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HTA und GFA (HIA) in Österreich – Gemeinsamkeiten und Unterschiede
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Veröffentlicht: | 26. April 2016 |
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Gliederung
Zusammenfassung
Health Technology Assessment (HTA) und Gesundheitsfolgenabschätzung (GFA) – international als Health Impact Assessment (HIA) bekannt – sind beides Instrumente, die Wissen aufbereiten und mit deren Ergebnissen und Empfehlungen Entscheidungsprozesse unterstützt werden können. Die beim HTA bzw. bei der GFA angewendeten Vorgehensweisen unterscheiden sich jedoch in einigen Punkten. Im vorliegenden Artikel werden die beiden Instrumente näher beschrieben und es wird der Frage nachgegangen, worin zentrale Gemeinsamkeiten und Unterschiede bestehen. Der Fokus liegt dabei auf den in Österreich verwendeten Definitionen und Anwendungsgebieten von HTA und GFA. Im Folgenden wird auch untersucht, ob und wie die beiden Instrumente sinnvoll miteinander kombiniert werden können.
In Österreich existiert keine rechtliche Verpflichtung für die Durchführung eines HTA bzw. einer GFA, es bestehen jedoch rechtliche Grundlagen für den Einsatz des HTA. Auf den Einsatz der GFA wird in einer Reihe von strategischen Dokumenten bzw. Beschlüssen verwiesen.
Aus dem Vergleich wird ersichtlich, dass das übergeordnete Ziel von HTA und GFA die Unterstützung einer evidenz- bzw. informationsbasierten Entscheidungsfindung ist. Eine Gemeinsamkeit beider Instrumente ist die Berücksichtigung international verfügbarer Evidenz. In Österreich nimmt diese bei HTA einen wichtigeren Stellenwert ein als bei der GFA, wo der Fokus auf der Partizipation von Betroffenen und anderen relevanten Akteurinnen und Akteuren liegt. Bei eingehender Betrachtung von HTA und GFA sowie deren Anwendung in Österreich liegt der Schluss nahe, dass eine Kombination beider Instrumente für eine evidenz- bzw. informationsbasierte Entscheidungsfindung sinnvoll erscheint. Ein hemmender Aspekt für die kombinierte Durchführung könnte die Zeit- und Kostenintensität sein, die bei einem derartigen Vorgehen zu vermuten ist.
1 Einleitung
Bei den Bemühungen, politische Entscheidungen im Zusammenhang mit Gesundheit durch die Bereitstellung formaler Bewertungsmethoden zu unterstützen, verdienen Health Technology Assessment (HTA) und Health Impact Assessment (HIA) besondere Aufmerksamkeit. Obwohl beide Herangehensweisen darauf abzielen, Entscheidungsträger/-innen zu unterstützen, besteht jedoch bis jetzt nur ein eingeschränktes Zusammenwirken der beiden Instrumente.
Der vorliegende Artikel beschreibt beide Instrumente und liefert einen Überblick über deren Anwendungsgebiete mit Schwerpunkt auf der Situation in Österreich. Eine Gegenüberstellung von HTA und HIA (GFA) zeigt Gemeinsamkeiten und Unterschiede auf. In der abschließenden Diskussion werden Überlegungen zur gemeinsamen Vorgehensweise beschrieben.
In Österreich wird seit 2012 der Begriff Gesundheitsfolgenabschätzung (GFA) anstelle des englischsprachigen Ausdrucks Health Impact Assessment (HIA) verwendet. Dieser Begriff wird auch im vorliegenden Artikel durchgängig benützt. Angaben bezüglich HTA beziehen sich auf die Vorgehensweise an der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG), Geschäftsbereich Bundesinstitut für Qualität im Gesundheitswesen (BIQG) und bezüglich GFA auf den österreichischen GFA-Leitfaden. An diesem orientieren sich auch die Arbeiten der GFA-Support Unit an der GÖG (Geschäftsbereich Österreichisches Bundesinstitut für Gesundheitswesen, ÖBIG).
2 Definitionen
2.1 Definition HTA
Health Technology Assessment (HTA; Gesundheitstechnologiebewertung) ist ein systematischer Prozess zur Analyse, Evaluierung und Bewertung wissenschaftlicher Informationen über Auswirkungen bereits eingeführter und neuer gesundheitsrelevanter Verfahren, Leistungen, Technologien und Prozeduren auf die Gesundheit bzw. auf die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung [1].
Je nach Fragestellung werden in einem HTA-Bericht Wirksamkeit, Sicherheit und Wirtschaftlichkeit sowie soziale, ethische, rechtliche und organisatorische Aspekte in unterschiedlichem Ausmaß behandelt. Bei einem umfassenden HTA erfolgen Recherche und Aufarbeitung des aktuellen, international verfügbaren Wissens zur festgelegten Fragestellung mithilfe unterschiedlicher Instrumente wie z.B. einer systematischen Übersichtsarbeit oder verschiedener Erhebungsmethoden. Auf den Ergebnissen des HTA aufbauend werden Empfehlungen formuliert, die sich auf den gesundheitspolitischen Entscheidungszusammenhang der jeweiligen Fragestellung beziehen [1].
