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GMS Health Innovation and Technologies

EuroScan international network e. V. (EuroScan)

ISSN 2698-6388

Versorgungssituation und Wirksamkeit der ambulanten im Vergleich mit der stationären pneumologischen Rehabilitation

HTA-Kurzfassung

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  • corresponding author Dieter Korczak - GP-Forschungsgruppe, Institut für Grundlagen- und Programmforschung, München, Deutschland
  • Beate Huber - GP-Forschungsgruppe, Institut für Grundlagen- und Programmforschung, München, Deutschland
  • Gerlinde Steinhauser - GP-Forschungsgruppe, Institut für Grundlagen- und Programmforschung, München, Deutschland
  • Markus Dietl - GP-Forschungsgruppe, Institut für Grundlagen- und Programmforschung, München, Deutschland

GMS Health Technol Assess 2010;6:Doc11

doi: 10.3205/hta000089, urn:nbn:de:0183-hta0000894

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/hta/2010-6/hta000089.shtml

Veröffentlicht: 29. Juli 2010

© 2010 Korczak et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.

Der vollständige HTA Bericht in deutscher Sprache ist verfügbar unter: http://portal.dimdi.de/de/hta/hta_berichte/hta279_bericht_de.pdf


Zusammenfassung

Hintergrund

Chronisch obstruktive Lungenerkrankungen (COPD) und Asthma bronchiale gehören zu den großen Volkskrankheiten. Sie bedürfen einer langfristigen bis dauerhaften Rehabilitation.

Fragestellungen

Ziel des HTA-Berichts (HTA = Health Technology Assessment) ist es, die derzeitigen Angebote sowie die gesundheitsökonomische Relevanz im Zusammenhang mit der sozialen Komponente der pneumologischen Rehabilitation (PR) darzustellen, Handlungsoptionen für die Akteure im System abzuleiten sowie Forschungsbedarf aufzuzeigen.

Methodik

Relevante Publikationen werden über eine strukturierte Datenbankrecherche in 37 Datenbanken sowie mittels Handrecherche identifiziert. Die Literaturrecherche erstreckt sich von 2004 bis 2009. Die methodische Qualität wird jeweils von zwei unabhängigen Gutachtern unter Beachtung von Kriterien der evidenzbasierten Medizin (EbM) systematisch geprüft.

Ergebnisse

Von insgesamt 860 Treffern erfüllen 31 medizinische, vier ökonomische und 13 ethische Studien die Einschlusskriterien. Die Studien decken Rehabilitationsprogramme in neunzehn Ländern ab. Sie weisen überwiegend einen hohen Evidenzgrad auf (1A bis 2C). Die Modelle der PR unterscheiden sich durch das Setting (in-patient, out-patient, in-home, community-based), durch die Länge der Intervention (zwei Wochen bis 36 Monate), durch die Art und Häufigkeit der Intervention sowie durch die Länge der nachfolgenden Betreuung. Insgesamt zeigt sich, dass sowohl stationäre als auch ambulante PR-Programme positive Wirkungen bei COPD-Patienten erzielen, vor allem können die körperliche Leistungsfähigkeit und die gesundheitsbezogene Lebensqualität gesteigert werden. Die Anzahl der Studien, die sich mit ambulanter Asthmarehabilitation befassen, ist zu gering, um gesicherte Aussagen zu treffen. Die Ergebnisse zur Kosten-Effektivität sind nicht eindeutig.

Diskussion

Die Ziele der PR wie die Vorbeugung und adäquate Behandlung akuter Exazerbationen, die Minimierung von Hospitalisationen sowie die Reduktion der Mortalität werden sowohl in stationären als auch in ambulanten Rehabilitationsprogrammen erreicht. Zur optimalen Häufigkeit der Schulungseinheiten pro Woche sowie zur Dauer und zu Schulungsinhalten pro Stunde gibt es weiteren Forschungsbedarf. Auch zur optimalen Länge der ambulanten Rehabilitationsprogramme liegen noch keine abschließenden Ergebnisse vor. Es fehlen Studien, die den realen Ablauf rehabilitativer Maßnahmen bei COPD-Patienten analysieren. Diese rehabilitativen Maßnahmen setzen sich häufig aus einer langfristigen Abfolge von stationären und ambulanten Maßnahmen zusammen. Sie bestehen beispielsweise in der Teilnahme an Sport- und Selbsthilfegruppen. Die Resultate zu Schulungsprogrammen sind nicht eindeutig. (Selbst-)Selektionseffekte führen zu hohen Drop-out-Raten. Viele Studien haben kleine Stichproben, Confounder und Langzeiteffekte werden selten untersucht, relevante ökonomische Evaluationen sind nicht vorhanden. Die Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität wird primär durch ein verbessertes Krankheitsmanagement und weniger durch eine Verbesserung der medizinischen Parameter erreicht.

