gms | German Medical Science

GMS Health Innovation and Technologies

EuroScan international network e. V. (EuroScan)

ISSN 2698-6388

Entscheidungsanalytische Modellierung zur Evaluation der Langzeit-Effektivität und Kosten-Effektivität des Einsatzes der HPV-DNA-Diagnostik im Rahmen der Zervixkarzinomfrüherkennung in Deutschland

HTA-Kurzfassung

  • corresponding author Gaby Sroczynski - UMIT – Private Universität für Gesundheitswissenschaften, Medizinische Informatik und Technik, Department für Public Health, Informationssysteme und HTA, Hall i. T., Österreich
  • author Petra Schnell-Inderst - UMIT – Private Universität für Gesundheitswissenschaften, Medizinische Informatik und Technik, Department für Public Health, Informationssysteme und HTA, Hall i. T., Österreich
  • author Nikolai Mühlberger - UMIT – Private Universität für Gesundheitswissenschaften, Medizinische Informatik und Technik, Department für Public Health, Informationssysteme und HTA, Hall i. T., Österreich
  • author Katharina Lang - Carem GmbH, München-Sauerlach, Sauerlach, Deutschland
  • author Pamela Aidelsburger - Carem GmbH, München-Sauerlach, Sauerlach, Deutschland
  • author Jürgen Wasem - Lehrstuhl für Medizin-Management, Universität Duisburg-Essen, Essen, Deutschland
  • author Thomas Mittendorf - Herescon gmbh, Hannover, Deutschland; Forschungsstelle für Gesundheitsökonomie, Leibniz Universität Hannover, Deutschland
  • author Jutta Engel - Tumorregister München (TRM) des Tumorzentrums München (TZM) am Institut für med. Informationsverarbeitung, Biometrie und Epidemiologie (IBE), Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München, Deutschland
  • author Peter Hillemanns - Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Hannover, Deutschland
  • author Karl Ulrich Petry - Frauenklinik, Klinikum der Stadt Wolfsburg, Akademisches Lehrkrankenhaus der Medizinischen Hochschule Hannover, Wolfsburg, Deutschland
  • author Alexander Krämer - Fakultät für Gesundheitswissenschaften, School of Public Health, AG2 Bevölkerungsmedizin und biomedizinische Grundlagen, Universität Bielefeld, Deutschland
  • author Uwe Siebert - UMIT – Private Universität für Gesundheitswissenschaften, Medizinische Informatik und Technik, Department für Public Health, Informationssysteme und HTA, Hall i. T., Österreich; Cardiovascular Research Program, Institute for Technology Assessment and Department of Radiology, Massachusetts General Hospital, Harvard Medical School, Boston, MA, USA; Program in Health Decision Science, Department of Health Policy and Management, Harvard School of Public Health, Boston, MA, USA

GMS Health Technol Assess 2010;6:Doc05

doi: 10.3205/hta000083, urn:nbn:de:0183-hta0000838

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/hta/2010-6/hta000083.shtml

Veröffentlicht: 27. April 2010

© 2010 Sroczynski et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.

Der vollständige HTA Bericht in deutscher Sprache ist verfügbar unter: http://portal.dimdi.de/de/hta/hta_berichte/hta265_bericht_de.pdf


Zusammenfassung

Hintergrund

Eine persistente Infektion mit einem Hochrisikotyp des Humanen Papillomavirus (HPV) ist mit der Entwicklung von Zervixkrebs und seinen Vorstufen assoziiert. Die HPV-DNA-Diagnostik (DNA = Desoxyribonukleinsäure) erzielte in Studien eine höhere Sensitivität als die aktuell eingesetzte Zytologie, jedoch eine geringere Spezifität. Ihr Einsatz als Primärscreeningverfahren in der Zervixkarzinomfrüherkennung wird aktuell diskutiert. Eine systematische Evaluation der Langzeit-Effektivität und Kosten-Effektivität der HPV-DNA-Diagnostik allein oder in Kombination mit der Zytologie als Primärscreeningverfahren in der Zervixkarzinomfrüherkennung für den Kontext des deutschen Gesundheitssystems sollte erfolgen.

Forschungsfragen

Wie sind die medizinische Langzeit-Effektivität (Reduktion des Lebenszeitrisikos für Zervixkarzinom und Mortalität durch Zervixkarzinom, gewonnene Lebenserwartung) und Kosten-Effektivität (Euro pro gewonnenes Lebensjahr [LJ]) der HPV-DNA-Diagnostik als Primärscreeningverfahren in der Zervixkarzinomfrüherkennung im Kontext des deutschen Gesundheitssystems zu bewerten? Wie kann die Screeningstrategie bezüglich der Testkombination, oberen und unteren Altersgrenzen und dem Screeningintervall optimiert werden. Welche Empfehlungen sind hieraus für den deutschen Kontext abzuleiten?

