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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Blended Learning zur integrierten und standardisierten Vermittlung klinischer Untersuchungstechniken: Das KliFO-Projekt

A blended learning approach for the integrated and standardized teaching of clinical skills: The CliSO project

Projekt/project Humanmedizin

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  • corresponding author Gudrun Karsten - Christian-Albrechts-Universität (CAU) zu Kiel, Medizinische Fakultät, Studiendekanat, Medizindidaktik, Kiel, Deutschland
  • author Veronika Kopp - Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), Klinikum der Universität München, Medizinische Klinik - Innenstadt, Schwerpunkt Medizindidaktik, München, Deutschland
  • author Kirsten Brüchner - IPN - Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften an der Christian-Albrechts-Universität (CAU) zu Kiel, Deutschland
  • author Martin R Fischer - Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), Klinikum der Universität München, Medizinische Klinik - Innenstadt, Schwerpunkt Medizindidaktik, München, Deutschland

GMS Z Med Ausbild 2009;26(1):Doc10

doi: 10.3205/zma000602, urn:nbn:de:0183-zma0006025

Eingereicht: 7. April 2008
Überarbeitet: 19. Dezember 2008
Angenommen: 9. Januar 2009
Veröffentlicht: 16. Februar 2009

© 2009 Karsten et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Zielsetzung: Mit „KliFO – Klinische Fertigkeiten Online“ (http://www.cliso.org) haben die Medizinischen Fakultäten der LMU München und der CAU Kiel ein gemeinsames Blended Learning-Konzept zum computergestützten Lernen und praktischen Trainieren von klinischen Untersuchungstechniken entwickelt und in Pflichtveranstaltungen der Curricula integriert. Ziele sind die Verbesserung der Vor- und Nachbereitung von Untersuchungskursen im vorklinischen und klinischen Studienabschnitt und damit einhergehend verbesserte Untersuchungsfertigkeiten der Studierenden bei den ersten Patientenkontakten.

Methodik: Beide Partner brachten ihre speziellen Kompetenzen in den Bereichen fallbasiertes Lernen (München, Lernplattform CASUS) und systematisches Lernen (Kiel, Lernplattform Nickels) ein. Das didaktische Konzept beinhaltet die Integration von Theorie und Praxis. Es kombiniert die standardisierte Vermittlung der folgenden drei Komponenten:

1.
klinische Untersuchungstechniken und sensomotorische Fertigkeiten,
2.
biomedizinisches Hintergrundwissen zu den Fertigkeiten und
3.
Anwendung des Wissens und der Fertigkeiten in Fallbeispielen.

Im Präsenzunterricht werden die Untersuchungstechniken geübt und reflektiert. Computerbasiert werden durch gezielte Kombination von fallbasiertem und systematischem Lernen zusammen mit einem vielfältigen Medieneinsatz (Video, Audio, Animation) situiertes Lernen gefördert, Untersuchungstechniken anschaulich dargestellt sowie Hintergrundwissen in inhaltlichem und zeitlichem Zusammenhang mit dessen Anwendung vermittelt. Beide Fakultäten haben sich auf gemeinsame Lernziele und Standards geeinigt.

Ergebnisse und Ausblick: Das Konzept lässt sich auf die unterschiedlichen Zielgruppen an beiden Fakultäten (1. bzw. 2. Studienabschnitt) und die unterschiedlich gestalteten Präsenzphasen (Kiel: gegenseitige Untersuchung der Studierenden, München: zusätzlich Untersuchungen an realen Patienten) anwenden. Evaluationsergebnisse und Begleitstudien bestätigen den Erfolg dieses Konzepts, sodass nun ein Transfer von KliFO auf andere Fakultäten angestrebt wird.

Schlüsselwörter: Blended Learning, körperliche Untersuchung, klinischer Untersuchungskurs, klinische Fertigkeiten, fallbasiertes Lernen, systematisches Lernen

Abstract

Objective: The medical faculties of LMU Munich and CAU Kiel have developed a joint blended learning concept for computer-based learning and practical training of clinical skills: "CliSO – Clinical Skills Online" (http://www.cliso.org). CliSO is implemented in their core curricula with the intention to foster students’ medical examination skills at the preclinical and clinical level.

