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GMS Hygiene and Infection Control

Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH)

ISSN 2196-5226

In-vitro-Evaluierung von Polihexanid: biokompatibel und effektiv

In vitro evaluation of polihexanide: biocompatible and effective

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  • corresponding author Cornelia Wiegand - Klinik für Dermatologie und dermatologische Allergologie, Universitätsklinikum Jena, Deutschland
  • Martin Abel - Lohmann & Rauscher GmbH & Co. KG, Rengsdorf, Deutschland
  • Peter Ruth - Lohmann & Rauscher GmbH & Co. KG, Rengsdorf, Deutschland
  • Uta-Christina Hipler - Klinik für Dermatologie und dermatologische Allergologie, Universitätsklinikum Jena, Deutschland

GMS Krankenhaushyg Interdiszip 2009;4(2):Doc15

doi: 10.3205/dgkh000140, urn:nbn:de:0183-dgkh0001408

Veröffentlicht: 16. Dezember 2009

© 2009 Wiegand et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Infektionen sind eine häufige Ursache für die Entstehung und Aufrechterhaltung chronischer Wunden oder treten als Komplikation während deren Behandlung auf. Neben Debridement und Wundreinigung sind zusätzliche therapeutische Maßnahmen notwendig, um die Gefahr von Infektionen zu senken. Daher werden für die Behandlung chronischer Wunden immer häufiger Wundverbände mit antimikrobiellen Substanzen wie Silber, Povidon-Iod oder Polihexanid eingesetzt. Polihexanid wird dabei aufgrund seiner geringen Zytotoxizität und guten Hautverträglichkeit bevorzugt verwendet. Bei In-vivo-Studien an experimentellen aseptischen Hautwunden von Schweineferkeln konnte sogar ein positiver Effekt von Polihexanid auf den Wundverschluss demonstriert werden. Darüber hinaus ist es in der Lage, die Zellproliferation in vitro zu stimulieren.

In-vitro-Testsysteme bieten die Möglichkeit den Einfluss von Substanzen oder Materialien auf Zellen zu messen. Dabei werden die komplexen Verhältnisse in vivo umgangen und stattdessen definierte Kulturbedingungen genutzt, die eine direkte Beurteilung des Effekts auf Viabilität und Proliferation der Zellen zulassen. Außerdem können in vitro das anti-oxidative Potential gemessen und die antimikrobielle Aktivität von Substanzen bestimmt werden. Darüber hinaus wurde ein Co-Kultursystem aus HaCaT-Keratinozyten und Staphylococcus aureus genutzt um zu testen, ob Polihexanid einen protektiven Einfluss bei einer Infektion hat.

Obwohl Antiseptika im Vergleich zu Antibiotika ein geringeres Potential besitzen, bakterielle Resistenzen zu induzieren, gibt es aufgrund ihres immer breiteren Einsatzes wirkstoffabhängig Bedenken. Daher wurde ein experimentelles System basierend auf der Mikroplatten-Laser-Nephelometrie entwickelt, um eine mögliche Adaption von Staphylococcus aureus an Polihexanid bei wiederholter Inkubation zu untersuchen.

Schlüsselwörter: HaCaT-Keratinozyten, Polihexanid, Staphylococcus aureus, Wundinfektion

Abstract

Infection may lead to the formation of a chronic wound or is a common complication during their treatment. Rather than relying on just debriding and cleansing the wound, additional therapeutic strategies are commonly applied in an attempt to prevent infection. Therefore, wound dressings combined with antimicrobial agents such as silver, povidine iodine, or polihexanide are increasingly utilized in the treatment of critical colonized or infected chronic wounds. Polihexanide is regarded first choice as therapy option because of its good skin tolerance beside its antimicrobial effects. Furthermore, a positive influence of polihexanide on wound closure was observed in a study with aseptic wounds in piglets. Moreover, polihexanide is able to induce cell proliferation in vitro. In vitro test systems provide valuable tools in the study of substance or material effects on cells. They use highly defined culture conditions and avoid the complex mechanisms which occur in vivo and thus allow the direct measurement of the influence on cell viability and proliferation. For instance, the anti-oxidative effect can be determined and the antimicrobial activity measured in vitro. Furthermore, a co-culture system of HaCaT keratinocytes and Staphylococcus aureus was used to test the capacity of polihexanide to protect the cells from the bacterial damage. Although antiseptics have a lower potency to induce bacterial resistance than antibiotics, concerns have been expressed regarding the overuse of antiseptics and the possible emergence of bacterial adaptation. Hence, an experimental system using microplate-laser-nephelometry was employed to test the adaptation capacity of Staphylococcus aureus during repeated treatment with polihexanide.

