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EuroScan international network e. V. (EuroScan)

ISSN 2698-6388

Diabetesneuentstehung unter antihypertensiver Therapie

HTA-Kurzfassung

GMS Health Technol Assess 2010;6:Doc03

doi: 10.3205/hta000081, urn:nbn:de:0183-hta0000816

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/hta/2010-6/hta000081.shtml

Veröffentlicht: 16. März 2010

© 2010 Grimm et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.

Der vollständige HTA Bericht in deutscher Sprache ist verfügbar unter: http://portal.dimdi.de/de/hta/hta_berichte/hta258_bericht_de.pdf


Zusammenfassung

Einleitung

Chronische Erkrankungen verursachen einen immer größer werdenden Anteil an den Ausgaben des Gesundheits- und Sozialversicherungssystems. So gehört beispielsweise der Typ-2-Diabetes mellitus als chronische Erkrankung zu den teuersten Stoffwechselstörungen in Deutschland.

Neben Übergewicht und Fettleibigkeit stellt der Bluthochdruck einen Risikofaktor für die Entwicklung eines Diabetes mellitus dar.

In Untersuchungen kann beobachtet werden, dass die Entwicklung des Typ-2-Diabetes durch einige Medikamente zur Behandlung des Bluthochdrucks beeinflusst wird. In Studien wird bei Einsatz von Angiotensin-Umwandlungsenzymhemmern (ACE-Hemmer) und Angiotensin-Rezeptorblockern (ARB) das Entstehen eines Diabetes mellitus seltener beobachtet als unter Betablockern, Diuretika und Placebo. Es ist daher notwendig, dass die Stoffwechseleffekte der verschiedenen Bluthochdruckmedikamente mehr Beachtung bei der Therapiegestaltung finden. Auch wenn die Behandlungskosten für ACE-Hemmer und ARB höher liegen, wäre ihr Einsatz bei Patienten mit Stoffwechselstörungen auf lange Sicht kosteneffektiv, wenn dadurch eine Diabeteserkrankung vermieden werden kann.

Fragestellung

Welche Wirkstoffgruppen zur Behandlung der Hypertonie fördern die Entwicklung bzw. Manifestation eines Typ-2-Diabetes mellitus? Mit welcher Inzidenz tritt der behandlungsinduzierte Typ-2-Diabetes mellitus auf und wie ist er klinisch zu bewerten? Welche Wirkstoffgruppen sind daher langfristig kosteneffektiv? Welche ethischen, sozialen oder juristischen Aspekte sind zu berücksichtigen?

Methoden

Auf Grundlage einer systematischen Literaturrecherche werden Studien mit mindestens zehn Studienteilnehmern, die im Rahmen der medikamentösen Behandlung des Bluthochdrucks einen Typ-2-Diabetes mellitus entwickeln, eingeschlossen. Die Studien müssen ab 1966 (für den ökonomischen Teil ab 2003) in deutscher oder in englischer Sprache publiziert worden sein.

Ergebnisse

Insgesamt 34 klinische Publikationen erfüllen die Einschlusskriterien. Davon befassen sich acht Publikationen mit Diuretika und/oder Betablockern, sechs Publikationen mit ACE-Hemmern allein oder in Kombination mit Kalziumantagonisten, zehn Publikationen mit ARB und/oder ACE-Hemmern und deren Auswirkungen auf eine Diabetesentwicklung. Weitere fünf Publikationen untersuchen die Rolle der Kalziumantagonisten hinsichtlich einer Diabetesentstehung, fünf Publikationen zeigen die Diabetesentwicklung unter verschiedenen Antihypertensiva sowie im Vergleich zu keiner Arzneimitteltherapie. Die Ergebnisse der Studien weisen einen signifikanten Unterschied in der Entwicklung des Typ-2-Diabetes mellitus unter antihypertenisiver Behandlung aus: eine höhere Inzidenz kann für Diuretika und/oder Betablocker gezeigt werden. Eine mögliche präventive Wirkung haben die Wirkstoffgruppen ACE-Hemmer und ARB. Sie zeigen im Vergleich zu den anderen Wirkstoffgruppen die geringste Inzidenz. Die Kalziumantagonisten nehmen eine neutrale Position ein.