Methods: Both partners contributed their special competencies in the fields of case-based learning (Munich: CASUS e-learning platform) and systematic learning (Kiel: Nickels e-learning platform). The didactic concept comprises the integration of theory and practice. It combines the standardized teaching of the following three components:

1.
clinical examination and sensomotoric skills,
2.
biomedical knowledge with regard to the skills, and
3.
application of the knowledge and skills in paradigmatic cases.

Clinical skills are trained and reviewed in face-to-face courses. In the e-learning environment, the well-directed combination of case-based and systematic learning together with the chosen diversity of media (video, audio, animation) facilitates situated learning as well as the intelligible presentation of clinical skills and their biomedical background. Both faculties agreed on joint learning objectives and standards.

Results and prospects: It was possible to apply the concept to the different target groups at both faculties (first and second study phases) and the differently designed face-to-face courses (Kiel: students examine each other; Munich: patients are examined in addition). Evaluations and studies confirmed the success of this approach, so that a transfer of the concept to other faculties is intended.

Keywords: blended learning, physical examination, clinical skills, skills lab, case based learning, systematic learning


Einleitung

Problemstellung

Studierende der Medizin müssen mit Eintritt in die Praxis über gute Kenntnisse der wichtigsten Diagnose- und Therapietechniken verfügen. Die Realität zeigt aber, dass diese Techniken nicht sicher genug beherrscht werden. Mängel sind sowohl bei den manuellen Fertigkeiten, also vor allem bei der korrekten Durchführung und Interpretation der klinischen Untersuchungen beim Gesunden und beim Kranken, vorhanden, als auch bei den theoretischen Grundlagen dazu [1]. Um diesen Zustand zu verbessern, führten die LMU und die CAU Veranstaltungen in Form von interdisziplinären, Theorie und Praxis integrierenden Lehreinheiten ein. Diese sollen darüber hinaus zu einer Standardisierung der Untersuchungsmethoden beitragen, sodass die erwünschte Qualität erreicht wird. Um den geschilderten Problemen zu begegnen, wurde das Blended Learning-Konzept KliFO (Klinische Fertigkeiten Online) entwickelt, das im Folgenden genauer beschrieben wird.

Blended Learning

Als Blended Learning oder auch integriertes Lernen wird ein Ansatz der Lehr- und Lernorganisation bezeichnet, bei der Präsenzveranstaltungen und computergestütztes Lernen durch Einsatz verschiedener Medien und Methoden vorteilhaft miteinander kombiniert und zu einer neuen Einheit zusammengeführt werden [2]. Dieses Konzept verbindet damit die Effektivität und Flexibilität von elektronischen Lernformen mit den Vorteilen einer Präsenzveranstaltung. Gerade klinisch-praktische Fertigkeiten können immer noch am besten im Präsenzunterricht vermittelt werden. Um einen größtmöglichen Lernerfolg zu erreichen, ist es beim Blended Learning besonders wichtig, Präsenzphasen und computergestützte Lernphasen optimal aufeinander abzustimmen.

Der Schwerpunkt von Blended-Learning liegt in der Vor- bzw. Nachbereitung von Präsenzveranstaltungen. Insbesondere die Nachbereitung sichert einen gewissen Lerntransfer, den klassische Präsenzveranstaltungen nicht leisten können. Für KliFO wurde diese Struktur übernommen: die Präsenzlernphase wird mit einer computergestützten Lerneinheit vorbereitet und einer fallbasierten computergestützten Lerneinheit zum Transfer des Gelernten nachbereitet.


Projektbeschreibung

Didaktisches Konzept

Das didaktische Konzept basiert auf dem Cognitive Apprenticeship-Ansatz [3] (siehe Anmerkung 1), der auf Annahmen situierten Lernens beruht (z.B. [4]); zudem trugen Überlegungen zu den Kompetenzstufen klinischer Fertigkeiten nach Miller [5], die in Form einer Pyramide dargestellt sind, zur Entwicklung des KliFO-Konzepts bei.