Methodik

Ein für den Kontext des deutschen Gesundheitssystems publiziertes und validiertes entscheidungsanalytisches Modell wird für den natürlichen Krankeitsverlauf der HPV-Infektion und der Zervixkarzinomentwicklung erweitert und adaptiert, um verschiedene Screeningstrategien, die sich hinsichtlich der Screeningintervalle und der Algorithmen der Testverfahren unterscheiden, zu evaluieren. Es werden Zytologie allein, HPV-Screening allein oder in Kombination mit der Zytologie sowie HPV-Screening mit zytologischer Triage von HPV-positiven Frauen evaluiert. Deutsche klinische, epidemiologische und ökonomische Daten gehen in das Modell ein. Mangels individueller Daten zur Teilnahmerate in Deutschland wird diese unabhängig von der Geschichte der Screeninginanspruchnahme modelliert. Daten zur Testgüte werden internationalen Metaanalysen entnommen. Zielparameter der Analysen sind die Reduktion des Lebenszeitrisikos für Zervixkrebs und Tod durch Zervixkrebs, Restlebenserwartung, Lebenszeitkosten und das diskontierte inkrementelle Kosten-Effektivitäts-Verhältnis (IKEV). Es wird die Perspektive des Kostenträgers eingenommen und eine jährliche Diskontierung von 3% gewählt. Zur Untersuchung der Robustheit der Analyseergebnisse und zur Identifikation von weiterem Forschungsbedarf werden umfangreiche Sensitivitätsanalysen durchgeführt.

Ergebnisse

In der Basisfallanalyse erzielt Screening im Vergleich zu keinem Screening eine Reduktion des Zervixkrebsrisikos von 53% bis 97%. Die diskontierten IKEV liegen zwischen 2.600 Euro/LJ (Zytologie allein alle fünf Jahre) und 155.500 Euro/LJ (für jährliche Zytologie im Alter von 20 bis 29 Jahren und jährliches HPV-Screening ab dem Alter von 30 Jahren). Die jährliche Zytologie, wie derzeit in Deutschland empfohlen, wird von anderen Screeningstrategien dominiert. In Sensitivitätsanalysen zeigt sich ein Einfluss von relativer Sensitivitätserhöhung des HPV-Tests versus Zytologie, HPV-Testkosten, Teilnahmerate, HPV-Inzidenz und der jährlichen Diskontrate auf die Analyseergebnisse. Auch das Alter bei Screeningbeginn beeinflusste die Ergebnisse. In der Szenarioanalyse mit Testgütekriteriendaten aus deutschen Studien (niedrigere relative Sensitivität von Pap- versus HPV-Test) werden alle Zytologiestrategien von HPV-Screeningstrategien dominiert. HPV-Screening im 1-, 2- oder 3-Jahres-Intervall ist effektiver als jährliche Zytologie. Bei höherer Teilnahmerate könnte ein längeres, bei niedriger Teilnahmerate ein kürzeres Screeningintervall sinnvoller und kosteneffektiver sein. Bei einer Reduktion der HPV-Inzidenz um mehr als 70% ist ein dreijährliches HPV-Screening ab einem Alter von 30 Jahren und zweijährliche Zytologie im Alter von 20 bis 29 Jahren kosteneffektiv. Mit steigender Diskontrate nimmt das IKEV der verschiedenen Strategien zu. Die Erhöhung des Alters für den Screeningbeginn auf 25 Jahre hat keinen relevanten Effektivitätsverlust zur Folge und reduziert den Ressourcenverbrauch. Mit einem IKEV von 23.400 Euro/LJ könnte das HPV-Screening ab einem Alter von 30 Jahren und Zytologie im Alter von 25 bis 29 Jahren jeweils im 2-Jahres-Intervall unter Berücksichtigung von Effektivität und Kosten-Effektivität die optimale Strategie sein.

Schlussfolgerungen

Auf der Grundlage der Analyseergebnisse dieses HTA-Berichts ist das HPV-basierte Zervixkrebsscreening effektiver als die Zytologie und als kosteneffektiv zu bewerten, wenn es je nach gesellschaftlicher Zahlungsbereitschaft mit Screeningintervallen von zwei oder mehr Jahren durchgeführt wird. Die Erhöhung des Alters für den Screeningbeginn auf 25 Jahre hat keinen relevanten Effektivitätsverlust zur Folge, spart aber Ressourcen. Für den deutschen Screeningkontext könnte HPV-Screening ab einem Alter von 30 Jahren und Zytologie im Alter von 25 bis 29 Jahren jeweils im 2-Jahres-Screeningintervall eine optimale Strategie sein. Eine Verlängerung des Screeningintervalls auf drei Jahre wäre nur bei einer hohen Screeningteilnahmerate oder einer größeren relativen Sensitivitätserhöhung durch den HPV-Test versus Zytologie sinnvoll. Die Einführung eines organisierten Screeningprogramms für eine qualitätskontrollierte Einführung von HPV-Screening mit kontinuierlicher systematischer Prozessüberwachung und Ergebnisevaluation wird empfohlen.

Schlüsselwörter: Zervixkarzinom, Gebärmutterhalskrebs, Zervixtumoren, humaner Papillomavirus, HPV-DNA-Diagnostik, Früherkennung, Primärscreening, entscheidungsanalytische Modellierung, Markov Modell, systematischer Review, Health Technology Assessment, Langzeiteffektivität, Kosteneffektivität, gesundheitsökonomische Evaluation, weiblich, Mensch, Reihenuntersuchung, Papillomaviridae, Papillomavirus-Infektionen, Screening, Zervixkrebs, Karzinom, Krebs, Gebärmutterhalskarzinom, Kollumkarzinom, Zervixtumoren, humanes Papillomavirus, HPV, DNA, Diagnostik, Zervix, Gebärmutterhals, Testverfahren, Zytologie, Modellierung, Metaanalyse, Effektivität, Prävention, Genitaltumoren, weiblich, Zervixtumoren, Technikfolgen-Abschätzung, biomedizinische, Kosten und Kostenanalyse


