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Auswahl und Einbindung einer Statistiksoftware im "Lehrprojekt Biometrie" an der Universität Ulm
Selection of a statistical software in the "teaching project Biometry" at the University of Ulm
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Veröffentlicht: | 28. Februar 2008 |
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Gliederung
Zusammenfassung
Ausgehend von der Notwendigkeit einer Veränderung der Lehre nach neuer ÄAppO wird in dem Lehrprojekt Biometrie die Lehre in dem Fach näher herangebracht an die „neuen Medien“ und gleichzeitig versucht, die Motivation bei den Studierenden zu erhöhen. Dabei wird durch den Einsatz eines computergestützten Lehrsystems dem heutigen Lernverhalten näher gekommen. Eine nachvollziehbare Nachhaltigkeit des Erlernten und demnach eine Motivationssteigerung soll das Erlernen eines Statistiksoftwareprogramms erbringen. Eine Einbindung in ein komplexeres medizinisches Beispiel soll ebenfalls diese Motivationssteigerung bewirken. Das Projekt wurde im Sommersemester 2005 zum ersten Mal umgesetzt. In diesem Beitrag sollen schwerpunktmäßig die Auswahl und Einsatzmöglichkeiten einer Statistiksoftware in diesem Lehrprojekt anhand der Gegebenheiten an der Universität Ulm im Vordergrund stehen.
Abstract
Based on the major revision of the regulation for the licence to practice medicine (ÄAppO) we adapted teaching in medical biometry. The so-called “teaching project Biometry” is intended to give basics of biometry to the students by using computer methods. For this purpose an E-Learning system is established and a statistical software is introduced. Methods of statistics are inducted using a real medical patient data set. First of all the new project is intended to increase the students’ motivation for the subsidiary subject of medical biometry, secondly to improve the sustainability for future medical research and for dissertation writing.
This field report mainly describes the selection process and the applicability of a statistical software. Additionally the implementation of the course will be presented.
Ausgangssituation und Ziele des Projekts
Die neue Approbationsordnung für Ärzte führte zu einer Umstrukturierung des Studiengangs der Humanmedizin. Mit dem Aspekt, fächerübergreifendes Denken zu fördern wurden so genannte Querschnittsbereiche eingeführt. Zusammen mit der Epidemiologie und der Medizin-Informatik gehört die Medizinische Biometrie jetzt zum Querschnittsbereich 1. Um den bis dahin abgehaltenen Kurs Biometrie diesen neuen Gegebenheiten anzupassen, ist eine Überarbeitung und eine Umstrukturierung sinnvoll.
Ein wichtiger Faktor bei Überlegungen zur Überarbeitung und Veränderung der Lehre im Fach Biometrie ist die fehlende Motivation der Studierenden, sich den Lehrinhalten zu nähern. Im 5. Semester (1. Klinisches Semester) ist den Studierenden die Notwendigkeit des Lehrinhaltes des Faches Biometrie für ihr weiteres Studium, Dissertation und Beruf noch nicht bewusst. Im Mittelpunkt des Interesses direkt nach dem Physikum steht die klinische Tätigkeit. Dazu kommt, dass durch die Anzahl der Studierenden (etwa 250 Studenten) und die fehlende technische Ausstattung bisher „nur“ Übungen für statistische Auswertungen mit dem Taschenrechner anhand sehr kleiner Fallbeispiele möglich sind. Die Studenten wissen aber, dass Sie später im Studium oder Beruf, wenn von Ihnen Auswertungen verlangt werden, diese mit entsprechenden Computerprogrammen durchführen müssen und durch diese Übungen so darauf nicht vorbereitet werden. Die kleinen Beispiele sind meist durch die zu geringe Fallzahl kaum medizin- und/oder forschungsrelevant, so dass ein Mehrwert im Sinne neuer Kenntnisse in der Medizin nicht möglich ist.
Ein wesentlicher Faktor für die Möglichkeit von Veränderungen in der Lehre des Faches sind die steigenden Ansprüche und Kenntnisse der Studierenden. Dazu gehören ganz wesentlich Lehrmethoden und -materialien, die zu den „neuen Medien“ gezählt werden. Dieser Ansatz soll hier auch in der Biometrielehre durch die Bereitstellung und Nutzung eines E-Learningsystems unterstützt werden.
