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GMS Hygiene and Infection Control

Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH)

ISSN 2196-5226

Straf- und haftungsrechtliche Fragen der arbeitsteiligen Wundtherapie: Aufgaben, Verantwortung und Haftung von Ärzten und Pflegepersonal

Penal and civil liability aspects of the division of labour in wound therapy: tasks, responsibility and liability of doctors and nursing staff

Übersichtsarbeit

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  • corresponding author Gunnar Duttge - Georg-August-Universität Göttingen, Juristische Fakultät, Zentrum für Medizinrecht, Göttingen, Deutschland

GMS Krankenhaushyg Interdiszip 2007;2(2):Doc30

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/journals/dgkh/2007-2/dgkh000063.shtml

Veröffentlicht: 28. Dezember 2007

© 2007 Duttge.
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Zusammenfassung

Die Etablierung einer transparenten Organisationsstruktur, in der die verschiedenen Verantwortungsbereiche im Kontext der Wundversorgung aufeinander abgestimmt sind, so dass eine qualitativ hochwertige und effektive Behandlung ermöglicht wird, ist auch zur Vermeidung rechtlicher Sanktionierung dringend geboten. Der im juristischen Kontext bei horizontaler und vertikaler Arbeitsteilung anerkannte Vertrauensgrundsatz steht unter dem Vorbehalt einer funktionierenden Koordination und Kommunikation, für deren Installation das jeweilige Teilsystem der Medizin Sorge zu tragen hat. Ansonsten droht bei schadensursächlichen Kausalverläufen trotz lebensweltlicher Arbeitsteilung eine weit reichende zivil- und auch strafrechtliche Sanktionierung.

Schlüsselwörter: Verantwortung, arbeitsteilige Wundversorgung, delegationsfähige Leistungen, Qualitätssicherung, Expertenstandards, Organisations- und Kommunikationsstrukturen, horizontale und vertikale Arbeitsteilung, Vertrauensgrundsatz, ärztliche Sorgfaltspflichten bei Delegation

Abstract

Establishing a transparent organisational structure to harmonise the different fields of responsibility on wound treatment and to afford a smoothly flow of the treatment is also highly recommended to avoid legal measures. The legally recognized principle of reliance on the division of labour, both vertical and horizontal, is based on efficient coordination and communication, to be installed by the respective medical branch. Otherwise large-scaled sanctions according to civil as well as criminal law impend to occur despite a natural based division of labour while there are causal connected loss experiences.

Keywords: liability, wound treatment, division of labour, delegable performances, quality assurance, professional standard, organisational and communicational structure, vertical and horizontal division of labour, principle of reliance, duty of care


