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GMS Hygiene and Infection Control

Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH)

ISSN 2196-5226

Antimikrobielle Wirksamkeit und Endotoxinbindung durch eine silberhaltige Wundauflage

Antibacterial activity and endotoxin-binding capacity of a silver-containing wound dressing

Originalarbeit

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  • Gerald Müller - Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Ernst-Moritz-Arndt-Universität, Greifswald, Deutschland
  • corresponding author Axel Kramer - Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Ernst-Moritz-Arndt-Universität, Greifswald, Deutschland
  • Martin Abel - Lohmann & Rauscher GmbH & Co. KG, Rengsdorf, Deutschland
  • Marius-Thomas Gorka - Lohmann & Rauscher GmbH & Co. KG, Neuwied, Deutschland
  • Peter Ruth - Lohmann & Rauscher GmbH & Co. KG, Neuwied, Deutschland

GMS Krankenhaushyg Interdiszip 2007;2(2):Doc40

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/journals/dgkh/2007-2/dgkh000073.shtml

Veröffentlicht: 28. Dezember 2007

© 2007 Müller et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Die Wundauflagen Actisorb® Silver 220 und Vliwaktiv® Ag besitzen eine vergleichbare und hohe in vitro Endotoxin-Bindungskapazität, verbunden mit einer ausgeprägten bakterioziden Aktivität gegenüber den Prüfmikroorganismen Enterococcus faecium (ATCC 6057), Pseudomonas aeruginosa (ATCC 15442), Candida albicans (ATCC 10231), Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus (Epidemiestamm Nord, MRSA) und Vancomycin-resistenter E. faecium (VRE). Beide Wundauflagen sind somit geeignet für die Behandlung von infizierten Wunden, insbesondere bei Kolonisation durch Gram-negative Bakterien.

Schlüsselwörter: silberhaltige Wundauflagen, Vliwaktiv® Ag, Actisorb® silver, bakteriozide Wirkung, MRSA, VRE, Endotoxinbindung

Abstract

The wound dressings Actisorb® Silver 220 and Vliwaktiv® Ag possess a high in vitro endotoxin-binding capacity combined with a marked bactericidal activity against Enterococcus faecium (ATCC 6057), Pseudomonas aeruginosa (ATCC 15442), Candida albicans (ATCC 10231), methicillin-resistent Staphylococcus aureus (epidemical strain north, MRSA) and vancomycin-resistent E. faecium (VRE). Both wound dressings may be beneficial in the treatment of infected wounds, particularly at colonization by Gram-negative bacteria.

Keywords: silver-containing wound dressing, Vliwaktiv (R) Ag, Actisorb (R) silver, bactericidal effect, MRSA, VRE, endotoxin-binding


Einleitung

Silberverbindungen besitzen nur noch Bedeutung in Wundauflagen. Aus den Arbeiten von Thomas und McCubbin [1], [2] wird der Zusammenhang zwischen Silberfreisetzung und antimikrobieller Wirkung verschiedener silberhaltiger Wundauflagen deutlich. Grundsätzlich sind Wundauflagen zu bevorzugen, die kein Silber in die Wundumgebung abgeben, um die Wundheilung nicht durch die toxische Wirkung von Silberionen negativ zu beeinflussen. So erwiesen sich in der Keratinozyten- und Fibroblasten-Zellkultur Silbernitrat und nanokristallines Silber ohne Unterschied als hoch zytotoxisch (7x10-4% bis 55x10-4%) [3]. Beim Vergleich einer silberfreisetzenden Wundauflage mit der silberfreien Kontrolle an mesh graft Entnahmestellen wurde das Eintreten >90% Reepithelisierung durch die silberabgebende Wundauflage signifikant verzögert. Dabei war kein Unterschied bzgl. positiver bakteriologischer Kulturen nachweisbar. Die Narbenqualität war bei der silberfreisetzenden Wundauflage nach 1 und 2 Monaten signifikant schlechter und hatte sich erst nach 3 Monaten angeglichen [4].

In Kombination mit Aktivkohle, in der das Silber fest gebunden war [5], wird überschüssiges Wundsekret mit darin enthaltenen Mikroorganismen in die Wundauflage abgeleitet. Die Mikroorganismen und ihre Toxine werden durch die Silberionen in der Aktivkohle sowie an der Grenzfläche der Wundauflage inaktiviert [6], [7]. Zugleich wird Geruchsbildung verhindert.