Kurzfassung

1. Gesundheitspolitischer Hintergrund

Durch die Einführung von Früherkennungsuntersuchungen für Gebärmutterhalskrebs konnte in den westlichen Industrienationen der Anteil an Neuerkrankungen und Todesfällen deutlich gesenkt werden. In Deutschland wird aktuell ein jährliches Screening mit dem Papanicolaou-Test (Pap-Test) bei Frauen ab dem 20. Lebensjahr (LJ) empfohlen. Die Entstehung des Zervixkarzinoms steht in ursächlichem Zusammenhang mit einer persistierenden Infektion mit einem der kanzerogenen Hochrisikotypen der Humanen Papillomaviren (HPV). Im Vergleich zum zytologischen Pap-Test erzielt die HPV-DNA-Diagnostik (DNA = Desoxyribonukleinsäure) eine deutlich höhere Sensitivität für die Entdeckung von hochgradigen Krebsvorstufen, jedoch eine etwas geringere Spezifität. Der Einsatz der HPV-DNA-Diagnostik als Primärscreeningverfahren bietet eine Möglichkeit sowohl die Langzeit-Effektivität als auch die Effizienz der Zervixkarzinomfrüherkennung durch ein risikoadaptiertes Screening mit verlängerten Screeningintervallen zu verbessern. Bisher untersuchte keine empirische Studie die Langzeit-Effektivität (Reduktion von Zervixkrebsfällen und -todesfällen, verbesserte Lebenserwartung) der HPV-DNA-Diagnostik im Primärscreening – weder allein noch in Kombination mit der Zytologie. Angesichts knapper Ressourcen im Gesundheitssystem sollte neben dem zusätzlichen Nutzen eines neuen Screeningverfahrens auch dessen Wirtschaftlichkeit bemessen werden. Im vorliegenden HTA-Bericht (HTA = Health Technology Assessment) werden mittels einer entscheidungsanalytischen Modellierung die medizinische Langzeit-Effektivität und Kosten-Effektivität des Einsatzes der HPV-DNA-Diagnostik allein oder in Kombination mit der Zytologie als Primärscreeningverfahren in der Zervixkrebsfrüherkennung systematisch evaluiert. Basierend auf den Ergebnissen werden Empfehlungen für eine Optimierung der Zervixkarzinomfrüherkennung in Deutschland ausgesprochen.

2. Wissenschaftlicher Hintergrund

In Deutschland erkranken jährlich etwa 6.200 Frauen neu am Zervixkarzinom. Die relative 5-Jahres-Überlebensrate beim Zervixkarzinom liegt bei 61%. Im europäischen Vergleich liegt die Zervixkarzinominzidenz in Deutschland jedoch trotz der jährlichen Krebsfrüherkennung im oberen Drittel. Derzeit wird in Deutschland ein opportunistisches Zervixkarzinomfrüherkennungsprogramm durchgeführt mit der Empfehlung zum jährlichen zytologischen Pap-Screening für Frauen ab dem 20. LJ. Eine persistierende Infektion mit einem kanzerogenen HPV-Hochrisikotyp gilt als notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für die Zervixkarzinomentstehung. Es gibt zwei etablierte molekularbiologischen Verfahren zum Nachweis einer HPV-Infektion im Zervixzellabstrich: der Hybrid Capture 2 (HC2) Test und die virale DNA-Vervielfältigung durch die Polymerase-Kettenreaktion (PCR). Eine kürzlich veröffentlichte Metaanalyse berichtete für beide Verfahren im Vergleich zur Zytologie eine höhere Sensitivität für hochgradige intraepitheliale Neoplasien (IN) und invasiven Zervixkrebs (relative Erhöhung der Sensitivität: 33%; 95%-Konfidenzintervall (KI): 20 bis 47%), aber eine relativ niedrigere Spezifität (relative Reduktion der Spezifität: 6%; 95%-KI: 4 bis 7%). Der Einsatz der HPV-DNA-Diagnostik im Primärscreening auf Zervixkrebs wird als Möglichkeit zur Verbesserung des derzeitigen Zervixkrebsscreeningprogramms diskutiert.

3. Forschungsfragen

Mittels entscheidungsanalytischer Modellierung soll eine systematische Evaluation der medizinischen und ökonomischen Langzeitkonsequenzen des Einsatzes der HPV-DNA-Diagnostik als Primärscreeningverfahren in der Zervixkarzinomfrüherkennung durchgeführt werden.

Die folgenden Forschungsfragen werden untersucht:

1.
Wie ist die medizinische Langzeit-Effektivität des Einsatzes der HPV-DNA-Diagnostik im Rahmen der Zervixkarzinomfrüherkennung hinsichtlich der gewonnenen Lebenserwartung und der Verminderung von Zervixkarzinomfällen in Deutschland zu bewerten?
2.
Wie verhält sich die gesundheitsökonomische Effizienz der Zervixkarzinomfrüherkennung gemessen in Euro pro zusätzlich gewonnenem LJ durch die HPV-DNA-Diagnostik im Kontext des deutschen Gesundheitssystems?
3.
Wie kann die Screeningstrategie bezüglich Testkombination, Altersgrenzen und Screeningintervallen optimiert werden und welche Empfehlungen sind daraus für den deutschen Kontext abzuleiten?