Bei einem Rapid Assessment (RA) handelt es sich um eine verkürzte Verfahrensbewertung, die eingesetzt wird, wenn dringliche Entscheidungen zu treffen sind bzw. besonders eingeschränkte finanzielle und personelle Ressourcen zur Verfügung stehen. Dabei werden in der Regel nur eingeschränkte Fragestellungen bearbeitet und innerhalb eines kürzeren Zeitraums (ca. drei Monate) eine Zusammenfassung der Evidenz erstellt. Die Erstellung von RA erfolgt weitgehend unter Ausführung derselben – allerdings zum Teil massiv verkürzten – Arbeitsschritte wie beim umfassenden HTA, was zu einer geringeren Detailtiefe führt [1].
2.2 Definition von GFA (HIA)
Im Zuge der Etablierung der GFA in Österreich wurde in Abstimmung mit dem nationalen GFA-Netzwerk eine österreichische GFA-Definition festgelegt, die sich an der Definition des Göteborg-Konsensuspapiers der WHO zur GFA (WHO Regional Office for Europe und European Centre for Health Policy 1999) orientiert: „Gesundheitsfolgenabschätzung ist ein systematischer Prozess zur Analyse und Bewertung geplanter (politischer) Vorhaben hinsichtlich der möglichen positiven und negativen Auswirkungen auf die Gesundheit sowie deren Verteilung innerhalb der Bevölkerung. HIA dient dazu, politische Entscheidungen im Sinne einer gesundheitsförderlichen Gesamtpolitik informierter zu gestalten“ [2].
Die GFA selbst trifft aber nicht die Entscheidung, ob und wie ein (politisches) Vorhaben (z.B. eine politische Strategie, ein Gesetz, ein Projekt oder ein Programm) umgesetzt werden sollte. Sie liefert die Grundlage für eine „informierte Entscheidung“, indem sie mittels einer strukturierten Methode darlegt, wie eine breite Palette von systematisch aufbereitetem Wissen für die Beurteilung eines Vorhabens (national, regional, lokal) genützt und angewendet werden kann. Dabei werden unterschiedliche Arten von Wissen berücksichtigt, z.B. jenes, das Gemeinschaften von den Lebensumwelten haben, in denen sie selbst leben. Da Werte und Wissen der beteiligten Personen eng miteinander verknüpft sind, ist es notwendig sicherzustellen, dass die Verfahren für die Bewertung des systematisch aufbereiteten Wissens zuverlässig, beteiligend und transparent ablaufen [3].
Hinsichtlich des Durchführungszeitpunkts unterscheidet man zwischen prospektiv (GFA am Beginn der Entwicklung eines Vorhabens), begleitend (GFA parallel zur Umsetzung eines Vorhabens) und retrospektiv (Wirkungsbewertung eines bereits umgesetzten Vorhabens). Idealerweise kommt die GFA bereits während der Entwicklung eines Vorhabens zum Einsatz.
Abhängig von Fragestellung, Schwerpunkt, verfügbaren Ressourcen und vorhandener Zeit wird über den Umfang der jeweiligen GFA entschieden. Bei einer Schreibtisch-GFA bewertet eine kleine Gruppe relevanter Akteurinnen und Akteure auf Basis von bereits vorhandenem Wissen ein Vorhaben. Das Ergebnis stellt einen groben Überblick über mögliche Auswirkungen auf die Gesundheit dar. Eine kompakte GFA geht üblicherweise mit der Einrichtung eines Lenkungsausschusses einher und bedient sich oftmals Beteiligungsworkshops. Für die Analyse der gesundheitlichen Auswirkungen werden eine kurze (systematische) Literaturanalyse durchgeführt sowie Erfahrungen bzw. (wissenschaftliche) Erkenntnisse von verschiedenen (lokalen) Akteurinnen und Akteuren gesammelt. Die umfassende GFA geht stärker in die Tiefe und kann die Sammlung von Primärdaten erfordern. Diese Art von GFA eignet sich daher insbesondere für komplexere Vorhaben und sieht umfangreiche Formen der breiten Beteiligung von Akteurinnen und Akteuren vor.
3 Arbeitsschritte bei HTA und GFA (HIA)
Wie oben dargestellt, bestehen bei der Anwendung beider Instrumente Varianten mit unterschiedlichem Ressourcen- und Zeitaufwand (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]).
Der Ablauf der Arbeitsschritte (vgl. Tabelle 2 [Tab. 2] für die umfangreichste Variante) ist bei allen Varianten prinzipiell derselbe, bei Varianten kleineren Ausmaßes werden einzelne Schritte lediglich in eingeschränktem Umfang bzw. gar nicht durchgeführt. Je nach situationsspezifischer Anwendung können jedoch Abweichungen zwischen den in der Theorie bestehenden Arbeitsschritten und der praktischen Durchführung auftreten.