Um den Praxisbezug im Kurs Biometrie in diesem Querschnittsfach zu stärken und eine Nachhaltigkeit für das weitere Studium zu erwirken soll im Lehrprojekt „Biometrie“ der Unterricht anhand einer Statistiksoftware gelehrt werden. Dadurch werden die Studenten in die Lage versetzt, eigene Forschungsarbeiten wie eine Dissertation mit den erworbenen Kenntnissen durchführen zu können. Zusätzlich soll eine Motivationssteigerung durch die Semesterbegleitende durchgehende Nutzung eines forschungsrelevanten aktuellen Datensatzes erreicht werden. Nicht zuletzt soll die Verschiebung des Kurses in das 7. Semester eine Verbesserung bzgl. der Einschätzung der Notwendigkeit des Kurses bringen.
Umsetzungskonzeption und Stand des Projekts
Viele Aspekte der gerade beschriebenen Umsetzungsziele sind in den letzten Jahren unabhängig von der Veränderung der Lehre im Fach Biometrie von uns bearbeitet worden (z.B. Erstellung eines internetbasierten Thematischen Verzeichnisses für das Fach [2] und Publikation eines Lehrbuches für die Handhabung einer Statistiksoftware [5]). Dazu kam dann zu Beginn des Projektes eine umfangreiche Recherche bzgl. der einzusetzenden Systeme und Lehrmaterialien [13]. Inzwischen ist der Stand des Projektes dokumentiert und veröffentlicht worden [7], [6]. Folgendermaßen kann man den Stand der Rahmenbedingungen ohne die Auswahl der Statistiksoftware zusammenfassen:
- E-Learning System (JUMBO)
Von Kollegen der Universität Münster steht das Lehr- und Lernsystem JUMBO frei im Netz. Es sind dort neben erläuternden Texten mehr als 60 animierte Applikationen und Aufgaben für viele Inhalte der Medizinstatistik zu finden [3]. Das System deckt fast den gesamten Vorlesungsplan des Kurses Biometrie ab, besitzt eine übersichtliche Benutzeroberfläche und ein zusätzliches Glossar. - Relevanter Datensatz (Diabetes bei adipösen Kindern und Jugendlichen)
Bei dem medizinisch relevanten Datensatz handelt es sich um Daten aus einem Forschungsprojekt der Universitätskinderklinik Ulm [12] aus einer Beobachtungsstudie in der Kinderklinik Hochried in Murnau. Adipositas und Diabetes mellitus sind Volkskrankheiten, mit denen sich alle Medizinstudenten befassen sollten, im Zusammenhang mit Kindern wird eventuell auch ein zusätzlicher emotionaler Bezug zum Thema hergestellt. Der Originaldatensatz wurde für den Einsatz im Lehrprojekt reduziert (219 von 520 Beobachtungen, 82 von 211 Variablen), ist in der Größe aber ausreichend, um die Vorzüge einer computergestützten Analyse aufzuzeigen. - Lehrmaterialien
Für den Kurs mussten umfangreiche neue Lehrmaterialien erstellt werden. Für jede Übungsstunde sind jeweils ein Dozentenhandbuch, ein Powerpoint-Vortrag (Input) des Stoffes, Übungsaufgaben und Musterlösungen entstanden. Darüber hinaus bekommen die Studierenden eine CD mit den Daten, relevanten Veröffentlichungen, und zusätzlichen Informationen zur Begleitung im Kurs sowie ein Skript über den Einsatz der Statistiksoftware. - Internetauftritt
Zur Informationsweitergabe und zur übersichtlichen Darstellung des Kurses und der Spezifika sowie des Downloads relevanter Kursmaterialien wie z.B. der Musterlösungen (mit Passwort) wurde ein zweigeteilter Internet-Auftritt ins Internet gestellt. Die allgemeinen Angaben zum Kurs, Hintergrundinformationen und die Anmeldung sind auf den Fakultätsseiten der Medizin in Ulm realisiert, semesterspezifische Seiten sind unter der Homepage des Instituts für Biometrie abgelegt und verlinkt worden. - Evaluation
Selbstverständlich muss ein neues Lehrkonzept evaluiert werden. Vorbereitet ist eine begleitende ergebnisorientierte Evaluation anhand zweier Fragebögen (Anfang/Ende des Semesters) und der Punktergebnisse aus den zwei begleitenden Prüfungen.
