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GMS Zeitschrift für Audiologie — Audiological Acoustics

Deutsche Gesellschaft für Audiologie (DGA)

ISSN 2628-9083

Verwendung von Sprachtests im Freifeld in Deutschland

Originalarbeit

  • corresponding author Larissa Warkentin - Deutsches Hörgeräte Institut GmbH, Lübeck, Deutschland
  • Inga Holube - Institut für Hörtechnik und Audiologie, Jade Hochschule, Oldenburg, Deutschland
  • Alexandra Winkler - Institut für Hörtechnik und Audiologie, Jade Hochschule, Oldenburg, Deutschland
  • Florian Denk - Deutsches Hörgeräte Institut GmbH, Lübeck, Deutschland
  • Tobias Sankowsky-Rothe - Institut für Hörtechnik und Audiologie, Jade Hochschule, Oldenburg, Deutschland
  • Matthias Blau - Institut für Hörtechnik und Audiologie, Jade Hochschule, Oldenburg, Deutschland
  • Hendrik Husstedt - Deutsches Hörgeräte Institut GmbH, Lübeck, Deutschland

GMS Z Audiol (Audiol Acoust) 2024;6:Doc09

doi: 10.3205/zaud000044, urn:nbn:de:0183-zaud0000449

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zaud/2024-6/zaud000044.shtml

Veröffentlicht: 10. Juli 2024

© 2024 Warkentin et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Sprachtests sind wichtige audiometrische Verfahren, welche unter anderem für die Diagnostik von Hörbeeinträchtigungen, die Validierung einer Hörgeräte- oder Cochlea-Implantat-Versorgung oder auch für Forschungszwecke eingesetzt werden. Grundlegende Prinzipien für die Anwendung von Sprachtests sind in DIN EN ISO 8253-3:2022 beschrieben. Dazu gehören unter anderem die Einweisung der Probanden, die Bestimmung des Sprachverstehens über Kopfhörer und im freien Schallfeld sowie die Festlegung der Sprach- und Störschallpegel. Außerdem wird in der Norm darauf hingewiesen, dass die Ergebnisse der Sprachtests von der Position der Lautsprecher und den Eigenschaften des Messraums abhängen. Jedoch werden die Lautsprecherkonfigurationen und die Raumakustik nicht näher spezifiziert. Um abschätzen zu können, welche Randbedingungen in der Praxis bei der Verwendung von Sprachtests mit Lautsprecherdarbietung in verschiedenen Einrichtungen vorzufinden sind, wurde eine Online-Befragung durchgeführt. Dabei wurde nach dem verwendeten Sprachtest, dem Störgeräusch, den Messräumen, den Lautsprecheranordnungen und der Optimierungsbereitschaft gefragt. Die Umfrage ergab, dass der Freiburger Einsilbertest von allen Sprachtests am meisten eingesetzt wird und die Messungen größtenteils in Audiometrieräumen durchgeführt werden. Die Antworten lassen jedoch keine Aussagen darüber zu, ob die Messräume die raumakustischen Anforderungen der Norm ISO 8253-2 einhalten. Die Art des verwendeten Sprachtests und die Darbietungsrichtungen des Sprach- und Störsignals unterscheiden sich in Abhängigkeit von der Einrichtungsart und der Messabsicht, was eine Vereinheitlichung von Messungen zum Sprachverstehen im Störgeräusch erschwert. Deshalb ist eine Dokumentation der Messbedingungen, insbesondere der verwendeten Lautsprecheranordnung, empfehlenswert.

Schlüsselwörter: Sprachtests, Sprachverstehen, Freifeld, Störschall, Lautsprecheranordnung, Raumakustik


Einleitung

Sprachtests in Ruhe und im Störgeräusch gehören zur täglichen Praxis von Audiologen, Ärzten und Hörakustikern. Das Sprachverstehen ist ein wichtiger Indikator, um einen einschränkenden Hörverlust zu diagnostizieren und zu beurteilen. Außerdem können Sprachtests zur Überprüfung des Erfolgs einer Cochlea-Implantat(CI)- oder Hörgeräteversorgung eingesetzt werden, indem die Verbesserung des Sprachverstehens gegenüber der unversorgten Kondition oder einer anderen Geräteeinstellung ermittelt wird [1], [2].

Die Verwendung von Sprachtests ist allgemein in DIN EN ISO 8253-3:2022 [3] und für die verschiedenen Einsatzbereiche in entsprechenden Richt- und Leitlinien definiert [4], [5]. DIN EN ISO 8253-3:2022 [3] beschreibt, dass die Ergebnisse der Sprachaudiometrie vom verwendeten Sprachmaterial und dem Testverfahren abhängen und legt deshalb Mindestanforderungen für eine bessere Vergleichbarkeit fest. Sie definiert unter anderem die Anforderungen an das Sprachmaterial, die Sprach- und Störgeräuschpegel und die Vorbereitung und Einweisung der Probanden sowie die frontale Darbietung des Sprachsignals. Außerdem wird darauf verwiesen, dass bei vergleichenden Messungen des Sprachverstehens in der unversorgten und versorgten Kondition die Positionen der Lautsprecher und die Art des freien Schallfeldes angegeben werden müssen [3]. Die Norm [3] verweist darauf, dass die raumakustischen Anforderungen bei der Schallfeldaudiometrie in ISO 8253-2 [6] definiert sind, welche die zulässigen Schalldruckpegel in Terzbändern für drei verschiedene Arten des Schallfeldes enthält. Die ISO 8253-2 weist jedoch darauf hin, dass die Umgebung, in der Schallfeld-Audiometrie vorgenommen wird, sehr verschieden sein kann und der Anwender selbst entscheiden muss, um welche Art von Schallfeld (freies, diffuses oder quasi-freies Schallfeld) es sich handelt und welche Festlegungen für das gegebene Schallfeld zutreffen.