Es ist festzuhalten, dass sich die nachfolgend dargestellten Arbeitsschritte bezüglich HTA auf die Vorgehensweise an der GÖG beziehen, die im Methodenhandbuch für HTA [1] sowie im Prozesshandbuch für HTA [4] beschrieben sind. Andere Institutionen verfügen diesbezüglich über eigene HTA-Prozesshandbücher. So hat beispielsweise das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information 2008 ein Handbuch für Autoren zur Erstellung von HTA-Berichten herausgegeben [5]. In Großbritannien publizierte das National Institute for Health and Clinical Excellence ebenfalls 2008 einen Leitfaden zum Single Technology Appraisal Process [6]. Für Irland erstellte das National Centre for Pharmacoeconomics HTA-Leitfäden zu unterschiedlichen Themenschwerpunkten [7]. Die Grundlage für die GFA ist der österreichische GFA-Leitfaden [3], der von GÖG/ÖBIG in Kooperation mit Fachleuten des österreichischen GFA-Netzwerks erstellt wurde und eine akkordierte Vorgehensweise beschreibt. Auf internationaler Ebene bestehen mehrere Guidelines zur GFA. So hat etwa die Schweizer Plattform zur Gesundheitsfolgenabschätzung 2010 einen Leitfaden für die Gesundheitsfolgenabschätzung in der Schweiz herausgegeben [8]. Für Wales wurde von Public Health Wales Cardiff University und Wales Health Impact Assessment Support Unit ebenfalls ein Leitfaden zur Gesundheitsfolgenabschätzung publiziert [9]. Bereits 2005 wurde ein GFA-Guide für Neuseeland erstellt [10]. Einen umfassenden Überblick über GFA-Leitfäden bietet das HIA-Gateway unter http://www.hiagateway.org.uk/.
4 Anwendungsgebiete von HTA bzw. von GFA
Die Anwendungsgebiete beider Instrumente sind breit und betreffen Arbeitsgebiete unterschiedlicher Disziplinen. Ziel beider ist die Verbesserung der Gesundheit, die Identifizierung von kurz- und langfristigen sowie von positiven und negativen Auswirkungen von Entscheidungen.
Die Durchführung von HTA wird in Österreich von unterschiedlichen Einrichtungen angeboten:
- Ludwig Boltzmann Institut HTA (LBI-HTA) in Wien
- Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) in Wien
- Department für Evidenzbasierte Medizin und Klinische Epidemiologie der Donau-Universität Krems
- EBM Review Center der Universitätsklinik für Innere Medizin in Graz
- Institute of Public Health, Medical Decision Making and Health Technology Assessment an der privaten Universität für Gesundheitswissenschaften, Medizinische Informatik und Technik (UMIT)
Das Instrument HTA bedient sich Methoden wie Meta-Analysen, systematischen Übersichtsarbeiten zur Identifikation der besten bestehenden Evidenz wie auch Methoden der ökonomischen Evaluation und bietet damit Grundlage und Unterstützung für Entscheidungen im Gesundheitssystem. Diese Entscheidungen finden sowohl bei der Aufnahme neuer technischer Leistungen oder innovativer Verfahren in Leistungskataloge der Sozialversicherung statt als auch bei der diagnostischen und therapeutischen Arbeit einzelner Ärztinnen und Ärzte. Auch als Basis für die Erstellung von Patienteninformationen oder zur Bewertung von neuen Onkologika oder hochtechnisierten Interventionen in Spitälern kommen Evidenzanalysen zur Anwendung. Durch die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene (z.B. EUnetHTA) wird versucht, bei der Bewertung von zugelassenen Arzneimitteln, Medizinprodukten und Verfahren Redundanzen zu vermeiden.
Konkret wurden im Rahmen des HTA an der GÖG beispielsweise die Wirksamkeit der stationären Rehabilitation [11], die Effektivität und Effizienz eines Diabetes-Typ-2-Screenings [12] oder die Haltbarkeit von Zahnamalgam im Vergleich zu Kompositkunststoffen [13] untersucht. Zu den Auftraggebern der Arbeiten zum HTA an der GÖG zählen unter anderem das österreichische Bundesministerium für Gesundheit (BMG), die österreichische Pensionsversicherungsanstalt (PVA), das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) und das Deutsche Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG).
In Großbritannien wurde mit Hilfe von HTAs z.B. der Einsatz von Ipilimumab für zuvor unbehandelte, nicht entfernbare maligne Melanome [14] und Alemtuzumab für die Behandlung von schubförmig verlaufender multipler Sklerose [15] untersucht. Im Auftrag der Europäischen Kommission wurde u.a. ein HTA durchgeführt, das verschiedene Tests zur Darm-Untersuchung im Zusammenhang mit Krebs vergleicht [16].
Die GFA kommt bei Vorhaben oder (politischen) Maßnahmen auf Strategieebene und auf Projektebene zum Einsatz. Sie dient im Entscheidungsfindungsprozess in verschiedensten Sektoren (z.B. Verkehr, Bildung, Umwelt, Arbeitsmarkt, Infrastruktur) als Instrument zur verstärkten Berücksichtigung von Auswirkungen auf die Gesundheit. Diese Auswirkungen können sowohl negativ als auch positiv sein, durch das Vorhaben beabsichtigt, aber auch nicht beabsichtigt sein. Im Sinne von Effizienz und Nutzung von Synergien soll die enge Abstimmung mit anderen Assessments – in Österreich diesbezüglich vorerst v.a. die Strategische Umweltprüfung und die Umweltverträglichkeitsprüfung – gegeben sein.
Die Beauftragungen von Gesundheitsfolgenabschätzungen in Österreich erfolgten bis jetzt vorrangig durch die öffentliche Hand. Mit den Durchführungen wurden im Wesentlichen die folgenden Institutionen oder Einrichtungen beauftragt:
- Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) in Wien
- Institut für Gesundheitsförderung und Prävention in Graz
- Styria vitalis
- FH Joanneum GesmbH
- A&O Gesundheitsprojekte
So führte z.B. die Gesundheit Österreich (GÖG) 2011/12 im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit, des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger und der Gesundheitsabteilung des Landes Steiermark auf Bundesebene eine umfassende GFA zum verpflichtenden Kindergartenjahr durch [17]. Sie sollte dazu dienen, die potenziellen – positiven wie auch negativen – Gesundheitsauswirkungen des verpflichtenden Kindergartenjahrs zu analysieren und zu bewerten. In der steirischen Stadt Kapfenberg wurde im Rahmen einer GFA die geplante Neugestaltung eines öffentlichen Platzes analysiert (Oktober 2013 bis Jänner 2014) [18]. Das Institut für Gesundheitsförderung und Prävention und Styria vitalis führten im Jahr 2013 eine GFA zur Ganztagsschule in Österreich durch [19].