Keywords: HaCaT keratinocytes, polihexanide, Staphylococcus aureus, wound infection


Einleitung

Die intakte Haut bildet eine physikalische Barriere. Wenn die Haut verletzt wird, können Mikroorganismen eindringen und sich ungehindert in der feuchtwarmen, nährstoffhaltigen Umgebung vermehren [1]. Die mikrobielle Kontamination von Wunden ist nicht zu verhindern. Bei ungünstigen Umständen kann sich die Kontamination jedoch zu einer kritischen Kolonisation ausweiten und schließlich zu einer lokalen Wundinfektion führen [2]. Infektionen sind eine häufige Ursache für die Entstehung chronischer Wunden. Die Mikroorganismen führen in der Wunde zu einer Stimulation der inflammatorischen Reaktion. Sie induzieren die Migration von Monozyten, Makrophagen und Leukozyten, die zunächst in der notwendigen Weise funktionieren, bei lang anhaltender Stimulation aber zu einer Schädigung des umliegenden Gewebes führen [3]. Es konnte gezeigt werden, dass chronische Wunden mit unterschiedlichen Mikroorganismen kolonisiert sind [4]. Bei der Therapie von chronischen Wunden ist daher auch immer eine lokale antimikrobielle Behandlung notwendig, um pathogene Mikroorganismen, die die Wundheilung behindern, abzutöten [5]. Verschiedene chemische Verbindungen sind zu diesem Zweck erhältlich [6], die sich aufgrund von Substanzklasse, Rezeptur und Konzentration sowohl in ihrer antimikrobiellen Aktivität als auch in ihrer Zytotoxizität unterscheiden. Polyhexamethylbiguanidhydrochlorid (PHMB, Polihexanid) wird zurzeit aufgrund der positiven Ergebnisse in Studien zur Gewebekompatibilität [7], [8], [9], [10] und der klinischen Erfahrungen [11], [12], [13], [14], [15], [16], [17], [18], [19] als das am besten geeignete Antiseptikum für den Einsatz bei chronischen Wunden erachtet. Es konnte gezeigt werden, dass es gegen ein breites Spektrum von Mikroorganismen [6], [20] ebenso wirksam ist wie gegen das Human-Immunodeficieny-Virus [21]. Als kationische Substanz interagiert Polihexanid mit den sauren Lipiden bakterieller Membranen, was zu Funktionsstörungen führt, während die neutralen Lipide humaner Zellmembranen nur geringfügig beeinflusst werden [22]. Aufgrund dieses spezifischen Wirkungsmechanismus ist das zytotoxische und irritative Potential von Polihexanid deutlich niedriger als das anderer Antiseptika [7], [23]. In-vitro-Testsysteme bieten die Möglichkeit den Einfluss von Substanzen oder Materialien auf Zellen zu messen. Dabei werden die komplexen Verhältnisse in vivo umgangen und stattdessen definierte Kulturbedingungen genutzt, die eine direkte Beurteilung des Effekts auf Viabilität und Proliferation der Zellen zulassen. Außerdem können in vitro das antioxidative Potential gemessen und die antimikrobielle Aktivität von Substanzen bestimmt werden.

In einem Co-Kultursystem aus HaCaT-Keratinozyten und Staphylococcus aureus kann getestet werden, ob Antiseptika einen protektiven Effekt besitzen. Obwohl Antiseptika im Vergleich zu Antibiotika ein geringeres Potential besitzen, Resistenzen zu induzieren, gibt es aufgrund des immer breiteren Einsatzes von Antiseptika Wirkstoff abhängig Bedenken, das sich bakterielle Resistenzen entwickeln könnten. Mit Hilfe eines auf der Mikroplatten-Laser-Nephelometrie basierenden In-vitro-Systems wurde die Adaptionsfähigkeit von Staphylococcus aureus bei wiederholter Inkubation mit Polihexanid untersucht.


Material und Methoden

Das antioxidative Potential von Polihexanid (Cosmocil®, ARCH Chemicals) und einer Wundauflage mit Polihexanid (Suprasorb® X+PHMB, Lohmann & Rauscher) wurde mit Hilfe des chemilumineszenten ABEL® Antioxidant Test Kits mit Pholasin® spezifisch für Superoxidanionen und Peroxynitritanionen (Knight Scientific Limited, UK) gemessen.