Auswahl der Statistiksoftware
Nachdem mit JUMBO ein E-Learning-System für den theoretischen Teil des Unterrichts gefunden wurde [6], [8], ging es im nächsten Schritt darum, eine geeignete Statistiksoftware auszuwählen, die den praktischen Teil, also die Übungen am PC, abdeckt. In diesem Artikel werden unsere Erfahrungen bei dieser Auswahl vorgestellt. Sie können also nicht direkt übertragen werden, ein Nachvollziehen anhand unseres Vorgehens in der eigenen Lehrsituation sollte eine entsprechende Empfehlung für die einzusetzende Statistiksoftware am eigenen Standort ermöglichen.
Die Auswahl einer Software wurde für die erste Umsetzung des Lehrprojektes im Jahr 2005 durchgeführt und dieses Jahr wiederholt [1], um neuere Entwicklungen in den Statistikpaketen (u.a. bzgl. SAS Enterprise Guide und mausgesteuerten Oberflächen der Software R) berücksichtigen zu können.
Im Internet finden sich unzählige Informationen über Statistikprogramme (z.B. die Übersicht von Lüpsen von der Universität Köln [4]). Diese Fülle an Informationen erschwert die Auswahl eines geeigneten Programms. Daher ist es sinnvoll, die Statistiksoftware zu gruppieren und zu unterscheiden. Im Wesentlichen gibt es drei Bereiche (Tabelle 1 [Tab. 1]):
- Kommerzielle, allgemeine Software: Sie besitzt eine große Bandbreite an angebotener Methodik.
- Spezialsoftware: Neben der herkömmlichen Statistik gibt es zusätzlich spezielle Statistikmodule.
- Shareware/Public Domain Pakete: Dies sind meist kleine Softwarepakete, die entweder kostenfrei oder sehr kostengünstig erhältlich sind.
Auswahlkriterien
Wir haben für die Auswahl der Statistiksoftware Kriterien festgelegt, die die Auswahl eines geeigneten Programms erleichtern sollen (s. Tabelle 2 [Tab. 2]). Eine spezielle Gewichtung der Faktoren bzw. eine Objektivierung ist dabei nicht vorgesehen, die Kriterien helfen aber sehr bei der eigenen Auswahl. Die Kriterien werden nachfolgend aufgelistet und genauer beschrieben.
- Benutzeroberfläche: Die Benutzeroberfläche sollte eine einfache und übersichtliche Struktur aufweisen, um wenig Einarbeitungszeit für die Software aufwenden zu müssen.
- Kosten: Die zur Verfügung stehenden Mittel sind begrenzt. Daher sollten sich die Ausgaben bei der Anschaffung der Statistiksoftware gering halten. Das Produkt sollte möglichst kostenfrei sein in Bezug auf die Nutzbarkeit in der Lehre und für die Nutzung der Studierenden im Anschluss an die Lehreinheit (z.B. Verfügbarkeit auf zugänglichen PC-Pools an der Universität).
- Vorhandene Software: Aufgrund der Finanzlage, einerseits der Studierenden, andererseits der Universität selbst, wäre es sinnvoll eine Statistiksoftware auszuwählen, die sich bereits auf dem Computerpool der Universität befindet.
- Leistungsumfang: Die Statistiksoftware sollte eine Vielzahl statistischer Methoden anbieten, um eine realitätsnahe Auswertung möglich zu machen.
- Spätere Nutzung: Die Statistiksoftware muss so gewählt werden, dass eine spätere Nutzung nicht auszuschließen ist. So müssen sich die Nutzer nicht nochmals in eine für sie neue, allgemein gebräuchliche Statistiksoftware einarbeiten. So könnte die Motivation der Studierenden im Lehrprojekt „Biometrie" gefördert werden, da der Umgang mit einer Statistiksoftware Vorteile verspricht.
- Validierung: Validierung bedeutet, dass die von der Software zur Verfügung gestellten Funktionen richtige und schlüssige Ergebnisse liefern, ohne dies nochmals überprüfen zu müssen.
