gms | German Medical Science

GMS Hygiene and Infection Control

Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH)

ISSN 2196-5226

Vergleich der bakterioziden Wirksamkeit und In-vitro-Zytotoxizität von Lavasept® und Prontosan®

Comparison of the bactericidal efficacy and in vitro cytotoxicity of Lavasept® and Prontosan®

Originalarbeit

  • Gerald Müller - Institut für Hygiene und Umweltmedizin, Ernst-Moritz-Arndt-Universität, Greifswald, Deutschland
  • Torsten Koburger - Hygiene Nord GmbH, Greifswald, Deutschland
  • Frank U. W. Jethon - Fresenius Kabi Deutschland GmbH, Bad Homburg, Deutschland
  • corresponding author Axel Kramer - Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Ernst-Moritz-Arndt-Universität, Greifswald, Deutschland

GMS Krankenhaushyg Interdiszip 2007;2(2):Doc42

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/journals/dgkh/2007-2/dgkh000075.shtml

Veröffentlicht: 28. Dezember 2007

© 2007 Müller et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Lavasept® und Prontosan® wurden auf der Basis vergleichbarer Konzentrationen des in beiden Zubereitungen enthaltenen Wirkstoffs Polihexanid bezüglich bakteriozider Wirksamkeit im quantitativen Suspensionstest und der Zytotoxizität an Mäusefibroblasten verglichen, um eine Aussage zum Koergismus von Polihexanid mit dem sich in beiden Zubereitungen unterscheidenden Zusatzes Macrogolum bzw. Undecylenamidopropylbetain zu erhalten.

Der Zusatz von Undecylenamidopropylbetain im Präparat Prontosan® führt bei hoher Polihexanidkonzentration gegenüber P. aeruginosa zu einer Wirkungsverstärkung bei gleichzeitiger Abschwächung der In-vitro-Zytotoxizität in Abhängigkeit von der Konzentrations-Zeit-Relation um bis zu 50%. Beim Vergleich der IC50 ergibt sich ein Abstand von etwa 28%.

Bei niedrigerer Konzentration und längerer Einwirkzeit reduziert sich dieser Effekt, und es zeichnet sich bei Einwirkungszeiten >1 min z.T. sogar die Tendenz einer besseren Wirksamkeit des Kombinationspräparats aus Polihexanid und Macrogolum ab. Als Ursache für dieses Phänomen kann eine Wechselwirkung der Inhaltsstoffe Polihexanid mit Undecylenamidopropylbetain bzw. Macrogolum diskutiert werden. Gegenüber S. aureus unterscheiden sich die Wirksamkeiten beider Präparate nicht voneinander.

Da Lavasept® maximal in der Anwendungskonzentration von 0,04% Polihexanid verwendet und für chronische Wunden die reduzierte Anwendungskonzentration von 0,02% empfohlen wird, die Anwendungskonzentration von Polihexanid im Prontosan® jedoch 0,1% beträgt, ist bezüglich der Anwendungslösungen die Kombination von Polihexanid und Macrogolum gegenüber unverdünntem Protosan® als weniger zytotoxisch und damit besser wundverträglich einzuschätzen. Zur experimentellen Manifestierung dieser Vermutung sind weitere Untersuchungen angezeigt.

Schlüsselwörter: Polihexanid, Macrogolum, Undecylenamidopropyl-Betain, Koergismus, Zytotoxizität

Abstract

Lavasept® and Prontosan® were compared using identical concentrations of the active agent polihexanide contained in both preparations regarding their bactericidal effectiveness in the quantitative suspension test and their cytotoxicity on mice fibroblasts, to obtain a statement regarding the coergism of polihexanide with the additives Macrogolum resp. undecylenamidopropyl betaine that are different in both preparations.

In higher polihexanide concentrations the addition of undecylenamidopropyl betaine leads to a better bactericidal effectiveness of the preparation Prontosan®, against P. aeruginosa, but at the same time to a decrease of the in vitro cytotoxicity of up to 50% depending on the concentration-time relationship. Comparing the IC50 there is a difference of approximately 28%.