Arbeitsteilige Gesundheitsversorgung und der Ruf nach Verantwortung

Auf dem Weg zu ihrer Professionalisierung und nie geahnten Steigerung ihres Interventionspotentials hat die moderne Medizin inzwischen einen Grad an Spezialisierung und Komplexität ihrer Organisationsstruktur erreicht, mit der die intendierte Patientenfürsorge auf höchstem Qualitätsniveau zunehmend in eine systembedingte Patientengefährdung qua Etablierung von Bereichen „organisierter Unverantwortlichkeit“ umzuschlagen droht („Die etablierten Regeln der Zurechnung und Verantwortung – Kausalität und Schuld – versagen. Das heißt, deren unverdrossene Anwendung … bewirkt das Gegenteil: die Gefahren wachsen, ihre Anonymisierung wird legitimiert“ [1], S. 9). Deutlich mehren sich die Anzeichen der Überforderung einzelner Personen wie ganzer Versorgungseinheiten angesichts der exorbitant gewachsenen Anforderungen schon an die eigene Aufgabenerfüllung, um so mehr hinsichtlich des nötigen Abstimmungs- und Kooperationsbedarfs, der die Fehlerträchtigkeit der Abläufe dramatisch erhöht und im Falle Schaden stiftender Verläufe die Frage aufwirft, wer sich hierfür zur Rechenschaft ziehen lassen muss (zum Verantwortungsbegriff in Geschichte und Moderne eingehend [2]). Dabei besteht insbesondere die Sorge, dass „den Letzten die Hunde beißen“, mithin die letztbehandelnde Arztperson bzw. die zuletzt tätige Pflegekraft mit gesellschaftlicher, vor allem (zivil- oder gar straf-) rechtlicher Disziplinierung rechnen muss (näher [3]). Soll das hiermit konfrontierte Individuum aber diese Zuschreibung von Verantwortung als gerechtfertigte Sanktion und nicht als bloßes Unglück („Pech gehabt“) erleben können, muss ihm aufgezeigt werden, dass es innerhalb des Systems mit seinem institutionalisierten Geflecht von Interaktionen aufgrund akzeptierbarer Regeln für die Vermeidung dieser Schadensfolge zuständig und hierzu lebensweltlich auch in der Lage war ([4], S. 335): „Verantwortliches Handeln setzt stets eine wohldefinierte, also endliche Verantwortung, mithin ein gewisses Maß an Unverantwortlichkeit voraus“ ([5], S. 174; siehe auch: „Eine wichtige … normative Grenze der Zuschreibung moralischer Verantwortung ist die Grenze der Belastbarkeit des Verantwortungssubjekts.“ [6], S. 165; „Der Ruf nach Verantwortung beinhaltet also die Zumutung, dass verantwortliche Personen als Verantwortungsträger in der Lage sein sollen, bestimmte Probleme zu lösen, die andere nicht zu lösen vermögen.“ [7], S. 91) – das aber niemals ein Ausmaß erreichen darf, bei dem sich die jeweilige soziale Rolle auflöst und in letzter Konsequenz die grundlegende Aufgabenstellung des Systems – hier die bestmögliche Patientenversorgung – in Vergessenheit gerät. Da gesellschaftlich eine leistungsfähige und qualitativ hochwertige medizinische Versorgung nach wie vor nachdrücklich erwartet wird, muss die interne Organisationsstruktur durch klare Aufgaben- und Rollenzuschreibung verbessert werden. Denn: „Je komplexer der arbeitsteilige Zusammenhang ist, desto notwendiger wird es, die Aufgaben der Individuen eindeutig zu verteilen, ihre Kompetenzen klar zu regeln und Instanzen zu schaffen, die den Gesamtablauf verantwortlich steuern“ ([2], S. 31).

Ganz in diesem Sinne hat der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen in seiner umfangreichen Stellungnahme vom Juli 2007 zu den „Voraussetzungen einer zielorientierten Gesundheitsversorgung“ ([8], S. 120) die negativen Wirkungen eines im deutschen Gesundheitswesen „ausgeprägten Hangs zur Spezialisierung“ eindringlich beschrieben samt der in der jüngsten Vergangenheit noch einmal zu verzeichnenden „Komplexitätssteigerung“, bedingt durch die

  • Zunahme der Multimorbidität in einer älter werdenden Gesellschaft,
  • deutliche Vermehrung von (Produkt-)Innovationen bei gleichzeitig eingeschränkten Ressourcen,
  • zunehmende Durchdringung des beruflichen Alltags mit betriebswirtschaftlich begründeten Allokationsproblemen,
  • zunehmende Heterogenität der Strukturen, z.B. durch neue Versorgungsangebote wie die Integrierte Versorgung nach § 140d SGB-V, Disease Management Programme oder Medizinische Versorgungszentren,
  • gestiegenen externen Anforderungen seitens der Patienten, anderer Leistungsanbieter, der Kostenträger und seitens der Gesellschaft.

Der Sachverständigenrat betont in seinem Gutachten, dass die traditionellen Handlungsoptionen der jeweiligen Gesundheitseinrichtungen und ihrer Angehörigen, diese Komplexität durch erhöhte Anstrengungen „im eigenen Segment“ gleichsam „kleinräumig“ zu bewältigen, zum Scheitern verurteilt sind: „Demotivation und die Wahl anderer Berufswege sind die Konsequenz, Management und Führung werden als inkompetent wahrgenommen, der Rückgriff auf tradierte berufliche Rollen liegt nahe“ ([8], S. 122). Ausgehend von der allgemeinen organisationssoziologischen Einsicht, dass die Steuerung des Systems stets danach streben muss, den Grad der notwendigen Spezialisierung mit der Integration der Tätigkeiten fortlaufend in einem Gleichgewicht zu halten ([8], S. 119), empfiehlt der Sachverständigenrat das Überdenken der bisherigen Aufgabenverteilung zwischen den Berufsgruppen sowie ein innovatives Entwickeln und Implementieren „neuer Kooperationsformen“ mit „flachen Teamstrukturen“ und einer „Entkoppelung von Funktion und hierarchischer Weisungsbefugnis“. Diese Maßnahmen sollen wesentlich dazu beitragen, „die Arbeitszufriedenheit der Berufsgruppen durch sinnvolle Arbeitsaufteilung zu verbessern und zu garantieren, dass Tätigkeiten entsprechend des eigenen Qualifikationsniveaus durchgeführt werden können“ ([8], S. 127, 139f.).