- Vorarbeiten/Vorkenntnisse Lehrende: Die Vorarbeiten sind die Kenntnisse und Publikationen, die bei uns im Institut für Biometrie vorhanden sind und als zusätzliches Hilfsmittel für das Lehrprojekt „Biometrie“ herangezogen werden können. Ganz allgemein ist es wichtig, die Vorkenntnisse der Lehrenden einzubeziehen, um die Erfahrungen positiv den Studierenden vermitteln zu können.
- Vorkenntnisse Studierende: Ein weiterer wichtiger Aspekt sind die Vorkenntnisse, die die Studierenden mit in das Lehrprojekt bringen. Es ist davon auszugehen, dass MS Office Produkte wie Word oder Excel bekannt sind und deren Handhabung klar ist. Bei der Oberfläche der statistischen Software wäre es deshalb von großem Vorteil, wenn eine Orientierung an den vertrauten Programmen erfolgte, damit diese für die Studierenden keine zusätzliche Hürde und erhöhte Einarbeitungszeit bedeutet.
Vor- und Nachteile
In diesem Teilabschnitt werden die oben aufgeführten Kriterien auf ihre Vor- und Nachteile hin untersucht, um eine Liste der Statistiksoftwareprodukte aufstellen zu können, die für die engere Auswahl in Frage kommen.
Die Benutzeroberfläche sollte maus- und menügesteuert sein, um den Lernaufwand für die Studierenden möglichst gering zu halten und keine zusätzliche Barriere einzubauen. Dementsprechend wird Statistiksoftware eher ausgeschlossen, die eine komplett neue Oberfläche bietet.
Um die Kosten möglichst gering zu halten fallen Originalversionen kommerzieller Anbieter in der Regel heraus. Ausnahmen können Studentenversionen oder Universitätslizenzen sein. Shareware und Public Domain Produkte haben hingegen den Vorteil, dass sie preisgünstig oder auch kostenlos sind.
Für das Lehrprojekt „Biometrie“ wird Spezialsoftware ausgeschlossen, da hier eine Software benötigt wird, die allgemeine statistische Methoden anbietet, um den Studierenden einen gesamten Leistungsumfang bieten zu können.
Für eine mögliche spätere Nutzung der Software ist es wichtig, dass das Programm Langlebigkeit gewährleistet und nicht in relativ kurzer Zeit vom Markt genommen wird.
Ein großer Nachteil von Shareware und PD-Produkten ist, dass deren Analysen und Dokumentationen oft unklar scheinen und es fraglich ist, ob diese validiert sind.
Im Institut gibt es viele Vorarbeiten/Vorkenntnisse im Bezug auf Statistiksoftware. So werden Schulungen im Bereich SAS und SAS-Analyst angeboten und es wurde bereits ein Lehrbuch publiziert [5]. Des Weiteren sind Erfahrungen mit der Statistiksoftware EpiInfo und WinStat vorhanden. Die wissenschaftliche Tätigkeit der Mitarbeiter im Institut erfordert in den letzten Jahren immer wieder auch die Nutzung des Softwarepaketes R, so dass Lösungen auf Basis von R deshalb ebenfalls in die Auswahl der zu untersuchenden Softwarepakete aufgenommen wird.
An der Universität Ulm ist außer SAS keine Statistiksoftware auf dem PC Pool für die Medizinstudierenden installiert. Eine SAS-Lizenz für Studierende ist aktuell für 50 €/Jahr (inklusive Enterprise Guide) erhältlich.
Bei den Studierenden der Humanmedizin muss davon ausgegangen werden, dass diese keine Vorkenntnisse im Umgang mit einer Statistiksoftware besitzen, die Meisten allerdings die Handhabung von MS Office Produkten wie MS Excel mit einem maus- und menügesteuerten System beherrschen. Somit wäre eine Statistiksoftware mit einer Windowsoberfläche, vorhandener Menüleiste und mit dementsprechender Funktionalität von Vorteil. In diesem Fall bietet sich WinStat an, ein deutschsprachiges Add-In für MS Excel, welches über die Excel-Oberfläche genutzt wird und somit den Vorkenntnissen der Studierenden entgegenkommt. Auch die Public Domain Software R mit den Oberflächen Rcmdr und Statistiklabor sowie Epi-Info könnten sich für den Einsatz im Lehrprojekt „Biometrie“ eignen und werden deshalb im Folgenden genauer untersucht.
