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GMS Health Innovation and Technologies

EuroScan international network e. V. (EuroScan)

ISSN 2698-6388

Infektionsschutz in der Knieendoprothetik

HTA-Kurzfassung

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  • corresponding author Vitali Gorenoi - Abteilung für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland
  • author Matthias P. Schönermark - Abteilung für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland
  • author Anja Hagen - Abteilung für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland

GMS Health Technol Assess 2010;6:Doc10

doi: 10.3205/hta000088, urn:nbn:de:0183-hta0000887

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/hta/2010-6/hta000088.shtml

Veröffentlicht: 15. Juli 2010

© 2010 Gorenoi et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.

Der vollständige HTA Bericht in deutscher Sprache ist verfügbar unter: http://portal.dimdi.de/de/hta/hta_berichte/hta264_bericht_de.pdf


Zusammenfassung

Wissenschaftlicher Hintergrund

Künstliche Gelenke (Gelenkendoprothesen), darunter auch Kniegelenkendoprothesen, werden bei nicht umkehrbaren Veränderungen der menschlichen Gelenke eingesetzt. Die Implantation (Einpflanzung) einer Gelenkendoprothese ist mit einem erhöhten Risiko für Infektionen verbunden. Zur Vorbeugung von Infektionen werden bestimmte Infektionsschutzmaßnahmen ohne und mit Einsatz von Antibiotika (Hygienemaßnahmen und Antibiotikaprophylaxe) eingesetzt. Der Stellenwert der verschiedenen Maßnahmen ist allerdings unklar.

Fragestellung

Es stellt sich die Frage nach der klinischen Wirksamkeit, der Kosten-Wirksamkeit sowie nach ethischen, sozialen und juristischen Aspekten beim Einsatz von Infektionsschutzmaßnahmen in der Knieendoprothetik.

Methodik

Eine systematische Literaturrecherche wird in den medizinischen elektronischen Datenbanken MEDLINE, EMBASE, SciSearch etc. im Juni 2009 durchgeführt und durch eine Handsuche ergänzt. Es werden Literaturstellen in die Analyse einbezogen, die klinische Daten aus randomisierten kontrollierten Studien (RCT), systematischen Übersichten von RCT, Endoprothesenregistern oder Datenbanken zu Infektionsschutzmaßnahmen in der Knieendoprothetik beschreiben bzw. bewerten.

Bei der durchgeführten Literaturrecherche wird auch nach gesundheitsökonomischen Studien und Publikationen mit expliziter Betrachtung von ethischen, sozialen sowie juristischen Aspekten des Einsatzes von Infektionsschutzmaßnahmen in der Knieendoprothetik gesucht. Die Informationssynthese aus verschiedenen Quellen erfolgt qualitativ.

Ergebnisse

Die systematische Literaturrecherche ergibt insgesamt 1.030 Treffer. Aufgrund der festgelegten Ein- und Ausschlusskriterien werden zehn Publikationen in die Auswertung einbezogen.

Ein Wirksamkeitsnachweis für die Anwendung von verschiedenen Hygienemaßnahmen auf hoher Evidenzebene wird durch die vorliegende Arbeit nicht gefunden. Die meisten der unspezifischen Interventionen werden auf Basis von Ergebnissen aus Nicht-RCT ggf. aus Studien zu unterschiedlichen klinischen Indikationen bzw. zu klinisch nicht relevanten Endpunkten sowie aufgrund von Expertenbeschlüssen empfohlen.

Der Wirksamkeitsnachweis für die intravenöse Prophylaxe mit Antibiotika in der Knieendoprothetik auf hoher Evidenzebene fehlt ebenfalls. Bei den Empfehlungen wird die Evidenz aus RCT zur intravenösen Antibiotikaprophylaxe in der Hüftendoprothetik auf die Endoprothetik aller Gelenke einschließlich Kniegelenkersatz übertragen. Es liegt außerdem keine Evidenz für Unterschiede der Wirksamkeit verschiedener Antibiotika in der Knieendoprothetik vor. Starke Hinweise für die Wirksamkeit des Einsatzes eines Antibiotikums im Zement zusätzlich zu einer intravenösen Prophylaxe liegen vor, ein Wirksamkeitsnachweis kann jedoch nur für Operationsräume ohne spezielle Reinluftraumausrüstung angenommen werden.