With lower concentration and longer exposure time this effect is reduced and with exposure times >1 min there is partly even the tendency towards a better effectiveness of the combination preparation consisting of polihexanide and Macrogolum. As a cause for this phenomenon, an interaction among the constituents polihexanide with undecylenamidopropyl betaine resp. Macrogolum can be discussed. The effectiveness of both preparations towards S. aureus is not different from each other.

Because Lavasept® is used in a maximum application concentration of 0.04% polihexanide, and for chronic wounds the reduced application concentration of 0.02% is recommended, but the application concentration of polihexanide in Prontosan® is 0.1%, regarding the use solutions the combination of polihexanide and Macrogolum is to be appraised as being less cytotoxic and therefore more compatible with wounds than undiluted Prontosan®. For experimental support of this assumption further investigations are necessary.

Keywords: polihexanide, Macrogolum, undecylenamidopropyl betaine, coergism, cytotoxicity


Einleitung

Der antiseptische Wirkstoff Polihexanid ist als remanenter Wirkstoff in Händedesinfektionsmitteln und Hautantiseptika für den Einsatz zur Ganzkörpersanierung von MRSA-Trägern einschließlich Haarwäsche und Anwendung im äußeren Gehörgang enthalten. In Schleimhaut- und Wundantiseptika wird er als Hauptwirkstoff eingesetzt.

Der Wirkstoff Polihexanid steht in verschiedenen Zubereitungen zur Auswahl. Die seit längstem verfügbare ist Lavasept®, die Kombination von Polihexanid mit Macrogolum. In der Schweiz ist Polihexanid (Lavasept®) als Konzentrat und als Gebrauchslösung als Arzneimittel registriert. Der Hersteller garantiert für das Konzentrat die Einhaltung der Spezifikationen hinsichtlich Molekularmassenverteilung, Abwesenheit giftiger Vor- oder Zwischenprodukte aus der Synthese sowie Einhaltung der Grenzwerte für den Schwermetallgehalt nach DAB. In Deutschland und Österreich ist Lavasept® nicht als Arzneimittel registriert, so dass von Apotheken die Gebrauchslösung zur Wundantiseptik sowie andere Zubereitungen aus Lavasept®-Konzentrat durch Verdünnung mit Ringer-Lösung hergestellt werden.

Im Neuen Rezeptur-Formularium des DAC sind folgende Monographien enthalten: Polihexanid-Lösung 0,02%/0,04% NRF 11.128, Hydrophiles Polihexanid-Gel 0,04%/0,1% NRF 11.131, Polihexanid-Augentropfen 0,02%, NRF 15.25, Polihexanid-Augenbad 0,04%, NRF 15.26 und Polihexanid-Stammlösung 0,1%. Diese neuen Rezepturen unterstreichen die wachsende Bedeutung dieser gut wirksamen verträglichen Substanz [1].

In Deutschland, Österreich und der Schweiz sind sterile, gebrauchsfertige Wundspüllösungen wie Lavasorb® und Lavanid® mit 0,02% bzw. 0,04% Polihexanid mit Macrogolum zur Reinigung, Erregerausschwemmung und Feuchthaltung von Wunden als Medizinprodukt erhältlich. Ebenso ist die Wundspüllösung Prontosan® mit den Komponenten Undecylenamidopropyl-Betain als oberflächenaktive Substanz und Polihexanid als antiseptischem Wirkstoff erhältlich.

Schließlich steht seit 2007 mit Serasept® das erste in Deutschland zugelassene Arzneimittel mit 0,02% bzw. 0,04% Polihexanid in steriler, gebrauchsfertiger Darreichung zur Verfügung.

Da der Koergimus von Macrogolum bzw. Undecylenamidopropylbetain mit Polihexanid bisher nicht untersucht worden ist, sollte damit anhand der Merkmale bakteriozide Wirksamkeit und Zytotoxizität gegenüber Mäusefibroblasten im direkten Vergleich begonnen werden.


