gms | German Medical Science

GMS Health Innovation and Technologies

EuroScan international network e. V. (EuroScan)

ISSN 2698-6388

Operative und minimalinvasive Lungenvolumenreduktion bei Patienten mit Lungenemphysem

Kurzbeitrag

  • corresponding author Daniela Pertl - Gesundheit Österreich GmbH, Wien, Österreich
  • Alexander Eisenmann - Gesundheit Österreich GmbH, Wien, Österreich
  • Ulrike Holzer - Gesundheit Österreich GmbH, Wien, Österreich
  • Anna-Theresa Renner - Gesundheit Österreich GmbH, Wien, Österreich
  • A. Valipour - Gesundheit Österreich GmbH, Wien, Österreich

GMS Health Technol Assess 2014;10:Doc01

doi: 10.3205/hta000117, urn:nbn:de:0183-hta0001174

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/hta/2014-10/hta000117.shtml

Veröffentlicht: 1. Oktober 2014

© 2014 Pertl et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.

Der vollständige HTA Bericht in deutscher Sprache ist verfügbar unter: http://portal.dimdi.de/de/hta/hta_berichte/hta349_bericht_de.pdf


Zusammenfassung

Unter einem Lungenemphysem ist eine chronische, stetig voranschreitende und unwiderrufliche Zerstörung der Struktur des Lungengewebes zu verstehen. Neben nicht-medikamentösen Therapien und der etablierten medikamentösen Therapie stehen chirurgische und minimalinvasive Methoden zur Lungenvolumenreduktion bei fortgeschrittener Erkrankung als mögliche Behandlungsformen zur Verfügung.

Der vorliegende Bericht behandelt die Effektivität und die Kosteneffizienz minimalinvasiver Verfahren im Vergleich zu anderen Verfahren, die zur Lungenvolumenreduktion bei Patienten mit Lungenemphysem angewandt werden, und diskutiert damit zusammenhängende ethische und rechtliche Fragestellungen.

Anhand der identifizierten eingeschlossenen Evidenz kann derzeit kein klarer Mehrwert der minimalinvasiven Verfahren gegenüber den chirurgischen nachgewiesen werden. Um die unterschiedlichen Verfahren zur Lungenvolumenreduktion bei Patienten mit Lungenemphysem qualitätsgesichert hinsichtlich ihrer relativen Wirksamkeit und Sicherheit zu beurteilen, sind direkte Vergleichsstudien erforderlich.

Schlüsselwörter: Bronchoskopie, chirurgische Lungenvolumenreduktion, obstruktive Lungenkrankheiten, chronisch obstruktive Lungenkrankheiten, Lungenvolumenreduktion, LVR, LVRS, Pneumorektomie, pulmonales Emphysem


Kurzfassung

Gesundheitspolitischer Hintergrund

In deutschen Krankenhäusern lag die Inzidenz der Behandlungen eines Lungenemphysems 2011 bei zwei Fällen pro 100.000 Einwohner (altersstandardisiert). Insgesamt wurden 2.416 Patienten als an einem Emphysem leidend klassifiziert. Häufig erscheinen Patienten mit Lungenemphysem in den Diagnosedaten der Krankenanstalten nicht als solche, da sie in der Regel als Patienten mit einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) gelistet werden. Die Inzidenzrate der Behandlung von COPD ist dementsprechend wesentlich höher als jene des Lungenemphysems (182 Fälle pro 100.000 Einwohner 2011). Laut Schätzungen ist davon auszugehen, dass in der gesamten Bundesrepublik derzeit rund 1.000.000 Menschen ein Lungenemphysem haben. Besonders betroffen sind Raucher ab dem 50. Lebensjahr. 2011 wurden 1.257 Todesfälle auf ein Lungenemphysem zurückgeführt, während COPD in 26.018 Fällen als Todesursache angeführt wurde und somit den fünfthäufigsten Grund für ein Ableben in Deutschland bildet.