Diskussion

Die Aussagekraft der Ergebnisse aus Nicht-RCT und aus Studien für klinisch nicht relevante Endpunkte ist ziemlich gering. Die ermittelte Evidenz aus Studien zu unterschiedlichen klinischen Indikationen kann grundsätzlich auf Knieersatzoperationen übertragen werden.

Schlussfolgerungen

Durch die vorliegende Analyse können keine Vorschläge zur Änderung der Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts hinsichtlich Hygienemaßnahmen und intravenöser Antibiotikaprophylaxe gemacht werden. Aus den vorliegenden Daten lassen sich keine Empfehlungen zur Auswahl bestimmter Antibiotika ableiten. Der Einsatz eines Antibiotikums im Zement zusätzlich zur intravenösen Prophylaxe ist grundsätzlich zu empfehlen.

Die Kosten-Wirksamkeit verschiedener Infektionsschutzmaßnahmen in der Knieendoprothetik bleibt unklar. Es gibt keine Hinweise, dass beim Einsatz von Infektionsschutzmaßnahmen ethische, soziale bzw. juristische Konsequenzen zu befürchten sind.

Schlüsselwörter: Knie, Kniegelelenk, Kniegelenkersatz, Kniegelenkersatz, totaler, Kniegelenkprothesen, Arthroplastik, Prothesen und Implantate, Prothesenimplantation, Infektion, Protheseninfektion, Infektionsschutzmaßnahmen, systematische Übersicht, Technikfolgenabschätzung, Technikfolgenbewertung, biomedizinische


Kurzfassung

Gesundheitspolitischer und wissenschaftlicher Hintergrund

Zur Minderung von Bewegungseinschränkungen und Schmerzen der Betroffenen bei nicht umkehrbaren Veränderungen der Gelenke und zur Verbesserung ihrer Lebensqualität werden unter anderem häufig künstlich angefertigte und im Körper verankerte Ersatzgelenke, sogenannte Gelenkendoprothesen, darunter auch Kniegelenkendoprothesen, eingesetzt. Die Zahl der Erstimplantationen von Knie-Totalendoprothesen und die Zahl der Wechseloperationen von Knieendoprothesen (einschließlich Wechsel einzelner Teile) sind mit 146.052 bzw. 10.387 Eingriffen im Jahr 2008 hoch. Angesichts der demografischen Entwicklung ist davon auszugehen, dass Kniegelenkersatz in der Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen wird.

Die Implantation eines künstlichen Gelenks ist mit den generellen Risiken eines größeren operativen Eingriffs und den für die Endoprothetik spezifischen Risiken verbunden, vor allem mit dem Risiko für Infektionen um das eingelegte Endoprothesenmaterial herum. Eine Infektion nach einer Gelenkersatzoperation ist eine relativ seltene aber schwerwiegende Komplikation, die unter anderem zu wiederholten Operationen, Einschränkung der Patientenmobilität bis hin zum Tod führen kann. Bei steigender Anzahl von Gelenkersatzoperationen erhalten diese Infektionen eine zunehmende Bedeutung und verursachen hohe Kosten.

Maßnahmen zur Vorbeugung von Infektionen werden als Infektionsschutzmaßnahmen bezeichnet. Diese Maßnahmen können prä-, peri- sowie postoperativ erfolgen. Dabei werdenInterventionen ohne und mit Einsatz von Antibiotika (Hygienemaßnahmen und Antibiotikaprophylaxe) unterschieden. Viele Hygienemaßnahmen sowie perioperative systematische Antibiotikaprophylaxe sind nicht spezifisch für die Gelenkendoprothetik. Eine Besonderheit bei der Gelenkendoprothetik stellt die Möglichkeit zur lokalen Applikation von Antibiotika im Knochenzement dar.

