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GMS Hygiene and Infection Control

Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH)

ISSN 2196-5226

Photodynamische Therapie (PDT) zur Behandlung lokaler Wunden

Photodynamic therapy for wound treatment

Übersichtsarbeit

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  • corresponding author Heyke Diddens - Institut für Biomedizinische Optik der Universität zu Lübeck, Deutschland
  • Niko Arp - Institut für Biomedizinische Optik der Universität zu Lübeck, Deutschland
  • Werner Eisenbeiß - Klinik für Plastische Chirurgie, Intensiveinheit für Schwerbrandverletzte, UK S-H, Campus Lübeck, Deutschland

GMS Krankenhaushyg Interdiszip 2006;1(1):Doc19

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/journals/dgkh/2006-1/dgkh000019.shtml

Veröffentlicht: 30. August 2006

© 2006 Diddens et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Durch gezielte Kombination einer photodynamischen Therapie unter Verwendung des Photosensibilisators Toluidinblau O mit dem Antiseptikum Octenisept ist es möglich, eine suffiziente Keimzahlreduktion bei gleichzeitig geringer Zytotoxizität für Zellen der menschlichen Haut zu erzielen. Dieses neuartige Konzept könnte in verschiedenen klinischen Bereichen, wie z.B. der Verbrennungsmedizin oder der Abtötung Antibiotika-resistenter Krankheitserreger Anwendung finden. Mit dieser von uns entwickelten Strategie könnte einer Resistenzentwicklung eines breiten Spektrums pathogener Erreger aufgrund eines zu häufigen Einsatzes systemischer Antibiotika vorgebeugt und diese für lebensbedrohende Infektionen reserviert werden.

Abstract

With a combination of photodynamic therapy using the photosensitizer toluidine blue O plus the antiseptic octenisept, it is possible to attain a sufficient bacterial-count reduction with simultaneous low cytotoxicity to human skin cells. This novel concept may find application in various clinical areas, for instance, in burn medicine or in killing antibiotic-resistant pathogens. Using the strategy we developed, it may be possible to prevent the development of resistence to a broad spectrum of pathogens due to too-frequent use of systemic antibiotics, reserving these for life-threatening infections.


Einleitung

Die zunehmende Verbreitung Antibiotika-resistenter Krankheitserreger stellt das größte Problem für die erfolgreiche Behandlung von Infektionskrankheiten dar. Zudem ist vor allem der systemische Einsatz von Antibiotika häufig von erheblichen Nebenwirkungen wie Allergien und organspezifischer Toxizität begleitet, die die Möglichkeiten einer Behandlung mit diesen Präparaten stark einschränken oder sogar verbieten. Aus diesen Gründen wird international forciert durch die Gesundheitsbehörden nach neuen, alternativen Behandlungskonzepten gesucht.

Im Rahmen der Entwicklung einer neuartigen antimikrobiellen Strategie für die lokale Behandlung von Wunden ist der Ansatz unserer Arbeitsgruppe, die lokale Applikation eines Antiseptikums mit der photodynamischen Therapie zu kombinieren.

Das Antiseptikum Octenisept® bietet ein breites Spektrum an Einsatzgebieten, unter anderem die antiseptische Wund- oder Schleimhautbehandlung, die Spülung der Mundhöhle und die Ganzkörperwaschung bei MRSA Kontamination, und liefert in diesen Bereichen gute Ergebnisse. Es wird jedoch in einigen Untersuchungen auf eine potenzielle Zytotoxizität des Octenisepts® verwiesen, die besonders in Bezug auf eine großflächige Anwendung, z.B. im Bereich der Verbrennungsmedizin ein Problem darstellen könnte.