Schlussfolgerung

Die ambulante Rehabilitation kann wie die stationäre Rehabilitation klinisch relevante und signifikante Verbesserungen für die Patienten erbringen. Es besteht jedoch eine deutliche Unterversorgung an ambulanten pneumologischen Rehabilitationsangeboten in Deutschland. Forschungsbedarf gibt es zur Evaluation von Modellen der integrierten Versorgung, zur Dauer, zur Frequenz und zu Inhalten von Trainingsprogrammen, zur psychiatrischen Betreuung und zur Kosten-Effektivität der ambulanten Versorgung.

Schlüsselwörter: COPD, chronisch-obstruktive Lungenkrankheit, COAD, Atemwegskrankheiten, Atemwegsobstruktion, Ventilationsstörung, obstruktive, chronische, chronische Ventilationsstörung, obstruktive, chronische Erkrankung der Atemwege, chronische Verstopfung der Atemwege, chronische Ventilationsobstruktion, chronische Ventilationsobstruktionen, chronische Bronchitis, Lungenemphysem, Poliklinik, Polikliniken, Krankenhaus, ambulante Versorgung, ambulant, ambulante Patienten, ambulante Versorgungseinrichtungen, Ambulatorien, Krankenhaus-, stationär, stationäre Rehabilitation, Reha, Rehabilitationszentrum, Rehabilitationszentren, Gesundheitszentrum, Gesundheitszentren, Versorgung, Pflege, Gesundheitssektor, Managed-care-Programm, Managed-care-Programme, managed care programs, Kosten-Effektivität, Kosten, Kosteneffektivität, Programmeffizienz, Programmeffektivität, Lebensqualität, Hauspflegedienste, krankenhausgestützte, häuslich, häusliche Pflege, krankenhausbasiert, Atemweg, Atemwege, Atemwegserkrankung, Lunge, Atmung, Atmen, Ventilation, Belüftung (der Lunge), Belüften, alveoläre Ventilation


Kurzfassung

Gesundheitspolitischer Hintergrund

Pneumologische Erkrankungen wie die Chronisch Obstruktive Lungenerkrankung (COPD, engl.: Chronic Obstructive Pulmonary Disease) oder das Asthma bronchiale zählen zu den großen Volkskrankheiten. Je nach Schweregrad und Verlauf ist eine lebenslange medizinische Versorgung notwendig. Übergeordnetes Ziel der pneumologischen Rehabilitation (PR) ist es, einen Langzeiteffekt mit Stabilisierung des Krankheitsverlaufs, eine Reduktion der Krankheitssymptome und eine Steigerung der Lebensqualität zu erreichen. Der volkswirtschaftliche Schaden, der durch COPD und Asthma bronchiale verursacht wird, soll reduziert werden. In Deutschland sind 2008 rund 165.000 Patienten wegen COPD und rund 21.000 wegen Asthma bronchiale in Krankenhäusern behandelt worden.

Wissenschaftlicher Hintergrund

COPD ist eine chronische Lungenerkrankung mit nicht vollständig reversibler Atemwegsobstruktion, die meistens in der fünften bis sechsten Lebensdekade zuerst auftritt. Therapieziele bei der Behandlung der COPD sind eine Verminderung der Krankheitsprogression und von Symptomen, eine Steigerung der körperlichen Belastbarkeit, eine Verbesserung der Lebensqualität und die Vorbeugung von Komplikationen.

Asthma ist eine chronisch entzündliche Erkrankung der Atemwege. Bei der Behandlung von Asthma steht die Vermeidung von Symptomen und Aktivitätsbeeinträchtigungen im Vordergrund.

Vor allem für COPD sind positive Effekte der PR für den ambulanten wie den stationären Bereich dokumentiert. Die PR bewirkt unter anderem eine gesteigerte körperliche Leistungsfähigkeit, die Abnahme von Atemnot, eine Steigerung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität oder eine Reduktion stationärer Behandlungen.

Rehabilitationsleistungen werden von den Trägern Gesetzliche Rentenversicherung (GRV), Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und Gesetzliche Unfallversicherung (GUV) gewährt.

