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GMS Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS)

ISSN 1860-9171

Ein Online-Studiengang für Hebammen an einer Präsenzuniversität

An online course of studies for midwives at a presence university

Originalarbeit

  • corresponding author Marianne Behrends - Peter L. Reichertz Institut für Medizinische Informatik, Medizinische Hochschule Hannover, Deutschland
  • author Annette Bernloehr - AG Hebammenwissenschaft, Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Medizinische Hochschule Hannover, Deutschland
  • author Mechthild M. Groß - AG Hebammenwissenschaft, Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Medizinische Hochschule Hannover, Deutschland
  • author Herbert K. Matthies - Peter L. Reichertz Institut für Medizinische Informatik, Medizinische Hochschule Hannover, Deutschland

GMS Med Inform Biom Epidemiol 2013;9(1):Doc02

doi: 10.3205/mibe000130, urn:nbn:de:0183-mibe0001302

Veröffentlicht: 31. Januar 2013

© 2013 Behrends et al.
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Zusammenfassung

An der Medizinischen Hochschule Hannover startete im September 2009 der erste Jahrgang des Europäischen Masterstudiengangs für Hebammenwissenschaft. Um insbesondere berufstätigen Hebammen den Zugang zum Masterstudiengang zu ermöglichen, wurde dieser überwiegend als Online-Angebot konzipiert. Als zentrale Lernplattform für den Online-Studiengang wurde das an der Medizinischen Hochschule Hannover etablierte Lernmanagementsystem ILIAS genutzt.

Schlüsselwörter: E-Learning, Online-Studiengang, Weiterbildung, Hebammen

Abstract

In September 2009, the first cohort of the European Master of Science in midwifery programme started at the Hannover Medical School. To enable practising midwives to participate, the lectures, seminars and tutorials were primarily offered online. As platform the online learning management system ILIAS was used, which is well established for other study programmes at the Hannover Medical School.

Keywords: e-learning, online course, advanced education, midwives


Der Europäische Masterstudiengang für Hebammenwissenschaft

Mit dem Ziel, die wissenschaftliche Fundierung der Hebammentätigkeit in Europa zu forcieren, haben sich fünf Universitäten zusammengeschlossen, um einen Europäischen Masterstudiengang für Hebammenwissenschaft aufzubauen [1], [2], [3], [4]. Unter der Leitung der Glasgow Caledonian University (GCU) wurde von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), der Zuyd University Maastricht (ZU), der Haute École Specialisée de Suisse Occidentale Lausanne (HES-SO) und dem University College of Health Studies Ljubljana (UL) ein gemeinsames, modular aufgebautes Curriculum entwickelt, das den Studierenden ermöglicht, Module an allen beteiligten Universitäten zu belegen. Um insbesondere berufstätigen Hebammen den Zugang zum Masterstudiengang zu ermöglichen, wurde dieser als überwiegendes Online-Angebot konzipiert [5]. Die europäische Ausrichtung des Studiengangs bietet den Hebammen außerdem die Möglichkeit, die Bedingungen der Schwangerenversorgung und der Geburtshilfe in anderen Ländern kennen zu lernen. Im September 2009 startete an der Medizinischen Hochschule Hannover der erste Jahrgang des Europäischen Masterstudiengangs für Hebammenwissenschaft [6], [7], [8].

Die didaktische Leitmethode des Europäischen Masterstudiengangs für Hebammenwissenschaft ist das inquiry based learning, eine Form des problembasierten Lernens. Je nach Thematik dient dabei die Beschreibung einer geburtshilflichen Situation, ein Statement zur Qualität von Leitlinien oder ein gesundheitspolitisches Versorgungsproblem als Ausgangstext für die studentische Gruppenarbeit. In Gruppen von drei bis maximal acht Personen diskutieren die Studierenden die verschiedenen Aspekte der im Ausgangstext beschriebenen Szenarien. Sie legen daraufhin die für sie zentralen Fragestellungen fest und bearbeiten diese eigenständig. Die Studierenden entwickeln einen gemeinsamen Arbeitsplan, recherchieren die notwendige Literatur und erstellen ein gemeinsames Arbeitsergebnis. Ziel des Unterrichtskonzeptes ist es, dass die Studierenden lernen, relevante Fragestellungen in ihrem beruflichen Kontext zu erkennen, und diese alleine oder in Zusammenarbeit mit anderen mit wissenschaftlichen Methoden zu bearbeiten. Die Bearbeitung der Szenarien erfolgt im Wochenrhythmus. Innerhalb eines mit 15 Bologna-konformen Leistungspunkten (European Credit Transfer System) zertifizierten Moduls bearbeiten die Studierenden so etwa 12 Themengebiete. Darüber hinaus wird ein Thema in einer mehrwöchigen Hausarbeit vertieft.