Die Kosten einer Lungenvolumenreduktion (LVR) hängen grundsätzlich von der gewählten chirurgischen oder minimalinvasiven Methode ab. Die Vergütung der LVR ist im deutschen Entgeltkatalog für diagnosebezogene Fallgruppen (DRG) für stationäre Leistungen geregelt. Die LVR mittels eines endobronchialen Klappensystems (Ventile) ist derzeit die einzige minimalinvasive endoskopische LVR, die im DRG-Katalog geregelt ist. Andere minimalinvasive Verfahren finden sich nicht im Entgeltkatalog, von den einzelnen Krankenanstalten kann für diese Methoden ein Antrag auf Zusatzvergütung eingebracht werden.

Wissenschaftlicher Hintergrund

Unter einem Lungenemphysem ist eine chronische, stetig voranschreitende und unwiderrufliche Zerstörung der Struktur des Lungengewebes mit Erweiterung der Lufträume distal der Endverzweigungen der Luftwege zu verstehen. Bei der Entstehung eines Lungenemphysems wirken endogene (z.B. Proteaseinhibitormangel, verstärkte Proteasenaktivität) und exogene Faktoren (z.B. Zigarettenrauchen) zusammen. Häufigste Ursache eines Lungenemphysems ist die COPD, die hauptsächlich durch Zigarettenrauch sowie zu einem geringeren Teil durch Gase und Stäube ausgelöst wird. Darüber hinaus ist eine genetische Disposition anzunehmen. Bei Verdacht auf ein Lungenemphysem wird mittels verschiedener Lungenfunktionstests der Zustand der Lunge erfasst. Eine hochauflösende Computertomografie der Lunge ist erforderlich, um das Emphysem zu charakterisieren und die Therapie darauf abzustimmen. Als mögliche Behandlungsformen bei fortgeschrittener Erkrankung stehen neben nicht-medikamentösen Therapien (z.B. Tabak-Rauchentwöhnung, pulmonale Rehabilitation, Physiotherapie) und der etablierten medikamentösen Therapie chirurgische und minimalinvasive Methoden zur LVR zur Verfügung, wie z.B. Ventile, Coils oder Hydrogelschaum. Diese Methoden gewinnen zunehmend an Bedeutung. Der Brustkorb muss nicht mehr vollständig geöffnet, die überblähte Lunge kann mittels minimalinvasiver Verfahren behandelt werden. Der Therapieerfolg bei minimalinvasiven Methoden zur LVR ist von der Patientenselektion für das jeweilige Verfahren abhängig.

Rechtliche und ethische Aspekte

Ein Lungenemphysem hat erheblichen Einfluss auf das Alltags- und Berufsleben des Betroffenen sowie seines sozialen Umfelds. Emphysempatienten können vor, aber auch nach erfolgter LVR gesetzlich geregelte Unterstützungsleistungen sowie je nach Grad der Einschränkung Geld- und Sachleistungen nach dem Pflegegesetz in Anspruch nehmen. Da die LVR ein palliativer Eingriff für schwererkrankte Emphysempatienten ist, stellt die Auswahl von geeigneten Patienten eine schwierige Entscheidung für den behandelnden Arzt dar.

Forschungsfragen

Der vorliegende Bericht geht zum einen der Effektivität minimalinvasiver Verfahren zur LVR bei Patienten mit Lungenemphysem nach, betrachtet zum anderen die Kosten minimalinvasiver Verfahren zur LVR und diskutiert damit zusammenhängende ethische und rechtliche Fragestellungen.

Folgende Forschungsfragen werden operationalisiert:

1.
Wie ist die Effektivität minimalinvasiver Verfahren im Vergleich zu anderen Verfahren, die zur LVR bei Patienten mit Lungenemphysem angewandt werden, zu bewerten?
2.
Welche Kosteneffizienz zeigen minimalinvasive Verfahren im Vergleich zu anderen Verfahren zur LVR bei Patienten mit Lungenemphysem?
3.
Welche Ansprüche (z.B. Rehabilitationsmaßnahmen, Hilfsmittel, Behinderungsgrad, Pflegegeld usw.) haben Patienten nach einer LVR in Deutschland?
4.
Gibt es bei einer LVR mögliche ethische Bedenken in Hinblick auf die Auswahl von geeigneten Emphysempatienten?
5.
Welche ethischen und rechtlichen Aspekte sind darüber hinaus bei der Anwendung minimalinvasiver Verfahren im Vergleich zu anderen Verfahren der LVR bei Patienten mit Lungenemphysem zu berücksichtigen?