Welche Sprachtests für die CI- und Hörgeräte-Versorgung auf welche Art und Weise verwendet werden sollen, definieren sowohl die Richtlinie des gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Hilfsmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Hilfsmittel-Richtlinie) [4], als auch die Leitlinie „Cochlea-Implantat Versorgung“ der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e.V. (DGHNO) [5].

Laut Hilfsmittel-Richtlinie [4] darf für die Verordnungsfähigkeit von Hörgeräten das Sprachverstehen mit Kopfhörern auf dem besseren Ohr, bei der Verwendung des Freiburger Einsilbertests (FBE), bei einem Sprachpegel von 65 dB Sound Pressure Level (SPL) nicht mehr als 80% betragen. Um den Erfolg einer Hörgeräteversorgung festzustellen, können laut Hilfsmittel-Richtlinie unterschiedliche Messungen des Sprachverstehens im freien Schallfeld eingesetzt werden. Eine relative Verbesserung des Sprachverstehens mit Hörgeräten im Vergleich zur unversorgten Situation kann mit dem FBE in Ruhe oder im Störgeräusch, dem Oldenburger Satztest (OLSA) oder dem Göttinger Satztest (GÖSA) erfolgen [4].

Laut der Leitlinie „Cochlea-Implantat Versorgung“ [5] werden Messungen des Sprachverstehens bei einer CI-Versorgung für die Vordiagnostik, die Beurteilung des Versorgungsbedarfs, die Hörgeräteüberprüfung und die postoperative Kontrolle eingesetzt. Hierfür können in Abhängigkeit vom Restgehör und je nachdem, ob es sich um Kinder oder Erwachsene handelt, unterschiedliche Sprachtests verwendet werden. Neben dem FBE und dem Freiburger Zahlentest (FBZ) können der Hochmair-Schulz-Moser(HSM)-Satztest, der OLSA oder der GÖSA für die Sprachaudiometrie genutzt werden [7]. Für einen Teil dieser Sprachtests schlägt die Leitlinie die Sprachpegel und die Lautsprecheranordnung S0N0 vor, d.h. Sprache und Störgeräusch aus dem gleichen Lautsprecher von vorn [5]. Für die Sprachaudiometrie im Kindesalter werden in der CI- und Hörgeräte-Versorgung entsprechend des Entwicklungsalters weitere Sprachtests wie zum Beispiel der Mainzer Kindersprachtest (MAK), der Göttinger Kindersprachverständnistest (GKST), der Oldenburger Kinder-Satztest (OLKISA) oder der Oldenburger Kinder-Reimtest (OLKI) eingesetzt [8]. Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung sieht für arbeitsmedizinische Beratungen und Untersuchungen im Bereich „Lärm“ ebenfalls eine Sprachaudiometrie vor. Hierfür können der FBE und der FBZ eingesetzt werden [9]. Auch im Forschungsbereich werden Sprachtests für vielerlei Anwendungen eingesetzt, wobei häufig keine speziellen Richtlinien vorhanden sind und die Sprachtests passend zur Fragestellung gewählt werden können. Dadurch kann ein größerer Fokus auf die Genauigkeit gesetzt werden, während Zeit und Aufwand geringeres Gewicht haben. Für manche Forschungsbereiche gibt es jedoch Konsensus-Publikationen, welche das Ziel haben, die Verwendung von Sprachtests für eine bessere Vergleichbarkeit von Studienergebnissen zu vereinheitlichen. Dafür werden bestimmte Mindestanforderungen, wie z.B. der Präsentationspegel oder die Lautsprecheranordnung, definiert [10], [11]. Die Ergebnisse der Umfrage sind besonders hilfreich, wenn im Rahmen der Forschungsfrage die Situation in der Praxis nachgebildet werden soll. So kann beispielsweise eine für die Praxis repräsentative Lautsprecheranordnung gewählt werden.

Je nach Einsatzbereich und Messabsicht gibt es demnach unterschiedliche Vorgaben, welche Sprachtests verwendet werden können und welche Messbedingungen dabei eingehalten werden sollen. Jedoch sind die Messbedingungen, wie zum Beispiel die Raumakustik, die Lautsprecheranordnung oder die Art des Zusatzschalls nicht vollständig spezifiziert, weshalb vermutet wird, dass es gerade in diesen Bereichen Unterschiede bei der praktischen Durchführung gibt. Auch in anderen Ländern wurden die Unterschiede in der Auswahl und Durchführung von Sprachtests im Störgeräusch aufgrund fehlender Standardisierung und unterschiedlicher Zielsetzung untersucht und diskutiert [12], [13], [14]. Außerdem wird davon berichtet, dass ein Mangel an Zeit, technischer Ausstattung und Verfügbarkeit verschiedener Sprachtests zu Unterschieden in der Anwendung führen. Verschiedene Studien zeigen, dass diese Faktoren einen entscheidenden Einfluss auf das Sprachverstehen und somit auch auf die Messergebnisse bei der Sprachaudiometrie haben, so dass die Vergleichbarkeit der Ergebnisse reduziert sein kann.