4. Methodik

Basierend auf dem für den Kontext des deutschen Gesundheitssystems entwickelten und validierten German Cervical Cancer Screening Model (GCCSM) wird ein entscheidungsanalytisches Markov-Modell entwickelt, das den natürlichen Krankheitsverlauf der HPV-Infektion und Zervixkarzinomentwicklung abbildet und das 18 Screeningstrategien mit unterschiedlichen Testkombinationen und Screeningintervallen miteinander vergleicht: (1) kein Screening, (2 bis 5) Pap-Test allein ab einem Alter von 20 Jahren in Intervallen von einem, zwei, drei oder fünf Jahren, (6 bis 9) HPV-Test ab einem Alter von 30 Jahren in Intervallen von einem, zwei, drei oder fünf Jahren mit jährlichem Pap-Test im Alter von 20 bis 29 Jahren, (10 bis 12) HPV-Test ab einem Alter von 30 Jahren in Intervallen von zwei, drei oder fünf Jahren mit zweijährlichem Pap-Test im Alter von 20 bis 29 Jahren, (13 bis 15) kombinierter HPV- und Pap-Test ab einem Alter von 30 Jahren in Intervallen von zwei, drei oder fünf Jahren mit zweijährlichem Pap-Test im Alter von 20 bis 29 Jahren, (16 bis 18) HPV-Test ab Alter 30 Jahren in Intervallen von zwei, drei oder fünf Jahren für HPV-negativ befundete und Pap-Triage für HPV-positiv befundete Frauen mit zweijährlichem Pap-Test im Alter von 20 bis 29 Jahren.

Im Modell durchläuft eine hypothetische Kohorte 15-jähriger Frauen im Verlauf ihres Lebens verschiedene Zustände der HPV-Infektion, der Tumorvorstufen und des Tumors.

Der lebenslange Zeithorizont der Analyse wird in gleichgroße zeitliche Intervalle (Markov-Zyklen) von einem Jahr unterteilt, in denen die Frauen von einem zum anderen Gesundheitszustand wechseln oder im aktuellen Zustand verweilen können. Der Übergang von einem Zustand zum anderen wird durch Übergangswahrscheinlichkeiten definiert, die aus der internationalen Literatur entnommen wurden. Das Modell wurde so kalibriert, dass es epidemiologische Beobachtungsdaten für eine nichtgescreente Population von einem deutschen Krebsregister (Gemeinsames Krebsregister Berlin/Brandenburg/Mecklenburg-Vorpommern/Sachsen-Anhalt/Sachsen/Thüringen) wiedergibt.

Die Entwicklung eines invasiven Zervixkarzinoms kann nur durch eine Progressionsabfolge über eine persistierende HPV-Infektion und die Entwicklung von zervikalen intraepithelialen Neoplasien (CIN) erfolgen. Die Heterogenität der Population bezüglich der Infektion mit unterschiedlichen HPV-Typen wird im Modell nicht berücksichtigt. Die CIN können regredieren, Zervixkarzinome nicht. Die CIN und invasive Zervixkarzinome können durch ein auffälliges Screeningtestergebnis entdeckt und gemäß der deutschen klinischen Praxis kontrolliert bzw. behandelt werden. Unabhängig vom Screening kann ein Zervixkarzinom auch aufgrund von klinischen Symptomen entdeckt werden. CIN behandelte Frauen gehen als geheilt in die Population für das Primärscreening zurück, an Zervixkarzinom erkrankte und behandelte Frauen nicht. Hier wird im Modell die vereinfachte Annahme getroffen, dass eine Hysterektomie erfolgte, was für die meisten Frauen zutrifft. Eine Frau kann zu jeder Zeit eine ausschließlich benigne Hysterektomie erfahren und wird dann nicht mehr auf Zervixkrebs gescreent. Frauen können aufgrund eines invasiven Zervixkarzinoms basierend auf krebsstadien-spezifische Überlebenskurven oder aus anderer Ursache in Abhängigkeit vom Alter sterben.

In das Modell fließen deutsche epidemiologische Daten aus verschiedenen Krebsregistern (München, Saarland, Gemeinsames Krebsregister Berlin/Brandenburg/Mecklenburg-Vorpommern/Sachsen-Anhalt/Sachsen/Thüringen), klinische Daten aus aktuellen Leitlinien ergänzt durch Expertenschätzungen und Daten zur Inanspruchnahme der Zervixkrebsfrüherkennung aus Abrechnungsdaten von Kassenärztlichen Vereinigungen ein. Die direkten medizinischen Kosten für Screening, Diagnostik und Therapie werden entsprechend der 2007 gültigen Gebührenordnungen und des DRG-Systems aus der Kostenträgerperspektive berechnet.

Zielgrößen der Analysen sind die Restlebenserwartung, die Reduktion des Lebenszeitrisikos an Zervixkrebs zu erkranken bzw. zu versterben sowie die Lebenszeitkosten und das diskontierte inkrementelle Kosten-Effektivitäts-Verhältnis (IKEV). Kosten und Effekte werden im Basisfall mit 3% jährlich diskontiert.