Die photodynamische Therapie (PDT), eine organerhaltende, minimal invasive Therapieform mit nur wenig bekannten Nebenwirkungen, findet steigende Akzeptanz für den klinischen Einsatz zur Behandlung von unterschiedlichen Tumoren sowie nicht-onkologischen Erkrankungen [1]. Grundlage dieser inzwischen etablierten Behandlungsform ist die Verwendung einer photosensibilisierenden Substanz in Kombination mit Lichtbestrahlung, wobei das auf photochemischen Prozessen basierende Zusammenwirken zwischen Photosensibilisator und Licht einer geeigneten Wellenlänge ausgenutzt wird, um unter Verzicht auf unspezifische thermische Effekte eine selektive Zerstörung der Zielzellen herbeizuführen. Die Eigenschaft der Sensibilisatorfluoreszenz kann zusätzlich für die Fluoreszenzdiagnose genutzt werden.

Mit dem Ziel, durch eine Kombination unterschiedlicher Behandlungskonzepte eine neue Strategie zur effizienten antimikrobiellen Behandlung lokaler Infektionen zu entwickeln, wurde das Prinzip der photodynamischen Therapie mit der Applikation des Antiseptikums Octenisept® kombiniert. Im Hinblick auf zukünftige klinische Studien wurde dazu sowohl anhand humanpathogener Mikroorganismen als auch - zur Prüfung der Unbedenklichkeit der Therapie für normale Körperzellen - an humanen Fibroblasten in klinikrelevantem Mikromilieu die Effektivität und die Selektivität dieser Strategie in vitro untersucht. Da die Gegenwart von Serumbestandteilen die Aktivität von Photosensibilisatoren und Antiseptika negativ beeinflussen kann, diente fetales Kälberserum (FKS) im Testansatz als experimentelles Modell für die Mikroumgebung einer Wunde. Im Mittelpunkt unserer Untersuchungen stand die Frage nach einer potenziell additiven oder überadditiv synergistischen Interaktion der antimikrobiellen Wirkungsweisen beider Therapieansätze bei gleichzeitig reduzierter Zytotoxizität für das behandelte humane Gewebe durch das Octenisept®. Als Testorganismus wurde zunächst das Gram-positive Bakterium Staphylococcus aureus eingesetzt, das als human pathogener Leiterreger und in Form von MRSA im klinischen Alltag erhebliche Probleme bereitet. Die antibakterielle Wirkung wurde über die Anzahl Kolonie-bildender Einheiten (colony forming units, cfu) und die Zytotoxizität über die Aktivität der mitochondrialen Succinat-Dehydrogenase (SDH) mittels MTT Assay bestimmt.


Ergebnisse

Abbildung 1 [Abb. 1] zeigt die Wirkung von Octenisept®, Toluidinblau O (TBO) und einer Kombination aus Octenisept® und TBO auf den Eitererreger Staphylococcus aureus. Es ist erkennbar, dass in Abwesenheit von Licht das Antiseptikum in der verwendeten Konzentration im Vergleich zur Kontrolle eine Koloniezahlreduktion um ca. eine Zehnerpotenz bewirkt. Die antibakterielle Wirkung ist unabhängig von der Bestrahlung mit Licht. Octenisept® zeigt auch nach Bestrahlung mit breitbandigem Licht einer Gesamtdosis von 25 J/cm² keine weitere Reduktion der cfu. Das Phenothiazin TBO, das im Dunklen keine antimikrobielle Wirkung aufweist, führt nach Aktivierung durch Licht zu einer Abtötung der Bakterien um ebenfalls eine Zehnerpotenz. Sehr bemerkenswert ist das für die Kombination aus Octenisept® und TBO unter Bestrahlung mit sichtbarem Licht erzielte Ergebnis. Hier ist eine prominente Reduktion von acht Zehnerpotenzen erkennbar. Diese synergistische, weit überadditive Interaktion zwischen PDT und Antiseptikum führt zu einer totalen Elimination der Bakterien.