Um abschätzen zu können, wie groß die Unterschiede bei der Verwendung von Sprachtests in verschiedenen Einsatzbereichen sind, wurde im Rahmen einer Online-Befragung erhoben, welche Sprachtests mit welchen Lautsprecherkonfigurationen und in welchen Messräumen verwendet werden. Auf diese Weise sollte die Forschungsfrage beantwortet werden, welche Sprachtests wie angewendet werden. Die Antworten der Umfrage sollen unter anderem zur Auswahl relevanter Messbedingungen dienen, in denen Referenzwerte bei Probanden mit Normalhörigkeit für eine neue Norm des FBE erhoben werden.


Methoden

Stichprobe

Die Verteilung der Online-Befragung erfolgte über die Mail-Verteiler der wesentlichen Fachgesellschaften und Berufsverbände. Zum einen wurde die Umfrage an die Mitglieder der Bundesinnung der Hörakustiker KdöR (biha) verteilt, wodurch vordergründig Hörakustik-Fachgeschäfte und Bildungseinrichtungen erreicht wurden. Dieser Mail-Verteiler umfasst laut eigenen Angaben der biha ca. 2.500 Unternehmen (Hauptbetriebe) bei denen ca. 6.900 Fachgeschäfte (Filialen) angeschlossen sind. Zusätzlich wurde der Mail-Verteiler der Deutschen Gesellschaft für Audiologie (DGA) genutzt, über den unter anderem klinische Einrichtungen, CI-Audiologen, Forschungseinrichtungen und Hörgeräte-Hersteller erreicht wurden. Der Mail-Verteiler der DGA zählt 633 Mitglieder, wobei der Großteil aus Deutschland stammt. Es wird vermutet, dass auch Mitglieder aus Österreich und der Schweiz den Fragebogen beantwortet haben, jedoch liegen dazu keine Zahlen vor, da dieser Aspekt nicht im Rahmen der durchgeführten Umfrage erfasst wurde. Als drittes wurde die Umfrage an die Mitglieder des Deutschen Berufsverbandes der Hals-Nasen-Ohrenärzte e.V. versendet, wodurch vordergründig HNO-Arztpraxen, aber auch klinische Einrichtungen und Pädaudiologen erreicht wurden. Nach Angaben des Berufsverbandes der Hals-Nasen-Ohrenärzte e.V. sind über 80% der berufstätigen, ambulant tätigen HNO-Ärzte Mitglied im HNO-Berufsverband. Laut einer Branchenanalyse gibt es in Deutschland 1.845 HNO-Arztpraxen [15].

Insgesamt wurde die Umfrage von 1.154 Teilnehmern beantwortet. Vom Mail-Verteiler der biha wurden mit insgesamt 742 Fragebögen die meisten Online-Fragebögen ausgefüllt. Das entspricht einem Anteil von 30% aller Befragten dieses Mail-Verteilers, d.h. ca. 2.500 Mailadressaten. Vom Berufsverband der HNO-Arztpraxen wurden 281 Online-Fragebögen ausgefüllt und vom Mail-Verteiler der DGA 131, was einem Anteil von 21% der Befragten dieses Mail-Verteilers entspricht. Jedoch muss berücksichtigt werden, dass in vielen Einrichtungen mehrere DGA-Mitglieder tätig sind und dadurch vermutlich ein wesentlich höherer Anteil der Einrichtungen an der Umfrage teilnahm. Abbildung 1 [Abb. 1] zeigt die Anzahl der Teilnehmenden aus jeder Einrichtungsart.

Der größte Anteil der Online-Fragebögen wurde von 731 Teilnehmenden aus Hörakustik-Fachgeschäften ausgefüllt, womit die notwendige Stichprobengröße für ein Konfidenzniveau von 95% erreicht wurde. 276 der Fragebögen wurden von Teilnehmenden aus HNO-Arztpraxen beantwortet, sodass mit dieser Stichprobengröße nur ein Konfidenzintervall von 90% erfüllt werden konnte.

Von klinischen Einrichtungen wurden insgesamt 75 Online-Fragebögen ausgefüllt, von pädagogischen Einrichtungen 32, von Forschungseinrichtungen 14 und die restlichen 25 Fragebögen wurden über das Feld „Sonstige“ als Freitext von Forschungseinrichtungen, Bildungseinrichtungen, Hörgeräte-Herstellern, der Pädaudiologie, CI-Zentren und der Begutachtung ausgefüllt.

Umfrage

Die Umfrage wurde online über Google Formulare erstellt und über einen Zeitraum von 5 Monaten beantwortet [16]. Die Erhebung erfolgte freiwillig und anonymisiert, sodass lediglich die Antworten auf die Fragen und keine personenbezogenen Daten gespeichert wurden. Die Teilnehmenden wurden in einem Einleitungstext darüber informiert, wer die Daten erhebt und zu welchem Zweck die Daten erhoben werden. Damit wurde sichergestellt, dass die ethischen Aspekte der Online-Studie wie die Anonymisierung und Pflicht zur Information eingehalten werden.