Methode

Quantitativer Suspensionstest

Der quantitative Suspensionstest wurde gemäß prEN13727 [2] durchgeführt, wobei die Testung auf die Leitmikroorganismen S. aureus und P. aeruginosa bei Belastung mit 10% Schafblut beschränkt wurde. Für jede Einwirkungszeit und Prüfkonzentration wurde eine Wiederholung geprüft. Die Wirksamkeit wird als sog. Reduktionsfaktor angegeben, der sich aus der Differenz des lg der Koloniezahl vor Substanzeinwirkung und des lg der Koloniezahl nach Substanzeinwirkung ergibt.

Zytotoxizitätstestung

Testprinzip

Als Testzellen wurden permanente Mäusefibroblasten L929 (ATCC CCL1) verwendet. Die Testung erfolgte in Kulturmedium bei Anwesenheit von 10% fötalem bovinen Serum (BSA) nach Kontaktzeiten der Prüflösungen mit den Zellen über 1, 5, 15 und 60 min durch sofortige Charakterisierung der Vitalität der Prüfzellen mittels MTT-Nachweisreaktion [3]. Alle Untersuchungen wurden als 12-fache Bestimmung durchgeführt.

Ablaufschema

Einen Tag vor der Testung wurden die L929-Zellen in einer Dichte von 1x106 Zellen/ml in 96 well-Zellkulturplatten (MTP) ausgesät und über Nacht im Begasungsbrutschrank anwachsen gelassen. Es resultierte 80%-90% Konfluenz. Die Versuchsdurchführung erfolgte gemäß Abbildung 1 [Abb. 1].

Eine MTP mit >80% konfluentem Zellrasen wird dem Brutschrank entnommen. Nur von den rosa gekennzeichneten Reihen wird zunächst das überstehende Kulturmedium vorsichtig abgesaugt und 100 µl der Prüflösung (PL) zugefügt. Absaugen und Zugabe der PL müssen innerhalb von 1 min erfolgen. Die MTP wird für 44 min weiter inkubiert. Anschließend wird von den hellbraun gekennzeichneten Reihen das Medium abgesaugt und 100 µl der PL zugefügt. Die MTP wird für 9 min weiter inkubiert. Absaugen und Zugabe der Prüflösung müssen innerhalb von 1 min erfolgen. Anschließend wird von den gelb gekennzeichneten Reihen das Medium abgesaugt und 100 µl der PL zugefügt. Die MTP wird für 3 min weiter inkubiert. Absaugen und Zugabe der Prüflösung müssen wiederum innerhalb von 1 min erfolgen. Zuletzt wird von den hellgrün gekennzeichneten Reihen das Medium abgesaugt und 100 µl der PL zugefügt. Absaugen und Zugabe der Prüflösung müssen erneut innerhalb von 1 min erfolgen. Nach einer weiteren Minute Einwirkzeit werden sämtliche Überstände in den Kavitäten der MTP auf sterilem Zellstoff ausgeschüttet und durch vorsichtiges Ausklopfen entfernt.

Die Zellen werden sofort mit 2x200 µl Kulturmedium für jeweils 2 min gewaschen. Anschließend erfolgt die Zugabe von MTT-Medium. Nach einer Inkubationszeit von 3 h bei 37°C im Begasungsbrutschrank wird das überstehende Medium gründlich entfernt. Das in den Zellen abgelagerte Formazan wird über 1 h auf dem Schütteltisch unter Lichtausschluss mit HCl-angesäuertem 2-Propanol eluiert.