Miller [5] geht in seiner Pyramide zu den Kompetenzstufen klinischer Fertigkeiten (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]) davon aus, dass Lernende zunächst Hintergrundwissen sowie theoretisches Wissen über Untersuchungstechniken erwerben („knows“, „knows how“). Diese beiden Aspekte werden bei KliFO durch computergestützte Lernmodule vermittelt, in denen die Studierenden die biomedizinischen Grundlagen wiederholen, Untersuchungstechniken mit ihrem theoretischen Hintergrund unter Einsatz der Medien Video, Audio, Foto, Grafik, Animation und Text gezeigt bekommen sowie ihr Wissen in beispielhaften Situationen in Form von Patientenfällen anwenden können. Dass biomedizinisches Grundlagenwissen hilfreich für den Erwerb der Untersuchungstechniken ist, konnte in einer Studie, die im Rahmen dieses Projekts durchgeführt wurde, gezeigt werden [6] und ist deshalb integraler Bestandteil des KliFO-Konzepts (siehe Abbildung 2 [Abb. 2]). Die dritte Stufe der Miller-Pyramide, das eigentliche Ausführen der Untersuchung („shows how“) wird im Präsenzunterricht geübt. Die Studierenden führen dort unter Aufsicht eine Untersuchung an einem Kommilitonen und je nach Gestaltung dieses praktischen Teils anschließend an einem Patienten durch und erhalten vom Dozenten Feedback. Damit wird auf die vierte Stufe der Miller-Pyramide vorbereitet, der Übernahme dieser Fertigkeit in das eigene Handlungsrepertoire im alltäglichen klinischen Kontext („does“, siehe Abbildung 1 [Abb. 1]).

Aufbau eines computergestützten Lernmoduls

In der konkreten Umsetzung sieht das Blended Learning-Konzept von KliFO

1.
eine computergestützte Lerneinheit zur Vorbereitung auf die Präsenzveranstaltung,
2.
die Präsenzveranstaltung in Form von Kleingruppenunterricht und
3.
eine computergestützte Lerneinheit zur Nachbereitung des Präsenzunterrichts vor (siehe Abbildung 2 [Abb. 2]).

Die beiden computergestützten Lerneinheiten werden im Begriff „Modul“ zusammengefasst. Die Lerneinheit zur Vorbereitung beginnt mit dem Einstieg in einen Patientenfall, mit dem ein Problembewusstsein geschaffen und Vorwissen aktiviert wird. Es folgt die systematische Wissensvermittlung zum Thema, in der insbesondere die für die Untersuchungstechniken relevanten anatomischen und physiologischen Grundlagen dargestellt und die Untersuchungstechniken selber in Video, Grafik, Foto, Animation und Text vorgestellt werden. Anschließend wird der Einstiegsfall wieder aufgegriffen, weiter geführt und abgeschlossen. Nach der Präsenzveranstaltung, in der die Studierenden die bereits im Film gezeigte standardisierte Untersuchung unter Aufsicht einüben, wird eine weitere computergestützte Lerneinheit des Moduls zur Nachbereitung bearbeitet. Diese besteht aus verschiedenen Fällen, in denen die Studierenden ihr erworbenes Wissen transferieren. Fragen zur Selbstüberprüfung sind im gesamten computergestützten Lernmodul integriert, um die Aktivität und Motivation der Studierenden zu fördern und der Entstehung von Kompetenzillusion vorzubeugen: Die Studierenden erhalten Rückmeldung über ihren Wissensstand, den sie optional mit dem ihrer Peers in Beziehung setzen können (Klassenspiegel). Haben sie eine Frage falsch beantwortet, wird ihnen nahe gelegt, die jeweiligen Inhalte noch einmal nachzulesen, auf die sie per Link einfach zugreifen können. Alle Inhalte stehen jederzeit zur Verfügung, sodass die Studierenden so lange bzw. häufig mit ihnen arbeiten können wie es für ihre individuelle Vorbereitung auf Praktikum, Prüfung und Unterricht am Krankenbett erforderlich ist.