Um eine möglichst hohe Rücklaufquote zu erreichen, wurde der Fragebogen im Umfang stark begrenzt und auf die Forschungsfrage fokussiert. Der Einleitungstext weist darauf hin, dass pro Einheit/Filiale/Standort nur ein Fragebogen ausgefüllt werden sollte. Anschließend sollten die Teilnehmer sechs Fragen beantworten, wovon fünf Fragen von den Teilnehmern verpflichtend beantwortet werden mussten. Die Beantwortung von Frage 4 war optional. Die verpflichtend zu beantwortenden Fragen sind mit einem * gekennzeichnet. Die Fragen und Antworten lauteten wie in Abbildung 2 [Abb. 2] dargestellt.

Die Zuordnung zu den Einrichtungsarten erfolgte von den Teilnehmenden selbst. Eine genauere Prüfung der tatsächlichen Zugehörigkeit zu der entsprechenden Einrichtungsart oder doppelt ausgefüllter Fragebögen war nicht möglich, da zwecks der Anonymität keine zusätzlichen Angaben erhoben wurden. Die Antworten zu Frage 3 nach den verwendeten Sprachtests sind an der Hilfsmittel-Richtlinie orientiert. Frage 4, welche von allen 1.154 Teilnehmenden optional beantwortet werden konnte, wurde von 117 Teilnehmenden nicht beantwortet.

Auf Wunsch des HNO-Berufsverbands wurde die Umfrage für diesen Verteiler leicht modifiziert. Die Frage 2 zu den verwendeten Räumen wurde in eine optional zu beantwortende Frage abgeändert. Bei Frage 5 wurde die Lautsprecheranordnung S90N–90 als Antwortmöglichkeit für den Mail-Verteiler des HNO-Berufsverbands ergänzt. Da die Umfrage zu dem Zeitpunkt bereits an die anderen beiden Mail-Verteiler verteilt war, konnten diese Änderungen nicht für alle Teilnehmenden vereinheitlicht werden. Frage 2 wurde von 23 der 281 Teilnehmenden des HNO-Mail-Verteilers nicht beantwortet. Das entspricht einem Anteil von 8,2% der Teilnehmenden, weshalb trotz der Änderungen von einer Vergleichbarkeit der Umfrageergebnisse ausgegangen wurde.

Datenauswertung

Die Auswertung der Daten erfolgte mit deskriptiver Statistik in Matlab (MathWorks, R2023a). Für die Auswertung der teilnehmenden Einrichtungsarten wurde die Anzahl der Antworten pro Einrichtungsart als Kreisdiagramm dargestellt (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]). Um die prozentuale Verteilung der vorhandenen Raumarten pro Einrichtungsart zu berechnen (Frage 2), wurde bei den einzelnen Antwortmöglichkeiten jeweils von der mittleren Anzahl der vorhandenen Räume ausgegangen. Ein Beispiel für die Berechnung des prozentualen Anteils der Audiometrieräume in klinischen Einrichtungen ist in Tabelle 1 [Tab. 1] aufgeführt.

Durch diese Art der Auswertung konnte die prozentuale Verteilung der Raumarten in den einzelnen Einrichtungen unabhängig von der Anzahl der Antworten dargestellt werden.

Die Fragen nach den verwendeten Sprachtests (Frage 3) und Lautsprecheranordnungen (Frage 5) wurde ausgewertet, indem für jede Antwortmöglichkeit und Einrichtungsart die Anzahl der Antworten ins Verhältnis zur Gesamtanzahl der Teilnehmer der entsprechenden Einrichtungsart gesetzt wurde. Zusätzlich wurde für jede Antwortmöglichkeit ein Mittelwert über alle Einrichtungsarten gebildet. Die Fragen 2–5 wurden außerdem statistisch mit dem χ2-Unabhängigkeitstest dahingehend untersucht, ob es signifikante Zusammenhänge zwischen der Einrichtungsart und der jeweiligen Kategorie (Art des Raumes, Art des verwendeten Sprachtests und Lautsprecheranordnung) gibt.

Wenn bei Fragen, welche die Option hatten, eine eigene Antwort zu formulieren, von mindestens 2% der Teilnehmenden dieselbe Antwort gegeben wurde, wurde diese Antwort zusätzlich in die Auswertung aufgenommen. Alle weiteren Antworten wurden als „Sonstige“ gewertet.


Ergebnisse

Art der verwendeten Räume

Zahlenmäßig wurden Audiometrieräume mit einem Anteil von 54,3% am häufigsten für Sprachtests im Freifeld angegeben (siehe Abbildung 3 [Abb. 3]). Sie werden vor allem von pädagogischen Einrichtungen, klinischen Einrichtungen und sonstigen Einrichtungen verwendet und weniger von Forschungseinrichtungen. Die zweithöchste Anzahl der genutzten Räume in der audiometrischen Praxis sind akustisch leicht behandelte Räume (23,1%). Die meisten Räume dieser Art gibt es in Hörakustik-Fachgeschäften und die wenigsten in klinischen Einrichtungen.

Die geringste Anzahl der Räume sind in den Kategorien „Akustisch unbehandelte Räume“ und „Vollfreifeldräume“ vorhanden. Die meisten akustisch unbehandelten Räume sind in klinischen Einrichtungen und Forschungseinrichtungen vorhanden und die meisten Vollfreifeldräume werden nach Angabe der Einrichtungen von HNO-Arztpraxen für die Sprachaudiometrie verwendet. Um zu überprüfen, ob die Art des verwendeten Raumes von der Einrichtungsart abhängt, wurde ein χ2-Unabhängigkeitstest durchgeführt. Dieser ergab, dass es einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Art des verwendeten Raumes und der Art der Einrichtung gibt 2(15, N=4.303,5)=461,3, p<0,001).