„Sinnvolle Aufgabenverteilung“ in der Wundtherapie?

Die Wundversorgung, traditionell zu den Domänen des ärztlichen Kompetenzbereiches zählend, hat sich in den letzten Jahrzehnten offensichtlich mehr und mehr zu einem multidisziplinären Aufgabenbereich entwickelt, in dem das ärztliche und das pflegerische Handeln eng miteinander verwoben sind: Zwar wird die Entscheidungsbefugnis über die Therapieanordnung nach wie vor den behandelnden Ärzten zugeschrieben; diese beruht aber in praxi ihrerseits – jedenfalls zu erheblichen Teilen – auf den Beobachtungen und mitunter sogar Empfehlungen des Pflegepersonals [9]. Auch das Kooperationspapier zwischen Bundesärztekammer und Pflegeverbänden aus dem Jahre 1993 erklärt die Anordnungsbefugnis über therapeutische wie diagnostische Maßnahmen unmissverständlich zu einer ärztlichen Aufgabe, betont jedoch zugleich die umfassende Verantwortlichkeit der Pflegenden für eine sach- und fachkundige Pflege, durch die sie den Arzt „in der Durchführung diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen … unterstützen“ ([10], Ziff II). Unklar bleibt, wie die beiden Kompetenzbereiche harmonisch aufeinander abgestimmt und voneinander abgegrenzt werden können; dass hier ein erhebliches Potential für Reibungsverluste bzw. Verantwortungslücken zu finden ist, könnte nicht deutlicher zum Ausdruck kommen als in der schon seinerzeit erhobenen Forderung nach einer „berufsübergreifenden Organisationseinheit“ zwecks „Verbesserung insbesondere der Kommunikations-, Führungs- und Organisationsstrukturen im Krankenhaus“ ([10], Ziff. III). Damit liegt es offenbar (mitunter) im Argen, wenn eine neuere Arbeit zum Wundmanagement im Krankenhaus resümierend feststellt, dass es „noch ein weiter Weg“ sei bis zur Schaffung der strukturellen Rahmenbedingungen für eine qualitativ hochwertige Wundversorgung, bis zur Vereinheitlichung von Regeln und Verfahren, zur Bereitstellung der nötigen Ressourcen und der Herstellung eines ausreichenden Maßes an Transparenz ([11], S. 35). So fehlt es etwa bei der Wunddokumentation an einer berufs- und ortsübergreifend einheitlich verwendeten Fachsprache ebenso wie an einem Standard für die konkrete Weise der (formulargestützten) Protokollierung, so dass schon deshalb eine missverständnisfreie Kommunikation nicht gewährleistet ist. Noch wesentlich grundlegender hat, selbst im Hinblick auf Diagnostik und Therapie, die Deutsche Gesellschaft für Wundheilung und Wundbehandlung anlässlich ihres achten Kongresses 2004 die Dringlichkeit von Standards und Leitlinien herausgestellt, „damit die nachgewiesenermaßen besten Behandlungskonzepte zum Tragen kommen“ (so der Kongresspräsident Prof. Becker, berichtet in: [12], S. 817).

