mit dem Health Utility Index (HUI), auch in der Subskala Emotion, welche Depressivität und Ängstlichkeit umfasst. Während eine Meta-Analyse von McRackan et al. [22] zu dem Ergebnis kommt, dass die bilaterale CI-Versorgung zu Steigerungen in der hörbezogenen, nicht jedoch der allgemeinen Lebensqualität führt, zeigen gerade solche Studien einen Vorteil der bilateralen CI-Versorgung in der Lebensqualität mit Maßen, die Affektivität oder Depressivität mit einbeziehen [12], [25]. Péus et al. [29] hingegen berichten bei einer Gruppe von 29 bilateral CI-Versorgten, die sowohl präoperativ, 6 Monate postoperativ des sequenziell ersten CI, als auch 6 Monate postoperativ des sequenziell zweiten CI untersucht wurden, von stabil bleibenden Häufigkeitswerten depressiver Symptome. Diese lagen im Mittel im Normbereich, jedoch mit einem Anteil von 34,4% behandlungsbedürftigen Werten. Für alle anderen Versorgungsmodi wurde in der Literatur eine Verbesserung in psychologischen Maßen post-OP gezeigt [13], [25], [28], jedoch wurden hinsichtlich depressiver Symptome bisher erst wenige direkte Vergleiche zwischen verschiedenen Patientengruppen vorgenommen [19], [27]. Die vorliegenden Ergebnisse decken sich nicht mit den Ergebnissen dieser Studien [19], [27]. Es muss jedoch berücksichtigt werden, dass hier eine einmalige Erhebung zu einem nicht festgelegten frühen Zeitpunkt innerhalb der postoperativen Basis- und Folgetherapie stattfand, während Ketterer et al. [19] einen Vergleich zwischen prä- und postoperativen Daten vornahmen und hierfür in den beiden Gruppen uni- und bilateral Versorgter keine Unterschiede im Zeitverlauf fanden. Die Autoren berichten deskriptiv, dass das mittlere Ausmaß depressiver Symptome in beiden Gruppen bereits präoperativ niedrig im Vergleich zur Norm des verwendeten Tests war [19]. Olze et al. [27] berichten von fehlenden Unterschieden zwischen den Gruppen sowohl prä- als auch postoperativ.

Vergleichbar zu den vorliegenden Daten zeigten Noble et al. [25] bessere Werte von bilateral CI-Versorgten im Vergleich zu unilateral CI-Versorgten mit und ohne Hörgerät in selbstberichtetem hörbezogenem emotionalem Stress und hörbezogener sozialer Isolation, welche möglicherweise mit depressiven Symptomen assoziiert ist [38].

Während andere Studien Parallelen zwischen der objektiven Hörverbesserung mit CI und Verbesserungen von psychologischen Variablen ziehen [7], [20], war das Ausmaß depressiver Symptome hier im Querschnitt unabhängig vom gemessenen Sprachverstehen mit CI. Dies könnte durch den im Mittel früh innerhalb der Basis- und Folgetherapie gelegenen Befragungszeitpunkt bedingt sein, zu welchem das Sprachverstehen im Mittel gering ausfiel, aber auch eine große Variabilität aufwies. Die geringen BDI-V-Gesamtwerte bei bilateraler CI-Versorgung im Vergleich zur Versorgung mit CI und Hörgerät müssen daher durch andere Hintergrundvariablen erklärbar sein. Eine Möglichkeit wäre der stärkere Einfluss des objektiven Sprachverstehens auf der Gegenseite. Ketterer et al. [19] zeigten jedoch für beide untersuchten Gruppen – unilateral CI-Versorgte mit asymmetrischem Hörverlust und bilateral CI-Versorgte – postoperativ eine signifikante Zunahme im Einsilberverstehen sowohl der monauralen als auch der binauralen Messwerte, mit einem deskriptiv vergleichbaren Verlauf beider Messwerte. Die depressiven Symptome beider Gruppen wiesen hingegen keine Veränderungen im Zeitverlauf auf [19]. Weitere mögliche in der Literatur beschriebene Hintergrundvariablen wären ein subjektiv verbessertes Hören [22], welches nur moderat mit objektiven Maßen zusammenhängt [41], und bei CI-Versorgten mit Tinnitus eine verbesserte Unterdrückung des Tinnitus durch Umgebungsgeräusche [26], [34]. Bosdriesz et al. [6] berichten über ein geringes Ausmaß depressiver Symptome von CI-Versorgten allgemein, unabhängig vom Ausmaß der Hörbehinderung. Als mögliche Erklärung geben Bosdriesz et al. [6] unter anderem die umfangreiche Rehabilitation bei CI-Versorgung an. In der vorliegenden Studie wiesen bilateral CI-Versorgte ein geringeres Ausmaß depressiver Symptome unabhängig vom Zeitpunkt auf. Hier könnte die in der Regel bereits durchlaufene Basis- und Folgetherapie nach der sequenziell ersten Cochleaimplantation einen positiven Einfluss haben. Umgekehrt könnte aber auch das geringere Ausmaß depressiver Symptome die Entscheidung für eine zweite Operation positiv beeinflusst haben. Dies übersteigt den Interpretationsspielraum der hier durchgeführten Regressionsanalyse und bedarf einer genaueren Betrachtung in zukünftigen Studien. Bosdriesz et al. [6] führen als eine weitere Erklärungsmöglichkeit für das mit Normalhörenden vergleichbare Ausmaß depressiver Symptome von CI-Versorgten an, dass bei CI-Versorgung das Hörvermögen langfristig in der Regel stabil bleibt, während bei Hörgeräteversorgung eine weitere Verschlechterung nicht ausgeschlossen ist. Diese Stabilität trifft in der vorliegenden Studie insbesondere auf die bilateral CI-Versorgten zu, was deren niedrigere BDI-V-Gesamtwerte erklären könnte.