Technische Umsetzung der computergestützten Lernmodule

Die Verknüpfung von fallbasiertem und systematischem Lernen wird technisch durch die Verknüpfung von spezifischen Inhalten auf zwei etablierten computergestützten Lernplattformen (CASUS und Nickels) realisiert.

CASUS wurde an der LMU München entwickelt und wird seit 2000 in der SpinOff Firma Instruct AG gepflegt und vermarktet. CASUS ist ein webbasiertes computergestütztes Lernsystem, das sich vor allem auf Fallbeispiele in der Medizin und Jura spezialisiert hat. Derzeit ist es in fünf Sprachen verfügbar. Die Plattform besteht aus dem Abspielsystem, dem Autorensystem, der Kursverwaltung (mit integrierter Nutzerverwaltung) und dem Auswertesystem. CASUS eignet sich sowohl als eigenständige computergestützte Lernplattform, als auch als Add-On an bestehende Lernmanagement-Systeme (LMS). Ebenso können Anwendungen wie z.B. Kommunikationslösungen oder Fragebogenwerkzeuge an CASUS angeschlossen werden.

Nickels (vormals JaTeK) wurde 1995 an der TU Dresden initiiert und seitdem kontinuierlich weiterentwickelt, seit 2004 als Open-Source-Projekt. Nickels ist eine webbasierte, internationalisierte (z.Zt. in zehn Sprachen verfügbare) computergestützte Lernplattform mit umfassenden integrierten Systemkomponenten unter Anwendung neuester Technologien. Sie bietet über das Internet eine interne und externe Benutzerverwaltung, ein integriertes Autorensystem zur multilingualen, multimedialen und interaktiven Inhaltserstellung und ein Tutorensystem mit Diagnosewerkzeugen zur Lernendenbetreuung und Evaluation. Lernende können sehr einfach und selbstgesteuert in den hierarchisch gegliederten Lernmodulen navigieren. Ein Glossar und Kommunikationswerkzeuge sind ebenfalls eingebunden.

Nimmt man die Benutzerfreundlichkeit (Usability) ernst, ist ein Single-Sign-On unerlässlich. Das bedeutet, dass die Lernenden nach einmaligem Einloggen an einer Lernplattform ohne weitere Passwortabfrage zugleich Zugang zu ausgesuchten Inhalten der anderen Plattform haben. Dies hat den Vorteil, dass eine redundante Benutzerverwaltung vermieden und der administrative Aufwand geringer wird. Realisiert wurde dies durch Implementierung der sog. AICC-Standards auf beiden LOM- und SCORM- kompatiblen Plattformen.

Zusätzlich werden gemeinsame Scores bei den Übungsaufgaben generiert. Verlinkungen zwischen den Plattformen sind bidirektional und zielgerichtet. Dadurch wird eine inhaltlich sinnvolle Verknüpfung zwischen systematischem (Nickels) und fallbasiertem Lernen (CASUS) erreicht.

Die hier erfolgreich verwirklichte Verknüpfung zweier etablierter, dabei in der Fokussierung sehr unterschiedlicher Plattformen hat Beispielcharakter und ist bei Erfüllung der Voraussetzungen (AICC-Standards) auch mit weiteren Plattformen möglich.

Inhalte der Module und Integration in die Curricula

Es liegen seit Sommer 2007 acht Module vor, die die Basisuntersuchungstechniken in den Bereichen kardiovaskuläres System, Lunge, Abdomen, HNO, Auge, Neurologie, Bewegungsapparat und Pädiatrie umfassen (exemplarische Screenshots siehe Anhang [Anh. 1]). Für die Entwicklung dieser Module haben sich die beiden medizinischen Fakultäten in Kiel und München auf gemeinsame Lernziele und Standards bzgl. der Durchführung der Untersuchungstechniken geeinigt.