Verwendete Sprachtests und Störgeräusche

Abbildung 4 [Abb. 4] zeigt die in den verschiedenen Einrichtungen genutzten Sprachtests und deren prozentuale Verteilung. Der FBE in Ruhe wird laut Umfrage mit durchschnittlich 91,7% von den meisten Einrichtungen verwendet. Danach folgen der FBE im Störgeräusch mit 68,8%, der OLSA mit 61,2%, Kinder-Sprachtests mit 37,8% und der GÖSA mit 28,5%. Sonstige Sprachtests wie zum Beispiel der FBZ oder der HSM-Satztest werden durchschnittlich von 11,5% der Einrichtungen verwendet.

Die meisten klinischen Einrichtungen, pädagogischen Einrichtungen und Hörakustik-Fachgeschäfte verwenden den FBE in Ruhe. Hörakustik-Fachgeschäfte und pädagogische Einrichtungen verwenden meist auch den FBE im Störgeräusch. Der OLSA wird hingegen kaum von Hörakustik-Fachgeschäften und HNO-Arztpraxen verwendet, sondern eher von klinischen Einrichtungen, pädagogischen Einrichtungen und Forschungseinrichtungen. Kinder-Sprachtests, wie zum Beispiel MAK, OLKISA, OLKI oder GKST werden am meisten von sonstigen Einrichtungen verwendet. Eine statistische Überprüfung dahingehend, ob die Nutzung verschiedener Sprachtests von der Art der Einrichtung abhängt, erfolgte mit dem χ2-Unabhängigkeitstest und ergab, dass es einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Einrichtungsart und den verwendeten Sprachtests gibt (χ2(25, N=2.726)=478,6, p<0,001).

Wenn der FBE im Störgeräusch zum Einsatz kommt, wird zu 96,9% auch das zugehörige CCITT-Rauschen verwendet. Von den restlichen 3,1% der Teilnehmenden gaben 26 Teilnehmer an, dass sie weißes Rauschen, Breitbandrauschen, Schmalbandrauschen, ein Rauschen der Terzo-Therapie oder andere Störgeräusche nutzen. Die Frage wurde von 123 Teilnehmenden nicht beantwortet.

Lautsprecheranordnungen für die Darbietung des Sprach- und Störsignals

Für die Darbietung des Sprach- und Störsignals werden je nach Einrichtung unterschiedliche Lautsprecheranordnungen verwendet (siehe Abbildung 5 [Abb. 5]). Die meisten Einrichtungen nutzen mit durchschnittlich 55,8% die Lautsprecheranordnung S0N0, gefolgt von S0N180 (43,6%), S0N90 (42,9%) und S0N45 (21,7%). Alle anderen Lautsprecheranordnungen werden von weniger als 20% der Einrichtungen genutzt.

Die meisten Teilnehmenden aus Forschungseinrichtungen gaben an, dass sie beide Signale aus dem gleichen Lautsprecher von vorne präsentieren (S0N0) oder die Lautsprecheranordnung S0N90 verwenden. Die wenigsten Hörakustik-Fachgeschäfte nutzen im Vergleich zu anderen Einrichtungen die Lautsprecheranordnung S0N0 und präsentieren das Sprachsignal meist von vorne und das Störgeräusch von hinten (S0N180). Die meisten klinischen Einrichtungen nutzen S0N0 und S0N90 für die Darbietung der Signale. Die meisten HNO-Arztpraxen verwenden die Lautsprecheranordnungen S0N0, S0N45 und S90N–90. Mehrkanaliges Rauschen wird am ehesten von Forschungseinrichtungen verwendet. Die statistische Überprüfung des Zusammenhangs zwischen der Einrichtungsart und der verwendeten Lautsprecheranordnung mittels χ2-Unabhängigkeitstest ergab, dass ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Art der Einrichtung und der verwendeten Lautsprecheranordnung besteht (χ2(45, N=1.984)=551,7, p<0,001).

Um zu untersuchen, ob es einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen der verwendeten Lautsprecheranordnung und der Art des Raumes gibt, wurden die Antworten auf die Fragen 2 und 5 mit dem χ2-Unabhängigkeitstest untersucht. Die statistische Analyse ergab keinen signifikanten Zusammenhang zwischen diesen beiden Messbedingungen (χ2(27, N=1.000)=14,1, p=0,31).

Auf die Frage, ob die Teilnehmenden bereit wären, die Lautsprecheranordnung aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse zu ändern, antworteten 70% mit „Ja“. Der größere Anteil dieser Teilnehmenden ist zu einer Änderung bereit, wenn dadurch kein großer Aufwand für sie entsteht. 30% der Teilnehmenden wären nicht bereit, ihre Lautsprecheranordnung für die Darbietung von Sprach- und Störsignalen zu ändern. Ein großer Teil der Teilnehmenden (24%) kann dies aufgrund der Bauweise der Räume nicht umsetzen.


Diskussion

Diese Online-Befragung zur Darbietung von Sprachtests im Freifeld gibt mit insgesamt 1.154 Teilnehmenden einen guten Überblick über die in der Audiometrie verwendeten Räume, Sprachtests und Lautsprecheranordnungen. Durch die verwendeten Mail-Verteiler sind die wesentlichen Fachgesellschaften und Berufsverbände, welche die Sprachaudiometrie im Freifeld durchführen, vertreten, sodass die Ergebnisse der Online-Umfrage einen guten Gesamteindruck der Verwendung in unterschiedlichen Einrichtungsarten liefern.