MTT-Methode

Die Bestimmung der Vitalität der Zellen beruht darauf, dass lebende Zellen mit Hilfe der mitochondrialen Succinat-Dehydrogenase das gelb gefärbte Tetrazoliumsalz MTT [3-(4,5-Dimethylthiazol-2-yl)-2,5-diphenyl-tetrazoliumbromid] in ein blaues, unlösliches Formazanderivat umwandeln und intrazellulär ablagern. Anschließend wird das gespeicherte Formazanderivat mit angesäuertem 2-Propanol eluiert. Die Färbung des Überstands wird spektralphotometrisch im EIA-Reader Benchmark (BioRad) ausgewertet (Messwellenlänge 540 nm, Referenzwellenlänge 655 nm). Die Absorption ist ein direktes Maß der Vitalität der Zellen. Definitionsgemäß wird die mittlere Absorption des Medium-Kontrollansatzes 100% Vitalität gleichgesetzt und die Vitalität der Zellen in den Testansätzen relativ zu dieser bestimmt.

Bestimmung der IC50

Die IC50 ist die Wirkstoff-Konzentration, bei der noch 50% der Zellen vital bleiben. Die IC50 stellt eine geeignete Konzentrationsgröße zur vergleichenden Abschätzung der In-vitro-Zytotoxizität verschiedener Präparate dar. Zu ihrer Ermittlung werden mindestens 4 Werte benötigt, wobei im Idealfall 2 Werte den Bereich ≥50% Vitalität und 2 Werte den Bereich ≤50% Vitalität der L929-Zellen einschließen sollten.

Prüfsubstanzen

Geprüft wurden Lavasept® Konzentrat (Ch.-B. PC552, 03/2006, Fresenius Kabi Deutschland GmbH, Bad Homburg, seit Juli 2007 B. Braun Medical AG, Sempach) und Prontosan® Wundspüllösung (Ch. 2001-7, WS 35310701, 2004-07; Prontomed GmbH Medizinprodukte, Hiddenheim). 1 ml Lavasept®-Konzentrat enthält 200 mg Polihexanid (PHMB) mit einem Durchschnittsmolekulargewicht von 2800 und 10 mg Macrogolum 4000. Als Anwendungskonzentration wird zu Beginn der Wundbehandlung 0,2%iges Konzentrat, d.h. 0,04% PHMB, empfohlen [4]. 100 ml Lösung Prontosan® Wundspüllösung enthalten 0,1 g Undecylenamidopropyl-Betain und 0,1 g PHMB. Die Anwendungskonzentration beträgt 0,1% PHMB.

Es wurden jeweils in Bezug auf die Wirkstoffkonzentration im Produkt äquivalente Verdünnungen beider Wundspüllösungen getestet (Tabelle 1 [Tab. 1]).


Ergebnisse

Bakteriozide Wirksamkeit

Während sich gegenüber S. aureus keine Wirkungsunterschiede verifizieren lassen, ist Prontosan® bei kurzer Einwirkungszeit nach 1 min aber auch noch nach 5 min Exposition gegenüber P. aeruginosa deutlich wirksamer als Lavasept®. In der Prüfkonzentration von 0,089% Polihexanid erreicht Lavasept® erst ab 15 min Einwirkungszeit die gleiche Wirksamkeit wie Prontosan®. Bei niedrigeren Polihexanid Konzentrationen, 0,02 und 0,01%, und längerer Einwirkzeit, ab 15 min, zeichnet sich eine geringfügig bessere Wirksamkeit des Kombinationspräparats aus Polihexanid und Macrogolum ab, die allerdings nicht signifikant ist.

Bezogen auf diese Prüfkonzentration erfüllt Prontosan® die Wirkungsanforderungen an ein Antiseptikum mit ≥3lg Reduktion gegenüber P. aeruginosa nach 1 min Einwirkungszeit, Lavasept® erst nach 5 min Einwirkungszeit (Tabelle 2 [Tab. 2]).

Zytotoxizität

Die Ergebnisse der In-vitro-Zytotoxizitäts-Testung für das Prüfpräparat Prontosan® für die Konzentrationen von 100, 200, 400 und 500 µg/ml PHMB sind in Abbildung 2 [Abb. 2] dargestellt, die für Lavasept® in Abbildung 3 [Abb. 3].