Zwei Publikationen berichten ökonomische Ergebnisse, durch Darstellung der Kosten-Effektivität von ARB allein oder in Kombination mit Kalziumantagonisten im Vergleich zu Diuretika allein oder in Kombination mit Betablockern. Ebenso wird die Kosten-Effektivität von Kalziumantagonisten im Vergleich zu Betablockern unter der Berücksichtigung der Neuentwicklung eines Typ-2-Diabetes mellitus bewertet.

Die Behandlung mit dem ARB Candesartan führt zu deutlichen Einsparungen der Gesamtkosten in Höhe von 549 Amerikanische Dollar (USD) pro Patient/Jahr und zu zusätzlichen Kosten von 30.000 USD pro vermiedenen Diabetes mellitus. In der zweiten Publikation werden Kosten von 18.965 Euro für Großbritannien und 13.210 Euro für Schweden pro vermiedenes Ereignis angegeben. Insgesamt ist die Behandlung mit Kalziumantagonisten im Vergleich zu der mit Betablockern kosteneffektiver.

Ethische, soziale und juristische Publikationen sind nicht identifiziert worden.

Diskussion

Für die Beantwortung der klinischen Fragestellungen liegt gute Evidenz in Form von Metaanalysen vor. Einige Studien unterscheiden sich allerdings hinsichtlich der Definition des Diabetes mellitus und weisen unterschiedlich lange Beobachtungsdauern auf. Häufig ist die Diabetesinzidenz nicht als Endpunkt definiert. Wie ein unter Therapie entstandener Diabetes mellitus klinisch zu bewerten ist, kann anhand der vorliegenden Literatur nicht ausreichend geklärt werden.

Die ökonomischen Studien können nicht alle aufgeworfenen Fragestellungen ausreichend beantworten. Ethisch-soziale sowie juristische Aspekte werden diskutiert, aber nicht systematisch im Rahmen von Studien erfasst.

Schlussfolgerung

Basierend auf der derzeitigen Studienlage kann gefolgert werden, dass Diuretika und/oder Betablocker die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes mellitus im Vergleich zu den anderen Wirkstoffgruppen in der Behandlung des Bluthochdrucks fördern. Wünschenswert sind weitere Studien, die die Umkehrbarkeit eines durch die Behandlung verursachten Typ-2-Diabetes mellitus untersuchen. Es ist zudem ein wichtiger Aspekt, die klinische Bedeutung eines bereits bestehenden Diabetes mellitus im Vergleich zu einem unter antihypertensiver Therapie entstandenen Diabetes mellitus hinsichtlich kardiovaskulärer Ereignisse in künftigen Studien zu evaluieren. Besonders gesundheitsökonomische Bewertungen der verschiedenen Wirkstoffgruppen im Hinblick auf die Diabetesentstehung werden benötigt.

Schlüsselwörter: Hypertonie, Antihypertensiva, Diabetesentstehung, Typ-2 Diabetes mellitus, Diuretika, ACE-Hemmer, Beta-Blocker, Angotensin-II-Antagonisten, Kalziumantagonisten, HTA-Bericht, Health Technology Assessment, Hypertension, Angiotensin-Converting-Enzym-Hemmer, Angiotensin-II-Typ-1-Rezeptorenblocker, Kalziumkanalblocker, Adrenerge Beta-Antagonisten


Kurzfassung

Gesundheitspolitischer Hintergrund

Aufgrund kontinuierlich steigender finanzieller Belastungen der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV), u.a. infolge des medizinischen Fortschritts und der demografischen Entwicklung, bestehen seit Jahren Bemühungen, die Kosten vor allem für Arzneimittel zu senken. Dabei sollen besonders die Behandlungsformen gefördert werden, die sowohl kurz- als auch langfristig zu einem kosteneffektiven Ergebnis führen.