Dies gilt nicht zuletzt für die konkrete Weise des Zusammenwirkens von ärztlicher und pflegerischer Kompetenz und für die Reichweite der jeweiligen Verantwortungssphäre: Denn angesichts des Umstandes, dass die eigenständige Durchführung der Wundversorgung zu den Ausbildungszielen und -inhalten der Krankenpflege zählt (§ 3 Abs. 1 S. 1 KrPflG lautet: „Die Ausbildung … soll entsprechend dem allgemein anerkannten Stand pflegewissenschaftlicher, medizinischer und weiterer bezugswissenschaftlicher Erkenntnisse fachliche, personale, soziale und methodische Kompetenzen zur verantwortlichen Mitwirkung insbesondere bei der Heilung, Erkennung und Verhütung von Krankheiten vermitteln.“ – § 3 Abs. 2 Nr. 2: „Die Ausbildung für die Pflege … soll insbesondere dazu befähigen, … die folgenden Aufgaben im Rahmen der Mitwirkung auszuführen: a) eigenständige Durchführung ärztlich veranlasster Maßnahmen, b) Maßnahmen der medizinischen Diagnostik, Therapie oder Rehabilitation, c) …“.) und deshalb der Wissensstand der Pflege im Bereich des Wundmanagements bei entsprechend qualifizierten Kräften als „sehr oft höher“ liegend eingeschätzt wird [13], kann man sich nicht mehr mit der (scheinbar) klaren, aber augenscheinlich zu simplifizierenden und insoweit veralteten Unterscheidung zwischen ärztlicher Anordnungs- und pflegerischer Durchführungsverantwortung bescheiden (so aber z.B. noch [14]). Wächst doch einerseits mit zunehmender Qualifikation auch die Verantwortlichkeit für das Geschehen, die es im Interesse des Patientenschutzes nicht hinnehmbar erscheinen lässt, eine fehlerhafte ärztliche Anordnung sehenden Auges zu exekutieren. Andererseits greift wiederum aus Gründen der Qualitätssicherung eine bloße (in das freie Ermessen des Arztes gestellte) Delegation von Einzelaufgaben bei fortbestehender ärztlicher Anordnungskompetenz (wie z.B. für die Wundabdeckung und den Verbandswechsel gemäß der Leitlinie der AWMF zu den hygienischen Anforderungen an das postoperative Wundmanagement: „Die Wundabdeckung (Anlegen des Verbandes) und der Verbandswechsel sind ärztliche Tätigkeiten. Diese Tätigkeiten können an qualifiziertes nichtärztliches Personal übertragen werden; entsprechende Handlungsanweisungen sind dann aber schriftlich zu formulieren“ [15]) zu kurz, wenn es das postulierte Qualifikationsgefälle im betreffenden Sachbereich (jedenfalls teilweise) nicht mehr gibt. Vielmehr lassen sich die besonderen Kompetenzen der Pflege erst nutzen, wenn einzelne Aufgabenfelder identifiziert werden, die (evtl. bis zu einem gewissen Grad der Aufgabenerledigung) in die primäre Zuständigkeit qualifizierter Pflegekräfte überantwortet werden können [16]. Im Kern hängt eine sorgfältige wie effektive Aufgabenerledigung von einer sinnvollen Arbeitsteilung ab, und diese wiederum von den vorhandenen sachlichen und personellen Ressourcen, in letzterer Hinsicht also unter maßgeblicher Berücksichtigung der jeweils anzutreffenden bzw. (durch Aus- und Fortbildung) erwartbaren Kenntnisse und Befähigungen, nicht von einem Festhalten an tradierten Berufsbildern. Wenn Qualitätssicherung also bedeutet, die Aufgaben auf höchstmöglichem Niveau zu erfüllen, so muss die Organisationsstruktur so beschaffen sein, dass die jeweils vorhandenen qualitätsrelevanten Potentiale aufeinander abgestimmt abgerufen und eingebracht werden können. Damit dies nicht nur zufällig, sondern regelmäßig und systematisch geschieht, sind strukturelle Festlegungen zum Prozedere unter Einschluss der jeweiligen Aufgaben- und Kompetenzbereiche unverzichtbar.