Darüber hinaus gibt es noch viele ähnliche Statistikpakete wie MedCalc, Systat, Stata, SPSS, deren Handhabung aber nur zum Teil bekannt ist und nicht in öffentlich zugänglichen PC-Pools den Studierenden an der Universität zur Verfügung steht. Deshalb wurde die Auswahl für den Einsatz an unserer Universität auf die eben beschriebenen Produkte eingeschränkt.
Vorstellung
Insgesamt sechs Programme kamen so in die engere Wahl. Sie sollen nun im Folgenden auf ihre Eignung für den Einsatz in der Lehre im Fach Biometrie, speziell im Lehrprojekt „Biometrie“, untersucht werden. Tabelle 3 [Tab. 3] gibt die genaueren Angaben (Versionsnummer, Bezugsquelle) an.
1. SAS-Analyst
SAS-Analyst (Nutzung unter der SAS-Version 9.1.3) besitzt eine einfache, benutzerfreundliche, maus- und menügesteuerte Oberfläche, die, ohne selbst zu programmieren, einen guten Einstieg in die Software SAS darstellt (Abbildung 1 [Abb. 1]). Die Oberfläche ist angelehnt an den MS-Windows- und -Office-Standard bis Windows XP. Bei SAS handelt es sich um eine validierte Statistiksoftware, die weltweit Marktführer im Bereich Medizinstatistik ist. SAS-Analyst wird ohne zusätzliche Kosten mit SAS mitgeliefert. Die Jahresmiete von SAS selbst ist teuer, Studierende der Universität Ulm können jedoch über die Landeslizenz Baden-Württemberg und eine Subvention über Studiengebühren eine Jahreslizenz für 50 € erwerben, außerdem steht es den Studierenden auf einem für sie zugänglichen PC-Pool kostenlos zur Nutzung zur Verfügung.
Der Umfang der statistischen Methoden deckt den Vorlesungsinhalt des Lehrprojektes „Biometrie“ bei weitem ab. Das Institut bietet regelmäßig SAS-Analyst Kurse an der Universität Ulm an und besitzt deshalb ein breites Spektrum an Erfahrung im Umgang mit dieser Software. Außerdem wurde ein Lehrbuch zur Nutzung der Software in der Medizinstatistik publiziert [5].
Allerdings wird SAS-Analyst nicht mehr weiter gepflegt, ist aber in den aktuellen SAS-Versionen noch enthalten. Ab Version SAS 9.1 wird das Alternativprodukt SAS Enterprise Guide bei der Landeslizenz ebenfalls mitgeliefert. Falls ab einer späteren SAS-Version SAS-Analyst nicht mehr zur Verfügung stehen sollte, wäre eine Wahl von SAS-Analyst nicht optimal. Da aber die Installation von neuen Versionen herausgezögert werden kann, könnte über einen längeren Zeitraum noch mit der vorhandenen SAS-Analyst-Version gearbeitet werden, bevor die Lehrmaterialien in Bezug auf die eingesetzte Statistiksoftware überarbeitet werden müssen.
2. SAS Enterprise Guide (Version 4.1)
Beim SAS Enterprise Guide handelt es sich um eine Parallelentwicklung zum SAS-Analyst als mouse- und menügesteuerte Oberfläche für SAS (Abbildung 2 [Abb. 2]). Diese Oberfläche ist eine Neuentwicklung und hat eine andere Struktur der Oberfläche. Die aktuelle Version 4.1 merzt einige Kritikpunkte der Vorgängerversion aus [1], schafft es unserer Meinung aber nicht unbedingt, SAS-Analyst in Bezug auf Benutzerfreundlichkeit zu übertreffen (subjektive Meinung der Autoren, abhängig von der Gewöhnung an verschiedene Oberflächenstrukturen). Die Lizenz für den Enterprise Guide ist im Lizenzpreis für SAS für Studierende an der Universität Ulm (50 €/Jahr) enthalten, allerdings wird die aktuellste Version 4.1 noch nicht mitgeliefert und ist auch noch nicht im PC-Pool installiert.