Insbesondere chronische Erkrankungen verursachen einen immer größer werdenden Anteil an den Ausgaben des Gesundheits- und Sozialversicherungssystems. So gehört beispielsweise der Typ-2-Diabetes mellitus als chronische Erkrankung zu den teuersten Stoffwechselstörungen.

Neben Übergewicht und Fettleibigkeit stellt der Bluthochdruck einen Risikofaktor für die Entwicklung eines Diabetes mellitus dar. Diabetes mellitus und Bluthochdruck treten häufig in Kombination auf.

In Untersuchungen kann beobachtet werden, dass einige Medikamente gegen Bluthochdruck den Typ-2-Diabetes mellitus fördern. In Studien wird festgestellt, dass bei Einsatz von Angiotensin-Umwandlungsenzym Hemmern (ACE-Hemmer) und Angiotensin-Rezeptorblockern (ARB) das Entstehen eines Diabetes mellitus seltener ist als bei Betablockern, Diuretika und Placebo. Diuretika und eventuell auch Betablocker stören den Zuckerstoffwechsel, während ACE-Hemmer und ARB eher eine schützende Wirkung haben. Bei der Wahl der Medikamente gegen Bluthochdruck sollen deshalb die Stoffwechseleffekte der einzelnen Wirkstoffgruppen auch unter Kostenaspekten mehr Beachtung finden. Obwohl die Behandlungskosten für ACE-Hemmer und Betablocker höher sind, ist davon auszugehen, dass der Einsatz bei Patienten mit Stoffwechselstörungen auf lange Sicht kosteneffektiv ist, wenn eine Diabeteserkrankung vermieden werden kann.

Wissenschaftlicher Hintergrund

Die Hypertonie gilt als Risikofaktor arteriosklerotischer Gefäßerkrankungen. Beobachtungsstudien der 1970er und 1980er Jahre sowie auch der 1990er Jahre zeigen, dass sowohl der systolische als auch der diastolische Blutdruck in enger Beziehung mit dem Risiko eines Schlaganfalls und koronaren Herzkrankheiten stehen. Weltweit ist die Hypertonie direkt für über 50% der Todesfälle durch Schlaganfälle und für circa 25% der Todesfälle durch koronare Herzkrankheit verantwortlich. Ein Rückgang der Krankheitshäufigkeit ist in den letzten Jahrzehnten zu verzeichnen. Dennoch ist sie hoch und wird weiter ansteigen. Dieses ist zum einen auf die demografische Entwicklung zurückzuführen: ältere Menschen sind häufiger von Hypertonie betroffen als Jüngere. Das Lebenszeitrisiko, eine Hypertonie zu entwickeln, beträgt bei der Gruppe der über 55-Jährigen circa 90%. Zudem steigt in den westlichen Industriestaaten die Prävalenz der Fettleibigkeit (Adipositas), die ebenfalls mit einer Blutdruckerhöhung einhergeht.

Die Beziehung zwischen dem systolischen Blutdruck und dem relativen Risiko eines Schlaganfalls ist stärker als die zum relativen Risiko einer koronaren Herzkrankheit, wobei jedoch die Sterblichkeit durch die koronare Herzkrankheit zahlenmäßig die dominierende Folge der Hypertonie darstellt. Neben der Höhe des systolischen und diastolischen Blutdrucks und dem Typ-2 Diabetes mellitus zählen insbesondere das Alter, Rauchen, Fettstoffwechselstörung, positive Familienanamnese der frühzeitigen kardiovaskulären Erkrankungen (≤55 Jahre bei Männern (M), ≤65 Jahre bei Frauen (F)), Bauchfettleibigkeit sowie einer Nüchtern-Plasmaglukose von 5,6 bis 6,9 mmol/l (102 bis 125 mg/dl) oder eine pathologische Glukosetoleranz zu den Risikofaktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen. Ein metabolisches Syndrom liegt vor, wenn drei oder mehr der Risikofaktoren Bauchfettleibigkeit (Bauchumfang M ≥102 cm, F ≥88 cm), pathologischer Wert für Plasmaglukose, Blutdruck >130/85 mmHg, gesenktes High-density-lipoprotein-Cholesterin (hochverdichtetes Lipoprotein-Cholesterin; HDL-Cholesterin) und erhöhte Triglyceride vorliegen. Die Definition des metabolischen Syndroms hat sich in den letzten Jahren wiederholt geändert. Bisher gibt es keine allgemein akzeptierte Definition, so dass die verschiedenen Faktoren einzeln betrachtet werden sollten.