Gegen die Etablierung eines positiven und/oder negativen Behandlungskatalogs wird teilweise vorgebracht, dass die hierin enthaltenen Vorgaben (d.h. Ge- wie Verbote hinsichtlich bestimmter Behandlungs- und Vorgehensweisen einschließlich der Frage der Anordnungs- sowie der Ausführungskompetenz) stets unter dem Vorbehalt der Verhältnisse des jeweiligen Einzelfalls stünden, mithin die Richtigkeit einer Vorgehensweise sich erst in der konkreten Situation erkennen lasse und deshalb eine Vorabfestlegung gar nicht möglich sei ([14]; tendenziell auch [17], allerdings vorwiegend gegen „kleinteilige Handlungsstandards“ gerichtet und letztlich die „wichtige positive Funktion“ als „Wegweiser durch schwieriges Gebiet (Kompass)“ einräumend). Damit wird jedoch das Differenzierungspotential eines Behandlungsstandards ebenso verkannt wie die zentrale Bedeutung von Behandlungsroutinen, ohne die arbeitsteilig organisierte Einrichtungen schlechterdings nicht auskommen können. Die Entwicklung sog. „Expertenstandards“ wie zur Dekubitusprophylaxe (2000; im Überblick [18]) und inzwischen auch zum Entlassungsmanagement in der Pflege (2002; im Überblick [19]) spricht für sich. Diese Standards sind im Übrigen keine Produkte willkürlicher Beliebigkeit, sondern – im Idealfall – das gebündelte Resultat aller einschlägigen Vorerfahrungen des Medizinsystems, die zu ignorieren den Interessen der Patienten diametral zuwiderlaufen würde. Die bessere Alternative zu einem starren Korsett von Behandlungsschemata kann daher nicht sein, dem „gesunden Menschenverstand“ der jeweiligen Akteure in der konkreten Situation unbegrenztes Vertrauen zu schenken (und die erwartbaren Fehler stets aufs Neue in Kauf zu nehmen, d.h. aus den Fehlern anderer nicht lernen zu wollen), sondern einen (fortlaufend zu aktualisierenden) Rahmen zu schaffen, der unter Nutzung jener Vorerfahrungen für den Regelfall anwendbare Behandlungsempfehlungen ausspricht, ohne evtl. Abweichungen aufgrund der besonderen Individualität des konkreten Falles von vornherein auszuschließen. In concreto bedarf es hierzu einer bereichsspezifischen Konkretisierung jener Unterteilung, die zur Frage der arbeitsteiligen Erbringung „an sich ärztlicher Leistungen“ inzwischen weithin etabliert ist: zwischen generell, nur bedingt (d.h. einzelfallabhängig) oder unter keinen Umständen delegierfähigen (d.h. vom Arzt stets persönlich zu erbringenden) Maßnahmen (in diesem Sinne die Differenzierung der Bundesärztekammer in ihrer Stellungnahme zu den Anforderungen an die persönliche Leistungserbringung [20]; ebenso der Sachverständigenrat in seinem Gutachten zur Entwicklung im Gesundheitswesen [8], S. 101 ff.; ähnlich [21], S. 141). Allgemein wird zu ersteren neben Laborleistungen u.a. auch der Wechsel einfacher Verbände gezählt, zu letzteren neben operativen Eingriffen „die Untersuchung und Beratung des Patienten, … der invasive diagnostische Eingriff und die Entscheidung über sämtliche therapeutische Maßnahmen“ ([20], Ziff. II), zum Teil auch die Vornahme schwieriger Injektionen, Infusionen und Blutentnahmen ([22], § 48 Rn 4). Im Sinne einer ersten Annäherung wird man festhalten können, dass neben der Eingangs- sowie der Entlassungsuntersuchung sämtliche Fälle einer (erwartbar/potentiell) komplexeren Wundversorgung (wie z.B. bei einer verspäteten und infolgedessen erkennbar mit erhöhter Infektionsgefahr einhergehenden Operation: „…bestand angesichts der zunehmenden Weichteilschwellung und der erhöhten Infektionsgefahr bei verspäteter Operation besondere Veranlassung, täglich einen Verbandswechsel durchzuführen und dabei jeweils die Wunde eingehend zu untersuchen. … (Behandlung war fehlerhaft, weil) … angesichts der besonderen Gefährdungssituation sämtliche Verbandswechsel durch einen Arzt hätten durchgeführt werden müssen“. [23]) die persönliche ärztliche Fürsorge verlangen (siehe auch [8], S. 102: „Grundsätzlich wird eine Delegation erschwert, wenn die praktische und theoretische Komplikationsdichte und die damit einhergehende Gefährdung des Patienten erhöht sind“; zutreffend die komparative Regel bei Roßbruch [21], S. 141: „…dass je höher die Komplikationswahrscheinlichkeit und/oder je größer die Komplikationsschwere der … Tätigkeit ist, diese das persönliche Tätigwerden des Arztes erfordert“), während die „einfache Wundversorgung“ dem Arzt lediglich eine (vorbehaltlich konkreter Verdachtsmomente nur formelle („Sind die Tätigkeiten fester Bestandteil der Berufsausbildung, muss der anordnende Arzt vor der Delegation nicht Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten der Einzelperson überprüfen, sondern kann sich darauf verlassen, dass diese in der gesamten Berufsgruppe vorhanden ist“ [8], S. 102f.)) Abklärung der nötigen Qualifikation der Pflegekräfte sowie die Durchführung systematischer Kontrollen über die Leistungserbringung und (soweit therapierelevant) deren Ergebnisse innerhalb regelmäßiger Zeitabstände abverlangt ([20], Ziff. II., 3.). Diese Grobunterteilung muss freilich weiter präzisiert und es muss in diesem Zusammenhang insbesondere auch geklärt werden, ob bzw. für welche Aufgaben es darüber hinaus verantwortbar sein könnte, selbige unter bestimmten Umständen – in Abhängigkeit vom Schwierigkeitsgrad ihrer sorgfältigen Erledigung, vom Krankheitsbild und der (materiellen) Qualifikation des nichtärztlichen Personals („Die formelle Qualifikation bezieht sich auf den Ausbildungsabschluss, die materielle Qualifikation zeigt die individuelle Handlungskompetenz, d.h. das tatsächliche Wissen und Können an“ [20], 103 Fn 28. – Letztere wird u.a. auch beeinflusst durch die berufliche Erfahrung, durch Motivation, Verantwortungsbewusstsein und sonst in fremden wie eigenen Angelegenheiten geübte Sorgfalt.) – kraft einer Einzelanordnung zu delegieren.