In der Basisfallanalyse wird eine nicht gegen HPV-geimpfte Kohorte von Frauen ab einem Alter von 15 Jahren untersucht. Das Zervixkrebsscreening beginnt ab dem 20. LJ. Eine obere Altersgrenze wird nicht gesetzt. Es wird eine altersspezifische durchschnittliche Teilnahmerate am Screening angenommen (durchschnittlich gemittelt 55%). Die Testgütekriterien werden aus internationalen Metaanalysen entnommen. Die Sensitivität beträgt für den Pap-Test 47% (CIN 1) bis 72% (CIN 2 und höher), für den HPV-Test 81% (CIN 1) bis 98% (CIN 2 und höher) und für eine Kombination von HPV- und Pap-Test 82% (CIN 1) bis 99% (CIN 2 und höher). Die Spezifität beträgt für den Pap-Test 95%, für den HPV-Test 92% und für eine Kombination von HPV- und Pap-Test 87%. In der Basisfallanalyse werden die Modellparameterwerte konservativ (zugunsten des Pap- und zuungunsten des HPV-Tests) ausgewählt. Real können die Werte günstiger für das HPV-Screening liegen und somit die Ergebnisse für die Effektivität und Kosten-Effektivität der HPV-Screeningstrategien im Vergleich zum Pap-Screening besser ausfallen. In umfassenden Sensitivitätsanalysen wird durch Variation der Modellparameterwerte die Robustheit der Ergebnisse untersucht und zukünftiger Forschungsbedarf identifiziert.

Das Modell wird in mehreren Schritten validiert. Zunächst erfolgt anhand epidemiologischer Beobachtungsdaten von deutschen Krebsregistern eine interne Validierung. Anschließend wurde eine externe Validierung durchgeführt durch einen Vergleich der Modellprädiktionen (1) mit epidemiologischen Beobachtungsdaten von deutschen Krebsregistern, die nicht für die Modellentwicklung eingesetzt wurden und (2) mit deutschen Literaturdaten. Zielparameter der Validierung sind der Altersgipfel (in Jahren) für die Entwicklung von Zervixkrebs und den intraepithelialen Neoplasien (CIN 1 bis 3/CIS), der Inzidenzgipfel (pro 100.000 Frauen), die Gesamtinzidenz (pro 100.000 Frauen), die Verteilung der Fédération Internationale de Gynécologie et d’Obstétrique (FIGO) I bis IV Stadien (in%), das Lebenszeitrisiko (in %) für eine benigne Hysterektomie, für Zervixkrebs und für Tod durch Zervixkrebs. Die Modellprädiktionen für eine ungescreente Population stimmen mit den in Deutschland beobachteten Daten vor Screeningeinführung gut überein.

5. Ergebnisse

5.1 Langzeit-Effektivität verschiedener Screeningstrategien

In der Basisfallanalyse erzielen die verschiedenen untersuchten Screeningstrategien im Vergleich zu keinem Screening einen durchschnittlichen Gewinn an Lebenserwartung zwischen 56 und 91 Lebenstagen pro Frau und reduzieren das Zervixkrebsrisiko relativ um durchschnittlich 53% bis 97% sowie das Zervixkrebsmortalitätsrisiko um durchschnittlich 61% bis 99%. Im Vergleich zum jährlichen Pap-Screening erzielen die HPV-Screeningstrategien im 2-Jahres-Intervall eine ähnliche Effektivität (1% bis 1,5% geringere relative Reduktion des Lebenszeitrisikos für Zervixkrebs). Unter den HPV-Screeningstrategien im 2-Jahres-Intervall erreichte das HPV-Screening ab einem Alter von 30 Jahren mit Pap-Triage für HPV-positive befundete Frauen (und zwei-jährlichem Pap-Test im Alter von 20 bis 29 Jahren) die höchste Langzeit-Effektivität, gefolgt von zweijährlichem Screening mit einer Kombination von HPV- und Pap-Test ab dem Alter von 30 Jahren (und jährlichem Pap-Test im Alter von 20 bis 29 Jahren) sowie einem Screening mit HPV-Test allein ab dem Alter von 30 Jahren (und jährlichem oder zweijährlichem Pap-Test im Alter von 20 bis 29 Jahren). Die Rangfolge bleibt auch für Screeningintervalle von drei oder fünf Jahren dieselbe. Allerdings ist die Reduktion des Zervixkrebsrisikos bei den HPV-Screeningstrategien mit 3- oder 5-Jahres-Intervall im Vergleich zum jährlichen Pap-Screening um 7,8% bis 8,6% bzw. 20,5% bis 21,4% niedriger. HPV-Screening im 3-Jahres-Intervall ist jedoch effektiver als Pap-Screening im 2-Jahres-Intervall und HPV-Screening im 5-Jahres-Intervall ist effektiver als Pap-Screening im 3-Jahres-Intervall.

In der Basisfallanalyse werden die Modellparameterwerte (z. B. Teilnahmerate, Testgütekriterien) konservativ, d. h. zuungunsten der neuen Screeningtechnologie, ausgewählt. Aus diesem Grund ist die Langzeit-Effektivität des (jährlichen) Pap-Screenings über- und die inkrementelle Effektivität des HPV-Screenings im Vergleich zum Pap-Screening unterschätzt. In einer Szenarioanalyse mit Werten für die Testsensitivität und -spezifität aus einer publizierten deutschen Screeningstudie, in der die Pap-Sensitivität deutlich geringer ist als von internationalen Studien und Metaanalysen berichtet (46% für Diagnose CIN 3+ versus 72% im Basisfall), ist das HPV-Screening im 1-, 2- oder 3-Jahres-Intervall effektiver als die jährliche Pap-Zytologie (relative Risikoreduktion für Zervixkrebs: 97%, 91%, und 84% versus 78% für jährliches Pap-Screening). HPV-Screening im 5-Jahres-Intervall ist effektiver als Pap-Screening im 2-Jahres-Intervall.