Limitierende Aspekte aufgrund der gewählten Methodik

Die in dieser Arbeit durchgeführte Online-Befragung weist Limitierungen auf, welche sich erst während der Befragung und der Auswertung der Antworten ergaben und im Hinblick auf die Ergebnisbeurteilung berücksichtigt werden sollten. Zur Wahrung der Anonymität wurden in dieser Umfrage keine persönlichen Daten und keine genaueren Daten zur Einrichtungszughörigkeit (Name der Einrichtung o.ä.) erhoben. Aus diesem Grund musste auf die eigenständige Zuordnung der Teilnehmenden zu einer Einrichtungsart vertraut werden. Außerdem können doppelt ausgefüllte Fragebögen innerhalb einer Einrichtung nicht ausgeschlossen werden. Weiterhin kann bei den Befragten des Mail-Verteilers der DGA nicht ausgeschlossen werden, dass auch Teilnehmende aus Österreich und der Schweiz den Fragebogen beantwortet haben. Der Großteil dieses Mail-Verteilers stammt jedoch aus Deutschland. Für die Verteilung der Online-Befragung über den Mail-Verteiler des Berufsverbandes der HNO-Arztpraxen wurde die Umfrage auf Wunsch leicht modifiziert. Die Umfrage war zu diesem Zeitpunkt bereits über die anderen Mail-Verteiler versendet worden, weshalb Frage 2 zu den Räumen nur für den Mail-Verteiler der HNO-Arztpraxen optional und für die anderen Verteiler als Pflichtfrage zu beantworten war. Jedoch haben nur 8,2% der Teilnehmenden diese Frage nicht beantwortet, weshalb trotzdem von einer guten Vergleichbarkeit der Umfrageergebnisse ausgegangen werden kann. Eine weitere Modifikation war die zusätzliche Aufnahme der Antwortmöglichkeit S90N–90 zu der Frage nach den verwendeten Lautsprecheranordnungen. Vermutlich wurde deshalb diese Antwortmöglichkeit von HNO-Arztpraxen am häufigsten angegeben. Weiterhin hätte eine genauere Abgrenzung der Raumkategorien, insbesondere eine explizite Definition des Begriffs „Vollfreifeldraum“, möglicherweise die Beantwortung der Frage für die Teilnehmenden vereinfacht.

Räume für die Sprachaudiometrie

Da die raumakustischen Bedingungen einen großen Einfluss auf die Ergebnisse von Sprachtests im Freifeld haben, sollen die Messräume den Anforderungen aus DIN EN ISO 8253-2:2010-7 [6] entsprechen. Ein unerwartet hoher Anteil der HNO-Arztpraxen, aber auch andere Einrichtungsarten gaben an, dass sie mindestens 32 Vollfreifeldräume für Sprachtests im Freifeld nutzen. Diese Angabe lässt an dem Verständnis der beschriebenen Raumkategorien und der Selbsteinschätzung der Einrichtungen zweifeln. Die Raumkategorien hätten möglicherweise für eine größere Trennschärfe und bessere Beantwortung der Frage genauer definiert werden können. Ein Großteil der Antworten erscheint jedoch plausibel. Laut dieser Umfrage stehen für die Sprachaudiometrie in den meisten Einrichtungen dafür vorgesehene Audiometrieräume zur Verfügung, welche die Anforderungen der Norm vermutlich in der Regel einhalten. Jedoch kann es trotz Erfüllung dieser Anforderungen zu raumakustischen Unterschieden in der täglichen Anwendung von Sprachtests kommen. Der Schalldruckpegel im Raum hängt nicht nur von der Auskleidung der Böden und der Dämmung der Wände ab, sondern auch davon, welcher Schalldruckpegel außerhalb des Raumes beim alltäglichen Betrieb der jeweiligen Einrichtung herrscht. Ebenso berichtete Kießling davon, dass eine Vielzahl von CI-Patienten in kleinen Audiometrieräumen phobisch reagieren würde, somit häufig die Tür geöffnet wird und die zulässigen Schalldruckpegel im Raum nicht eingehalten werden können [17]. Unter diesen Umständen sind trotz der einheitlichen Verwendung von Audiometrieräumen raumakustische Unterschiede innerhalb dieser Kategorie sehr wahrscheinlich.

Zu durchschnittlich 23,1% werden „akustisch leicht behandelte“ Räume für die Audiometrie genutzt. In Hörakustik-Fachgeschäften, welche den größten Anteil der Befragung ausmachen, ist der Anteil noch höher (34,3%). Bei derartigen Räumen können die Unterschiede zwischen den Bedingungen, die während der Audiometrie im Raum vorherrschen, noch deutlich größer sein als zwischen Audiometrieräumen. Verschiedene Studien zeigen, dass die Raumakustik insbesondere für hörbeeinträchtigte Personen einen großen Einfluss auf das gemessene Sprachverstehen hat [18], [19]. Je größer der Hörverlust einer Person und je länger die Nachhallzeit in einem Raum ist, desto schlechter ist das Sprachverstehen. Demzufolge können Sprachverständlichkeitsmessungen in verschiedenen Räumen zu Fehlern in der Diagnostik einer Hörschädigung sowie der Evaluation einer Hörgeräteversorgung führen.