Systematische Übersichten zum Stellenwert der Hygienemaßnahmen sowie der Antibiotikaprophylaxe bei der Kniegelenkendoprothetik fehlen noch. Die medizinische Wirksamkeit, die Kosten-Wirksamkeit sowie ethische, soziale und juristische Implikationen dieser Interventionen sind somit nicht eindeutig und werden in dem vorliegenden Bericht systematisch bewertet.

Fragestellung

Medizinische Bewertung

Die medizinische Bewertung wird folgende Frage bearbeiten:

Wie ist die Wirksamkeit der Infektionsschutzmaßnahmen in der Knieendoprothetik?

Gesundheitsökonomische Bewertung

Die gesundheitsökonomische Bewertung soll folgende Frage beantworten:

Wie ist die Kosten-Wirksamkeit der Infektionsschutzmaßnahmen in der Knieendoprothetik?

Ethische, soziale und juristische Bewertung

Die ethische, soziale und juristische Bewertung wird folgende Frage bewerten:

Welche ethischen, sozialen und juristischen Implikationen sind bei Infektionsschutzmaßnahmen in der Knieendoprothetik zu erwarten?

Methodik

Medizinische Bewertung

Die systematische Literaturrecherche wird in den medizinischen elektronischen Datenbanken MEDLINE, EMBASE, SciSearch etc. im Juni 2009 durchgeführt und auf die Sprachen Deutsch und Englisch beschränkt. In die Bewertung werden ausschließlich veröffentlichte Daten aufgenommen. Zwei unabhängige und mit dem Vorgehen der evidenzbasierten Medizin vertraute Reviewer sind bei der Selektion der relevanten Publikationen beteiligt.

Es werden Literaturstellen in die Analyse einbezogen, die Daten aus randomisierten kontrollierten Studien (RCT), systematischen Übersichten von RCT, Endoprothesenregistern oder Datenbanken für mehrere klinische Zentren zu Infektionsschutzmaßnahmen in der Knieendoprothetik beschreiben bzw. bewerten. Als Infektionsschutzmaßnahmen werden im vorliegenden nur Interventionen mit der expliziten Zielsetzung, die Raten an Infektionen bei der Kniegelenkendoprothesierung zu verringern, betrachtet (d. h. keine Bluttransfusionen etc.).

Zusätzlich wird eine Handsuche in den Referenzlisten der relevanten Artikel sowie auf den Internetseiten der entsprechenden Gelenkendoprothesenregister (z. B. Jahresberichte) hinsichtlich weiterer Informationen zu Infektionsschutzmaßnahmen in der Knieendoprothetik durchgeführt.

Da die Infektionsschutzmaßnahmen in der Knieendoprothetik sehr vielfältig und meist unspezifisch sind, wird als Grundlage der Bewertung die Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim Robert-Koch-Institut (RKI) „Prävention postoperativer Infektionen im Operationsgebiet“ verwendet. Anschließend erfolgt die Auswertung der identifizierten systematischen Übersichten zu Hygienemaßnahmen in der Knieendoprothetik.

Die Bewertung des Stellenwerts der Antibiotikaprophylaxe in der Knieendoprothetik erfolgt auf Basis der systematischen Übersichten sowie der neu publizierten und deswegen in diesen systematischen Übersichten nicht berücksichtigten RCT. Es werden Daten zum Vergleich von Antibiotikaprophylaxe (intravenös bzw. im Zement) vs. keine Antibiotikaprophylaxe, intravenöse Antibiotikaprophylaxe vs. Antibiotikaprophylaxe im Zement, kombinierte Antibiotikaprophylaxe (intravenös und im Zement) vs. alleinige Antibiotikaprophylaxe (intravenös bzw. im Zement) und zum Vergleich verschiedener Medikamente zur Antibiotikaprophylaxe untereinander einbezogen. Studien zum Vergleich von verschiedenen Medikamentendosierungen und -dosisaufteilungen werden nicht betrachtet.