Der Gruppenvergleich zeigt auch, dass bei psychologischen oder subjektiven Maßen zum Rehabilitationserfolg bei CI-Versorgten bedacht werden sollte, dass das Hören auf der Gegenseite das Alltagshören entscheidend beeinflusst, da dieses in der Regel ein binaurales Hören ist. Dies sollte in zukünftigen Studien berücksichtigt werden.

Zusammenhang mit demografischen Variablen

Der hier gefundene höhere BDI-V Gesamtwert für weibliche CI-Versorgte im Vergleich zu männlichen entspricht dem Unterschied in der Normstichprobe [35]. Es besteht weltweit eine höhere Prävalenz für depressive Erkrankungen unter Frauen [43]. Eine vorhandene Hörbeeinträchtigung wirkt sich zudem insbesondere bei Frauen negativ auf die Prävalenz aus [21]. Die weltweite Prävalenz steigt darüber hinaus bis zu einem Lebensalter von rund 60 Jahren und nimmt danach wieder ab [43], wobei sich umgekehrt in der Normstichprobe des BDI-V höhere Gesamtwerte bei Frauen unter 21 und ab 70 zeigen [35]. Im Gegensatz dazu zeigte sich in der vorliegenden Stichprobe von CI-Versorgten ein negativer Zusammenhang zwischen BDI-V Gesamtwert und Lebensalter, jedoch mit einem sehr geringen Gewicht, welches einer Verminderung von 2,5 Punkten im Gesamtwert pro zehn Jahre Zunahme im Lebensalter entsprechen würde. Berücksichtigt werden muss dabei, dass die hier untersuchte Gruppe von CI-Versorgten im Mittel bereits 58 Jahre alt war. Aufgrund einer möglichen veränderten Symptomstruktur bei vorliegender depressiver Erkrankung in höherem Lebensalter [42] könnte der BDI-V depressive Symptome hier unterschätzen. Die Werte der Normstichprobe sowie weitere Studien mit CI-Versorgten mit anderen Depressivitätsmaßen sprechen jedoch dagegen. Häußler et al. [13] stellten bei 20 CI-Versorgten mit SSD, die eine ähnliche Lebensaltersstruktur und ebenso heterogene Messzeitpunkte aufwiesen wie in der vorliegenden Studie, bereits prä-OP unauffällige Werte in einem Depressionsfragebogen fest. Poissant et al. [32] berichten über eine Verringerung depressiver Symptome von prä- zu post-OP nur bei CI-Versorgten über 70 Jahren, nicht aber bei CI-Versorgten unter 60 Jahren. Insgesamt könnte die CI-Versorgung einen Schutzfaktor insbesondere für weibliche ältere Menschen darstellen, möglicherweise indem negative Effekte wie soziale Isolation abgefedert werden, die mit depressiven Symptomen und bei weiblichen Personen enger mit Hörbeeinträchtigungen assoziiert ist [38].

Limitationen und Stärken

Als Limitation beim Vergleich mit der Normstichprobe ist zu nennen, dass die Normierung 2006 veröffentlicht wurde, während die Daten für die vorliegende Studie von 2014 bis 2017 erhoben wurden. Die Verwendung der veralteten Normdaten könnte zu einer Über- oder Unterschätzung des Ausmaßes depressiver Symptome geführt haben. Zudem waren in der Normstichprobe Personen mit Hörbeeinträchtigung nicht explizit ausgeschlossen. Es ist daher möglich, dass der hier vorgenommene Vergleich mit der Normstichprobe das Ausmaß depressiver Symptome von CI-Versorgten unterschätzt und ein Vergleich mit einer nachweisbar normalhörenden Kontrollgruppe zu einem anderen Ergebnis kommen würde. Bosdriesz et al. [6] nahmen einen solchen Vergleich vor und fanden keine Unterschiede zwischen CI-Versorgten und Normalhörenden in einer Depressionsskala. In der Studie wurde jedoch der Grad der Hörbehinderung kontrolliert, um ausschließlich den Einfluss der technischen Versorgung zu untersuchen. Zudem beruhte die Beurteilung des Schweregrads der Hörbeeinträchtigung unter anderem auch auf einer Selbsteinschätzung der Teilnehmer.