Medizinische Forschungsfragen

1.
In welcher Form unterscheidet sich das Versorgungsangebot für die ambulante und stationäre PR?
2.
Welche Vor- und Nachteile bietet die ambulante gegenüber der stationären Rehabilitation?
3.
Für welche Patienten kommen ambulante und/oder stationäre Rehabilitationsmaßnahmen in Frage?

Ökonomische Forschungsfrage

Wie ist die Kosten-Effektivität der ambulanten Rehabilitation?

Ethische und juristische Forschungsfragen

1.
Welche ethischen, sozialen und juristischen Gesichtspunkte sind zu berücksichtigen?
2.
Welche Auswirkungen haben die Rehabilitationsangebote auf die Lebensqualität von Patienten mit pneumologischen Erkrankungen?

Methodik

Die Literaturrecherche wird am 10.09.2009 von Art & Data Communication im Auftrag des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) durchgeführt:

Elektronische Literaturdatenbankrecherche über die Datenbanken: BIOSIS Preview, Bundesanzeiger, Ressort BMG, CAB Abstracts, CCMed, Cochrane Library-CDSR, Cochrane Library-Central, DAHTA-Datenbank, Deutsches Ärzteblatt, Derwent Drug File, DIQ-Literatur, EMBASE, EMBASE Alert, ETHMED, GLOBAL Health, gms, gms Meetings, HECLINET, Hogrefe-Verlagsdatenbank und Volltexte, IPA, ISTPB + ISTP/ISSHP, KARGER-Verlagsdatenbank, Kluwer-Verlagsdatenbank, MEDIKAT, MEDLINE, NHS Economic Evaluation Database, NHS-CDR-DARE, NHS-CDR-HTA, PsycINFO, PSYNDEX, SciSearch, SOMED, Springer-Verlagsdatenbank, Springer-Verlagsdatenbank PrePrint, Thieme-Verlagsdatenbank, Thieme-Verlagsdatenbank PrePrint.

Der zeitliche Rahmen erstreckt sich von einschließlich 2004 bis einschließlich 2009. Deutsch- und englisch-sprachige Literatur sind eingeschlossen. Eine vollständige Anordnung der Suchbegriffe findet sich im Anhang. Es werden Einzelsuchen zu medizinischen, gesundheitsökonomischen, juristischen und ethischen Themen durchgeführt.

Die methodische Qualität der Studien wird anhand von Checklisten der German Scientific Working Group Technology Assessment for Health Care (German Scientific Working Group) bewertet.

Medizinische Forschungsergebnisse

Die eingeschlossenen Studien zeigen mit hoher Evidenz (Grad: 1A, 2A), dass bewegungsbasierte PR die Inanspruchnahme der ambulanten Grundversorgung, die Krankenhausaufnahme- und die Mortalitätsrate von COPD-Patienten verbessern kann. Auch bei Patienten mit anderen chronischen Atemwegserkrankungen zeigen sich entsprechende Verbesserungen, wenn auch mit geringerer Evidenz (Evidenzgrad: 4). Die positiven Rehabilitationsergebnisse werden sowohl in stationären wie ambulanten Settings erzielt.

Bei schwer erkrankten COPD-Patienten, die eine Langzeitbehandlung mit Sauerstoff erhalten, weisen ambulante Rehabilitationsprogramme Verbesserungen bei der körperlichen Belastbarkeit, der Dyspnoe und der gesundheitsbezogenen Lebensqualität auf, die jedoch nicht signifikant sind.

Es ist bekannt, dass die Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit durch PR bei COPD-Patienten den höchsten Evidenzgrad hat (GOLD: Grad A; GOLD = Globale Initiative für chronisch obstruktive Lungenerkrankung). Dieses Ergebnis wird durch zahlreiche Studien dieses HTA (HTA = Health Technology Assessment) bestätigt, die aufgrund der rehabilitativen Maßnahmen eine Verbesserung der körperlichen Belastbarkeit, gemessen durch den Sechs-Minuten-Geh-Test (6MWT), feststellen.

Einige Autoren können zeigen, dass frühzeitige Übungsprogramme im Rahmen einer ambulanten Out-patient- wie Home-based-Rehabilitation die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen reduzieren.