Die raumakustischen Bedingungen haben möglicherweise auf die Ergebnisse der Sprachaudiometrie in Ruhe einen geringeren Einfluss als auf die Messungen im Störgeräusch. Andererseits sind jedoch für die Sprachaudiometrie in Ruhe höhere Anforderungen bezüglich externer Störgeräusche notwendig als für die Sprachaudiometrie im Störgeräusch. Deshalb wäre es sinnvoll gewesen, die Zusammenhänge zwischen Art des Sprachtests und Art des Raumes in der Befragung zu erfassen. Um für alle Arten von Sprachtests vergleichbare Messergebnisse in verschiedenen Messräumen erzielen zu können, müssten die raumakustischen Bedingungen noch näher spezifiziert werden. Die Normbarkeit von Räumen ist jedoch so komplex, dass es schwierig wäre, die raumakustischen Anforderungen noch näher zu spezifizieren [20]. Ein Blick in die internationale Literatur zeigt, dass trotz einer Standardisierung der zulässigen Schalldruckpegel in audiologischen Messräumen diese Vorgaben nicht immer eingehalten werden [14], [21], [22].

Eine Vereinheitlichung der Messräume für die Audiometrie wäre aufgrund dieser Unterschiede kostenintensiv und baulich in vielen Einrichtungen nicht realisierbar. Aufgrund dieser raumakustischen Unterschiede sollte bei dem direkten Vergleich von Sprachtestergebnissen darauf geachtet werden, dass die Messungen im gleichen Raum durchgeführt werden. Im Bereich der Hörgeräteversorgung ist das allerdings nicht immer umsetzbar, da hier auch Sprachtestergebnisse von Hörakustikern mit denen von niedergelassenen HNO-Ärzten verglichen werden.

Verwendung verschiedener Sprachtests

Wie auch in anderen Ländern hängt in Deutschland die Art der verwendeten Sprachtests stark mit den Vorgaben der Richt- und Leitlinien und der Zielsetzung zusammen. Der Freiburger Einsilbertest in Ruhe wird sowohl für die Überprüfung der Verordnungsfähigkeit von Hörhilfen als auch die Überprüfung des Hörhilfen-Versorgungserfolgs verwendet, weil der FBE in Ruhe laut Hilfsmittel-Richtlinie verpflichtend eingesetzt werden muss. Der Erfolg einer Hörgeräte-Versorgung kann, neben dem FBE in Ruhe, mit dem FBE im Störgeräusch, dem OLSA oder dem GÖSA erfolgen. Der FBE im Störgeräusch und der OLSA werden nach dem FBE in Ruhe von den meisten Einrichtungen eingesetzt, während der GÖSA von nur wenigen Einrichtungen verwendet wird. Insgesamt fünf Einrichtungen gaben an, dass sie den FBE weder in Ruhe noch im Störgeräusch nutzen. Hierbei handelt es sich um vier Forschungseinrichtungen, die den OLSA oder GÖSA verwenden, aber auch eine HNO-Arztpraxis, die angab, den OLSA zu verwenden.

Der FBZ, welcher ebenfalls zum klinischen Standard gehört, wurde selten von den Einrichtungsarten angegeben, was damit zusammenhängen könnte, dass er nicht direkt als Antwortmöglichkeit auswählbar war. Außerdem wird der FBZ in der audiometrischen Praxis häufig über Kopfhörer und nicht im Freifeld präsentiert und ist für die Evaluation der Hörgeräteversorgung eher ungeeignet. Die meisten Forschungseinrichtungen nutzen den OLSA, was vermutlich darin begründet ist, dass der Test durch die Matrixstruktur eine große Anzahl von Testlisten bereitstellt und ein präzises adaptives Testverfahren für ein Sprachverstehen von 50% oder auch andere Werte zur Verfügung stellt. Kinder-Sprachtests werden am häufigsten von sonstigen Einrichtungen angegeben, welche sich aus pädaudiologischen Einrichtungen, CI-Einrichtungen, Hörgeräte-Herstellern und Bildungseinrichtungen zusammensetzen. Neben der erwarteten Verwendung von Kinder-Sprachtests in pädaudiologischen Einrichtungen kann davon ausgegangen werden, dass diese auch bei Kindern mit Cochlea-Implantaten, in der Ausbildung oder bei der Entwicklung von Hörsystemen verwendet werden.

Neben den verwendeten Sprachtests wurde in der Umfrage erhoben, welches Störgeräusch üblicherweise für den Freiburger Einsilbertest verwendet wird. Hierbei gab ein Großteil der Teilnehmenden (96,9%) an, dass sie das CCITT-Rauschen verwenden. Dabei handelt es sich um das Rauschen, welches als Kalibriersignal mit dem Sprachmaterial geliefert wird. Andere Rauschsignale werden in der audiometrischen Praxis eher seltener verwendet, was vermutlich damit zusammenhängt, dass diese in der Audiometrie-Software meist nicht standardmäßig eingestellt sind, sondern extra ausgewählt werden müssten und der relative Pegelbezug zum Sprachsignal festgelegt werden müsste.