Die Informationssynthese aus verschiedenen Quellen erfolgt qualitativ.

Gesundheitsökonomische Bewertung

Bei der durchgeführten Literaturrecherche (wie oben beschrieben) werden Literaturstellen ausgewählt, die gesundheitsökonomische Bewertungen aus RCT, systematischen Übersichten von RCT, Endoprothesenregistern oder Datenbanken zum Einsatz von Infektionsschutzmaßnahmen in der Knieendoprothetik beschreiben bzw. bewerten.

Ethische, soziale und juristische Bewertung

Es wird bei der durchgeführten Literaturrecherche (wie oben beschrieben) auch nach Publikationen mit expliziter Betrachtung von ethischen, sozialen sowie juristischen Aspekten des Einsatzes von Infektionsschutzmaßnahmen in der Knieendoprothetik gesucht.

Ergebnisse

Medizinische Bewertung
Ergebnisse der Literaturrecherche

Die systematische Literaturrecherche ergibt insgesamt 1.030 Treffer. Aufgrund der festgelegten Ein- und Ausschlusskriterien werden insgesamt zehn durch die Literaturrecherche und eine durch die Handsuche identifizierte Publikationen in die Auswertung einbezogen.

Als Grundlage der Bewertung von Hygienemaßnahmen wird die Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim RKI „Prävention postoperativer Infektionen im Operationsgebiet“ verwendet. Von weiteren Publikationen zu Hygienemaßnahmen in der Knieendoprothetik wird nur eine systematische Übersicht einbezogen.

Zur Antibiotikaprophylaxe in der Knieendoprothetik werden insgesamt vier systematische Übersichten identifiziert. Eine dieser systematischen Übersichtsarbeiten hat gleichzeitig das letzte Recherchedatum und die höchste Anzahl an berücksichtigten Studien und wird als Grundlage zur Bewertung der Antibiotikaprophylaxe in der Knieendoprothetik ausgewählt. Da nur zwei in diese Arbeit einbezogene RCT ausschließlich Patienten nach Knieendoprothetik betrachten, beide zum Cefuroxim-imprägniertem Zement, werden sie im Rahmen des vorliegenden Berichts primär ausgewertet. Außerdem werden zur Antibiotikaprophylaxe in der Knieendoprothetik zwei neu publizierte, in den vorliegenden systematischen Übersichten nicht berücksichtigte RCT in die Bewertung einbezogen, eins zum Vancomycin-imprägniertem Zement und eins zur Anwendung von Mupirocin-Nasensalbe. Von den Publikationen zu Auswertungen aus Endoprothesenregistern bzw. Datenbanken werden drei Artikel zu Infektionsschutzmaßnahmen bei Knieendoprothetik ausgewählt.

Hygienemaßnahmen

Es werden zahlreiche Hygienemaßnahmen als Interventionen zur Prävention postoperativer Infektionen im Operationsgebiet empfohlen. Die Empfehlungen sind nicht indikationsspezifisch. Sie werden meistens auf Basis von Ergebnissen aus Studien zu ganz unterschiedlichen Indikationen ggf. aus nicht randomisierten Studien bzw. aus Daten für klinisch nicht relevante Endpunkte (z. B. bakterielle Kontamination) zusammengefasst.

Die einbezogene systematische Übersicht bewertet auf RCT-Basis die Wirksamkeit von geschlossenen Wundsaugdrainagen (Systeme zur Ableitung von Wundsekreten) bei orthopädischer Chirurgie (im Allgemeinen) hinsichtlich des Risikos für Wundinfektionen, kann aber die Wirksamkeit für geschlossene Drainagen nicht nachweisen.

Auch keine der vorliegenden Auswertungen aus den Registern liefert starke Hinweise für die Wirksamkeit einzelner Hygienemaßnahmen in der Knieendoprothetik.