Bei der höchsten Prüfkonzentration von PHMB von 500 µg/l und der kürzesten Einwirkungszeit von 1 min ist der Unterschied der Zytotoxizität zwischen beiden Wundspüllösungen am deutlichsten ausgeprägt. Bei dieser Konzentrations-Zeit-Relation ist die Zytoxizität von Lavasept® etwa doppelt so hoch wie die von Prontosan®. Mit abnehmender Prüfkonzentration und zunehmender Einwirkungszeit schwächt sich dieser Unterschied zunehmend ab.

In Abbildung 4 [Abb. 4], Abbildung 5 [Abb. 5], Abbildung 6 [Abb. 6] und Abbildung 7 [Abb. 7] sind die Prüfergebnisse im direkten Vergleich für die unterschiedlichen Prüfkonzentrationen zusammengefasst. Hier ergibt sich eine vergleichbare Abstufung in der Zytotoxizität zwischen Lavasept® und Prontosan®. Bei der PHMB-Konzentration von 500 µg/l ist die Zytotoxizität von Lavasept® sowohl bei 1 min als auch bei 5 min etwa doppelt so hoch wie die von Prontosan®. Bei 400 µg/l ergibt sich die analoge Situation bei 5 min und 15 min Einwirkungszeit, bei 200 µg/l bei 15 min und 60 min Einwirkungszeit. Bei 100 µg/l ist der Unterschied bei allen Einwirkungszeiten dagegen nur noch marginal.

Zur vergleichenden Abschätzung der In-vitro-Zytotoxizität wurde die IC50 kalkuliert. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Bestimmung der IC50 für die untersuchten Wirkstoffe mit den vorliegenden Ergebnissen streng genommen nur bei der Einwirkzeit von 5 min möglich ist, d.h. alle anderen Werte sind als Näherungswerte zu betrachten (Abbildung 8).

Die IC50-Werte der beiden PHMB-enthaltenden Prüfpräparate betragen nach einer Einwirkzeit von 5 min für Lavasept 255 µg/ml und für Prontosan 353 µg/ml (Abbildung 8 [Abb. 8]).


Diskussion

Die Untersuchungen zeigen, dass bei vergleichsweise hohen Anwendungskonzentrationen von Polihexanid durch den Zusatz von Undecylenamidopropylbetain die Wirksamkeit im Vergleich zur Kombination mit Macrogolum gegenüber P. aeruginosa verstärkt wird, obwohl gleichzeitig die In-vitro-Zytotoxizität gegenüber Mäusefibroblasten geringer ist als für die Kombination von Polihexanid mit Macrogolum. Die In-vitro-Zytotoxizität wird durch den Betainzusatz in Abhängigkeit von der Konzentrations-Zeit-Relation um bis zu 50% abgeschwächt. Beim Vergleich der IC50 ergibt sich ein Abstand von etwa 28%.

Bei niedrigeren Polihexanid Konzentrationen, 0,02 und 0,01%, und längerer Einwirkzeit, ab 15 min, zeichnet sich eine geringfügig bessere Wirksamkeit des Kombinationspräparates aus Polihexanid und Macrogolum ab. Bei starker Verdünnung, z. B. durch Wundsekret, könnte die Formulierung aus Polihexanid und Macrogolum ggf. über eine etwas größere Wirksamkeitsreserven verfügen. Zudem nähert sich die In-vitro-Zytotoxizität beider Formulierungen gegenüber Mäusefibroblasten mit abnehmender Polihexanid Konzentration an.