In der Co-Kultur wurden HaCaT-Keratinozyten mit steigenden Staphylococcus aureus Konzentrationen infiziert und mit oder ohne den Zusatz von Polihexanid in unterschiedlichen Konzentrationen inkubiert. Viabilität und Proliferation der HaCaT-Zellen wurden mit Hilfe des ATPLite™-M Kit (Perkin Elmer) untersucht. Der ATP-Assay basiert auf der Messung des in der ATP-abhängigen enzymatischen Reaktion von D-Luciferin zu Oxy-Luciferin produzierten Lichts. Um zwischen lebenden und toten Zellen unterschieden zu können, wurden die Zellen mit SYTO-13 und Ethidiumhomodimer-2 (Molecular Probes, U.S.) gefärbt und unter dem Mikroskop evaluiert (analySIS® 3.1 Soft Imaging System GmbH, Germany). Staphylococcus aureus wurde durch Färbung mit SYTO-9 (Molecular Probes) quantifiziert.

Für die Messung des Adaptionspotentials wurde Staphylococcus aureus mit Polihexanid bzw. mit Silbernitrat inkubiert. Das Bakterienwachstum wurde mit Hilfe eines Mikrotiterplatten-Laser-Nephelometers (NepheloSTAR, BMG Labtech, Germany) untersucht und die IC50-Konzentrationen der Antiseptika bestimmt. Danach erfolgte die wiederholte Inkubation der Mikroorganismen mit 0,2 µg/mL Polihexanid und 5 µg/mL Silbernitrat für einen Zeitraum von 100 d. Der Einfluss der wiederholten Inkubation mit den Antiseptika wurde durch die Berechnung des IC50-Wertes verfolgt. Zusätzlich wurde eine Polihexanid haltige Wundauflage (Suprasorb® X + PHMB, Lohmann & Rauscher) entsprechend dem JIS L 1902:2002 Standard für antibakterielle Aktivität gegen unbehandelten und behandelten S. aureus getestet Für die Testung wurden pro Ansatz 400 mg der Wundauflage eingewogen. Als Referenzmaterial diente Polyester. Die Proben wurden mit unbehandeltem und behandeltem Staphylococcus aureus für 6 h bzw. 24 h bei 37°C unter aeroben Bedingungen inkubiert. Für die Keimzahlbestimmung wurden die Teststücke in Kochsalzlösung (0,9%-ig, mit Tween20) extrahiert. Von den Extrakten wurden Verdünnungsreihen hergestellt, ausplattiert und für 24 h inkubiert. Danach erfolgten das Auszählen der Kolonien auf den Platten und die Berechnung der cfu (colony forming units) entsprechend dem JIS L 1902:2002 im Vergleich zum Anfangswert: Wachstumsreduktion [log] = log(24hMW [cfu]KontrollePolyester)–log(24hMW [cfu]Probe). Die Beurteilung der antimikrobiellen Aktivität ergibt sich aus der Reduktion des mikrobiellen Wachstums durch die Probe: Wachstumsreduktion <0,5 log = keine antimikrobielle Aktivität, Wachstumsreduktion >0,5–<1 log = geringe antimikrobielle Aktivität, Wachstumsreduktion >1–≤3 log = signifikante antimikrobielle Aktivität und Wachstumsreduktion >3 log = starke antimikrobielle Aktivität.


Ergebnisse

Freie Radikale spielen eine wichtige Rolle in der Wundheilung. Sie erhöhen die bakteriozide Aktivität und modulieren verschiedene Funktionen wie die Vasodilatation, die Bildung von Granulationsgewebe, die Reepithelisierung und die Umbildung der extrazellulären Matrix. Die Überproduktion von ROS (reactive oxygen species) und RNS (reactive nitrogen species) hat jedoch negative Effekte und kann zur Schädigung von Zellen und Gewebe führen. Polihexanid besitzt ein signifikantes, konzentrationsabhängiges antioxidatives Potential (Abbildung 1 [Abb. 1]). Die Polihexanid haltige Wundauflage war ebenfalls in der Lage, die Bildung von ROS und RNS signifikant zu inhibieren (Abbildung 2 [Abb. 2]).