Silberhaltige Wundauflagen werden vor allem zur Behandlung von chronischen Wunden sowie bei Verbrennungen verwendet [8]. In-vitro-Untersuchungen sowohl zur antimikrobiellen Wirksamkeit als auch zur Bindungskapazität von Endotoxinen wurden bisher ausschließlich mit der Wundauflage Actisorb® Silver 220 durchgeführt [6]. Daher sollte in der vorliegenden Studie als weitere silberhaltige Wundauflage Vliwaktiv® Ag hinsichtlich antimikrobieller Wirksamkeit und Endotoxin-Bindungskapazität mit der Wundauflage Actisorb® Silver 220 verglichen werden.


Methoden

Die Untersuchungen zur Mikrobiozidie erfolgten an den silberhaltigen Wundauflagen Actisorb® Silver 220 (Johnson & Johnson GmbH, Nordersted) und Vliwaktiv® Ag (Lohmann & Rauscher GmbH, Rengsdorf) wie bei Rudolph et al. [7] beschrieben. Die Prüfmikroorganismen Enterococcus faecium (ATCC 6057), Pseudomonas aeruginosa (ATCC 15442), Candida albicans (ATCC 10231), Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus (Epidemiestamm Nord, MRSA) und Vancomycin-resistenter E. faecium (VRE) dienten als bakterielle Inokuli. Die intakte Wundauflage wurde in einer Petrischale mit einer definierten Menge Prüfmikroorganismen-Suspension mit 106 Koloniebildenden Einheiten (KbE)/ml ohne Proteinbelastung benetzt und anschließend kultiviert. Die Inkubation der Wundauflagen-Prüfmikroorganismen-Kombination erfolgte für die Bakterien bei 36±1°C und für Candida albicans bei 30±1°C. Unmittelbar nach der Kombination sowie nach 30 min, 1 h, 3 h, 24 h, 48 h und 72 h erfolgte die Probenahme, indem zu jeder Petrischale mit Wundauflage und Prüfmikroorganismen 100 ml 0,1% Natriumthioglycolat hinzugefügt wurde. Nach intensivem Mischen über 5 min wurden serielle Verdünnungen in Trypton/NaCl-Lösung angefertigt und 0,1 ml davon als Doppelwerte auf CASO-Agarplatten ausgespatelt und nach 48 h bzw. 72 h Inkubation ausgewertet. Die Bestimmung der vorhandenen KbE Mikroorganismen erfolgte im Vergleich zur unbehandelten Kontrolle.

Für die Untersuchungen zur Endotoxin-Bindungskapazität wurden die Wundauflagen Actisorb® Silver 220 und Vliwaktiv ® Ag mit Vliwaktiv® und Gazin® Mullkompresse sowie mit einer PBS-Kontrolle verglichen. Als LPS-Standard wurden die Endotoxine O55:B5 aus Escherichia coli eingesetzt. Für die Endotoxin-Gehaltbestimmungen wurden ausschließlich pyrogenfreie Glas- und Kunststoffartikel eingesetzt. In Petrischalen mit 15 cm Durchmesser wurden die intakten Wundauflagen platziert und mit einer Endotoxin-Lösung in PBS mit einer Endkonzentration von 3x104 Endotoxineinheiten (EU)/ml versetzt. Pro cm² aktive Wundauflagenfläche wurden 1 ml Endotoxin-Lösung hinzugefügt. Als Kontrolle diente eine Petrischale ohne Wundauflage, die nur die Endotoxinlösung enthielt. Die Zellkulturschalen mit den Ansätzen wurden in einer feuchten Kammer bei 37°C inkubiert. Die Probenahmen erfolgten nach 0,5 h, 3 h und 24 h. Nach Anfertigung serieller Verdünnungen in LAL-Wasser erfolgte die Bestimmung der vorhandenen Endotoxine mittels chromogenen LAL-Kit (Cambrex, East Rutherford, NJ, USA).


Ergebnisse

Die Ergebnisse der Mikrobiozidie-Testung (Tabelle 1 [Tab. 1]) zeigen, dass die Wundauflagen Actisorb® Silver 220 und Vliwaktiv® Ag vergleichbare Reduktionsfaktoren gegenüber den 5 Prüf-Mikroorganismen aufweisen. Die Mindestanforderung an eine Wundauflage, 1 lg-Stufe Reduktion zu erzielen, wird von beiden Silber-haltigen Wundauflagen nach 24 h Kontaktzeit erfüllt. Nur Actisorb® Silver 220 hat eine Schwäche gegen dem Vancomycin-resistenten Enterococcus faecium. Gegenüber allen anderen Prüf-Mikroorganismen werden nach 24 h Kontaktzeit mit der Wundauflage mindestens 2 lg-Stufen erreicht.