Die Follow-up-Evaluationen der Interventionen werden überwiegend sechs oder zwölf Monate nach Ende der Rehabilitationsmaßnahmen vorgenommen, in einigen wenigen Studien auch nach kürzeren Zeiträumen oder nach 24 bzw. 48 Monaten. Eine Studie belegt, dass eine über 36 Monate durchgeführte Rehabilitation die Belastbarkeit verbessert und das Fortschreiten der COPD verlangsamen kann.

Ökonomische Ergebnisse

Hinsichtlich der Kosten-Effektivität von Selbstmanagementprogrammen gibt es unterschiedliche Ergebnisse, die einerseits Kosten-Effektivität nachweisen, andererseits keine Überlegenheit gegenüber der üblichen Behandlung ermitteln.

Die analysierten ökonomischen Studien weisen eine Reduzierung von Anzahl und Dauer stationärer Behandlungen nach, aus der sich eine Kosten-Nutzen-Effizienz ergibt.

Ethische und juristische Ergebnisse

Die Steigerung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität ist für pneumologische Patienten ein zentrales von Patienten berichtetes Ergebnis. Da eine COPD nicht reversibel ist, stellt eine Verbesserung der Lebensqualität einen zentralen Nutzen der PR dar. In den meisten Untersuchungen wird die Lebensqualität der Patienten anhand des Chronic Respiratory Disease Questionnaire (CRQ) bzw. des St. George’s Respiratory Questionnaire (SGRQ) gemessen. Eine Vielzahl von Studien zeigt, dass die Lebensqualität in allen Bereichen durch ambulante wie stationäre PR-Maßnahmen verbessert werden kann.

Diskussion

Die Ziele der PR wie die Vorbeugung und adäquate Behandlung akuter Exazerbationen, um das Auftreten von Komplikationen und kostenintensiven Hospitalisationen zu minimieren, sowie die Reduktion der Mortalität werden sowohl in stationären wie in ambulanten Rehabilitationsprogrammen erreicht.

Zur optimalen Häufigkeit der Schulungseinheiten pro Woche sowie zur Dauer und zu Schulungsinhalten pro Stunde gibt es weiteren Forschungsbedarf. Auch zur optimalen Länge der ambulanten Rehabilitationsprogramme liegen noch keine abschließenden Ergebnisse vor. Dies belegt, dass die Resultate zu Schulungsprogrammen nicht eindeutig sind.

Es fehlen Studien, die den realen Ablauf rehabilitativer Maßnahmen bei COPD-Patienten analysieren, der häufig aus einer langfristigen Abfolge von stationären und ambulanten Maßnahmen sowie der Teilnahme an Sport- und Selbsthilfegruppen besteht.

Trotz insgesamt hoher Evidenz weisen auch eine Reihe von Studien Limitationen und Unzulänglichkeiten auf. (Selbst-)Selektionseffekte führen zu hohen Drop-out-Raten. Viele Studien haben kleine Stichproben, Confounder und Langzeiteffekte werden selten untersucht, relevante ökonomische Evaluationen sind nicht vorhanden. Die Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität wird primär durch ein verbessertes Krankheitsmanagement und weniger durch eine Verbesserung der medizinischen Parameter erreicht.

Schlussfolgerung

Die ambulante Rehabilitation kann wie die stationäre jeweils für sich betrachtet klinisch relevante und signifikante Verbesserungen für die Patienten erbringen. Es besteht jedoch eine deutliche Unterversorgung an ambulanten PR-Angeboten in Deutschland. Dies ist bedenklich, da dauerhafte Erfolge der Rehabilitation nur durch eine kontinuierliche Durchführung rehabilitativer Maßnahmen erreicht werden. Es muss deshalb ein flächendeckendes ambulantes PR-Angebot gewährleistet werden. Des Weiteren fehlt eine Evaluation von Modellprojekten der integrierten Versorgung für die COPD.

Ein übergroßes Wissensdefizit besteht hinsichtlich des Kostenvergleichs von ambulanter und stationärer PR und den Möglichkeiten der geringen und selteneren Verwendung von Medikamenten in der ambulanten PR. Dies ist bedenklich, da der Rehabilitation eine wesentliche Aufgabe in der Dämpfung der Ausgabenentwicklung im Gesundheitswesen zukommt.

Forschungsbedarf besteht zur Evaluation von Modellen der integrierten Versorgung, zur Dauer, zur Frequenz und zu Inhalten von Trainingsprogrammen, zur Reduzierung der Drop-out-Rate, zu psychiatrischen Komorbiditäten und zur Kosten-Effektivität der ambulanten Versorgung.