Weitere Anwendungsbeispiele der GFA findet man auf internationaler Ebene – siehe dazu z.B. HIA Gateway (http://www.hiagateway.org.uk/) oder WHO Website (http://www.who.int/hia/en/). So wurde in Großbritannien z.B. der Entwurf einer Abfallmanagementstrategie für Wales im Auftrag der walisischen Regierung einer GFA unterzogen [20]. Die Auswirkungen der „Europäischen Beschäftigungsstrategie“ auf die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland wurden 2004 im Rahmen einer GFA analysiert [21]. Für Glasgow wurde 2008/09 eine GFA durchgeführt, um die Gesundheitsfolgen der Commonwealth Games 2014 abzuschätzen [22].
5 Gegenüberstellung von HTA und GFA – Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Gemeinsamkeiten der beiden Instrumente betreffen im Wesentlichen die Vielfalt der untersuchten Themenbereiche, den Einsatz vorhandener Evidenz bzw. deren Generierung, die Berücksichtigung sozialer und ethischer Aspekte und die Entwicklung einer „Infrastruktur“, in deren Rahmen die Instrumente angewendet werden. Ausgewählte Unterschiede zwischen HTA und GFA werden in Tabelle 3 [Tab. 3] dargestellt.
Analog zu den Ausführungen über die möglichen Abweichungen zwischen Theorie und Praxis (vgl. Kapitel 3), können je nach situationsspezifischer Anwendung die Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede zwischen den beiden Instrumenten in der Praxis auch größer oder kleiner ausfallen als im vorliegenden Vergleich der theoretischen Konzepte.
HTA und GFA sind Instrumente, die Wissen aufbereiten und mit deren Ergebnissen und Empfehlungen Entscheidungsprozesse unterstützt werden können. In Österreich besteht jedoch für Entscheidungsträger/-innen keine Verpflichtung, die mithilfe dieser Methoden gewonnenen Informationen zu berücksichtigen (siehe Exkurs). Auch wenn beide Verfahren Auswirkungen auf die Gesundheit untersuchen, besteht ein wesentlicher Unterschied darin, dass das HTA sehr spezifische Fragestellungen hinsichtlich Wirksamkeit, Wirtschaftlichkeit sowie ethischer, sozialer, rechtlicher und/oder organisatorischer Aspekte behandelt, z.B.:
- Wie ist die Effektivität eines stationären Rehabilitationsaufenthaltes (Phase II) bei Patientinnen und Patienten im Alter ab 18 Jahren bezüglich international anerkannter Outcome-Parameter zwölf Monate nach Rehabilitationsaufenthalt zu bewerten? (Frage zur Wirksamkeit);
- Wird die Effektivität eines Rehabilitationsaufenthaltes durch soziodemographische Merkmale der Rehabilitanden beeinflusst? (Frage zu sozialen Aspekten);
- Wie ist Rehabilitation in Österreich rechtlich verankert und wie sind die Zuständigkeitsbereiche für Rehabilitation gesetzlich geregelt? (Frage zu rechtlichen Aspekten).
Die GFA hingegen versucht, alle potenziell positiven wie negativen Gesundheitsfolgen eines Vorhabens und deren Verteilung in der Bevölkerung zu erfassen. Beispielsweise wurde in Österreich 2011/12 eine umfassende GFA zum verpflichtenden Kindergartenjahr durchgeführt, bei der potenzielle Auswirkungen auf die Gesundheit der Kinder, der Eltern und der in Kinderbildungs- und Kinderbetreuungseinrichtungen tätigen Pädagoginnen und Pädagogen berücksichtigt wurden.
Auch wenn die übergeordneten Ziele beider Instrumente die Verbesserung der Gesundheit sowie die Unterstützung von Entscheidungsträgerinnen und -trägern sind, setzen sie dabei unterschiedliche Schwerpunkte. Während ein HTA vorrangig Gesundheitstechnologien – im weitesten Sinn – analysiert, werden im Rahmen einer GFA die potenziellen Auswirkungen von Vorhaben auf die Gesundheit identifiziert und bewertet. Die primäre Zielgruppe des HTA ist der Gesundheitssektor. Bei der GFA stellt dieser die sekundäre Zielgruppe dar, da hier vorrangig Sektoren außerhalb des Gesundheitsbereiches adressiert werden. Daraus resultieren auch die unterschiedlichen Anwendungsgebiete und die betrachteten Themen(bereiche). Während das HTA vorwiegend im Zusammenhang mit Gesundheits- und medizinischen Technologien angewendet wird, werden im Rahmen einer GFA vorrangig Vorhaben, die außerhalb des Gesundheitsbereichs angesiedelt sind, analysiert. Damit leistet die GFA einen wichtigen Beitrag zur Förderung von Health in All Policies (HiAP).