Methodik

Es werden eine systematische Literatursuche sowie eine Aktualisierung dieser Suche in 34 internationalen Datenbanken durchgeführt (u.a. MEDLINE und EMBASE) mittels Verknüpfung von Suchbegriffen u.a. zu Verfahren zur LVR, zur Erkrankung (Lungenemphysem), zur Ökonomie, zu Studientypen sowie zu Ethik und Recht. Es werden deutsch- oder englischsprachige Publikationen berücksichtigt. Eine Einschränkung des Publikationszeitraums erfolgt nicht. Ergänzend werden eine systematische Suche im Internet durchgeführt und Referenzlisten geprüft. Die Selektion der Zusammenfassungen und Volltexte erfolgt anhand vorab definierter Kriterien. Für die Beurteilung der Studienqualität werden einerseits die interne (das Biasrisiko) und andererseits die externe Validität (die Anwendbarkeit von Studienergebnissen auf Patienten außerhalb der Studienpopulation) bewertet. Dafür werden vorab definierte Kriterien herangezogen. Liegen keine entsprechenden Studien mit hohem Evidenzgrad vor, wird auf Studien mit niedrigerem Evidenzgrad zurückgegriffen. Für die ethischen und rechtlichen Fragestellungen entfällt eine Bewertung der Studienqualität in dieser Form.

Ergebnisse

Aufgrund der systematischen Literatursuche werden 2.257 Zusammenfassungen geliefert. Nach einer Selektion der Zusammenfassungen anhand vorab definierter Selektionskriterien werden 183 Volltexte bestellt, davon werden 172 zur Verfügung gestellt. Im Rahmen der Aktualisierung der Literatursuche werden 190 Zusammenfassungen bestellt und geliefert. Nach Erstselektion werden 27 Volltexte bestellt, davon werden 23 geliefert. Durch die systematische Internetsuche werden 59 Publikationen ergänzt.

Nach der Selektion der Volltexte werden zwölf Publikationen für die medizinische Bewertung herangezogen, fünf Artikel werden zur Beantwortung der ökonomischen Fragestellung verwendet und 27 Texte der Bearbeitung ethischer und rechtlicher Aspekte zugeordnet.

Forschungsfrage (1)

Die vorliegende Evidenz (zwei randomisierte, kontrollierte Multicenter-Studien [randomisierte kontrollierte Studie = RCT]) zeigt hinsichtlich des Einsatzes von unilateralen endobronchialen Ventilen versus einer medikamentösen Standardtherapie für die Endpunkte forciertes exspiratorisches Volumen der ersten Sekunde (FEV1), Leistungsfähigkeit im Rahmen der Fahrradergometrie sowie selbstberichtete Lebensqualität bessere Ergebnisse für Patienten, denen Ventile eingesetzt wurden (sowohl sechs als auch zwölf Monate nach dem Eingriff). Die Stärke der Evidenz für diese Ergebnisse ist moderat. Hinsichtlich des Endpunkts Sechs-Minuten-Gehtest ist der Effekt hingegen unklar, da die Studien hierzu widersprüchliche Ergebnisse berichten. Die Stärke der Evidenz für diesen Endpunkt wird als niedrig eingestuft. Eine der Multicenter-Studien zeigt für den Endpunkt subjektive Atemnot im sechsmonatigen Nachbeobachtungszeitraum bessere Werte für Patienten nach dem Einsatz der Ventile. Die Stärke der Evidenz für dieses Ergebnis ist moderat. Hinsichtlich der Häufigkeit von Komplikationen beim Einsatz von unilateralen endobronchialen Ventilen im Vergleich zur medikamentösen Therapie liegen uneinheitliche Studienergebnisse vor, und die Stärke der Evidenz ist niedrig. Widersprüchliche Resultate zeigen sich bei Patienten mit höhergradig heterogenem Emphysem. Sie profitieren in einer Studie von der Behandlung mit Ventilen mehr als Patienten mit einer weniger stark ausgeprägten Empyhsem-Heterogenität. In einer anderen Studie werden die beobachteten positiven Effekte der Ventile vom Ausmaß der Heterogenität der Emphyseme nicht maßgeblich beeinflusst. Dieser Aspekt ist in weiteren Studien zu klären.

