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Audiologen gesucht!
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Veröffentlicht: | 16. Januar 2024 |
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Gliederung
Editorial
Bisher gibt es keine geschützte Berufsbezeichnung für akademisch ausgebildete Fachleute, die in Deutschland im Bereich der Audiologie tätig sind. Generell ist nicht geklärt, wer sich in Deutschland überhaupt als „Audiologe“ bezeichnen darf [1]. Dennoch besteht aktuell eine hohe Nachfrage nach diesem speziellen Fachpersonal, wie beispielsweise aus den auf der Homepage unserer Fachgesellschaft oder in der Zeitschrift für Audiologie veröffentlichten Stellenanzeigen zu entnehmen ist [2].
Auslöser dieser erhöhten Nachfrage scheinen die Bemühungen der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde (DGHNO) zur Einführung eines Zertifikats für Cochlea-Implantat versorgende Einrichtungen (CIVE) zu sein [3]. Das mit Unterstützung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie und der Deutschen Gesellschaft für Audiologie (DGA) entwickelte Zertifizierungskonzept basiert auf der AWMF-S2k-Leitlinie Cochlea-Implantat-Versorgung [4], in der erstmals neben der Beschreibung des CI-Versorgungsprozesses auch die personelle Mindestausstattung der Einrichtung festgelegt wurde. In der Leitlinie wurde der Begriff des „CI-spezialisierten Audiologen“ geprägt, der als Absolvent eines technisch-naturwissenschaftlichen Masterstudiengangs mit einer zusätzlichen Weiterbildung im Bereich der Audiologie qualifiziert sein sollte. Als Beispiele wurden in der Leitlinie Medizinphysiker mit dem Spezialgebiet Audiologie oder Absolventen eines Masterstudienganges mit dem Schwerpunkt Audiologie genannt. Die Leitlinie beschreibt weiterhin, dass die zusätzliche Qualifikation für den Einsatz des spezialisierten Audiologen im Umgang mit CI-Systemen in Anlehnung an die Weiterbildungsordnung „CI-Audiologe“ der DGA erfolgen soll [5].
Neben der personellen Mindestvorgabe, in der CIVE einen Audiologie-Experten mit Qualifikation auf Master-Niveau vorweisen zu können, wurde die Person eines „Hörtechnikers“ aufgeführt. Dieser Mitarbeiter soll eine Qualifikation im Bereich technischer Hörhilfen aufweisen. Hierzu wurde ein technischer Berufsabschluss, z.B. ein Bachelorabschluss im Bereich Audiologie und Hörtechnik/Hörgerätetechnik oder ein Hörakustiker-Meister mit Fortbildung im CI-Bereich vorgesehen – mit der Schaffung des Qualifikationsprofils für einen Audiologischen CI-Assistenten (ACiA) weist die DGA hierfür einen Weg [6].
Aus der im Jahr 2020 vorgelegten Neufassung der Leitlinie CI-Versorgung mit erweiterter Personalbeschreibung ergibt sich aber nicht automatisch, dass die dort genannten Anforderungen an die personelle Struktur umgesetzt werden müssen. Denn Leitlinien sind lediglich systematisch entwickelte Handlungsempfehlungen für Ärzte und Patienten, die bei der Entscheidungsfindung über die angemessene Behandlung einer Krankheit unterstützen sollen. Eine rechtliche Verbindlichkeit besteht nicht.
Mit Vorlage des Weißbuchs „Cochlea-Implantat(CI)-Versorgung“ wurden die in der Leitlinie CI-Versorgung skizzierten Empfehlungen zu Struktur, Organisation, Ausstattung, Qualifikation und Qualitätssicherung der CI-Versorgung in Deutschland weiter spezifiziert und die Aufgabenverteilung innerhalb des interdisziplinären Teams der CIVE genau dargelegt [7]. Auf Grundlage dieses Weißbuchs konnte dann letztlich mit Unterstützung eines professionellen Zertifizierungsinstituts die Zertifizierung von klinischen Einrichtungen gestartet werden, welche die Anforderungen des Weißbuchs CI-Versorgung zu erfüllen glauben.
Inzwischen haben mehr als 50 Einrichtungen das CIVE-Zertifikat erhalten, einige weitere Anträge befinden sich in der Bearbeitung. Dies ist nicht nur ein großer Erfolg für die Qualitätssicherung der CI-Versorgung, sondern auch für die Etablierung eines Tätigkeitsfeldes für Audiologen mit akademischer Ausbildung und zusätzlicher Qualifikation für das klinisch-audiologische Arbeitsfeld.