Inzwischen ist aber die Nutzung der Version 4.1 über die Lizensierung der SAS Learning Edition (s. http://www.sas.com/le) möglich, so dass eine Nutzung von SAS Enterprise Guide 4.1 im Lehrprojekt „Biometrie“ ab sofort möglich wäre. Deutschsprachige Handbücher bzw. Sekundärliteratur (u.a. [10] für eine ältere Version und [9], [11]) als Hilfe für die Studierenden sind allerdings rar. Wir haben deshalb damit angefangen, ein entsprechendes Skript zu erstellen, was als Grundlage für die Studierenden dann im Lehrprojekt einsetzbar ist.
Fazit zur Handhabung des Programms: „Einarbeitung erschwert durch noch nicht ausreichende Literatur; dann aber einfache Bedienung des Programms; Standard-Auswertungen schnell erlernbar.“
3. EpiInfo
Die Oberfläche von EpiInfo (Version 3.3.2) ist anders gestaltet als die üblichen MS Officeangepassten Nutzeroberflächen, deshalb zuerst gewöhnungsbedürftig (Abbildung 3 [Abb. 3]). Ein wesentlicher Vorteil von EpiInfo ist das kostenlose Herunterladen dieser Software im Internet. Allerdings erhält man eine lange unhandliche Installationsanleitung, deren Umsetzung kompliziert scheint. Auch sind die statistischen Funktionen nicht komplett, so ist z.B. keine Berechnung des Spearman Korrelationskoeffizient möglich.
Da es sich bei den Anbietern dieser Statistiksoftware, der WHO und dem CDC, um zwei renommierte Organisationen handelt, ist davon auszugehen, dass sich EpiInfo in der Zukunft länger auf dem „Markt“ befindet und das Erlernen der Software sich nicht kurzfristig als „Fehlinvestition“ erweist. Ob EpiInfo validiert ist bleibt unklar. Zu erwähnen ist, dass EpiInfo die Möglichkeit bietet, ein maskengenerierendes Eingabeprogramm EpiData für die Dateneingabe zu nutzen, welches ebenfalls kostenlos von der Homepage zu beziehen ist.
Das Institut hat sich im Rahmen mehrerer Praktika bereits ausführlich mit EpiInfo auseinandergesetzt, um dessen Einsatzmöglichkeiten für studentische Beratungsfälle zu untersuchen und hat somit Vorkenntnisse in dessen Handhabung. Das Programm lief während der Testphase zuverlässig und stabil. Fazit: „Zu Empfehlen für Projekte mit deskriptiver Auswertung. Für komplexe Forschungsansätze zu geringer Leistungsumfang. Aber automatisierbar und kostenlos.“
4. WinStat
Bei WinStat handelt es sich um ein Statistikpaket, welches als deutschsprachiges MS Excel Add-In eine gewohnte Benutzeroberfläche für Excel-Anwender bietet (Abbildung 4 [Abb. 4]). Dies bedeutet, dass es bei Vorkenntnissen in MS Excel beim Erlernen von WinStat keiner umfangreichen Unterweisung bedarf. Die Dateneingabe erfolgt direkt in MS Excel und es ist kein Import aus einer externen Datei nötig. Die Auswertungsroutinen in WinStat sind allerdings alle neu programmiert worden und greifen nicht auf die bekanntermaßen nicht zuverlässigen Statistikfunktionen von Excel zu.
Die Anschaffungskosten belaufen sich auf 89 € pro Lizenz inklusive deutschem Handbuch. Die Bestellung erfolgt online.
Die Benutzerfreundlichkeit ist eingeschränkt, da WinStat ohne ausreichende Erklärungen im Hilfemodus angeboten wird. Der Leistungsumfang der statistischen Methoden ist im Bereich multivariater Verfahren (über den Kurs und das Lehrprojekt Biometrie hinaus) nicht ausreichend, es fehlen u.a. logistische Regression und Cox-Regression.
Einigen Beratungsfällen wurde WinStat empfohlen. Die Nutzung des Programms wurde von uns begleitet und es hat sich als schnell erlernbar und stabil erwiesen.