Zusammengefasst ist der bronchoskopische Einsatz von unilateralen endobronchialen Ventilen eine sichere Therapieoption, jedoch kann der patientenrelevante Nutzen aufgrund widersprüchlicher Studienergebnisse nicht eindeutig nachgewiesen werden.

Bei der Bronchoskopie mit bilateralem Einbringen von Ventilen in den Oberlappen versus Bronchoskopie ohne Einbringen von Ventilen bei schwerem Emphysem zeigt ein RCT keine wesentlichen Unterschiede hinsichtlich der Endpunkte Lungenfunktionsparameter (FEV1, Totale Lungenkapazität [TLC]), Diffusionskapazität der Lunge für Kohlenmonoxid, Kohlenstoffpartialdruck, Atemnot, Komplikationen, selbstberichtete Lebensqualität, Gesundheitszustand sowie körperliche Belastungskapazität (Sechs-Minuten-Gehtest) drei Monate nach dem Eingriff. Die Stärke der Evidenz ist als moderat zu beurteilen. Hinsichtlich des Endpunkts Sauerstoffpartialdruck zeigt die Evidenz Vorteile, hinsichtlich des Endpunkts Residualvolumen sowie des Verhältnisses Residualvolumen zu Lungenkapazität jedoch Nachteile bei Einbringen von Ventilen gegenüber Nicht-Einbringen von Ventilen drei Monate nach dem Eingriff, wobei die Stärke der Evidenz als moderat zu beurteilen ist.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass eine Bronchoskopie mit bilateralem Einbringen von Ventilen in den Oberlappen versus Bronchoskopie ohne Einbringen von Ventilen kein erhöhtes Sicherheitsrisiko in sich birgt, jedoch in Bezug auf die untersuchten Endpunkte für die meisten Patienten nicht wirksam ist.

Vorliegende Evidenz (ein RCT) zeigt keine ausreichend belegten mittel- bzw. langfristigen Effekte, die erkennen lassen, ob es vorteilhaft ist, eine Bronchoskopie mit bilateralem Einsetzen von transbronchialen Stents in Ober- und Unterlappen bei schwerem homogenem Emphysem durchzuführen. Ob und wie weit beobachtete Ergebnisse auf die Intervention zurückgeführt werden können, ist unklar, da ab dem ersten Tag nach dem Eingriff bis sechs Monate nach dem Eingriff bei einem Großteil der Patienten Stents ausgehustet wurden und sich die Durchgängigkeit der eingesetzten Stents verringert hat. Weitere Forschung in Richtung Verbesserung der Durchgängigkeit und längerfristiger Verbleibdauer der Stents in der Lunge ist zu betreiben.

Zur Bewertung der Wirksamkeit und Sicherheit der bronchoskopischen thermischen Dampfablation liegt keine ausreichende Studienevidenz vor. Die Ergebnisse einer unkontrollierten Interventionsstudie zeigen für den sechs- und den zwölfmonatigen Nachbeobachtungszeitraum eine Verbesserung hinsichtlich FEV1, Residualvolumens, Sechs-Minuten-Gehtests, selbstberichteter Lebensqualität und subjektiver Atemnot nach der Anwendung der Dampfablation, jedoch ist die Evidenzstärke dieser Ergebnisse aufgrund der fehlenden Kontrollgruppe niedrig. Hinsichtlich der Sicherheit werden schwerwiegende Komplikationen (v.a. COPD-Exazerbation, Pneumonie, Atemwegsinfekt, Atemnot, Herzinsuffizienz) bei etwa der Hälfte der Patienten im einjährigen Nachbeobachtungszeitraum festgestellt. Die Stärke der Evidenz ist für diese Endpunkte ebenfalls niedrig.