Mittlerweile sind sie in die unterschiedlichen Pflichtcurricula der medizinischen Fakultäten in München und Kiel integriert. Dabei konnte die unterschiedliche methodische Ausgestaltung der Untersuchungskurse (Präsenzveranstaltungen) und deren zeitliche Einbettung in verschiedene Semester an den beiden Fakultäten beibehalten werden. Die Bearbeitung der Online-Module erfolgt im Selbststudium und ist Pflicht. In Kiel werden die Module von allen Studierenden der Humanmedizin (n = 195) im Rahmen des Pflichtkurses „Praktikum zur Einführung in die klinische Medizin“ durchgearbeitet. In diesem in Form eines klinischen Untersuchungskurses im vierten vorklinischen Semester durchgeführten Praktikum trainieren die Studierenden die Untersuchungen aneinander. In München erfolgt der Einsatz für alle Studierenden der Humanmedizin (n = 800) im Rahmen des Pflichtkurses "Longitudinaler Untersuchungskurs U5" im 1. klinischen Semester; dort werden die Untersuchungen auch an Patienten geübt. Beide Veranstaltungen haben gemeinsame Lehr- und Lernziele: Vermittlung der Basisuntersuchungstechniken in Theorie und Praxis mit einem Verständnis der zugrunde liegenden biomedizinischen Grundlagen, das dazu befähigt zu entscheiden, welche Untersuchungstechniken in welchen paradigmatischen Situationen eingesetzt werden. In gemeinsamer Abstimmung sind verbindliche, standardisierte Lernzielkataloge entwickelt worden. Beide Veranstaltungen sind für den Erwerb eines Leistungsnachweises relevant und schließen mit einer summativen Prüfung (OSCE) ab.

Evaluation

Mit Einführung des Pilotmoduls „Kardiovaskuläre Untersuchung“ 2006 wurden sowohl die KliFO-Module als auch das Konzept regelmäßig evaluiert. Hierzu wurden Fragebögen mit 6-stufiger Likertskala entwickelt [7]. Evaluationsergebnisse mit 356 Studierenden aus Kiel und München zeigen, dass die Inhalte und das Konzept überwiegend positiv bewertet werden [7] 2. Exemplarisch sind in Tabelle 1 [Tab. 1] die Evaluationsergebnisse des erstmaligen Einsatzes der Module „Untersuchung des Abdomens“, „Pädiatrische Untersuchung“ und „Untersuchung des Bewegungsapparats“ im Sommersemester 2007 in Kiel dargestellt. Bei ansonsten relativ guter Bewertung fallen die Skalen „Umfang angemessen“ und „Subjektiver Lernerfolg“ im Modul Bewegungsapparat heraus. Sie liegen mit 3,7 bzw. 4.0 nur geringfügig über der Skalenmitte von 3,5. Da dieses Modul tatsächlich inhaltlich sehr umfassend ist (Untersuchung von Wirbelsäule, oberer und unterer Extremität mit Neutral-Null-Methode und verschiedenen Funktionstests), ist es für die Zielgruppe im vierten vorklinischen Semester möglicherweise zu umfangreich. Dies kann auch der Grund für die verhaltene Selbsteinschätzung des Lernerfolgs sein. Daher sind Vergleiche mit den Evaluationsergebnissen aus dem Einsatz dieses Moduls in höheren Semestern geplant. Es soll untersucht werden, ob die Akzeptanz und Selbsteinschätzung durch eine Konzentration auf ausgewählte Lernziele (und Inhalte) gesteigert werden kann.