WinStat ist demnach gut geeignet für Personen mit Excel-Kenntnissen, um schnell Basisauswertungen und Grafiken sowie teilweise multivariate Analysen auszuführen. Die vorhandenen Regressionsanalysen sind aber nicht umfangreich genug.
5. Rcmdr
Die Public Domain Software R-Commander (Rcmdr) ist ein Add-In für die freie Statistiksoftware R. Rcmdr wird kostenfrei im Internet angeboten (Abbildung 5 [Abb. 5]). Die Installation ist anfangs etwas schwierig. Das Programm selbst wird aus der R-Konsole heraus gestartet. Es bietet eine klare und leicht verständliche Benutzeroberfläche, die intuitiv benutzbar ist. Es gibt keine Beschränkung der Anzahl eingegebener Datensätze. Man kann Daten entweder per Hand direkt in eine Tabelle eingeben oder aus einer Datei importieren. In neueren Versionen von R-Commander ist es nun auch möglich, MS Excel-Dateien direkt zu importieren, ohne den Umweg, diese zuerst in *.csv-Dateien umzuwandeln. Das Ergebnis grafischer Auswertungen, wie Histogramme etc. kann in verschiedenen Grafikformaten aber auch als PDF gespeichert werden.
Rcmdr bietet zahlreiche statistische Methoden an, hat jedoch nicht den gleichen Umfang wie R. So können Grafiken z.B. in ihrer Farbe nicht verändert werden, was über die R-Konsole durchaus möglich ist. Das Programm hängt manchmal. Zudem wechselt R oft unvorhergesehen zwischen den Fenstern. Alles in allem traten im Verlauf der Tests jedoch keine schwerwiegenden Abstürze oder ein Datenverlust auf.
Das Gesamturteil ist positiv, dennoch kommt Rcmdr für den Einsatz im Lehrprojekt „Biometrie“ zur Zeit nicht in Frage. Die Erfahrungen im Institut mit dieser Software sind noch zu gering. Parallel zum Lehrprojekt Biometrie wird ein Statistiksoftwarekurs für Informatikstudierende (Nebenfach Medizin) entwickelt, der auf R basiert, so dass sich diese Einschätzung bald anders darstellen kann. Zudem ist unklar, ob die Software validiert ist, auch wenn bisherige Auswertungen fehlerfrei schienen.
6. Statistiklabor
Das Statistiklabor ist eine Verbindung der Statistiksoftware R mit einer grafischen Benutzeroberfläche, die parallel zur Entwicklung des e-Learning-Systems „Neue Statistik“ in Berlin von Schlittgen et al. entwickelt wird [8] (Abbildung 6 [Abb. 6]). Die Software hat den Medida-Prix 2003 (mediendidaktischer Hochschulpreis) erhalten und bezeichnet sich selbst als „didaktische Statistik-Software“, so dass dies schon ein Grund ist, dieses Softwarepaket mit in diese Untersuchung einzubeziehen.
Für Privatanwender (u.a. Studierende) ist das Statistiklabor kostenfrei im Internet beziehbar.
Zu Beginn wirkt die Benutzeroberfläche befremdlich, das Online Video Tutorial welches über das integrierte Hilfemenü zu erreichen ist, ist bei der Erlernung der Oberfläche aber sehr hilfreich. Es können verschiedene Formate wie *.csv oder *.txt Dateien importiert werden, aber auch ein direkter Import von MS Excel-Dateien *.xls ist möglich.
Das Statistiklabor bietet verschiedene Methoden zur deskriptiven Auswertung von Daten. So lassen sich relativ einfach Häufigkeitstabellen und Diagramme erstellen. Die Gestaltungsmöglichkeiten von Diagrammen sind allerdings sehr eingeschränkt. So ist es nicht möglich, Farben oder Abstände einzustellen. Für die Verwendung weiterer statistischer Verfahren wie z.B. statistischer Tests ist es zudem notwendig, die R Syntaxsprache zu kennen, da die Oberfläche direkt keine Berechnungsmöglichkeit, sondern nur eine Verbindung zur R-Konsole bietet. Das Programm lief während der Testphase stabil und ohne Datenverluste. Insgesamt macht das Statistiklabor einen guten Eindruck. Durch die fehlende Möglichkeit der Berechnung von statistischen Tests und der eingeschränkten Möglichkeiten der Diagrammgestaltung ist das Statistiklabor für das Lehrprojekt „Biometrie“ aber eher nicht geeignet.