Struktur des Studiengangs in ILIAS

Als zentrale Lernplattform für den Hebammenstudiengang wird das an der MHH etablierte Lernmanagementsystem ILIAS genutzt. Innerhalb von ILIAS können unterschiedliche Ressourcen zur Gestaltung einer Lernumgebung genutzt werden. Zur Strukturierung können sogenannte Kategorien, Gruppen oder Kurse angelegt werden, wobei die Zugriffrechte für Kategorien über das zentrale Rechtemanagement geregelt werden, Kurse und Gruppen aber auch eine lokale Verwaltung der Zugriffsrechte ermöglichen. Innerhalb der Strukturierungselemente können dann verschiedene Lernressourcen wie Lernmodule, Weblinks, Dateien oder Wikis eingefügt werden.

Der Bereich des Hebammenstudiengangs wurde innerhalb des bestehenden ILIAS als eigene Kategorie angelegt. Im zentralen Rechtemanagement ist festgelegt, welche Studierenden und Dozierenden der MHH Zugriff auf den Studienbereich der Hebammenwissenschaft haben. Innerhalb der Hauptkategorie des Studienganges finden sich weitere Unterkategorien. Neben Kategorien für allgemeine Informationen zum Studiengang und einem zentralen Forum für organisatorische Fragen, gibt es Kategorien für die angebotenen Unterrichtsmodule sowie einen Gruppenbereich, in dem Studierende untereinander Informationen austauschen können. Die Modulkategorien sind einheitlich gestaltet und können von allen Studierenden und Dozierenden des Hebammenstudiengangs eingesehen werden. Dozierende haben zusätzlich die Möglichkeit, Strukturierungselemente und Lernressourcen anzulegen. Jede Modulkategorie enthält eine Modulbeschreibung, das Modulhandbuch und einen Kurs, in dem die Studentinnen, die an dem Modul teilnehmen wollen, eingetragen werden. Das lokale Kursmanagement in ILIAS bietet den Dozierenden die Möglichkeit, bestimmte Gruppenbereiche für die Studierenden einzurichten, in denen sie eigene Lernressourcen erstellen können.

Studierende, die sich für ein Modul anmelden, werden von den jeweiligen Dozierenden in den Kurs aufgenommen. Jeder Kurs enthält ein Forum, einen Ordner mit den Szenarien für die wöchentliche Gruppenarbeit sowie einen Ordner mit weiterführenden Lernmaterialien zum Thema des Moduls. Diese Kursbereiche sind nur für die Teilnehmerinnen des Moduls einsehbar. Jeder Kurs enthält Untergruppen, in welche die Studierenden ebenfalls von den Dozierenden eingeteilt werden. Eine Studierendengruppe umfasst dabei maximal 8 Personen. Innerhalb des Gruppenbereichs können die Studierenden verschiedene Funktionalitäten von ILIAS für ihre Zusammenarbeit nutzen. So können sie ein eigenes Forum einrichten, Dateien hochladen, Umfragen erstellen oder Wikis anlegen. Die Ergebnisse der wöchentlichen Gruppenarbeit stellen die Studierenden ebenfalls im Gruppenbereich bereit. Innerhalb einer Gruppe und eines Kurses können die Studierenden und die Dozierenden das interne Mailsystem von ILIAS nutzen, um alle Gruppen- oder Kursmitglieder anzuschreiben.

Zusätzlich zu den Funktionalitäten von ILIAS werden im Hebammenstudiengang für die webbasierte Kommunikation und zur Präsentation von studentischen Arbeiten ein virtueller Klassenraum (Adobe Connect Pro®) und ein Programm für Gruppen-Telefon- und Videokonferenzen (Skype®) genutzt. Wöchentlich findet pro Gruppe ein zweistündiges Online-Treffen statt. In der ersten Stunde präsentieren die Studierenden ihre Arbeitsergebnisse, die dann gemeinsam diskutiert und von der Dozentin des Moduls kommentiert werden. Bei Einzelvorträgen im virtuellen Klassenraum erhalten die Studierenden Kommentare von ihren Kommilitonen und eine mündliche Rückmeldung und Einschätzung von der Dozentin. In einem Protokoll werden diese festgehalten und in ILIAS für die Gruppe bereitgestellt. In der zweiten Stunde wird das Thema des neuen Szenarios besprochen und der Arbeitsplan für die kommende Woche erarbeitet.

Ergänzend zur wöchentlichen Gruppenarbeit an den Szenarien müssen die Studierenden innerhalb eines Moduls eigenständige Hausarbeiten erstellen, die als Grundlage für die Benotung dienen. Die Arbeiten müssen bis zu einem festgelegten Termin in ILIAS als sogenannte Übung hochgeladen werden.

Um die Studierenden mit den Funktionalitäten von ILIAS vertraut zu machen, wurden verschiedene Anleitungen erstellt, die es ihnen ermöglichen, zu Hause bestimmte Arbeitsschritte in ILIAS nachzuvollziehen. Ebenso wurden Linksammlungen und kurze Lernmodule zu Nutzungsmöglichkeiten von freien Angeboten im Web 2.0 für die Studierenden zusammengestellt. Die Studierenden sollen so angeregt werden, verschiedene webbasierte Formen des Lernens, der Zusammenarbeit und der Kommunikation aktiv anzuwenden, um so zusätzliche Fertigkeiten im Umgang mit Internettechnologien zu erwerben. Aufgrund der internationalen Besetzung des Studienganges wurden die Materialien auf Englisch erstellt.