Als Ursache für die beobachteten Phänomene kommt eine Wechselwirkung der Inhaltsstoffe Polihexanid mit Macrogolum bzw. Undecylenamidopropylbetain infrage. Bei Undecylenamidopropylbetain handelt es sich um ein Derivat der Undecylensäure. Diese verändert Eiweißstrukturen in der Hornschicht der Haut und schädigt die Zellmembranen von Mikroorganismen. Von Undecylensäure ist bekannt, dass sie antifungielle Eigenschaften hat. Einer der durch Untersuchungen an Candida albicans nachgewiesenen Mechanismen hierfür ist, dass die Morphogenese der Hefe durch Hemmung der Umwandlung in die hyphale Form unterbunden wird. Als ein möglicher Mechanismus werden die Wechselwirkung mit der Biosynthese von Fettsäuren und eine Störung der Lipidsynthese diskutiert. Darüber hinaus verändern mittelkettige, ungesättigte Fettsäuren wie Undecylensäure den pH-Wert des Zytoplasmas durch den Transport von Protonen in die Zelle [5], [6]. Undecylenamidopropyl-betain ist ein amphoteres Tensid, d.h. es ist sowohl positiv als auch negativ geladen. Gemäß dem Produktblatt des Herstellers [2] kann Undecylenamidopropylbetain problemlos mit anionischen, nichtionischen und anderen amphoteren Tensiden kombiniert werden. Mit kationischen Substanzen kann es jedoch zu Wechselwirkungen kommen. So reduzieren quartäre Ammoniumverbindungen die antifungiellen Eigenschaften des Undecylenamido-propylbetain über Wechselwirkungen der Moleküle. Bei Polihexanid handelt es sich um eine kationische Substanz. Der Wirkstoff bindet an Phospholipidmembranen in der Bakterienzellwand, löst Permeabilitätsänderungen und Ladungsverschiebungen in der Zellmembran aus, hemmt membranständige Stoffwechselprozesse und bewirkt letztlich die Koagulation von Zellinhaltsstoffen. Damit werden die Bakterienzellen abgetötet [7], [8], [9], [10]. Die Substanzen Undecylenamidopropylbetain und Polihexanid binden und wirken somit beide an den gleichen Strukturen von Zellen, an den Zellmembranen. Werden beide Substanzen kombiniert eingesetzt, konkurrieren sie um die Bindungsstellen in der Zellmembran. Hierdurch würde sich die in unseren Versuchen festgestellte geringere Zytotoxizität einer Formulierung, die beide Substanzen enthält, erklären lassen. Der Zugang des Polihexanid zu einer in diesem Fall Eukaryontenzelle würde abgeschwächt werden. Die entgegen dieser Hypothese festgestellte Verbesserung der mikrobioziden Wirksamkeit im Kurzzeitbereich von 1–5 min Exposition könnte durch die tensidische Eigenschaft des Undecylenamidopropylbetains, das einen besseren Zugriff des Polihexanid auf den Erreger P. auruginosa, der zur Schleimbildung neigt, erzeugt werden. Die tensidische Eigenschaft würde nach dieser Hypothese in diesem Fall die Konkurrenz um die Bindungsstellen in der Zellmembran der Prokaryontenzelle überkompensieren. Bei S. aureus ist eine Wirkungsverstärkung durch Undecylenamidopropylbetain nicht erkennbar, was mit der unterschiedlichen Zellwandstruktur grampositiver und gramnegativer Bakterien zusammenhängen könnte. Ein Anhaltspunkt für die Hypothese von der Konkurrenz um Bindungstellen in Zellmembranen zeigt sich in der festgestellten Umkehr der beobachteten Effekte mit zunehmender Einwirkzeit und abnehmender Konzentration. Möglicherweise wird, wenn der Tensidvorteil des Undecylenamidopropylbetains aus der Formulierung „herausverdünnt“ wird, die Wechselwirkung an der geringfügig reduzierten Wirksamkeit der Kombination von Polihexanid mit Undecylenamidopropylbetain im Vergleich zur Kombination von Polihexanid mit Macrgolum sichtbar. Damit kann eine Kombination von Polihexanid mit Undecylenamidopropylbetain unter Zugrundelegung gleicher Wirkstoffkonzentrationen von Polihexanid als das gegenüber einer Kombination mit Macrogolum verträglichere Wundantiseptikum eingeschätzt werden, wobei der Unterschied mit höherer Wirkstoffkonzentration deutlicher wird.

Da Prontosan® zur Wundreinigung unverdünnt mit einer Polihexanidkonzentration von 0,1%, Lavasept® dagegen mit einer Polihexanidkonzentration von 0,04% bzw. bei längerer Anwendung von 0,02% eingesetzt wird, werden die Wirkungsanforderungen an ein Wundantiseptikum für die beiden Testorganismen S. aureus und P. aeruginosa durch Prontosan® bereits nach 1 min Einwirkungszeit erreicht, für Lavasept® dagegen erst nach 5 min.