Vorliegende Evidenz (ein RCT und zwei prospektive kontrollierte Interventionsstudien) zeigt hinsichtlich der Intervention Videoassistierte Thorakoskopie (VATS) versus Mediane Sternotomie (MS) bei bilateralem schwerem Emphysem keine wesentlichen Unterschiede für die Endpunkte Operationsdauer, Komplikationen, postoperative Schmerzen, Aufenthaltsdauer in Intensivabteilung, Mortalität nach einem Monat bzw. nach drei Monaten, Bedarf an mechanischer Beatmung nach einem Monat, FEV1 nach 24 Monaten, unabhängige Lebensführung nach vier, zwölf bzw. 24 Monaten und Sechs-Minuten-Gehtest nach zwölf bzw. 24 Monaten. Vorteile zeigen sich hinsichtlich der Endpunkte Krankenhausaufenthaltsdauer und unabhängige Lebensführung einen Monat nach dem Eingriff bei der Durchführung einer VATS. Jedoch weist die Intervention MS nach zwölf Monaten bessere Ergebnisse auf hinsichtlich der Endpunkte Durchführung von Re-Operationen aufgrund von Luftfisteln, Auftreten von Hypoxämie und FEV1. Die Stärke der Evidenz für oben erwähnte Endpunkte ist als moderat einzustufen.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die VATS und die MS bei bilateralem schwerem Emphysem jeweils eine vergleichbare Wirksamkeit und Sicherheit zeigen, ein verallgemeinerbarer Vorteil für die Durchführung einer VATS oder MS kann aufgrund der untersuchten Endpunkte und der jeweils heterogenen Interventionseffekte für keine der beiden verglichenen Interventionen festgestellt werden.

Die vorliegende Evidenz (eine nicht randomisierte Interventionsstudie) zeigt im Vergleich der gestuften LVR (zwei separate unilaterale VATS) versus bilateraler Eingriff zur LVR mittels MS hinsichtlich Wirksamkeit (Endpunkte FEV1, Residualvolumen, Sechs-Minuten-Gehtest, Sauerstoffpartialdruck, Kohlenstoffpartialdruck, Diffusionskapazität für Kohlenmonoxid) und Komplikationsrate (Mortalität, Luftfisteln, Pneumonie, Pneumothorax, Beatmungsbedarf) im einjährigen Nachbeobachtungszeitraum keine Unterschiede. Die Stärke der Evidenz ist niedrig.

Insgesamt kann auf Basis der identifizierten Literatur für die gestufte VATS kein relevanter Vorteil gegenüber einer einzelnen bilateralen LVR mittels MS nachgewiesen werden.

Die Interventionen LVR durch Klammerung von Lungengewebe (ohne Resektion von Lungengewebe) versus LVR mit Resektion von Lungengewebe (Standardverfahren) zeigen im Rahmen einer nicht randomisierten, kontrollierten Interventionsstudie gleiche Verbesserungen hinsichtlich FEV1, Sechs-Minuten-Gehtests und subjektiver Atemnot sowie keine Unterschiede in Bezug auf die Häufigkeit von Luftfisteln, die länger als sieben Tage bestehen, und auf die Zwei-Jahres-Überlebensrate. Für die nicht-resektionale LVR verkürzen sich die Operations-, die Anästhesie- und die Krankenhausaufenthaltsdauer. Für sämtliche Studienendpunkte ist die Stärke der Evidenz niedrig.

Zusammengefasst liegt zur LVR mittels Klammerung ohne Resektion von Lungengewebe nur ein Einzelbefund vor, der keine Vorteile gegenüber LVR mit Resektion von Lungengewebe liefert, weshalb für diese Intervention weiterer Forschungsbedarf gegeben ist.