In Abbildung 2 [Abb. 2] ist der zytotoxische Effekt von Octenisept® auf humane Fibroblasten in Gegenwart von FKS dargestellt. Es ist erkennbar, dass bei einer 5%igen Lösung der klinisch eingesetzten Formulierung, wie sie auch in den o.g. Versuchen zur Kombinationstherapie eingesetzt wurde, eine vergleichsweise geringe Zytotoxizität zu verzeichnen ist. Wie bei den Versuchen an Bakterien ist die Wirkung des Antiseptikums auf menschliche Zellen unabhängig von einer Bestrahlung mit Licht in der von uns eingesetzten Lichtdosis. Der Sensibilisator TBO zeigt keine Dunkeltoxizität, unter Bestrahlung reduziert sich jedoch die Vitalität der Zellen. Eine Kombination beider Substanzen führt ohne Bestrahlung mit Licht zu keiner zusätzlichen Beeinträchtigung der Enzymaktivität. Im Gegensatz zu den Untersuchungen an Bakterien führt die Kombination der Behandlungsmodalitäten PDT und Antiseptikum zwar zu einer weiteren Verminderung der SDH-Aktivität, jedoch ist dieser Effekt lediglich additiv und nicht, wie bei den Bakterien, synergistisch.


Diskussion

Die Ergebnisse zeigen, dass durch eine Kombination von Octenisept mit TBO-PDT überadditiv synergistische antibakterielle Effekte erzielt werden können. Dieser Synergismus beinhaltet die Möglichkeit einer antimikrobiellen Therapie mit einer Kombination aus Antiseptikum und photodynamischer Therapie, die diverse Vorteile bieten könnte. Wie in Abbildung 2 [Abb. 2] erkennbar ist, lässt sich die Zytotoxizität von Octenisept® durch Einsatz geringerer Konzentrationen so weit reduzieren, dass auch in dem von uns gewählten hochempfindlichen Testsystem kaum noch eine Schädigung humaner Zellen zu verzeichnen ist. Diese Konzentration von 5% Octenisept® führt in Kombination mit TBO-PDT jedoch bei Bakterien aufgrund synergistischer Interaktionen zu einer sehr effizienten Koloniezahlreduktion von acht Zehnerpotenzen. Die Kombination von Octenisept® mit TBO-PDT wird in vivo wesentlich weniger zytotoxisch sein als die alleinige Anwendung der klinisch sehr erfolgreich eingesetzten unverdünnten Octenisept®-Standardlösung und die synergistischen Effekte gegenüber Bakterien sind wesentlich stärker ausgeprägt als die additiven Effekte hinsichtlich der Zytotoxizität.

Ein hochinteressantes Anwendungsgebiet für diese Kombinationstherapie ist die Behandlung großer Wundflächen, zum Beispiel Verbrennungen. Zum anderen liefert die Kombination von Antiseptikum und PDT einen neuen Ansatzpunkt beispielsweise für die Therapie von Infektionen mit Antibiotika-resistenten Erregern, da die Wirksamkeit einer PDT unabhängig von Mechanismen der erworbenen Antibiotikaresistenz ist, bisher keine Resistenzentwicklung gegenüber einer antimikrobiellen PDT beschrieben wurde und aufgrund des Wirkmechanismus der PDT eine solche auch nicht zu erwarten ist. Die Effektivität einer PDT mit Phenothiazinen wie TBO und Methylenblau zur Abtötung von Parodontosebakterien [2] weist auf ein breites antimikrobielles Wirkspektrum hin, das neben Gram-positiven und Gram-negativen Bakterien auch Pilze wie Candida albicans einschließt [3].


Literatur

1.
Dougherty TJ, Gomer CJ, Henderson BW, Jori G, Kessel D, Korbelik M, Moan J, Peng Q. Photodynamic therapy. J Nat Cancer Inst 1998;90:889-905 .
2.
Wilson M. Lethal photosensitization of oral bacteria and its potential application in the photodynamic therapy of oral infections. Photochem Photobiol Sci 2004; 3:412-8
3.
Wainwright M. Photodynamic antimicrobial chemotherapy (PACT). J Antimicrob Chemother 1998;42:13-28