Forschungsfragen

Im Rahmen dieses Berichts wird untersucht: Welche Wirkstoffgruppen zur Behandlung der Hypertonie fördern die Entwicklung bzw. Manifestation eines Typ-2-Diabetes mellitus? Mit welcher Inzidenz tritt der behandlungsinduzierte Typ-2-Diabetes mellitus auf und wie ist er klinisch zu bewerten? Im ökonomischen Teil des Berichts wird untersucht, welche Wirkstoffgruppen daher langfristig kosteneffektiv sind. Zudem wird analysiert, welche ethischen, sozialen oder juristischen Aspekte in der Literatur berücksichtigt werden.

Methodik

Es werden eine systematische Literatur- und eine Handrecherche in Absprache bzw. durch die Autoren durchgeführt. Die Recherche erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Eingeschlossen werden Studien und systematische Reviews mit mindestens zehn Teilnehmern, die im Rahmen der medikamentösen Behandlung der Hypertonie unter ACE-Hemmer, ARB, Diuretika, Betablocker, Alphablocker oder Kalziumantagonisten einen Typ-2-Diabetes mellitus entwickeln. Es werden Studien mit der bestverfügbaren Evidenz bevorzugt, zumindest muss jedoch eine Kohorten- bzw. Fall-Kontrollstudie vorliegen. Die Studien bzw. Publikationen müssen ab 1966 (für den ökonomischen Teil ab 2003) in deutscher oder in englischer Sprache publiziert sein. Ausgeschlossen werden Studien mit weniger als zehn Patienten und Publikationen, bei denen es sich um Meeting Abstracts, Editorial oder nicht systematische Übersichtsartikel handelt.

Die Auswahl der Studien erfolgt unabhängig voneinander durch zwei Wissenschaftler unter Beachtung der zuvor definierten Ein- und Ausschlusskriterien

Ergebnisse

Auf Grundlage der festgelegten Suchbegriffe und der erfolgten Literaturrecherche werden 2.404 klinische Publikationen, 511 ökonomische sowie 44 ethische und juristische und keine soziale Publikation identifiziert. Nach Durchsicht von Titeln und Abstracts verbleiben 461 klinische, 96 ökonomische Veröffentlichungen und eine ethisch/juristische Publikation, die als Volltexte bestellt werden. Davon sind zehn Veröffentlichungen doppelt bestellt und 13 Veröffentlichungen sind Ergänzungen bereits bestellter Publikationen. Insgesamt können 41 medizinische Publikationen nicht bestellt oder im Internet abgerufen werden. Von 96 bestellten ökonomischen Veröffentlichungen sind 37 doppelt angefordert, fünf nicht bestellbar bzw. im Internet nicht abrufbar. Zusätzlich werden 33 medizinische und zwei ökonomische Publikationen über eine Handrecherche identifiziert sowie nach Ein- und Ausschlusskriterien bewertet.

Insgesamt 34 medizinische Publikationen erfüllen die Einschlusskriterien. Sie basieren auf sechs Metaanalysen, drei systematischen Reviews, 19 randomisierten kontrollierten Studien, einer gut angelegten, kontrollierten Studie ohne Randomisierung, zwei quasi-experimentellen Studien sowie zwei Kohortensstudien und eine Fall-Kontrollstudie.