Aufgrund der Größe der Stichprobe an CI-Versorgten in der hier vorliegenden Studie kann weitestgehend ausgeschlossen werden, dass ein tatsächlich vorliegender Unterschied mit klinisch bedeutsamer Effektstärke übersehen wurde, so dass bisherige Studien mit geringeren Zahlen an CI-Versorgten, welche ebenfalls keinen Unterschied fanden, an Bedeutung gewinnen [3], [6], [34]. Als weitere Einschränkung ist jedoch zu nennen, dass die verwendeten Depressionsskalen und Screening-Instrumente in allen berichteten Studien unterschiedlich waren, wodurch die Vergleichbarkeit der Studien untereinander und mit der hier vorliegenden teilweise eingeschränkt sein könnte. Für den BDI-V werden hohe Korrelationen zumindest mit der BDI-Originalversion und der Allgemeinen Depressionsskala [14] berichtet [35]. Ein Nachteil des BDI-V ist das Fehlen eines eindeutigen Grenzwerts für eine Diagnose. Für zukünftige Studien wäre das Feststellen einer Prävalenzrate unter CI-Versorgten auch mithilfe von Expertenratings wünschenswert. Ein erster Hinweis für den zusätzlichen Einfluss des Versorgungsmodus hierbei ist der signifikant unterschiedliche Anteil von erhöhten Gesamtwerten von 35 Punkten und darüber in den Gruppen. Zudem wäre in zukünftigen Studien das Hinzufügen weiterer möglicher Einflussfaktoren wie Tinnitus- und anderer Gesundheitsdaten in einem Modell zu empfehlen, um gegebenenfalls konfundierende Einflüsse dieser gesundheitsbezogenen Variablen erfassen und kontrollieren zu können.

Da die Gruppen nicht repräsentativ ausgewählt, sondern alle untersuchbaren CI-Versorgten innerhalb eines Zeitraums von vier Jahren eingeschlossen wurden, konnte die Vergleichbarkeit der Untergruppen nach Versorgungsmodus hinsichtlich demografischer Variablen nicht gewährleistet werden. So waren bilateral CI-Versorgte deskriptiv, aber nicht signifikant überwiegend weiblich und im Mittel jünger als Personen mit CI und Hörgerät. Diese Voraussetzungen waren in der Gesamtstichprobe eher mit höheren Gesamtwerten assoziiert, jedoch erreichten bilateral CI-Versorgte niedrigere Gesamtwerte als unilateral CI-Versorgte. Dies spricht für einen zusätzlichen Effekt der bilateralen CI-Versorgung auf das Ausmaß depressiver Symptome.


Schlussfolgerung

Neben Studien, die einen Benefit durch die Versorgung mit einem zweiten CI in objektiven audiologischen Maßen zeigen (z.B. [12], [19], [29]), zeigt die hier vorliegende Studie darüber hinaus für bilateral CI-Versorgte eine besonders niedrige Ausprägung depressiver Symptome. Hervorzuheben ist auch, dass die Gesamtstichprobe der CI-Versorgten sich hinsichtlich depressiver Symptome nicht von der Norm des verwendeten Fragebogens unterschied, während für ausschließlich Hörgerät-Versorgte und unversorgte Schwerhörigkeit in der Literatur erhöhte depressive Symptome berichtet werden [18], [21], [24]. Berücksichtigt werden muss, dass die Kausalität aufgrund der einmaligen Erhebung ungeklärt ist. Das Ergebnis kann jedoch insofern in die Beratung von CI-Kandidaten einfließen, als dass individuelle Gründe für eine Entscheidung gegen ein CI im Hinblick auf ursächliche depressive Symptome abgefragt werden sollten.


Anmerkungen

Einhaltung ethischer Richtlinien

Alle beschriebenen Untersuchungen am Menschen wurden mit Zustimmung der zuständigen Ethik-Kommission (Nr.: 162_17 Bc), im Einklang mit nationalem Recht sowie gemäß der Deklaration von Helsinki von 1975 (in der aktuellen, überarbeiteten Fassung) durchgeführt. Von allen beteiligten Patienten liegt eine Einverständniserklärung vor.

Danksagung

Wir danken Carola Stöckert für Unterstützung in der Datenerhebung, Fiona Röhrig für Unterstützung in der Datenauswertung und Dr. Armin Ströbel für Methodenberatung.

Interessenkonflikte

Die Autorinnen und Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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