Da Lavasept® maximal in der Anwendungskonzentration von 0,04% Polihexanid verwendet wird und für chronische Wunden die reduzierte Anwendungskonzentration von 0,02% empfohlen wird [4], die Anwendungskonzentration von Polihexanid im Prontosan® jedoch 0,1% beträgt, ist bezüglich der Anwendungslösungen Lavasept® gegenüber Prontosan® als weniger zytotoxisch und damit besser wundverträglich einzuschätzen. Zur experimentellen Abklärung dieser Vermutung sind weitere Untersuchungen angezeigt. Inwieweit dieser wahrscheinliche/vermutete Unterschied bei nur einmaliger Anwendung von Prontosan® zur Wundreinigung zum Tragen kommt, kann mit dieser Studie nicht beantwortet werden.

Prinzipiell scheint jedoch eine Optimierung von Polihexanid haltigen Wundpüllösungen durch besser aufeinander abgestimmte Konzentrationsverhältnisse von Polihexanid und Undecylenamidopropylbetain denkbar zu sein.


Literatur

1.
Pharmazeutisches Laboratorium des "Neues Rezeptur-Formularium". Standardisierte Rezepturen (NRF/SR). Rezepturhinweise Polihexanid. Eschborn: Govi; 29.11.2006.
2.
prEN13727. Chemische Desinfektionsmittel und Antiseptika - Quantitativer Suspensionsversuch zur Prüfung der bakteriziden Wirkung chemischer Desinfektionsmittel für Instrumente im humanmedizinischen Bereich; Prüfverfahren und Anforderungen (Phase 2/Stufe 1). 2000.
3.
Müller G, Kramer A. Comparative study of in vitro cytotoxicity of povidone-Iodine in solution, in ointment or in a liposomal formulation (Repithel) and selected antiseptics. Dermatology. 2006;212(suppl. 1):91-3.
4.
Kramer A, Roth B. Polihexanid. In: Kramer A, Assadian O, Hrsg. Wallhäußers Praxis der Sterilisation, Desinfektion, Antiseptik und Konservierung. Qualitätssicherung der Hygiene in medizinischen und industriellen Bereichen. Stuttgart: Thieme; im Druck.
5.
REWOTERIC® AM B U 185. Goldschmidt GmbH.
6.
McLain N, Ascanio R, Baker C, et al. Undecylenic acid inhibits morphogenesis of Candida albicans. Antimicrob Agents Chemother. 2000;44:2873-5.
7.
Steven S, Hofemyer JHS. Effects of ethanol, octanoic and decanoic acids on fermentation and the passive influx of protons through the plasma membrane of Saccharomyces cerevisiae. Appl Microbiol Biotechnol. 1993;38:356-63.
8.
Ikeda T, Ledwith A, Bamford C, Hann RA. Interaction of a polymeric biguanide biocide with phospholipid membranes. Biochim Biophys Acta. 1984;769:57-66.
9.
Ikeda T, Tazuke S, Bamford C, Ledwith A. Spectroscopic studies on the interaction of polymeric in-chain biguanide biocide with phospholipids membranes as probed by 8-anilinonaphthalene-1-sulfonate. Bull Chem Soc Jpn. 1985;58:705-9.
10.
Davies A, Field BS. Action of biguanides, phenols and detergents on Escherichia coli and its spheroplasts. J Appl Bact. 1968;32:233-43.
11.
DIN EN ISO 10993-5. Biologische Beurteilung von Medizinprodukten. Teil 5. Prüfungen auf Zytotoxizität: in vitro-Methoden. 1999.
12.
Mitchinson C, Pain RH, Vinson JR, Walker T. The relative effectiveness of guanidinium and some biguanide salts as denaturants. Biochim Biophys Acta. 1983;743:31-6.