Das Herzstück des HTA ist die systematische Literatursuche in internationalen Datenbanken zur jeweiligen Fragestellung unter Berücksichtigung vorher festgelegter Selektionskriterien; der Fokus liegt dabei auf bereits vorhandenen und definierten Endpunkten. Systematische Literaturrecherche und ergänzende Handsuche finden in spezifischen Datenbanken bzw. auf einschlägigen Websites statt. Sie können durch den etwaigen Einsatz qualitativer Methoden (z.B. Interviews, Fragebogenerhebung, Fokusgruppendiskussionen) zur Gewinnung zusätzlicher Daten ergänzt werden. Die eingeschlossenen Studien werden im Folgenden bezüglich ihrer Validität bewertet und die Studienergebnisse extrahiert. Anschließend wird eine Synthese der aufbereiteten (medizinischen) Evidenz erstellt – unter Berücksichtigung der Stärke der Gesamtheit der Evidenz. Diese Stärke drückt das Ausmaß des Vertrauens aus, dass die vorhandene Evidenz den Effekt der Technologie, der Intervention bzw. die Bedeutung des Risikofaktors richtig einschätzt. Als Bewertungskriterien werden u.a. Unterschiede in Studiendesigns, interne Validität der Studien, Konsistenz der Ergebnisse, Größe und Präzision des ermittelten Effekts herangezogen. Eine detaillierte Dokumentation der Methodik (z.B. Suchstrategie) und der Ergebnisse ist unerlässlich. Dabei besteht der Anspruch, die beste verfügbare, qualitätsgesicherte Evidenz für die entsprechende Forschungsfrage zusammenzufassen. Partizipation von Betroffenen spielt bei der Durchführung eines klassischen HTA eine eher untergeordnete Rolle. Jedoch kann für bestimmte Fragestellung wie z.B. aus dem Bereich Public Health die Einbeziehung von Expertinnen/Experten und Betroffenen ein wesentlicher Bestandteil der Erstellung eines HTA sein.
Bei der GFA kommen Hierarchien bzw. Gewichtungen kaum zum Einsatz, der Umgang mit wissenschaftlicher Evidenz stellt einen wesentlichen Unterschied zwischen den beiden Methoden dar. Grund dafür ist, dass bei der GFA auch Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung gegeben sein könnten, die (bis jetzt) nicht im Rahmen einer Publikation berücksichtigt wurden bzw. im betrachteten Setting die Auswirkungen des geplanten Vorhabens auf die Betroffenen von den in der Literatur dargestellten Ergebnissen abweichen. Genau diese Auswirkungen würden aber ohne Partizipation der Betroffenen übersehen werden. So hätte z.B. das zweite verpflichtende Kindergartenjahr negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Pädagoginnen und Pädagogen, wenn keine Veränderung der Rahmenbedingungen stattfinden würde.
Wie oben bereits erwähnt, wird bei einer GFA auch eine Literatursuche durchgeführt, allerdings nicht in dem Ausmaß und mit dem systematischen Vorgehen, wie sie für ein HTA stattfindet. Die Suche erfolgt eher zweckgerichtet: Publikationen, die für das Thema der GFA – auch im weiteren Sinn – relevant sind, werden gesichtet und deren Ergebnisse für das weitere Vorgehen berücksichtigt. Dabei kann eine GFA in jedem Status (prospektiv, gleichzeitig, retrospektiv), in dem sich das zu untersuchende Vorhaben befindet, durchgeführt werden. Bei einer kompakten oder einer umfassenden GFA wird nicht nur bereits vorhandene Evidenz verwendet, sondern gegebenenfalls werden auch Erhebungen von Primärdaten durchgeführt, bei denen das Wissen der von dem Vorhaben Betroffenen im Vordergrund steht und Partizipation eine wesentliche Rolle spielt. Auch im Rahmen eines HTA kann festgestellt werden, dass Evidenz zum Thema noch nicht vorliegt und Forschungsbedarf besteht – gegebenenfalls können Maßnahmen zur zusätzlichen Datengenerierung (z.B. durch Fragebögen oder Interviews) eingesetzt werden – eine Vorgehensweise, die bis jetzt allerdings selten Anwendung findet.
Bei der GFA wird für die Bewertung von potenziellen Auswirkungen auf die Gesundheit der für die GFA zusammengestellte intersektorale Lenkungsausschuss mit einbezogen. Da dieser aus verschiedenen Akteurinnen und Akteuren, wie z.B. Personen der Verwaltung, Berufsvertretungen und Betroffenen besteht, können hier die unterschiedlichen Sichtweisen eingebracht und berücksichtigt werden.
Für beide Instrumente haben sich in den letzten Jahren gewisse Strukturen und eigene „Kulturen“ ausgebildet, was sich an der Entwicklung spezifischer Institutionen, Ausbildungen und Konferenzen zeigt. In diesem Zusammenhang wurden auch spezifische Handbücher, Leitfäden und Datenbanken erstellt.
Exkurs: Situation von HTA und GFA in Österreich
Die Durchführung eines HTA in Österreich dient der Entscheidungsunterstützung für Auftraggeber/innen. Wie in vielen anderen Ländern gibt es auch in Österreich keine rechtliche Verpflichtung für die Durchführung eines HTA bzw. einer GFA. Rechtliche Grundlagen für den verstärkten Einsatz des HTA in Österreich schaffen das Gesundheitsqualitätsgesetz [23] sowie die Vereinbarung vom 1. Jänner 2008 gemäß Artikel 15a Bundesverfassungsgesetz über die Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens [24].