Es zeichnet sich zudem ab, dass Kostenträger die Vorgaben des Weißbuchs zur Kenntnis nehmen und für die Vergütung der CI-Versorgung eine CIVE-Zertifizierung erwarten – wie bereits im Bundesland Nordrhein-Westfahlen geschehen. Dort wurde allerdings diese Vorgabe um ein Jahr aufgeschoben – eine Überlastung der bereits zertifizierten Kliniken in der Nachsorge der CI-Patienten wurde befürchtet.
Das Bewusstsein für die Bedeutung der Arbeit von klinisch tätigen Audiologen erscheint gegenüber der Vergangenheit somit deutlich geschärft. Ihre Rolle geht allerdings weit über das Anpassen von CI-Systemen hinaus. Sie sind auch Berater in Sachen Prävention, Schulung und Rehabilitation. Fachgesellschaften und Öffentlichkeit müssen verstehen, dass Hörgesundheit genauso wichtig ist wie jede andere Facette unserer Gesundheit.
Die Ausbildung von klinischen Audiologen stellt eine komplexe Aufgabe dar, die Zeit und Engagement erfordert. Um diesem Mangel entgegenzuwirken, müssen wir gemeinsam handeln. Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen müssen gemeinsam daran arbeiten, mehr Fachleute in diesem Bereich auszubilden. Die Einrichtung und Förderung von Studiengängen in Audiologie und die Schaffung von Anreizen für angehende Audiologen sind entscheidende Schritte, um die Lücke zu schließen. Endlich sollte auch in Deutschland eine geschützte Berufsbezeichnung entwickelt werden. Schließlich verdient die Tätigkeit von Audiologen diesen Schutz nicht weniger als diejenige von Logopäden, Podologen oder Medizintechnologen – die hier nur als einige Beispiele für geschützte Berufsbezeichnungen aufgeführt werden [8].
Die Suche nach klinisch tätigen Audiologen mag eine Herausforderung sein, aber sie ist eine, die wir gemeinsam bewältigen können. Unsere Hörgesundheit sollte nicht als selbstverständlich betrachtet werden, und diejenigen, die sich für diesen Beruf entscheiden, verdienen unsere Unterstützung und Anerkennung. Lassen Sie uns zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass jeder die Freude am Hören erleben kann – ein Geschenk, das unser Leben in vielerlei Hinsicht bereichert.
In diesem Sinne wünschen wir uns eine Zukunft, in der Audiologen nicht nur gesucht, sondern auch geschätzt und gefördert werden.
Uwe Baumann, Frankfurt am Main
Literatur
- 1.
- Holube I. Wer darf sich in Deutschland Audiologe nennen? GMS Z Audiol (Audiol Acoust). 2023;5:Doc05. DOI: 10.3205/zaud000031
- 2.
- Deutsche Gesellschaft für Audiologie. Stellenangebote.[accessed 2023 Dec 02]. Available from: https://www.dga-ev.com/dga/stellenangebote/
- 3.
- ClarCert GmbH. Zertifizierung von CI-versorgenden Einrichtungen.[accessed 2023 Dec 02]. Available from: https://www.clarcert.com/systeme/cive-1/system.html
- 4.
- Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. S2k-Leitlinie Cochlea-Implantat Versorgung, AWMF-Register-Nr. 017/071. Berlin: AWMF; 2020 Oct [accessed 2023 Dec 02]. p. 78. Available from: https://register.awmf.org/assets/guidelines/017-071l_S2k_Cochlea-Implantat-Versorgung-zentral-auditorische-Implantate_2020-12.pdf
- 5.
- Deutsche Gesellschaft für Audiologie. Fachanerkennung für CI-Audiologen. [accessed 2023 Dec 02]. Available from: https://www.dga-ev.com/fileadmin/daten/downloads/CI-Audiologe/Flyer_CI-Audiologe_final-druck.pdf
- 6.
- Hoth S. Kontrollierte fachliche Qualifikation in der CI-Versorgung. GMS Z Audiol (Audiol Acoust). 2022;4:Doc03. DOI: 10.3205/zaud000021
- 7.
- DGHNO-KHC. Weißbuch Cochlea-Implantat(CI)-Versorgung. Überarbeitete 2. Auflage. 2021 May 05 [accessed 2023 Dec 01]. Available from: https://cdn.hno.org/media/2021/ci-weissbuch-20-inkl-anlagen-datenblocke-und-zeitpunkte-datenerhebung-mit-logo-05-05-21.pdf
- 8.
- Wikipedia Autoren. Berufsbezeichnung. In: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie. 2023 Nov 30 17:58 UTC [accessed 2023 Dec 01]. Available from: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Berufsbezeichnung&oldid=239616364