Antibiotikaprophylaxe

RCT zum Vergleich intravenöser Antibiotika vs. keine Antibiotikaprophylaxe in der Knieendoprothetik werden nicht identifiziert, diese Behandlungsoptionen werden in den identifizierten Registern und Datenbanken nicht untereinander verglichen. Auf Basis von randomisierten Studien liegt nur Evidenz für die Wirksamkeit der intravenösen Prophylaxe mit Antibiotika in der Hüftendoprothetik vor. Diese Evidenz wird bei den Empfehlungen extern auf die Endoprothetik aller Gelenke einschließlich Knieendoprothetik übertragen.

Randomisierte Studien zum Vergleich von Antibiotikaprophylaxe ausschließlich im Zement vs. keine Antibiotikaprophylaxe in der Knieendoprothetik werden nicht identifiziert. In den einbezogenen Endoprothesenregistern und Datenbank werden diese Behandlungsoptionen nicht verglichen.

Es werden keine signifikanten Unterschiede in der Wirksamkeit untersuchter Antibiotika bei intravenöser Applikation nachgewiesen.

Zum Zusatzeffekt von Antibiotika im Zement bei intravenöser Antibiotikagabe sind drei RCT publiziert. Alle drei zeigen eine statistisch signifikante Reduktion der Rate an tiefen Infektionen beim Einsatz des Antibiotikums im Zement. Diese Studien weisen allerdings Mängel hinsichtlich ihrer methodischen Qualität auf. Außerdem werden alle am gleichen klinischen Zentrum sowie in Operationsräumen ohne spezielle Reinluftraumausrüstung (Parallel-Luftstromventilation, Isolationraumsanzügen etc.) durchgeführt. In der durchgeführten Metaanalyse wird durch Berücksichtigung von Daten für Protokollverletzer das Verzerrungspotenzial deutlich gesenkt, es ergibt sich dabei ein relatives Risiko in Höhe von 0,21 (95%iges Konfidenzintervall von 0,06 bis 0,74). Auch im finnischen Endoprothesenregister zeigt sich eine signifikant niedrigere Reoperationsrate wegen Infektionen bei kombinierter Antibiotikaprophylaxe, intravenös und im Zement, im Vergleich zu einer alleinigen intravenösen Prophylaxe.

Der einzelne RCT zur Wirksamkeit der Mupirocin-Nasen-Salbe in der Prävention der postoperativen Wundinfektionen zeigt insgesamt seltene Ereignisraten in den Gruppen mit und ohne Einsatz der Mupirocin-Salbe sowie keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen.

Gesundheitsökonomische Bewertung

Die systematische Literaturrecherche zur gesundheitsökonomischen Bewertung ergibt 177 Treffer. Zwar präsentiert eine Publikation eine Kosten-Wirksamkeits-Analyse zur Antibiotikaprophylaxe in der Chirurgie, allerdings bezieht sich keine der Studien auf die Endoprothetik. Insgesamt kann somit keine Publikation in die gesundheitsökonomische Bewertung einbezogen werden.

Ethische, soziale und juristische Bewertung

Die systematische Literaturrecherche ergibt insgesamt 20 Treffer. Keine der Publikationen betrachtet explizit die ethischen, sozialen und juristischen Aspekte des Einsatzes von Infektionsschutzmaßnahmen bei Knieendoprothetik.

Diskussion

Methodische Aspekte

Aus methodischer Sicht spielen bei der Interpretation der Ergebnisse verschiedene Aspekte der Literaturrecherche, der einbezogenen Informationsquellen (Studien, systematische Übersichten dieser Studien, Endoprothesenregister) sowie der Informationssynthese aus diesen Datenquellen eine wichtige Rolle.

Hygienemaßnahmen

Die Evidenz für die meisten Hygienemaßnahmen stammt aus Studien zu unterschiedlichen klinischen Indikationen (meistens keine Knieendoprothetik), kann aber grundsätzlich auf Knieersatzoperationen übertragen werden. Die Evidenzebene und damit verbundene Validität der Ergebnisse aus Nicht-RCT für die Anwendung dieser Interventionen in der Knieendoprothetik ist allerdings ziemlich niedrig, ebenso ist der Stellenwert der Evidenz aus Studien für klinisch nicht relevante Endpunkte gering.