Diskussion

Während seit mehreren Jahren das Bewusstsein, dem Training klinischer Fertigkeiten mehr Bedeutung beimessen zu müssen, zunimmt, gibt es noch keinen Konsens darüber, mit welchen Methoden Fertigkeiten am effektivsten unterrichtet werden sollten [8], [9]. In mehreren Projekten werden in letzter Zeit Videos eingesetzt, um das Lernen klinischer Untersuchungstechniken zu unterstützen, z.B. das „Virtual Skills Lab (VSL)“ in der Schweiz (http://www.virtualcampus.ch/vsl), das Projekt "CSO - Clinical Skills Online" an der St. George´s University of London (http://www.elu.sgul.ac.uk/cso/) oder das Internet- und DVD-Angebot der Abteilung für Unterrichtsmedien an der Universität zu Bern (http://e-learning.studmed.unibe.ch/). An der University of Pennsylvania konnte durch den Einsatz eines Laryngoskopievideos in das Intubationstraining die initiale Erfolgsrate von 46,7% auf 88,1% gesteigert werden [10]. In einer Vergleichsstudie zum Lernen der abdominellen Untersuchung schnitten Studierende, die computerunterstützt gelernt hatten, in Theorie und Praxis besser ab als Studierende, die sich traditionell mit geschriebenem Text vorbereitet hatten [11]. Der Einsatz einer CD-ROM zur klinischen Untersuchung des Knie- und Schultergelenkes mit Untersuchungsvideos unter Einbeziehung der anatomischen Grundlagen erbrachte eine signifikante Verbesserung in einer klinisch-praktischen OSCE-Prüfung im Vergleich zur Kontrollgruppe ohne CD-ROM [12]. Eine signifikante und nachhaltige Verbesserung zur kardialen Auskultationskompetenz mithilfe von audiovisuellen Auskultationsbeispielen konnte ebenfalls in einem Blended-Learning Szenario gezeigt werden – allerdings an einer kleinen Stichprobe und mit einem erheblichen, möglicherweise verzerrenden Einfluss durch die Dozenten in der Präsenzlehre [13].

In KliFO wird der Ansatz, Untersuchungstechniken in Videos darzustellen, um zwei weitere Aspekte ergänzt, nämlich die Integration von Praxis und Theorie sowie die Anwendung des Gelernten in typischen Patientenfällen. Damit wurde in KliFO für das Lernen von klinischen Untersuchungstechniken ein innovatives Konzept zur Integration von Theorie und Praxis sowie zur Standardisierung der Lehrinhalte entwickelt und umgesetzt. Der Einsatz von KliFO an den medizinischen Fakultäten in Kiel und München wurde bzgl. des didaktischen Konzepts, der technischen Funktionalität und der Akzeptanz durch die Lernenden positiv bewertet [7], [14].

Der gewünschte Beitrag von KliFO zur Verbesserung der Standardisierung bei der Vermittlung der klinischen Untersuchungskompetenzen konnte empirisch ebenfalls gezeigt werden [15]: Die Ergebnisse einer Studie zum Lernerfolg und zur Standardisierung und Homogenisierung der Lehre deuten darauf hin, dass Studierende, die KliFO zur Vorbereitung auf den Präsenzunterricht nutzen, signifikant besser in einem Wissenstest (MC-Klausur) abschneiden als Studierende, die sich traditionell mit Lehrbüchern oder anderen Hilfsmittel vorbereiten. Des Weiteren konnten die Ergebnisse aus zwei regulären MC-Klausuren in Richtung einer Homogenisierung des Leistungsniveaus und daraus abgeleitet einer Standardisierung der Lehre interpretiert werden: Sowohl die Varianz als auch die Durchfallquote waren bei Studierenden mit KliFO insgesamt bei den 14 unterrichtenden Kliniken geringer als bei Studierenden ohne KliFO. Inwieweit KliFO zu einer Verbesserung der Performanz in einer summativen klinisch-praktischen Prüfung beiträgt, ist offen und Ziel künftiger Forschung.

Eine externe Begutachtung des Projekts fand im Rahmen der Verleihung des MedidaPrix 2007 (http://www.medidaprix.org/mdd_2007/index.html) statt. Dieser trinationale mediendidaktische Hochschulpreis der Gesellschaft für Medien in der Wissenschaft (GMW) hat das Ziel, didaktisch motivierte Aktivitäten zu unterstützen, die einen besonderen Beitrag zur Qualitätssicherung und nachhaltigen Verankerung neuer Medien in der Hochschullehre leisten. Hier wurde KliFO als eines der zehn besten Projekte von 115 Einsendungen ausgezeichnet.