Es befassen sich acht Publikationen mit Diuretika und/oder Betablockern, sechs Publikationen mit ACE-Hemmern allein oder in Kombination mit Kalziumantagonisten, zehn Publikationen mit ARB und/oder ACE-Hemmern und deren Auswirkungen auf eine Diabetesentwicklung bzw. Prävention. Wietere fünf Publikationen untersuchen die Rolle der Kalziumantagonisten hinsichtlich einer Diabetesentstehung und fünf zeigen die Entstehung eines Diabetes mellitus unter verschiedenen Antihypertensiva sowie im Vergleich zu keiner Arzneimitteltherapie. Die Studien weisen einen signifikanten Unterschied in der Entwicklung des Typ-2-Diabetes mellitus unter antihypertenisiver Behandlung auf: eine höhere Inzidenz kann für Diuretika und/oder Betablocker gezeigt werden. Eine mögliche präventive Wirkung haben die Wirkstoffgruppen ACE-Hemmer und ARB. Sie zeigen im Vergleich zu den anderen Wirkstoffgruppen die geringste Inzidenz. Die Kalziumantagonisten nehmen eine neutrale Position ein.

Die Inzidenz des behandlungsinduzierten Typ-2-Diabetes mellitus hängt von der Wirkstoffgruppe ab. Sie unterscheidet sich in den einzelnen Publikationen. Für die Wirkstoffgruppe der Kalziumantagonisten variiert die Inzidenz je nach Studie zwischen 0,9% und 2,0% pro Jahr, für ACE-Hemmer beträgt sie 1,0%, 1,1% und 1,7% pro Jahr. Die Inzidenz bei Thiaziddiuretika und Betablockern wird in einigen Studien gemeinsam angegeben. Sie reicht von einer jährlichen Inzidenz von 1,0% über 1,1% und 1,2%. Werden nur Thiaziddiuretika betrachtet, so beträgt sie 2,4% und bei Betablockern 1,7% oder 3,0%. Die Inzidenz pro Wirkstoffgruppe schwankt, da in einigen Studien auch weitere Antihypertensiva kombiniert werden und damit keine Monotherapie betrachtet wird. Insofern lassen sich die jährlichen Neuerkrankungsraten nur beschränkt auf eine Wirkstoffgruppe beziehen. Die Inzidenz über alle Studien, unabhängig von der Wirkstoffgruppe, liegt bei 7,4% bzw. 1,7% jährlich.

Es ist gesichert, dass eine Reduktion der Insulinsensitivität für die Entwicklung eines Diabetes mellitus verantwortlich ist. Diabetes mellitus tritt häufig in insulinresistenten Zuständen wie Fettleibigkeit, Hypertonie, Herzinsuffizienz und metabolischem Syndrom auf. Insgesamt drei in diesem Bericht identifizierte Publikationen geben Auskünfte über Faktoren, die die Entwicklung unter antihypertensiver Therapie begünstigen. Folgende Charakteristika, die mit einem Risiko einer Diabetesentwicklung assoziiert sind, werden genannt: lateinamerikanische Ethnizität, Afroamerikaner, linksventrikluäre Hypertrophie, Schlaganfall oder transitorisch ischämische Attacke (TIA), Zustand nach koronarer Revaskularisation, Hypercholesterämie, hoher Body-Mass-Index und hoher systolischer Blutdruck im Verlauf.

Zwei Publikationen berichten ökonomische Ergebnisse, durch Darstellung der Kosten-Effektivität von ARB allein oder in Kombination mit Kalziumantagonisten im Vergleich zu Diuretika allein oder in Kombination mit Betablockern sowie Kalziumantagonisten im Vergleich zu Betablockern unter der Berücksichtigung der Neuentwicklung eines Typ-2-Diabetes mellitus.