5.2 Kosten-Effektivität

Für die Entscheidungsträger im deutschen Gesundheitssystem gibt es keinen expliziten Schwellenwert für die gesellschaftliche Zahlungsbereitschaft, ab dem eine medizinische Maßnahme als kosteneffektiv eingestuft wird. Aus diesem Grund ist die Kosten-Effektivität einer Technologie anhand der berichteten IKEV von jedem Entscheidungsträger selbst im jeweiligen Kontext zu beurteilen. In der Literatur werden häufig 50.000 bis 100.000 USD oder Euro pro gewonnenes qualitätsadjustiertes Lebensjahr (QALY) oder LJ genannt und das National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE) in Großbritannien empfiehlt einen Schwellenwert von 20.000 bis 30.000 GBP/QALY (30.000 bis 44.000 Euro/QALY).

In der Basisfallanalyse liegen die IKEV der nichtdominierten Strategien zwischen 2.600 (Pap-Screening ab einem Alter von 20 Jahren, 5-Jahres-Intervall) und 155.500 Euro/LJ (HPV-Screening ab einem Alter von 30 Jahren und Pap-Screening im Alter von 20 bis 29 Jahren, jeweils 1-Jahres-Intervall). Die Auswahl einer optimalen Strategie hängt aus gesundheitsökonomischer Sicht von der gesellschaftlichen Zahlungsbereitschaft ab.

Das jährliche Pap-Screening ab dem 20. LJ, das in Deutschland aktuell empfohlen wird, ist in der Basisfallanalyse dominiert. Das HPV-Screening ab einem Alter von 30 Jahren und Pap-Screening im Alter von 20 bis 29 Jahren jeweils im 2-Jahres-Screeningintervall ist ähnlich effektiv wie jährliches Pap-Screening (91% versus 93% Risikoreduktion für Zervixkrebs) und mit einem diskontierten IKEV von 28.400 Euro/LJ als kosteneffektiv im Vergleich zu anderen akzeptierten medizinischen Technologien in Deutschland einzuschätzen. Ein HPV-Screening ab dem 30. LJ mit Pap-Triage für HPV-positive Frauen und einem zweijährlichem Pap-Screening im Alter von 20 bis 29 Jahren erzielt eine ähnliche Effektivität (92% Risikoreduktion für Zervixkrebs) bei einem diskontierten IKEV von 93.700 Euro/LJ. Das jährliche HPV-Screening ist mit einem relativ geringen Effektivitätszuwachs im Vergleich zum jährlichen Pap-Screening (97% versus 93% Risikoreduktion für Zervixkrebs) verbunden und hat ein IKEV von 155.500 Euro/LJ. Beide Strategien sollten nur bei einer entsprechend hohen Zahlungsbereitschaft eingesetzt werden. Nur bei einer Zahlungsbereitschaft unter 9.000 Euro/LJ, müsste auf eine der weniger effektiven Strategien mit Screeningintervallen von drei oder fünf Jahren zurückgegriffen werden.

In einer Szenarioanalyse mit Testgütedaten aus einer publizierten deutschen Screeningstudie, in der die Pap-Sensitivität deutlich niedriger war als in internationalen Studien und Metaanalysen (46% für Diagnose CIN 3+ versus 72% im Basisfall), ist das HPV-Screening ab einem Alter von 30 Jahren im 2- oder 3-Jahres-Intervall (und einem Pap-Screening im Alter von 20 bis 29 Jahren im 2-Jahres-Screeningintervall) im Vergleich zum jährlichen Pap-Screening (91% und 83% versus 78% Reduktion des Zervixkrebsrisikos) effektiver und mit einem IKEV von 24.200 Euro/LJ bzw. 5.200 Euro/LJ als kosteneffektiv einzuschätzen. Das HPV-Screening ab einem Alter von 30 Jahren im 5-Jahres-Intervall ist mit einem IKEV von 3.500 Euro/LJ zwar kosteneffektiv, aber mit einem Effektivitätsverlust im Vergleich zum jährlichen Pap-Screening verbunden (71% versus 78% Reduktion des Zervixkrebsrisikos).

5.3 Szenario- und Sensitivitätsanalysen

Die Ergebnisse erweisen sich in den Sensitivitätsanalysen für die meisten Parameter als robust. Einen Einfluss auf die Modellberechnungen haben überwiegend die relative Sensitivitätserhöhung durch den HPV- im Vergleich zum Pap-Test, die Höhe der HPV-Testkosten, die Teilnahmerate am Screening, das Alter bei Screeningbeginn, die HPV-Inzidenz und die jährliche Diskontrate.

Bei einer höheren relativen Sensitivitätserhöhung durch den HPV-Test im Vergleich zum Pap-Test (Daten zur Testgüte aus einer deutschen Screeningstudie) sind alle HPV-Strategien im 1-, 2- und 3-Jahres-Screeningintervall effektiver als jährliches Pap-Screening (Reduktion des Zervixkrebsrisikos um 97%, 91% und 84% versus 78%). Alle Pap-Strategien werden dominiert. Das HPV-Screening ab einem Alter von 30 Jahren im 2-Jahres-Intervall mit einem Pap-Screening im Alter von 20 bis 29 Jahren im 2-Jahres-Intervall, bleibt mit einem IKEV von 24.200 Euro/LJ die optimale Screeningstrategie.