Die Box-und Whisker-Plot-Darstellungen der Ergebnisse der Endotoxin-Gehaltbestimmungen nach 0,5 h (Abbildung 1 [Abb. 1]), 3 h (Abbildung 2 [Abb. 2]) und 24 h (Abbildung 3 [Abb. 3]) zeigen, dass die Gazin® Mullkompresse kein Endotoxin bindet. Die Aktivkohle-haltigen Wundauflagen Actisorb® Silver 220, Vliwaktiv® Ag und Vliwaktiv® zeigen zeitabhängig vergleichbare Bindungskapazitäten, die nach jeder untersuchten Kontaktzeit signifikant verschieden (p<0,05) von der PBS-Kontrolle sind. Nach 30 min werden 5-8x103 EU pro cm² Wundauflagenfläche gebunden, nach 3 h bereits 7-10x103 EU/cm² und nach 24 h 12-13x103 EU/cm².


Diskussion

Bakterielle Infektionen beeinflussen die Wundheilung und belasten den gesamten Organismus [9], [10]. Insbesondere bakterielle Endo- und Exotoxine können zu einer Verzögerung der Wundheilung beitragen [11], [12]. Sowohl eine kritische bakterielle Kolonisation oder das vermehrte Vorkommen von Bakterien in infizierten Wunden als auch die verstärkte Abgabe von Toxinen soll deshalb durch antimikrobiell wirksame Wundauflagen, die gleichzeitig eine Bindungskapazität für Endotoxine besitzen, verhindert werden. Neben der vergleichbaren mikrobioziden Wirkung der beiden silberhaltigen Wundauflagen Actisorb® Silver 220 und Vliwaktiv® Ag sind beide auch hinsichtlich ihrer Endotoxin-Bindungskapazität als ähnlich einzuschätzen. Das trifft auch für Vliwaktiv® ohne Silberzusatz zu, nur das diese Wundauflage keine zusätzliche antiseptische Wirksamkeit besitzt.


Fazit

Sowohl Actisorb® Silver 220 als auch Vliwaktiv® Ag sind hinsichtlich ihrer mikrobioziden Wirkung gegenüber den Prüfmikroorganismen Enterococcus faecium (ATCC 6057), Pseudomonas aeruginosa (ATCC 15442), Candida albicans (ATCC 10231), Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus (Epidemiestamm Nord, MRSA) und Vancomycin-resistenter E. faecium (VRE) vergleichbar.

Die Bindungskapazität für Endotoxine O55:B5 aus Escherichia coli ist ebenfalls für beide silberhaltigen Wundauflagen als identisch einzuschätzen.


Literatur

1.
Thomas S, McCubbin P. A comparison of the antimicrobial effects of four silver-containing dressings on three organisms. J Wound Care. 2003;12(3):101-7.
2.
Thomas S, McCubbin P. An in vitro analysis of the antimicrobial properties of 10 silver-containing dressings. J Wound Care. 2003;12(8):305-8.
3.
Poon VK, Burd A. In vitro cytotoxity of silver: implication for clinical wound care. Burns. 2004;30(2):140-7.
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Innes ME, Umraw N, Fish JS, Gomez M, Cartotto RC. The use of silver coated dressings on donor site wounds: a prospective, controlled matched pair study. Burns. 2001;27(6):621-7.
5.
Furr JR, Russel AD, Turner TD, Adrews A. Antibacterial activity of Actisorb Plus, Actisorb and Silver nitrate. J Hosp Inf. 1994;27:201-8.
6.
Müller G, Winkler Y, Kramer A. Antibacterial activity and endotoxin-binding capacity of Actisorb® Silver 220. J Hosp Infect. 2003;53(3):211-4.
7.
Rudolph P, Werner HP, Kramer A. Untersuchungen zur Mikrobiozidie von Wundauflagen. Hyg Med. 2000;25(5):184-6.
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Lansdown ABG. Silver I: its antibacterial properties and mechanism of action. J Wound Care. 2002;11(4):125-30.
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McGuckin M, Goldman R, Bolton L, Salcido R. The clinical relevance of microbiology in acute and chronic wounds. Adv Skin Wound Care. 2003;16(1):12-23.
10.
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11.
Fleck CA. Differentiating MMPs, biofilm, endotoxins, exotoxins, and cytokines. Adv Skin Wound Care. 2006;19(2):77-81.
12.
Ovington L. Bacterial toxins and wound healing. Ostomy Wound Manage. 2003;49(7A Suppl):8-12.