Die Behandlung mit dem ARB Candesartan führt zu deutlichen Einsparungen der Gesamtkosten in Höhe von 549 Amerikanischen Dollar (USD) pro Patient/Jahr und zu zusätzlichen Kosten von 30.000 USD pro vermiedenen Diabetes mellitus. In der zweiten Publikation werden Kosten von 18.965 Euro für Großbritannien und 13.210 Euro für Schweden pro vermiedenes Ereignis angegeben. Insgesamt ist die Behandlung mit Kalziumantagonisten im Vergleich zu Betablockern kosteneffektiver.

Ethische, soziale und juristische Publikationen werden nicht identifiziert. Diese Aspekte werden im folgenden Abschnitt diskutiert.

Diskussion

Die Beantwortung der ersten klinischen Forschungsfrage: Welche Wirkstoffgruppen zur Behandlung der Hypertonie fördern die Entwicklung bzw. Manifestation eines Typ-2-Diabetes mellitus? ist durch einen hohen Evidenzlevel belegt. Dennoch zeigen die Studien eine Heterogenität im Bezug auf die Einschlusskriterien, primären Endpunkte und Studiendauer. Zudem ist keine der eingeschlossenen Studien in Deutschland durchgeführt worden, was die Übertragbarkeit der Ergebnisse erschwert. Zumal ein Großteil der Studien in den USA durchgeführt wurde und die Ergebnisse nicht nach ethnischer Zugehörigkeit stratifiziert sind. Es ist nicht auszuschließen, dass ein durch Antihypertensiva verursachter Diabetes nach Absetzen oder Wechsel des Arzneimittels umkehrbar ist. Hinweise hierzu zeigen die Ergebnisse der STAR-LET-Studie, in der Patienten mit Diabetesentwicklung bei Behandlung mit einer Kombination von ARB und Thiaziddiuretikum bei Wechsel der Therapie wieder normale Glukosewerte erreichen. Weitere Studien werden benötigt, um diese Frage abschließend beantworten zu können, da die Fallzahl und Studiendauer sehr gering sind.

Die zwei ökonomischen Publikationen, die im Rahmen dieses Berichts identifiziert werden, lassen vermuten, dass die neueren Antihypertensiva (ARB, Kalziumantagoinsten) im Vergleich zu Betablockern und Diuretika langfristig im Hinblick auf die reduzierte Diabetesinzidenz kosteneffektiv sind. Für ACE-Hemmer liegen keine ökonomischen Publikationen vor. Wenn die medizinischen Publikationen dieses Berichts betrachtet werden, wird deutlich, dass auch ACE-Hemmer weniger Diabetesentstehungen verursachen als Diuretika sowie Betablocker und damit auch zu Kosteneinsparungen führen können, wenn ein Diabetes und dessen Folgerkrankungen vermieden werden.

Für Deutschland liegen bisher keine Daten vor, die die Kosten-Effektivität von Antihypertensiva hinsichtlich der Diabetesentstehung untersuchen. Um dieses ausreichend beurteilen zu können, werden Studien benötigt, die eine ausreichende Beobachtungsphase berücksichtigen, so dass auch kardiovaskuläre Ereignisse, die nicht nur durch die Hypertonie, sondern durch die Entstehung eines Diabetes mellitus hervorgerufen werden, einbezogen werden können. In einer Modellrechnung soll auch die lebenslange Behandlung mit Antihypertensiva berücksichtigt werden, um so die Kosten der unterschiedlichen Behandlungsstrategien den lebenslangen Kosten des Diabetes mellitus und dessen Folgeerkrankungen gegenüberzustellen.