Vorliegende Evidenz (ein RCT) zeigt für die Interventionen unilaterale VATS unter Verwendung eines Lasers zur Schrumpfung des Lungengewebes versus unilaterale VATS mit Resektion des Lungengewebes und anschließendem Klammerverschluss bei diffusem Emphysem Verbesserungen hinsichtlich der Endpunkte Atemnot, Bedarf an Sauerstoff und Lebensqualität nach sechs Monaten. Hinsichtlich der Endpunkte Lungenfunktionsparameter (FEV1, Forcierte Vitalkapazität [FVC]) und Auftreten eines verzögerten Pneumothorax zeigt die VATS mit Resektion und Klammerverschluss nach sechs bzw. vier Monaten Vorteile. Die Stärke der Evidenz ist moderat. Keine Unterschiede lassen sich hinsichtlich der Endpunkte Operationsdauer, Krankenhausaufenthalt, Vorliegen von Luftfisteln (air leaks), die länger als sieben Tage bestehen, respiratorisches Versagen oder Todesfall während des Krankenhausaufenthalts zwischen den Interventionen feststellen, jedoch ist die Stärke der Evidenz für diese Endpunkte niedrig.

Die unilaterale VATS unter Verwendung eines Lasers zur Schrumpfung des Lungengewebes sowie die unilaterale VATS mit Resektion des Lungengewebes und anschließendem Klammerverschluss bei diffusem Emphysem wurden in Studien bisher kaum untersucht. Im direkten Vergleich konnte für keines der beiden Verfahren deutliche Vorteile nachgewiesen werden, darüber hinaus ist das Komplikationsprofil beider Verfahren unklar.

Forschungsfrage (2)

Zur Beantwortung der ökonomischen Forschungsfrage liegen keine vollständigen ökonomischen Evaluationen vor, wodurch keine Aussagen zur Kosteneffizienz von Verfahren zur LVR abgeleitet werden können. In den eingeschlossenen Studien werden lediglich Kosten verschiedener minimalinvasiver Verfahren zur LVR erwähnt. Aus diesen Studien geht hervor, dass pro eingesetztem endobronchialen Einwegventil Kosten zwischen 2.200 und 5.500 Euro anfallen. Die Kosten von minimalinvasiven endoskopischen Verfahren im Allgemeinen (Einwegventile, Hydrogelschaum, transbronchiale Stents) werden auf 12.000 bis 20.000 US-Dollar (ca. 8.800 bis 14.700 Euro) pro Operation geschätzt.

Forschungsfrage (3)

Je nach Grad der Behinderung bzw. der Pflegebedürftigkeit haben Patienten nach einer LVR Anspruch auf Rehabilitationsmaßnahmen, finanzielle Leistungen (Kranken-, Versorgungskranken-, Übergangs- oder Pflegegeld, Reisekosten, Kosten für eine Haushaltshilfe oder die Kinderbetreuung), aber auch auf Sachleistungen wie häusliche Pflegehilfe.

Forschungsfrage (4)

Mögliche ethische Bedenken in Hinblick auf die Auswahl von geeigneten Emphysempatienten für eine LVR ergeben sich auf Basis einer großangelegten klinischen Studie, die zeigt, dass die chirurgische LVR (MS und VATS) besonders wirksam an Patienten ist, bei denen vorwiegend der Lungenoberlappen betroffen ist und deren präoperatives körperliches Belastungsniveau niedrig ist (im Vergleich zur medikamentösen Therapie). Aus diesem Grund wird eine chirurgische LVR derzeit vor allem diesen Emphysempatienten nahegelegt. Ethisch bedenklich könnte die Durchführung einer klinischen Studie zu minimalinvasiven endoskopischen Verfahren für diese Subgruppe sein, da deren Nutzen-Risiko-Verhältnis sich schon bei der chirurgischen LVR als günstig erwies, und unter der Annahme, dass diese Verfahren risikoärmer, aber zumindest gleich wirksam sind, wie es die chirurgische LVR ist. Basis für diese Bedenken ist die Notwendigkeit von klinischer und gesellschaftlicher Equipoise bei der Durchführung einer Studie; das bedeutet, es muss sowohl fachliche als auch gesellschaftliche Unsicherheit hinsichtlich der Überlegenheit eines Verfahrens gegenüber einem anderen bestehen.

Forschungsfrage (5)

Bei der Anwendung minimalinvasiver Verfahren im Vergleich zu anderen Verfahren der LVR bei Patienten mit Lungenemphysem zu berücksichtigen sind darüber hinaus die rechtlichen und ethischen Aspekte der Einwilligung des Patienten und die Aufklärungspflicht sowie die Raucherentwöhnung.