Bei einer Verdopplung der HPV-Testkosten ist das Screening mit dem HPV-Test in Kombination mit einem Pap-Test im 2-Jahres-Intervall mit einem diskontierten IKEV von 46.800 Euro/LJ die optimale Strategie. Das jährliche Pap-Screening erfordert eine gesellschaftliche Zahlungsbereitschaft von mindestens 90.200 Euro/LJ.

Bei regelmäßig durchschnittlich hohen Teilnahmeraten (> 75%) ist ein längeres, bei regelmäßig durchschnittlich niedrigen Teilnahmeraten (< 45%) ein kürzeres Screeningintervall kosteneffektiv.

Bei einer Reduktion der HPV-Inzidenz um mehr als 70% wird das HPV-Screening ab einem Alter von 30 Jahren (und zweijährlicher Pap-Test im Alter von 20 bis 29 Jahren) im 3-Jahres-Intervall die optimale Strategie.

Höhere Diskontraten führen generell zu höheren IKEV-Werten bei allen Strategien. Ab einer jährlichen Diskontrate von mehr als 7% wird ein HPV-Screening im 3-Jahres-Intervall ab einem Alter von 30 Jahren und mit Pap-Screening im Alter von 20 bis 29 Jahren die optimale Strategie.

Eine Anhebung der Altersgrenze für den Screeningbeginn auf 25 Jahre würde bei den verschiedenen Screeningstrategien zu keinem relevanten Effektivitätsverlust führen. Wird das Alter für den Screeningbeginn auf 25 Jahre erhöht, bleibt das HPV-Screening ab dem Alter von 30 Jahren im 2-Jahres-Intervall und Pap-Screening im 2-Jahres-Intervall im Alter von 25 bis 29 Jahren bei einem IKEV von 23.400 Euro/LJ kosteneffektiv. Das HPV-Screening ab 30 Jahren mit einer Pap-Triage für HPV-positiv befundete Frauen und einem 2-Jahres-Screeningintervall und vorherigem Pap-Screening im 2-Jahres-Intervall im Alter von 25 bis 29 Jahren ist bei einer höheren Zahlungsbereitschaft von 87.200 Euro/LJ kosteneffektiv.

6. Diskussion

Die HPV-DNA-Diagnostik als Primärscreeningverfahren in der Zervixkrebsfrüherkennung ist deutlich effektiver hinsichtlich der Lebenserwartung, der Reduktion des Risikos für Zervixkrebs und der Zervixkrebsmortalität als das Pap-Testverfahren. Mit Einführung der HPV-DNA-Diagnostik als Primärscreeningverfahren in der Zervixkrebsfrüherkennung kann das Screeningintervall auf mindestens zwei Jahre erhöht werden. Eine Anhebung der unteren Altersgrenze für den Screeningbeginn auf 25 Jahre ist ohne nennenswerten Effektivitätsverlust möglich. Basierend auf der Basisfallanalyse und unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Sensitivitätsanalysen stellt ein HPV-Screening ab dem 30. LJ und dem Pap-Test vom 25. bis zum 29. LJ jeweils im 2-Jahres-Screeningintervall mit einem IKEV von 23.400 Euro/LJ eine optimale Strategie dar. Bei hohen Teilnahmeraten am Screening oder einer geringeren Sensitivität des Pap-Test wie es zum Beispiel in HPV-geimpften Populationen oder in Regionen mit relativ schlechter zytologischer Screeningperformance zu erwarten ist, ist eine Verlängerung des Screeningintervalls auf drei Jahre wahrscheinlich als sicher und kosteneffektiv zu bewerten.

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie decken sich mit denen internationaler Modellierungsstudien. Diese zeigen allgemein auf, dass der alternative oder zusätzliche Einsatz von HPV-Tests im Rahmen des Zervixkarzinomscreenings im Vergleich zum reinen Pap-Screening effektiv und kosteneffektiv ist, sofern Screeningintervalle von zwei oder drei Jahren gewählt werden. Nur eine der Modellierungsstudien evaluierte die gegenwärtig diskutierte Screeningstrategie des HPV-Screenings mit Pap-Triage für HPV-positive Frauen. Jedoch bezog diese Studie zwar HPV- kombiniert mit Pap-Screening, aber nicht HPV-Screening allein in die Analyse ein. HPV-Screening alle drei Jahre bei Frauen ab 30 Jahren mit Pap-Triage bei HPV-positiv befundeten Frauen und Pap-Screening allein im Alter von 21 oder 25 bis 29 Jahren resultierte in diskontierten IKEV von 78.000 oder 53.000 USD/QALY und wurde als kosteneffektiv betrachtet.