Schlussfolgerung

Den bisherigen Erfahrungen des Projekts folgend können die computergestützten Lernmodule von KliFO mit traditionellen Untersuchungskursen zum Erlernen der Basistechniken zu einem Blended Learning-Ansatz erfolgreich kombiniert werden. Dies ist – je nach Einbettung dieser Kurse in das Gesamtcurriculum einer Fakultät – in beiden Studienabschnitten möglich. Das KliFO-Konzept trägt zur Umsetzung der Ärztlichen Approbationsordnung bei, die eine Verknüpfung klinischen und theoretischen Wissens in der medizinischen Ausbildung vorsieht.

Der Transfer von KliFO auf andere Fakultäten ist einer der nächsten Schritte. Einige medizinische Fakultäten haben bereits Interesse an der Nutzung von KliFO gezeigt. Eine Begleitevaluation muss zeigen, in welchem Umfang technischer und inhaltlicher Anpassungsbedarf bei der Integration von KliFO an anderen Fakultäten besteht. Darüber hinaus sind inhaltliche Erweiterungen des Konzepts auf spezielle ärztliche Fertigkeiten und die Patient/in-Arzt/Ärztin Kommunikation in Planung.


Anmerkungen

1 Der Cognitive-Apprenticeship-Ansatz [3] im Rahmen von KliFO.

Bei diesem Ansatz steht die Modellierung eines komplexen Verhaltens durch einen Experten in einer authentischen Situation im Mittelpunkt. Dabei kommen folgende Methoden zum Einsatz: Modeling, Coaching, Scaffolding, Fading, Articulation, Reflection und Exploration. Ein Teil dieser Methoden wird in geeigneter Weise im Präsenzlehreanteil von KliFO umgesetzt, der andere durch die Online-Anteile selbst verwirklicht:

  • Modeling: Die Untersuchungstechnik wird in Videos durch einen Experten (Ärztin oder Arzt) demonstriert, der sein Vorgehen im Sinne des lauten Denkens kommentiert. Hierdurch soll bei den Lernenden ein mentales Skript über das Vorgehen aufgebaut werden.
  • Coaching und Scaffolding: Die Lernenden können die Inhalte individuell so oft sie wollen ansehen.
  • Reflection: In Übungsaufgaben wenden die Lernenden ihr bisher erworbenes Wissen an und können es mit dem von Expert/innen (Musterantwort) oder ihrer Peer-Group (Klassenspiegel) vergleichen und dadurch ihr persönliches Lernniveau reflektieren.
  • Exploration: Durch die abschließenden Patientenfälle (Nachbereitung) transferieren die Lernenden das Gelernte auf weitere noch unbekannte Probleme.

2 Die Details der Evaluationsergebnisse zum Konzept und zu den Inhalten der übrigen Module (Einsätze in München und Kiel) werden gesondert publiziert.


Danksagung

Das Projekt wurde finanziell von der Bund-Länder-Kommission (Förderkennzeichen M177800) und dem Innovationsfond des Landes Schleswig-Holstein sowie den medizinischen Fakultäten der CAU Kiel und der LMU München unterstützt. Ein Teil der Begleitstudien wurde im Rahmen des Master of Medical Education-Studienganges des Medizinischen Fakultätentages (MFT) erstellt (http://www.mme-de.de).

Wir danken allen Projektmitarbeiterinnen und -mitarbeitern für die Erstellung der Lerninhalte, die Evaluationen und Begleitstudien sowie die Weiterentwicklung und Harmonisierung der computergestützten Lernplattformen, insbesondere Martin Adler, Matthias Angstwurm, Daniel Bauer, Thomas Brendel, Reinhard Demuth, Michael Emde, Claudia Frey, Martin Göbbels, Inga Hege, Matthias Holzer, Tobias Hoppe-Seyler, Michael Illert, Stefan Urbansky und Harald Wiese.


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