Diskussion

Der vorliegende HTA-Bericht (HTA = Health Technology Assessment) macht deutlich, dass derzeit mehrere unterschiedliche Interventionen bezüglich der LVR bei Patienten mit Lungenemphysem zum Einsatz kommen und kein Behandlungsstandard etabliert ist. Es ist weitere Forschung zum Thema Verbesserung und Optimierung der Patientenselektion zu betreiben, um eine breitere Effektivität zu erreichen. Da es wenige standardisierte Verfahren zur LVR gibt, sollte zusätzlich überprüft werden, inwieweit die Erfahrung des Operateurs bzw. Operationsteams mit dem jeweiligen Verfahren einen Einfluss auf die Interventionseffekte hat. Im vorliegenden HTA-Bericht konnten keine den Einschlusskriterien entsprechenden Studien zu den Interventionen Coils (Spiralen) und Hydrogelschaum identifiziert werden, daraus ist weiterer Forschungsbedarf abzuleiten.

Erst wenn die klinische Effektivität minimalinvasiver endoskopischer Verfahren zur LVR nachgewiesen werden kann, sind umfassende Kosteneffektivitätsstudien zu erwarten. Um die Kosten und Effekte einer minimalinvasiven LVR über einen längeren Zeithorizont abschätzen zu können, sind gesundheitsökonomische Modellierungen nötig. Diese sind bei der derzeitigen Datenlage zu den Langzeitfolgen allerdings mit großer Parameterunsicherheit verbunden, was zu einer geringen Robustheit der Ergebnisse führen dürfte.

Schlussfolgerung/Empfehlung

Anhand der identifizierten eingeschlossenen Evidenz des vorliegenden Berichts kann derzeit kein klarer Mehrwert der minimalinvasiven Verfahren (VATS, Ventile, Stents, Dampfablation) gegenüber dem chirurgischen (MS) nachgewiesen werden, jedoch ist dabei zu berücksichtigen, dass nur für den Vergleich VATS (minimalinvasive chirurgische LVR) versus MS (chirurgische LVR) geeignete Studien identifiziert werden konnten. Um die unterschiedlichen Verfahren zur LVR (medikamentöse Therapie, chirurgische bzw. minimalinvasive endoskopische LVR) bei Patienten mit Lungenemphysem qualitätsgesichert hinsichtlich ihrer relativen Wirksamkeit und Sicherheit zu beurteilen, sind mehr direkte Vergleichsstudien erforderlich.

Dabei ist festzuhalten, dass die zu behandelnden Patienten aufgrund ihres Krankheitsbilds und der Lokalisation des Emphysems nicht für alle Verfahren der LVR geeignet sind; beispielsweise können mittels minimalinvasiver endoskopischer Verfahren auch Patienten behandelt werden, die sich nicht für eine chirurgische Intervention eignen würden.

Weitere Untersuchungen sind notwendig, um herauszufinden, welche Interventionen (chirurgische, minimalinvasive chirurgische oder minimalinvasive endoskopische LVR) für welches Krankheitsbild (heterogenes, homogenes, diffuses Emphysem) unter Berücksichtigung der jeweiligen Lokalisation des Emphysems (uni- sowie bilateral, Ober- bzw. Unterlappen) für welche Patientencharakteristika das beste Nutzen-Risiko-Verhältnis liefert. So zeigen aktuelle Studien zur minimalinvasiven endoskopischen LVR vielsprechende Ergebnisse, wenn für dieses Verfahren geeignete Patienten ausgewählt werden (Responder bzw. Non-Responder).

Die ökonomische Evidenz zu minimalinvasiven endoskopischen Verfahren der LVR ist sowohl qualitativ als auch quantitativ unzureichend. Gesundheitsökonomische Modelle oder umfassende ökonomische Evaluationen, die die Kosten und Effekte von minimalinvasiven endoskopischen Verfahren zur LVR über einen längeren Zeithorizont betrachten, fehlen derzeit noch.


Anmerkungen

Interessenkonflikte

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel haben.