Obwohl in Österreich das HTA etablierter als die GFA ist und eine direkte Auftragsvergabe in größerem Ausmaß stattfindet, ist eine systematische Evaluierung medizinischer Leistungen auf ihren tatsächlichen Nutzen (mit Ausnahme bei der Aufnahme von Arzneimitteln in den Erstattungskodex) nirgendwo direkt gesetzlich vorgeschrieben. Um das HTA zielgerichtet in versorgungspolitische Entscheidungsprozesse zu integrieren, wurde gemeinsam mit Vertreterinnen/Vertretern von Bund, Ländern und Sozialversicherung sowie unter Einbeziehung nationaler und internationaler Expertinnen/Experten eine Nationale HTA-Strategie erarbeitet. Die Nationale HTA-Strategie wurde von der GÖG koordiniert und in einem Bottom up-Prozess entwickelt. Sie wurde im Jahr 2010 publiziert (siehe http://www.goeg.at/de/BerichtDetail/Nationale-HTA-Strategie198.html).
Als ein Output der Nationalen HTA-Strategie wurde unter Koordination der Gesundheit Österreich im Auftrag des BMG und in Kooperation mit anderen nationalen HTA-Anbietern (Ludwig Boltzmann-Institut für HTA, Donau-Universität Krems, UMIT, Grazer EBM-Center) ein nationales Methodenhandbuch für HTA (Version 1/2012) [1] erstellt, um in Österreich einheitliche methodische Standards zu etablieren. Das Prozesshandbuch [4] stellt einen weiteren Beitrag der Nationalen HTA-Strategie dar und beschreibt die wichtigsten Eckpunkte und die standardmäßig vorgesehenen Arbeitsschritte bei der Erstellung von HTA-Berichten.
Im Rahmen der HTA-Strategie wurde auch ein Internet-Tool, der HTA-Guide, entwickelt. Er bietet einen Überblick zum Thema Gesundheitstechnologiebewertung im Allgemeinen und zu Institutionen, Ergebnissen und Quellen des HTA in Österreich, in ausgewählten Ländern und länderübergreifend. Um die Informationen auf dem letzten Stand zu halten, wird der HTA-Guide laufend gewartet und aktualisiert (http://hta-guide.biqg.at/).
Mit der Gesundheitsreform 2013 einigten sich Bund, Länder und Sozialversicherung darauf, ein partnerschaftliches Zielsteuerungssystem zur Planung, Organisation und Finanzierung der österreichischen Gesundheitsversorgung einzurichten. Kern dieser Gesundheitsreform ist eine sektorenübergreifende Zielsteuerung, die eine bessere Abstimmung zwischen den Versorgungsbereichen ermöglicht. Im Juni 2013 einigten sich Bund, Länder und Sozialversicherung auf den Inhalt des ersten „Bundes-Zielsteuerungsvertrages“ (B-ZV) für die Jahre 2013 bis 2016. Im B-ZV sind strategische und operative Ziele und Maßnahmen festgelegt. Unter anderem ist im B-ZV das operative Ziel „Evidenzbasierung (HTA/EBM) von Diagnose- und Behandlungsmethoden und Gesundheitsförderungsmaßnahmen sektorenübergreifend und anwendungsorientiert schrittweise etablieren“ verankert (siehe http://www.bmg.gv.at/cms/home/attachments/6/0/5/CH1443/CMS1371563907633/b-zv_urschrift.pdf).
Bei diesem Prozess wird die Fachgruppe Qualität von der GÖG wissenschaftlich begleitet. Als eine der beschlossenen Maßnahmen wurde eine externe Evaluierung der Nationalen HTA-Strategie vorgenommen, da die Zielsetzung einer „systematischen“ Verankerung des HTA noch nicht gelungen ist. Die Evaluierung wurde im Jahr 2015 vorgenommen. Auf Basis der Ergebnisse der Evaluierung folgen die nächsten Schritte, u.a. ist im B-ZV bereits vorgesehen, dass eine Weiterentwicklung der Nationalen HTA-Strategie – insbesondere in Bezug auf Kosten-Nutzenbewertungen – vorzunehmen ist.
Bezüglich des Einsatzes der GFA in Österreich findet sich eine Reihe von Verweisen in strategischen Dokumenten bzw. Beschlüssen. So wird z.B. in den Beschlüssen des Ministerrats und der Bundesgesundheitskommission zu den Rahmen-Gesundheitszielen für Österreich die GFA als zentrale Maßnahme zur Erfüllung dieser Ziele bezeichnet. In der „Nationalen Strategie öffentliche Gesundheit“ wird die Veranlassung von bzw. die Mitwirkung bei der GFA als eine zukünftige Aufgabe des Öffentlichen Gesundheitsdienstes im Bereich Gesundheitsförderung vorgeschlagen.
In der Steiermark ist die GFA Teil der Gesundheitsförderungsstrategie Steiermark und wird außerdem in den Gesundheitszielen Steiermark als Beispiel für eine mögliche Maßnahme zum Ziel „Gesundheit in alle Politikbereiche bringen“ dargestellt. Die Gesundheitsziele Oberösterreich schlagen im Zusammenhang mit dem Ziel 10 „Verantwortung für Gesundheit gemeinsam wahrnehmen“ ebenfalls weitere Maßnahmen zur GFA vor.