Fazit
Insgesamt sechs Statistik-Softwareprogramme kamen nach den (eher subjektiven und auf die lokale Situation angepassten) Auswahlkriterien in die engere Wahl, etwas genauer in Bezug auf den Einsatz im Studentenunterricht im Fach Biometrie beleuchtet zu werden. Sie sollen nun zusammenfassend auf ihre Eignung für den Einsatz im Lehrprojekt „Biometrie“ hin untersucht werden.
Die Gegenüberstellung der Auswahlkriterien für die Statistiksoftware und die in Frage kommenden Systeme in Tabelle 4 [Tab. 4] gibt eine erste Übersicht.
EpiInfo ist wegen fehlender statistischer Methoden und der Instabilität zu vernachlässigen, WinStat wegen des fehlenden Leistungsumfangs und der anfallenden Kosten und Rcmdr wegen fehlender Erfahrungen und das Statistiklabor wegen der in der Oberfläche fehlenden statistischen Tests. So bleibt SAS-Analyst mit seinem Nachfolger SAS Enterprise Guide als die hier für den Einsatz an der Universität Ulm am besten geeignete Statistiksoftware für das Lehrprojekt „Biometrie“. Es wird, bis auf die geforderten Vorkenntnisse der Studierenden und die anfallenden Kosten, allen Anforderungen gerecht. Das Kriterium der geforderten Vorkenntnisse kann durch eine einmalige Einführungsveranstaltung, die bereits mit der Handhabung des Programms erfahrene Dozenten abhalten, erfüllt werden. Auch das eventuelle Auslaufen des SAS-Analyst nach einigen Jahren stellt kein Problem dar, da die Möglichkeit besteht, das Lehrprojekt mit dem Nachfolger SAS Enterprise Guide zu füllen. Da die Software auf den für die Studierenden zugänglichen PC-Pools installiert ist, relativieren sich die Kosten. Nur diejenigen, die die Software als Einzelplatzlizenz auf ihrem eigenen Rechner benötigen, müssen die Jahreslizenz entrichten.
In der Zwischenzeit (während der Entwicklung und neuerlichen Untersuchung der Software) gibt es für Baden-Württemberg eine weitere interessante Statistiksoftware für Studierende zu beziehen: Landeslizenz für SPSS (zur Zeit SPSS 15, 34 €/Jahr). Da diese Statistiksoftware häufig im Studentenunterricht an vielen Medizinischen Fakultäten eingesetzt wird, ist die Nutzung und der Einsatz im Lehrprojekt baldmöglichst zu prüfen. Zumindest das Problem der mangelnden eigenen Kenntnisse der Statistiksoftware bleibt hier allerdings bestehen, so dass ein direkter Einsatz noch nicht in Frage kommt.
Somit kommen wir zu dem Schluss, dass die jahrelange Erfahrung mit Einführungskursen in das Statistiksystem SAS-Analyst dem Lehrprojekt besonders zugute kommt. Neben didaktisch aufbereiteten Lehreinheiten existiert ein umfangreiches Lehrbuch [5], was hier eingesetzt werden kann. SAS-Analyst besitzt eine vereinfachte benutzerfreundliche, maus- und menügesteuerte Oberfläche, so dass ein Einstieg auch für unerfahrene Nutzer möglich ist. SAS-Analyst ist auf den PC-Pools der Universität Ulm installiert und kann zu günstigen Konditionen über eine Landeslizenz bezogen werden. Somit wird bis zur nächsten Überprüfung (u.a. SPSS und neuen Versionen von Rcmdr und Statistiklabor) mit SAS-Analyst im Lehrprojekt „Biometrie“ eine professionelle (kommerzielle) Statistiksoftware eingesetzt, um realitätsnahe Übungen durchführen zu können und den Studierenden den Umgang mit einer Software, die eine große Bandbreite an statistischen Methoden bietet, näher zu bringen.
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