Rechtliche Verantwortungszuschreibung bei horizontaler und vertikaler Arbeitsteilung

Natürlich liegt eine transparente, verlässliche und sinnvolle Ausgestaltung des arbeitsteiligen Zusammenwirkens von Arzt- und Pflegepersonen schon lebensweltlich in deren hohem Eigeninteresse wie auch der involvierten Einrichtungen. Da die Segmentierung der Aufgabenerledigung aber zugleich Gefahren für die Patienten mit sich bringt, droht bei schädigenden Kausalverläufen zugleich die zivil- oder gar strafrechtliche Sanktionierung. Zwar sucht das Recht der arbeitsteiligen Welt durch Beschränkung seines Zugriffs Rechnung zu tragen; Voraussetzung für eine dann auch juristische Verantwortungsteilung ist jedoch das Vorhandensein klar festgelegter, aufeinander abgestimmter und keine Verantwortungslücken eröffnender Zuständigkeiten und Verfahrensabläufe. Nur wenn also in diesem Sinne lebensweltlich eine Organisationsstruktur geschaffen wurde, auf deren reibungsloses und für den Patienten (soweit irgend möglich) gefährdungsfreies Funktionieren sich alle Beteiligten verlassen können, ist ein Vertrauenstatbestand geschaffen, den das Recht auch für die eigene Bewertung akzeptiert; dann verzichtet es auf die Zumutung, von dem Einzelnen bei Vermeidung rechtlicher Inverantwortungnahme zu verlangen, jenseits der eigenen Handlungssphäre auch noch das Wirken der Mitbeteiligten oder gar des gesamten Behandlungsgeschehens im Blick behalten zu müssen. Mit anderen Worten: „Vertrauen darf investiert werden in höhere Kompetenz, bewährte Kooperation und abgestimmte Organisation“ ([24], S. 843) – auch aus rechtlicher Perspektive, aber nur unter den genannten Bedingungen; lassen sich diese nicht zweifelsfrei erweisen, bricht das „Fundament des Vertrauensgrundsatzes“ ([22], § 101 Rn1) weg.