Eine Co-Kultur von HaCaT-Keratinozyten und Staphylococcus aureus stellt ein wertvolles Modell für infizierte Zellen in einer Wunde dar. Steigende Staphylococcus aureus-Konzentrationen hatten einen negativen Effekt auf die HaCaT-Zellviabilität und Proliferation (Abbildung 3 [Abb. 3]). Polihexanid war in der Lage, die Schädigung der Zellen zu verhindern und die normale Zellproliferation wieder herzustellen (Abbildung 4 [Abb. 4]). Dieser Effekt wird durch die Reduktion der Bakterienzahl erzielt (Abbildung 5 [Abb. 5]). Um in der Co-Kultur zwischen lebenden und toten Zellen unterschieden zu können, wurden die Keratinozyten mit SYTO-13 und Ethidiumhomodimer-2 gefärbt (Abbildung 6 [Abb. 6]). Der Extrakt der PHMB-haltigen Wundauflage ist ebenfalls in der Lage, die Bakterienzahl zu reduzieren (Abbildung 7 [Abb. 7]) und die Zellen vor der bakteriellen Schädigung zu schützen (Abbildung 8 [Abb. 8] und Abbildung 9 [Abb. 9]).

Die Lasernephelometrie wurde genutzt, um die Adaptionsfähigkeit von Staphylococcus aureus bei wiederholter Inkubation mit Polihexanid im Vergleich zu Silbernitrat zu testen. Bei der Lasernephelometrie handelt es sich um ein optisches Analyseverfahren, mit dem sich die Konzentration von Teilchen in Flüssigkeiten quantitativ bestimmen lässt. Die in der Lösung suspendierten Partikel streuen das einfallende Licht seitlich zum Lichtstrahl (Tyndall-Effekt). Diese Methode ermöglicht die Messung mikrobieller Wachstumskurven, indem die Trübung der Lösung bestimmt wird. Aufgrund der hohen Sensitivität der Technik ist es möglich, bereits geringe Konzentrationen streuender Partikel, wie es in der lag-Phase und dem Anfang der log-Phase der Falls ist, zu erfassen. Der Einfluss der wiederholten Inkubation mit den Antiseptika wurde durch die Berechnung des IC50-Wertes verfolgt. Die IC50-Konzentrationen für Polihexanid stiegen über den Versuchszeitraum nur geringfügig an (Abbildung 10 [Abb. 10]). Im Gegensatz dazu wurde eine Zunahme des IC50-Wertes für Silbernitrat beobachtet (Abbildung 10 [Abb. 10]). Bei der Testung auf antibakterielle Aktivität entsprechend dem JIS L 1902 wies die Polihexanid haltige Wundauflage eine vergleichbare Wirkung gegenüber behandeltem und unbehandeltem S. aureus auf (Abbildung 11 [Abb. 11]).


Diskussion

Die Anwesenheit von Mikroorganismen in Wunden beeinflusst in hohem Maß die Balance von ab- und aufbauenden Prozessen. Chronische Wunden sind vor allem mit Staphylococcus aureus, Enterococcus faecalis, Pseudomonas aeruginosa, coagulase-negativen Staphylokokken, Proteus-Spezies und anaeroben Bakterien kolonisiert [24], [25]. Staphylococcus aureus wird als besonders problematisch bei Infektionen von traumatischen, chirurgischen und Brandwunden eingeschätzt, da er in diesen besonders häufig vorkommt [1]. Darüber hinaus besitzt Staphylococcus aureus eine Reihe von Resistenzen gegen Antibiotika (z.B. MRSA, Methicillinresistenter S. aureus) und stellt damit nicht nur bei der Wundbehandlung [24], sondern auch in anderen klinischen Bereichen, z.B. der Therapie von atopischer Dermatitis [26], ein wachsendes Problem dar. Da davon ausgegangen wird, dass Antiseptika ein geringeres Potential besitzen, Resistenzen zu induzieren als Antibiotika, werden sie immer häufiger für die Behandlung von infizierten chronischen Wunden eingesetzt. Die Reduktion der bakteriellen Belastung durch eine antiseptische Behandlung kann die Zeit bis zum Wundverschluss verkürzen [13], [21], [27]. Aufgrund der breiten Wirkungsweise von Antiseptika können einige dieser Substanzen aber auch schädigende Einflüsse auf die gesunden Zellen in der Wunde haben. Das Ziel aller Behandlungsstrategien ist demnach, ein Gleichgewicht zwischen dem Abtöten von Bakterien und dem Schutz der Wirtszellen zu erreichen [28]. Das beste Antiseptikum ist daher das, welches die höchste antimikrobielle Aktivität mit der geringsten lokalen oder systemischen Toxizität zeigt [7]. Polihexanid wird in einer Vielzahl von Produkten eingesetzt, wie Wundauflagen, Kontaktlinsenreinigunslösungen, perioperativen Reinigungslösungen, aber auch als Schwimmbadreiniger [3], [9], [10], [29]. Polihexanid interagiert mit den sauren Lipiden in den mikrobiellen Membranen und führt zu deren Funktionsstörung. Es konnte gezeigt werden, dass Polihexanid eine Aggregation der sauren Lipide in dem Adsorptionsbereich hervorruft [30]. Das verändert die Membranpermeabiliät und die Funktion membranassoziierter Enzyme [6], [30]. Im Gegensatz dazu werden die neutralen Lipide humaner Zellmembranen nur geringfügig beeinflusst [22]. Aufgrund dieses Unterschieds sind die Zytotoxizität und das irritative Potential von Polihexanid geringer als das anderer Antiseptika [7], [23]. Darüber hinaus konnte ein positiver Effekt auf den Wundverschluss in vivo [7], [12] und auf die Proliferation von Zellen in vitro [31] beobachtet werden.