Es besteht das Dilemma, dass die Durchführung von RCT zu bereits seit langer Zeit etablierten Hygienemaßnahmen ethisch problematisch ist, insbesondere da diese RCT ziemlich groß sein müssten, um zu erwartende kleine Effekte identifizieren zu können.

Antibiotikaprophylaxe

Da die direkte Evidenz für den Einsatz der intravenösen Antibiotika in der Knieendoprothetik aus RCT bzw. Endoprothesenregistern fehlt, stellt sich die Frage, ob die auf RCT-Basis ermittelte Evidenz in der Hüftendoprothetik valide ist (d. h. nicht beeinflusst durch mögliche Bias) und ob sie auf die Kniegelenkersatzoperationen übertragbar ist. Es kann mit gewisser Unsicherheit (Hüftendoprothetik ist nicht das Thema des vorliegenden Berichts) von einer Validität der Evidenz für intravenöse Antibiotikaprophylaxe in der Hüftendoprothetik ausgegangen werden, die grundsätzlich auf Knieendoprothetik übertragbar ist.

Obwohl eine direkte Evidenz für den zusätzlichen Einsatz eines Antibiotikums im Zement bei intravenöser Prophylaxe in Operationsräumen mit spezieller Reinluftraumausrüstung auf höher Evidenzebene fehlt, ist diese Intervention dank Wirksamkeitsnachweis aus RCT für Operationsräume ohne spezieller Reinluftraumausrüstung und Konsistenz dieses Nachweises mit den signifikanten Daten aus dem Endoprothesenregister eher als wirksam einzuschätzen.

Unabhängig von der Studienlage wird die präoperative Beseitigung von Bakterienbesiedlungen bei Methicillin-resistenten Staphylococcus Aureus positiven Patienten aufgrund „rationaler Überlegungen“ (Expertenmeinung) empfohlen.

Schlussfolgerungen

Da im Rahmen des vorliegenden Berichts keine Evidenz zur Wirksamkeit von Hygienemaßnahmen sowie von intravenöser Antibiotikaprophylaxe auf hoher Evidenzebene entsteht, können keine Vorschläge zur Änderung der Empfehlungen des RKI gemacht werden. Aus den vorliegenden Daten lassen sich keine Empfehlungen zur Auswahl bestimmter Antibiotika sowie zur Anwendung der Mupirocin-Salbe ableiten. In den Operationsräumen ohne spezielle Reinluftraumausrüstung soll Antibiotikum im Zement zusätzlich zur intravenösen Prophylaxe eingesetzt werden. In den Operationsräumen mit spezieller Reinluftraumausrüstung ist der Einsatz eines Antibiotikums im Zement bis zum Vorliegen besser belastbarer Daten ebenfalls grundsätzlich zu empfehlen. Es fehlen hochwertige Studien zu verschiedenen Infektionsschutzmaßnahmen in der Knieendoprothetik.

Aus den vorliegenden Daten können keine Schlussfolgerungen zur Kosten-Wirksamkeit der verschiedenen Infektionsschutzmaßnahmen in der Knieendoprothetik abgeleitet werden. Zur Klärung dieser Frage sollen entsprechende gesundheitsökonomische Studien durchgeführt werden.

Es gibt keine Hinweise, dass beim Einsatz von Infektionsschutzmaßnahmen ethische, soziale bzw. juristische Konsequenzen zu befürchten sind. Die Unabhängigkeit und die Privatsphäre der Patienten sollen so wenig wie möglich eingeschränkt werden. Der Zugang zu Infektionsschutzmaßnahmen soll für verschiedene soziale Schichten gleich garantiert werden. Die informierte Einwilligung der Patienten zum Einsatz von verschiedenen Infektionsschutzmaßnahmen soll dokumentiert werden.