Anordnungen der Lautsprecher für die Darbietung von Sprache und Störgeräusch

Die Lautsprecheranordnungen S0N0 und S0N180 werden am häufigsten von den Einrichtungen der audiometrischen Praxis verwendet. Dies könnte zum einen an der symmetrischen Darbietung liegen, wodurch keine gesonderte Betrachtung bei asymmetrischen Hörverlusten erfolgen muss. Bei S0N0 kann zudem nur ein Lautsprecher zum Einsatz kommen, wodurch der Platzbedarf für den Lautsprecheraufbau am geringsten ist. S0N0 wird neben Forschungseinrichtungen am meisten von klinischen Einrichtungen eingesetzt, da hier häufig CIs implantiert und angepasst werden und diese Lautsprecheranordnung von der Leitlinie „CI-Versorgung“ empfohlen wird [6]. Die wenigsten Hörakustik-Fachgeschäfte nutzen diese Lautsprecheranordnung, sondern zumeist S0N180. Das hängt vermutlich einerseits damit zusammen, dass diese Lautsprecheranordnung auch von den meisten Bildungseinrichtungen genutzt und den Auszubildenden der Hörakustik gelehrt wird. Andererseits ist bei dieser Lautsprecheranordnung der Gewinn des Sprachverstehens im Störgeräusch bei Hörgeräten mit Richtmikrofonen am größten. Der größte Anteil der HNO-Arztpraxen gab an, dass die Lautsprecheranordnungen S0N45 und S90N–90 genutzt werden. Aufgrund der unterschiedlichen Lautsprecheranordnungen kann sich das gemessene Sprachverstehen zwischen Hörakustik-Fachgeschäften und HNO-Arztpraxen unterscheiden. Um die Ergebnisse besser beurteilen zu können, ist es deshalb sinnvoll, die Lautsprecheranordnung, die für die Messungen verwendet wurde, zu dokumentieren. Außerdem könnte in einer neuen Norm für den FBE eine Lautsprecheranordnung für die Darbietung von Sprache und Störgeräusch empfohlen werden. Hierbei sollte jedoch darauf geachtet werden, dass sie möglichst wenig durch Messbedingungen wie die Raumakustik oder Kopfbewegungen beeinflusst werden kann und möglichst vielfältig einsetzbar ist. Für besondere Versorgungsüberprüfungen, wie zum Beispiel bei einer CROS-Versorgung, sollte die Freiheit gegeben werden, andere Lautsprecheranordnungen wie zum Beispiel S90N–90 zu verwenden. Diese Lautsprecheranordnung war nur beim Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte als Antwortmöglichkeit auswählbar und wurde deshalb von HNO-Arztpraxen am häufigsten angegeben. S90N–90 wurde aber auch von Teilnehmenden der anderen Mail-Verteiler über das Feld „Sonstige“ mehrfach angegeben.

Ein Großteil der Forschungseinrichtungen gab an, dass sie mehrkanaliges Rauschen für die Sprachaudiometrie im Störgeräusch nutzen, da damit die Alltagssituationen am besten simuliert werden. Jedoch ist die Darbietung eines diffusen Störgeräuschs in den meisten Einrichtungen aufgrund der Bauweise der Räume nicht realisierbar. Ebenso bieten kommerzielle Audiometer nur selten die Möglichkeit, das Störgeräusch mehrkanalig darzubieten. Auch bei anderen Lautsprecheranordnungen sehen 24% der Teilnehmenden Probleme einer möglichen baulichen Umsetzung. 6% der Befragten gaben an, dass sie ihre verwendete Lautsprecheranordnung für angemessen halten und deshalb nicht verändern wollen. Der Großteil aller Befragten wäre aber bereit, die Lautsprecheranordnung bei Bedarf zu optimieren. Eine Vereinheitlichung der Lautsprecheranordnungen würde die Vergleichbarkeit und die Beurteilung der Ergebnisse von Sprachtests vereinfachen.


Fazit

Die Umfrage lieferte durch die hohe Anzahl an Antworten von verschiedenen audiometrisch tätigen Einrichtungen auf Basis weniger Fragen einen guten Überblick über die Verwendung von Sprachtests im Freifeld. Wie zu erwarten wird der FBE am meisten verwendet. Das Ergebnis liegt darin begründet, dass die Hilfsmittel-Richtlinie den FBE für die Indikation und Überprüfung einer Hörgeräte-Versorgung vorgibt und der Sprachtest dadurch vor allem für Hörakustiker und HNO-Arztpraxen von Bedeutung ist. Sprachtests werden überwiegend in dafür vorgesehenen Audiometrieräumen durchgeführt, wobei die Umfrage keine Schlüsse darüber erlaubt, inwieweit die relevanten Normen (ISO 8253-0, -1 und -3) erfüllt werden. Die Lautsprecheranordnungen, welche für die Darbietung von Sprachtests im Störgeräusch verwendet werden, unterscheiden sich jedoch zwischen den Einrichtungen und deren Zielen für die Datenerhebung. Eine Vereinheitlichung erscheint daher schwierig, auch wenn eine direkte Vergleichbarkeit von Messergebnissen dadurch nicht immer gewährleistet ist. Aus diesem Grund sollte zumindest die verwendete Lautsprecheranordnung immer dokumentiert werden.


Anmerkungen

Förderung und Danksagung

Diese Umfrage wurde im Rahmen des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geförderten Projekts RIBEFREI durchgeführt [Förderkennzeichen: 03TN0035B]. Die Autoren danken der Deutschen Gesellschaft für Audiologie e.V., der Bundesinnung der Hörakustiker KdöR und dem Deutschen Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte e.V. für das Verteilen der Umfrage sowie allen teilnehmenden Einrichtungen für die Beantwortung der Fragen.

Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt in Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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