In-vitro-Modelle stellen eine wertvolle Ergänzung zu klinischen Studien und in vivo Beobachtungen dar, da sie durch den Einsatz genau definierter Versuchsbedingungen die komplexen Vorgänge in vivo vereinfachen und eine direkte Beobachtung der von der Substanz hervorgerufenen Effekte ermöglichen. So konnte z.B. in einem In-vitro-System gezeigt werden, dass Polihexanid die Bildung freier Radikale inhibiert. Die Überproduktion von reaktiven Sauerstoff- und Stickstoffspezies in chronischen Wunden führt zu einer Verlängerung der inflammatorischen Phase und einer Schädigung des Gewebes [32]. Die Reduktion dieser aktiven Spezies stellt daher eine Möglichkeit dar, die normale Wundheilung zu unterstützen. Sowohl Polihexanid als auch die untersuchte Polihexanid haltige Wundauflage sollten also aufgrund ihres antioxidativen Potentials neben der antimikrobiellen Wirkung noch einen zusätzlichen positiven Effekt auf die Wundheilung haben. Die Ergebnisse der Untersuchungen an einer Co-Kultur von HaCaT-Keratinozyten mit Staphylococcues aureus zeigen außerdem, dass Polihexanid nicht nur antimikrobiell wirksam sondern auch in der Lage ist, humane Zellen vor der Schädigung durch Bakterien zu schützen.

Im Gegensatz zu Antiseptika und Wundspüllösungen haben Wundauflagen eine viel längere Verweildauer auf der Wunde. Dementsprechend sind hier mögliche toxische Effekte von viel größerer Bedeutung. Es konnte gezeigt werden, dass die Zytotoxizität der Polihexanid haltigen Wundauflage sehr gering ist und damit eine hohe Sicherheit für den Anwender hat [33]. Die Ergebnisse der Untersuchung der Wundauflage in dem Co-Kultursystem bestätigen diese Schlussfolgerungen. Der Extrakt der Wundauflage hatte einen protektiven Effekt auf die mit Staphylococcus aureus infizierten Keratinozyten. Die Wundauflage ist also in der Lage, die Bakterienzahl in der Wunde zu reduzieren und den Heilungsprozess zu unterstützen. Die zunehmende Nutzung von Antiseptika und ihr immer breiterer Einsatz in Wundauflagen könnten jedoch im Falle einer Resistenzentwicklung zu einer Abnahme der Wirkung gegenüber Bakterien führen. Silberwundauflagen besitzen antibakterielle und antimykotische Eigenschaften, die Entwicklung einer Resistenz auf Silber ist jedoch möglich. Erste Ergebnisse einer dementsprechenden Studie konnten zeigen, dass die IC50-Konzentration für Silbernitrat während der wiederholten Exposition von S. aureus ansteigt. Silberhaltige Wundauflagen, die Silber-Ionen in die Wunde freisetzen, sollten daher und auch auf Grund der damit verbundenen Zytotoxizität [34], [35], [36] kurzfristig und nicht permanent bei kritisch-kolonisierten oder infizierten Wunden verwendet werden. Im Gegensatz dazu besitzt Polihexanid in dem verwendeten experimentellen System ein sehr viel geringeres Potential, eine Adaption in Staphylococcus aureus zu induzieren.

Die In-vitro-Evaluierung hat positive Effekte von Polihexanid auf die Zellen, eine geringe Zytotoxizität und ein niedriges Potential zur Induktion bakterieller Adaption bei gleichzeitig hoher antimikrobieller Aktivität aufzeigen können. Polihexanid scheint also eine geeignete Substanz für die Behandlung chronischer Wunden zu sein.


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