Im Einzelnen differenziert das Recht – in harmonischem Gleichlauf sowohl das Zivil- als auch das Strafrecht – zwischen horizontaler und vertikaler Arbeitsteilung: Erstere meint das kollegiale Kooperieren von Vertretern unterschiedlicher Fachdisziplinen auf der Ebene der Gleichordnung, letztere das Zusammenwirken auf der Grundlage fachlicher Über- bzw. Unterordnung, d.h. vom hierarchischen Prinzip getragen ([3], S. 71; [22], § 101 Rn 3, 10). Es liegt auf der Hand, dass ein Vertrauendürfen auf die sorgfältige Aufgabenerledigung des anderen im Bereich der horizontalen Arbeitsteilung weiter reichen muss als bei bestehendem Weisungsrecht. Dort entspricht es gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass sich „im Interesse eines geordneten Ablaufs … die dabei beteiligten Fachärzte grundsätzlich auf die fehlerfreie Mitwirkung des Kollegen aus der anderen Fachrichtung verlassen können“ [25], solange sich Zweifel hieran nicht aufgrund konkreter Anhaltspunkte aufdrängen wie z.B. bei (leicht erkennbaren) zahlreichen Nachlässigkeiten [26], [27] oder bei Kenntnis bzw. Evidenz von Qualifikationsmängeln („Anfängeroperation“ [28]). Insbesondere für das Verhältnis von Anästhesisten und Chirurgen ist unbestritten, dass es die Anforderungen überspannen würde, wenn man von letzterem für die anästhesiologische Behandlung als Nichtspezialisten verlangte, den Spezialisten ständig zu überwachen und zu kontrollieren. Zudem besteht der Sinn einer horizontalen Arbeitsteilung doch gerade darin, „den Sachverstand verschiedener medizinischer Fachbereiche zu bündeln, was grundsätzlich einschließt, dass jeder Arzt diejenigen Entscheidungen im Rahmen der Gesamtbehandlung trifft, die in seinen Fachbereich fallen“ (Zuletzt [29]. Zur Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche zwischen Anästhesist und HNO-Arzt: [30]; zum Verhältnis zwischen Anästhesist und Urologe: [31]; zur Abgrenzung der Verantwortlichkeiten von Anästhesist und Gynäkologe: [32]; zum Zusammenwirken von Neurologie und Neurochirurgie vgl. [33]. Weitere Rspr. nachgewiesen bei [34], Rn 234 ff.) Weitere Fallkonstellationen sind etwa das Zusammenwirken von niedergelassenem Arzt und Krankenhaus (Vgl. [22], § 101 Rn 8: Eigene Befunderhebung durch den Krankenhausarzt nur veranlasst bei leicht erkennbaren „Qualitätsunterschieden, die nach der Erfahrung des Krankenhausarztes in der Person des niedergelassenen Kollegen liegen könnten, oder wenn die Befunde des Einweisenden nicht zum Krankheitsbild passen oder wenn der Klinik überlegene technisch-apparative Möglichkeiten mit der Aussicht auf zuverlässigere und genauere Ergebnisse zu Gebote stehen“. Zum grundsätzlichen Vertrauendürfen des niedergelassenen Arztes in die Diagnostik des ihm personell und apparativ überlegenen Krankenhauses vgl. [35]; siehe aber auch [36]: „Anders …, wenn der Hausarzt ohne besondere weitere Untersuchungen aufgrund der bei ihm vorauszusetzenden Kenntnisse und Erfahrungen erkennt oder erkennen muss, dass ernste Zweifel an der Richtigkeit der Krankenhausbehandlung bestehen“.), von behandelndem und konsiliarisch hinzugezogenem Arzt ([37]; [38]: „Ein hinzugezogener Arzt ist grundsätzlich nicht verpflichtet, eine Anamnese durchzuführen und weitere Befunde zu erheben, die über den konkreten Überweisungsauftrag hinausgehen; vielmehr kann er sich im Regelfall darauf verlassen, dass dies in der gebotenen Form durch den Erstbehandler bereits geschehen ist“. Siehe auch [39]: keine eigenmächtige Ausdehnung des Überweisungsauftrages. Weiterhin aber [40]: „Um Schaden vom Patienten abzuwenden, ist sowohl die genaue Mitteilung der vom Konsiliararzt gefundenen Ergebnisse erforderlich als auch die genaue Beachtung des Inhalts der ihm übermittelten Ergebnisse durch den überweisenden Arzt. Die Entscheidung darüber, ob und wann empfohlene weitere Maßnahmen durchzuführen sind, obliegt allein dem behandelndem Arzt…“) oder zweier Kliniken im Rahmen desselben Behandlungsgeschehens (z.B. bei Aufklärung des Patienten in erster Klinik hinsichtlich eines in der zweiten geplanten Eingriffs [41]), nicht jedoch bei bloß zeitlicher Nachfolge von Ärzten der gleichen Fachrichtung ([42]; [43]: „Bei einem Fall bloßer zeitlicher Nachfolge von Ärzten des gleichen Fachs hat der nachfolgende Arzt Diagnose und Therapiewahl eigenverantwortlich zu überprüfen“.).

Ein gewisses Maß an Vertrauendürfen impliziert jedoch auch die vertikale Arbeitsteilung, da andernfalls sämtliche Tätigkeiten vom behandelnden Arzt höchstpersönlich erbracht werden müssten. Allerdings treffen den Fachvorgesetzten wie z.B. auch den behandelnden Arzt gegenüber den Pflegekräften Sorgfaltspflichten in dreifacher Hinsicht (zum Folgenden: [8], 104 ff.):

  • Er hat erstens sorgfältig zu prüfen, ob von dem Delegationsempfänger eine fehlerfreie Ausführung der Maßnahme erwartet werden kann (Auswahlpflicht).
  • Er muss diesem zweitens – zumindest im Wege einer allgemeinen Dienstanordnung – die für die Aufgabeerledigung nötigen Instruktionen zukommen lassen (Instruktionspflicht).
  • Drittens muss er die ordnungsgemäße Ausführung durch regelmäßige stichprobenartige Kontrollen überprüfen (Überwachungspflicht).