Unsere Modellierung besitzt mehrere Limitationen. Insbesondere wenn der Gewinn an Lebenserwartung durch Screeningmaßnahmen relativ gering ist, könnte das Einbeziehen der psychischen Belastung durch bestimmte Screeningergebnisse oder durch Nebenwirkungen der Behandlung von Krebsvorstadien wichtige Auswirkungen auf die IKEV haben. Zweitens wurde aufgrund fehlender detaillierter Daten die Teilnahmerate vereinfacht als durchschnittliche Teilnahmewahrscheinlichkeit bei jeder Screeninguntersuchung angenommen, die unabhängig von der früheren Screeningteilnahme ist. Daten zur Teilnahmemustern sind nicht verfügbar. Die Screeningteilnahme hat in Sensitivitätsanalysen einen starken Effekt auf das IKEV der verschiedenen Screeningstrategien. Drittens ist unser entscheidungsanalytisches HPV-Screeningmodell nur beschränkt einsetzbar für die Prädiktion von epidemiologischen und klinischen Ereignisparametern, da es im Erkrankungsverlauf nicht die Heterogenität der Population hinsichtlich unterschiedlicher HPV-Typen berücksichtigt und keine separaten Markov-Zustände für Frauen, die in der Vergangenheit bereits CIN-behandelt wurden oder abnormale Testergebnisse hatten, berücksichtigt. Der hierdurch verursachte Fehler ist als konservativ einzuschätzen, d. h. er wirkt gegen die HPV-Screeningstrategie. Viertens ist das vorliegende Modell zur Evaluation des Einflusses einer HPV-Impfung auf ein Screeningprogramm nur beschränkt geeignet. Hierzu ist eine Modellierung von HPV-Typ-spezifischen Gesundheitszuständen erforderlich. Sollen Effekte wie die Herdenimmunität und die Übertragungsdynamik berücksichtigt werden, sind dynamische Populationsmodelle erforderlich. Fünftens musste auf klinische Praxismuster nach Leitlinienvorgaben und auf Expertenschätzungen zurückgegriffen werden, um realistischere Daten der Gesundheitsversorgung zu erhalten. Sechstens werden nur direkte medizinische Kosten aus der Kostenträgerperspektive verwendet. Die stationären Kosten werden insgesamt unterschätzt, was als konservativer Fehler zu bewerten ist. In Sensitivitätsanalysen hatte die Variation der Behandlungskosten für Zervixkrebs allerdings keinen maßgeblichen Einfluss auf die Ergebnisse.

7. Schlussfolgerungen/Empfehlungen

Basierend auf den vorliegenden Modellanalysen und den getroffenen Modellannahmen können die folgenden Schlussfolgerungen gezogen werden:

  • Gemessen an der Lebenserwartung, der Reduktion des Zervixkrebsrisikos und der Zervixkrebsmortalität ist die HPV-DNA-Diagnostik als Primärscreeningverfahren in der Zervixkrebsfrüherkennung dem zytologischen Screeningtestverfahren nach Papanicolaou deutlich überlegen.
  • Durch eine Einführung der HPV-DNA-Diagnostik als Primärscreeningverfahren in der Zervixkrebsfrüherkennung kann das Screeningintervall bei Frauen ohne erhöhtes Risiko für Zervixkrebs auf zwei Jahre erhöht werden.
  • Für Frauen mit regelmäßiger Screeningteilnahme kann das Screeningintervall ggf. auf mehr als zwei Jahre erhöht werden. Gleiches gilt im Fall einer größeren relativen Sensitivitätserhöhung durch den HPV-DNA-Test.
  • Für Frauen ohne erhöhtes Risiko ist die Anhebung der unteren Altersgrenze für den Screeningbeginn auf 25 Jahre ohne nennenswerten Effektivitätsverlust möglich und zu empfehlen.
  • In Populationen mit niedrigen Teilnahmeraten ist ein Screening mit kurzen Intervallen zu empfehlen.

Nach den vorliegenden Modellanalysen könnte die unter Wirksamkeits- und Wirschaftlichkeitsgesichtspunkten zu empfehlende Screeningstrategie unter Berücksichtigung der oben genannten Bedingungen ein Screening mit dem HPV-Test ab dem 30. LJ und dem Pap-Test vom 25. bis zum 29. LJ jeweils im 2-Jahre-Screeningintervall sein.

Da in der vorliegenden Modellierung ein konservativer Ansatz zuungunsten des HPV-Screenings verfolgt wird, könnten die Ergebnisse für das HPV-Screening in Wirklichkeit vergleichsweise besser ausfallen und das Screeningintervall könnte dann ggf. für Frauen ohne erhöhtes Risiko, die regelmäßig am Screening teilnehmen, auf drei Jahre verlängert werden.

Vor einer Empfehlung zur Verlängerung des Screeningintervalls sollten jedoch die evtl. negativen Auswirkungen auf das generelle Teilnahmeverhalten sowohl beim Zervixkrebsscreening, aber insbesondere auch bei weiteren gynäkologischen Untersuchungen berücksichtigt und entsprechende Maßnahmen getroffen werden.

Eine Umstellung vom opportunistischen Screening auf ein organisiertes Screeningprogramm wäre hier anzustreben, um eine qualitätskontrollierte Einführung von HPV-Screening und HPV-Impfung als Präventionsmaßnahmen für Zervixkrebs mit fortlaufender Outcome-Evaluation zu ermöglichen.

Das optimale medizinische Vorgehen nach einem initialen positiven Testergebnis bei Einführung des HPV-Primärscreenings sollte systematisch und evidenzbasiert untersucht und in Leitlinien fixiert werden. Forschungsbedarf besteht außerdem in der Informationsgewinnung zu detaillierten Daten zur Teilnahme am Screening, wie insbesondere zu bestimmten Algorithmen, zum Einfluss des Screeningergebnisses auf die Lebensqualität, als auch zu entscheidungsanalytischen Evaluationen von unterschiedlichen Screeningstrategien in gemischten HPV-geimpften und nichtgeimpften Populationen.