Im Jahr 2009 wurde im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) von der Gesundheit Österreich (GÖG) ein Konzept zur Etablierung der GFA (bzw. von Health Impact Assessment) erarbeitet [2], das einen längerfristigen Plan zum Kapazitätsaufbau in Österreich beinhaltet.
Seit 2010 wird dieses Konzept – ebenfalls im Auftrag des BMG – von der GÖG in Kooperation mit einem Netzwerk von Partnerinnen/Partnern umgesetzt. Der Schwerpunkt liegt dabei zunächst auf Bewusstseinsbildung (Website: http://gfa.goeg.at/, Newsletter, Fachtagungen, Präsentationen, Artikel etc.), auf dem Auf- und Ausbau eines nationalen GFA-Netzwerks, auf Maßnahmen in Hinblick auf Personalentwicklung (GFA-Schulungen) und auf der Erarbeitung eines Leitfadens [3]. Als wichtiger Schritt zur Etablierung der GFA in Österreich wurde 2011/12 ein Pilotprojekt zum verpflichtenden Kindergartenjahr durchgeführt, um zu lernen, Methoden zu erproben und ein österreichisches Referenzprojekt für die Informationsarbeit in Händen zu haben [17]. Die Erfahrungen mit der Durchführung des Pilotprojekts wurden dokumentiert [25] und evaluiert [26], damit sie als Unterstützung für weitere Gesundheitsfolgenabschätzungen zugänglich sind.
Im Jahr 2013 wurde von GÖG/ÖBIG in Kooperation mit Fachleuten des österreichischen GFA-Netzwerks ein österreichischer GFA-Leitfaden [3] erarbeitet, der eine Grundlage für eine einheitliche methodische Vorgehensweise bietet.
Auf regionaler Ebene gibt es vor allem in der Steiermark Aktivitäten: So ist 2012 ein steirisches GFA-Netzwerk eingerichtet und 2013 ein GFA-Pilotprojekt zum Thema Ganztagsschule durchgeführt worden; auch die Stadt Graz hat diesbezügliche Schritte gesetzt und das Thema GFA in das österreichische Gesunde Städte-Netzwerk eingebracht.
6 Diskussion
Beide betrachteten Instrumente folgen einem systematischen Ablauf – in Form von Phasen bzw. Schritten. Dieses systematische Vorgehen bzw. die Arbeiten in den jeweiligen Phasen werden im entsprechenden (Ergebnis-)Bericht transparent dargestellt, wodurch Rückschlüsse und Empfehlungen der Durchführenden für die Leser/innen nachvollziehbar dargestellt werden. Auf diese Berichte können sich Entscheidungsträger/innen bei ihrer Entscheidungsfindung (öffentlich) beziehen und somit die (politische) Entscheidungsfindung ein Stück weit transparenter gestalten. Fraglich ist jedoch, wie Entscheidungsträger/innen mit Berichten umgehen, die nicht das Ergebnis aufzeigen, das strategisch erwünscht gewesen wäre.
Einen zentralen Unterschied zwischen HTA und GFA stellt der Umgang mit Evidenz dar. Während ein HTA beansprucht, die beste verfügbare Evidenz (meist in Form von publizierten Studienergebnissen) zu identifizieren, werden bei der GFA die Resultate des Literaturstudiums mit anderen Analysen sowie dem Wissen von Expertinnen/Experten und den betroffenen Akteurinnen/Akteuren gleichgestellt. Bei der GFA werden unterschiedliches Wissen und Evidenz unterschiedlicher Qualität einbezogen. Das wird von manchen Personen als Schwäche gesehen, da keine Bewertung von Stärke bzw. Qualität der Gesamtheit der Evidenz erfolgt. Dieses Vorgehen stellt aber einen zentralen Aspekt eines HTA-Berichts dar und vermittelt den Leserinnen und Lesern, wie gut die zugrunde liegende Evidenz ist, und inwieweit die vorhandene Evidenz den Effekt der Technologie, der Intervention bzw. die Bedeutung des Risikofaktors richtig einschätzt. Es ist jedoch zu bedenken, dass die GFA Maßnahmen betrachtet, die komplexe Auswirkungen auf die Gesundheit von bestimmten Bevölkerungsgruppen haben können. Wie Elliott und Williams [27] festhalten, werden bei der Durchführung einer GFA verschiedene Arten von Evidenz zusammengeführt, indem wissenschaftliche Erkenntnisse und Alltagswissen kombiniert werden. Die alleinige Betrachtung von wissenschaftlicher Evidenz würde für die Analyse der Auswirkungen zu kurz greifen, da möglicherweise nicht alle potenziellen Auswirkungen in der Literatur beschrieben sind, sondern erst durch Gespräche mit Betroffenen zum Vorschein kommen. Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass die Kritik über die Verwendung von wissenschaftlichem und laienbezogenem Wissen bei einer GFA als Stärke des Instruments gesehen werden kann, da damit auch die Erfahrungen der vom jeweiligen Vorhaben Betroffenen berücksichtigt werden.