Es ist nicht nur aus medizinischer und ökonomischer Sicht, die Frage zu stellen, ob es vertretbar ist, Patienten, die aufgrund anderer Faktoren als Hypertonie, ein Risiko für die Entwicklung eines Diabetes mellitus haben, mit diesen Wirkstoffgruppen zu behandeln. Die Behandlung der Hypertonie hat das Ziel kardiovaskuläre Ereignisse und den Tod durch solche zu vermeiden. Der therapeutische Nutzen der Behandlung der Hypertonie ist dabei gegen das Risiko einer Diabetesentwicklung abzuwägen. Der Diabetes an sich, ist allerdings auch mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse assoziiert und führt unbehandelt zum Tod des Patienten. Es ist fraglich, inwieweit es ethisch vertretbar ist eine Hypertoniebehandlung, die kardiovaskuläre Ereignisse und den Tod durch solche vermeiden soll, mit Wirkstoffgruppen zu therapieren, die ihrerseits Zustände hervorrufen, die dieses Risiko erhöhen. Ist es gerechtfertigt eine Hypertonie zu behandeln und eine Diabetesentwicklung in Kauf zu nehmen?

Gemäß den Leitlinien der Deutschen Hochdruckliga e.V.® (DHL) und der Deutschen Hypertonie Gesellschaft sollen Diuretika und Betablocker u. a. nicht bei Patienten mit metabolischem Syndrom bzw. mit einzelnen Manifestationen des metabolischen Syndroms eingesetzt werden. Unter juristischen Aspekten besteht die Möglichkeit das Nicht-Einhalten der Leitlinien als einen Behandlungsfehler zu bewerten. Von einem Behandlungsfehler kann nur gesprochen werden, wenn für den Patienten ein Schaden entsteht (die Entwicklung eines Diabetes mellitus) und der Patient beweisen kann, dass die Entstehung des Schadens auf den Behandlungsfehler zurückzuführen ist. Dies gestaltet sich schwierig, es sei denn der Behandlungsfehler liegt darin begründet, dass der Patient nicht über das erhöhte Risiko einen Diabetes mellitus unter Therapie mit Diuretika und/oder Betablockern zu entwickeln, aufgeklärt wurde.

Schlussfolgerung/Empfehlungen

Die antihypertensive Behandlung hat einen wesentlichen Einfluss auf den Anteil der Diabetesentstehungen, wobei die Inzidenz bei Patienten unter Diuretika oder Betablockertherapie wesentlich höher ist im Vergleich zu Kalziumantagonisten, ACE-Hemmer und ARB. Dieser Effekt verstärkt sich, wenn beide Wirkstoffgruppen kombiniert werden. Die Studienergebnisse der im Rahmen dieses HTA-Berichts (HTA = Health Technology Assessment) identifizierten Publikationen stellen eine klinisch bedeutsame Limitation in der Anwendung dieser Wirkstoffgruppen in der Behandlung der Hypertonie dar.

Bei Patienten mit Zuständen, die mit einer Insulinresistenz assoziiert sind, wie das metabolische Syndrom, Hypertonie, beeinträchtigte Nüchternglukose, Fettleibigkeit und chronische Herzinsuffizienz sollte daher die Gabe von ACE-Hemmern oder ARB in Betracht gezogen werden.

Es werden jedoch zusätzliche Studien benötigt, um die Rolle der ACE-Hemmer und ARB in der Prävention des Typ-2-Diabetes mellitus zu bestätigen sowie weitere randomisierte kontrollierte Studien (RCT), die die Auswirkungen bzw. das Risiko eines arzneimittelinduzierten Diabetes mellitus im Hinblick auf Morbidität und Mortalität zu beurteilen.

Aus gesundheitsökonomischer Sicht ist auf Basis der identifizierten Studien keine ausreichende Aussage über die Kosten-Effektivität der neueren Antihypertensiva für Deutschland möglich. Für verlässliche Ergebnisse sind dringend weitere Studien oder gesundheitsökonomische Modelle notwendig, die das deutsche Gesundheitswesen berücksichtigen. Werden jedoch die Kosten der Behandlung eines Diabetes mellitus und dessen Folge- sowie Begleiterkrankungen (z. B. Depression) betrachtet, wird davon ausgegangen, dass sich der Einsatz von Antihypertensiva, die die Entstehung bzw. Manifestation eines Diabetes mellitus vermeiden oder reduzieren, auch für das deutsche Gesundheitssystem als kosteneffektiv angesehen werden kann.