Fazit

Die didaktische Ausrichtung und der internationale Kontext des Hebammenstudiengangs mussten bei der strukturellen Konzeption der webbasierten Lernplattform für den Studiengang berücksichtigt werden. Das bedeutete, dass alle Informationsmaterialien zur Nutzung der webbasierten Lernangebote in englischer Sprache neu erstellt werden mussten. Bei der Strukturierung der webbasierten Lehr- und Lernangebote musste außerdem zwischen Bereichen, in denen Studierenden Materialien abrufen können und Bereichen, in denen sie selbst Materialien erstellen können, unterschieden werden. Zudem sollten die Dozierenden möglichst eigenständig den Unterrichtsablauf in der Lernumgebung gestalten können. Durch die Kombination der verschiedenen Strukturierungselemente wie Kategorien, Kurse und Gruppen, können in ILIAS Lernumgebungen entsprechend der jeweiligen Nutzungsanforderung gestaltet werden. Da ILIAS verschiedene Sprachen unterstützt, besteht auch kein Problem systemseitig ein englischsprachiges Angebot zu realisieren.

Damit die Lehrenden ihren Unterricht und die Betreuung der Studierenden in einem Onlinestudiengang reibungslos durchführen können, ist es neben einer lokalen Rechteverwaltung, die ihnen ermöglicht Studierende in Kurse oder Gruppen aufzunehmen, auch notwendig, dass sie die zur Verfügung stehenden Lernressourcen selbstständig einsetzen und bedienen können. Die insgesamt sehr benutzerfreundliche Gestaltung von ILIAS hat dabei eine problemlose Nutzung des Systems durch die Dozierenden ermöglicht. Das gilt im gleichen Maße auch für die Studierenden. Die meisten der Studierenden der Hebammenwissenschaft haben während ihres Bachelorstudiums bereits Erfahrung mit webbasierten Lernangeboten an anderen Universitäten gesammelt. Positive wie auch negative Beispiele haben so zu einer selbstbewussten Erwartungshaltung der Studierenden geführt, die sie von den Studierenden in den Präsenzstudiengängen unterscheidet. Darüber hinaus fordert das Online-Studium eine stärkere Selbstorganisation der Studierenden, wobei das Gefühl, auf sich allein gestellt zu sein, auch zu einer erhöhten Inanspruchnahme des Supports führen kann. Durch die Gruppenarbeit innerhalb der Module wird aber ermöglicht, dass sich ein sehr starker Austausch zwischen den Studierenden ergibt. Das Gruppenlernen des inquiry based learning wirkt somit insgesamt positiv auf die Lernsituation in dem Online-Studiengang.

Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass es auf der Grundlage von etablierten Lernsystemen möglich ist, an einer Präsenzuniversität einen Online-Studiengang zu realisieren. Lernmanagementsysteme wie ILIAS bieten für Studierende und Lehrende verschiedene Möglichkeiten webbasiert zusammenzuarbeiten oder Lernmaterialien zur Verfügung zu stellen. Zur Realisierung einer synchronen Kommunikation ist es aber notwendig, den Lernraum, den ein Lernmanagementsystem bietet, durch virtuelle Klassenräume zu erweitern.


Anmerkung

Interessenkonflikte

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
Zoege M. Die Professionalisierung des Hebammenberufes. Anforderungen an die Ausbildung. Bern: Hans Huber; 2004.
2.
Deutscher Hebammenverband e.V. Hebammen-Ausbildung an die Hochschule. Positionspapier des Pädagogischen Fachbeirates im Deutschen Hebammenverband e.V. 2011 [cited 1.7.2011]. Available from: http://www.hebammenverband.de/index.php?id=788 Externer Link
3.
Fleming V. Joint Midwifery Education in Europe. MIDIRS Essence. February 2008. Available from: http://www.midirs.org/development/MIDIRSEssence.nsf/articles/A9EF4BE5B3EE5D10802575CF00324644 Externer Link
4.
Groß M. Gebären als Prozess. Empirische Befunde für eine wissenschaftliche Neuorientierung. Bern: Hans Huber; 2001.
5.
Ramsayer B, Gross MM, Fleming V. Fernstudium in Midwifery. Deutsche Hebammenzeitschrift. 2008;4:30-3.
6.
Gross MM, Fischer V, Behrends M, Hillemanns P. Europäischer Masterstudiengang für Hebammen. Geburtsh Frauenheilk. 2009;69:743.
7.
Radtke K, Köhler L, Fischer V, Hillemanns P, Groß MM. Vom EU-Projekt zur Verwirklichung des Europäischen Masterstudiengangs für Hebammenwissenschaft. Z Geburtshilfe Neonatol. 2009;213(Suppl 1):S9. DOI: 10.1055/s-0029-1222737 Externer Link
8.
Lengler L, Michel-Schuldt M, Schmidt G. Die ersten Schritte im Europäischen Masterstudium. Deutsche Hebammenzeitschrift. 2011;(3):64-5.