Durch das partizipative Element kann sich die Komplexität des GFA-Prozesses erhöhen, Partizipation unterstützt jedoch wesentlich bei der Identifizierung und Bewertung der potenziellen Auswirkungen auf die Gesundheit der Betroffenen. Außerdem kann durch die Beteiligung der betroffenen Personen deren Akzeptanz des geplanten Vorhabens erhöht werden. Diese Akzeptanz kann beispielsweise durch die Bereitstellung von näheren Informationen zum geplanten Vorhaben oder durch die Diskussion von Ergebnissen aus der Literatursuche gefördert werden. Des Weiteren können im Rahmen der Partizipation Erfahrungen und Wünsche der betroffenen Personen erhoben und für die Empfehlungen der GFA verwendet werden. Eine nachhaltige Akzeptanz des Vorhabens kann jedoch nur dann entstehen, wenn sich in den Ergebnissen der GFA die Beiträge der Betroffenen wiederfinden und von den Entscheidungsträgerinnen und -trägern bei der Umsetzung berücksichtigt werden.
Wie bereits erwähnt, wird im Rahmen einer GFA wie bei einem HTA auch eine Literatursuche durchgeführt. Der gravierende Unterschied besteht darin, dass bei einer GFA eher zweckgerichtet und nicht so systematisch und umfassend gesucht wird wie bei einem HTA. Die Ergebnisse eines HTA können eine Bereicherung für das Literaturstudium im Zuge einer GFA darstellen und der oben genannten Kritik entgegen wirken. Es ist jedoch festzuhalten, dass bis dato in Österreich noch keine HTA-Ergebnisse für eine GFA herangezogen wurden. Die kombinierte Vorgehensweise von HTA und GFA zum selben Thema könnte für Entscheidungsträger/-innen die umfassendste Informationsbasis darstellen und einen spannenden Prozess für alle Beteiligten ergeben.
Bei einer kombinierten Vorgehensweise gilt es jedoch zu bedenken, dass die Durchführung eines HTA meist länger dauert und die GFA zur Einbeziehung der HTA-Ergebnisse zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt werden würde. Wenn es sich hierbei zusätzlich um eine umfassende GFA handelt, würden die Ergebnisse beider Instrumente erst entsprechend spät vorliegen. Hierbei ist natürlich nicht nur der Zeit-, sondern der gesamte Ressourcenaufwand für HTA und GFA zu bedenken.
Eine zentrale Gemeinsamkeit der beiden Instrumente ist das übergeordnete Ziel, eine evidenzbasierte Entscheidungsfindung zu unterstützen. Daher erscheint es sinnvoll, die Stärke der systematischen Literaturrecherche und -bewertung eines HTA mit der Partizipation von Betroffenen und anderen relevanten Akteurinnen und Akteuren einer GFA zu kombinieren. Insbesondere bei großen, möglicherweise kontrovers diskutierten Vorhaben würde sich das kombinierte Vorgehen für eine informations- bzw. evidenzbasierte Entscheidungsfindung anbieten. Ein hemmender Aspekt für die kombinierte Durchführung könnte die Zeit- und Kostenintensität sein, die bei einem derartigen Vorgehen zu vermuten ist.
Oben wurde ausführlich über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede von HTA und GFA berichtet. Im Rahmen der European Public Health (vormals EUPHA) Conference 2014 in Glasgow wurde beim jährlichen Treffen der „Health Impact Assessment Section“ das Thema Bewusstseinsbildung angesprochen. Hierbei wurde u.a. erwähnt, dass aufgrund der Ähnlichkeit von GFA, HTA und weiteren „Health Needs Assessment“ eine gemeinsame, zielgerichtete Strategie zur Bewusstseinsbildung angedacht werden könnte. In diesem Zusammenhang wäre es möglich, umfassende Trainings für Fachpersonen und Studierende anzubieten, die alle genannten „Health Assessments“ thematisieren. Immerhin ist es wichtig, die Anwendung aller erwähnten Methoden im Gesundheitsbereich, aber vor allem auch darüber hinaus, zu fördern.
Abschließend soll erwähnt werden, dass sich die vorliegenden Schlussfolgerungen auf die Situation von HTA und GFA in Österreich beziehen. Einen detaillierten bzw. angemessenen Vergleich zwischen unterschiedlichen (EU-) Ländern könnte ein eigenes Projekt liefern. In dieses sollten idealerweise alle relevanten, nationalen Akteurinnen und Akteure in den Bereichen HTA und GFA einbezogen sein – entweder als Projektpartner/innen oder zumindest durch Befragung. Ein solch umfassender Vergleich mit Beteiligung von Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Ländern wäre für den internationalen Diskurs sicherlich bereichernd. Die Komplexität eines derartigen Projekts steht jedoch außer Frage, wobei zusätzlich von hoher Ressourcenintensität ausgegangen werden kann.
Anmerkungen
Danksagung
Die Autorinnen danken Sabine Haas, Daniela Pertl und Ingrid Rosian-Schikuta (Gesundheit Österreich GmbH, Wien, Österreich) für ihre Mitarbeit.
Interessenkonflikte
Die Autorinnen erklären, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel haben.
Literatur
- 1.
- Fröschl B, Bornschein B, Brunner-Ziegler S, Conrads-Frank A, Eisenmann A, Gartlehner G, Ludwig Grillich L, Kaminski A, Mühlberger N, Pertl D, Schnell-Inderst P, Sroczynski G, Siebert U, Thaler K, Wild C, Wurm J, Zechmeister I. Methodenhandbuch für Health Technology Assessment, Version 1.2012. Wien: Bundesinstitut für Qualität im Gesundheitswesen, Gesundheit Österreich GmbH; 2012. Verfügbar unter: http://hta.lbg.ac.at/uploads/tableTool/UllCmsPage/gallery/Methodenhandbuch.pdf
- 2.
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