Zum Teil wird darüber hinaus sogar eine ausnahmslose Endkontrolle nach Beendigung der delegierten Tätigkeit verlangt (Kontrollpflicht), was allerdings den intendierten Entlastungseffekt der arbeitsteiligen Erledigung deutlich schmälert. Es ginge m.E. zu weit, vom Weisungsberechtigten zu verlangen, dass er „stets auf Sorgfaltsmängel gefasst“ sein müsse, „die buchstäblich überall und nirgends vorkommen können“ ([44], S. 397. Siehe auch [22], § 140 Rn 23: Der Arzt „…darf, wenn nicht besondere Umstände entgegenstehen, der Sorgfalt, Umsicht und Gewissenhaftigkeit seiner Hilfskräfte im Hinblick auf ihre eigene unmittelbare Primärverantwortlichkeit vertrauen“.). Man wird es deshalb für Routinemaßnahmen ausreichen lassen können, wenn die Kontrollen sich nach sorgfältiger Auswahl und Instruktion auf fortlaufende Stichproben beschränken; fördern diese jedoch Anhaltspunkte für eine unsorgfältige Aufgabenerledigung zutage, muss der behandelnde Arzt unverzüglich einschreiten und die weitere Ausführung bis zur Begründung eines neuen Vertrauenstatbestands lückenlos überwachen bzw. die Tätigkeit selbst übernehmen. Zu diesem Zweck wird von ihm außerdem eine schnelle Erreichbarkeit erwartet ([22], § 101 Rn 12 aE). Vgl. Abbildung 1 [Abb. 1].

Entlastende Effekte ergeben sich im Rahmen der vertikalen Arbeitsteilung aber ebenso für jene nicht-ärztliche Person, die die Maßnahme ausführt. Diese darf nämlich grundsätzlich darauf vertrauen, dass die Anweisung sach- und fachgerecht ist. Hat etwa ein in der Krankenhausambulanz tätiger Assistenzarzt seine Vorgehensweise mit dem Oberarzt abgesprochen, kann er sich auf dessen Instruktionen verlassen und ist für eine unzulängliche Diagnostik grundsätzlich nicht verantwortlich (vgl. [45]). Das Vertrauen darf jedoch kein blindes sein: Sind in der konkreten Situation konkrete Anhaltspunkte erkennbar, dass die angewiesene Maßnahme z.B. veraltet ist (Dazu jüngst [46]: „Der Zeitpunkt, von dem ab eine bestimmte Behandlungsmethode veraltet und überholt ist, so dass ihre Anwendung nicht mehr dem einzuhaltenden Qualitätsstandard genügt und damit zu einem Behandlungsfehler wird, ist dann gekommen, wenn neue Methoden risikoärmer sind und/oder bessere Heilungschancen versprechen, in der medizinischen Wissenschaft im Wesentlichen unumstritten sind und deshalb nur ihre Anwendung von einem sorgfältigen und auf Weiterbildung bedachten Arzt verantwortet werden kann“.), trifft die Pflegeperson eine Pflicht zur Remonstration, bei strafrechtlicher Relevanz der angewiesenen Tätigkeit sogar eine solche zur beharrlichen Gehorsamsverweigerung [14]. Im Fall der Betreiberin eines Geburtshauses hat das OLG Hamm erst unlängst festgestellt, dass bei Sichtbarwerden einer erhöhten Gefährdung der Patientin sowie der „Unsinnigkeit“ der ärztlichen Anordnungen die Pflicht zur unverzüglichen Beendigung der Geburt und Verlegung in ein Krankenhaus bestehe. Pflichtwidrig ist demzufolge, die als fehlerhaft erkannte Behandlung ohne Beanstandung fortzusetzen und sich lediglich darauf zu beschränken, innerlich „die Verantwortung für das Geschehen abzulehnen“ ([47]; vertiefend: [48], [49]). Bezogen auf die Wundversorgung: „Bei eindeutig fehlerhaften Behandlungsmethoden wie Eis und Föhn, Olivenölläppchen, Haushaltszucker, für die es keine therapeutische Indikation gibt, bleibt nur die standhafte Weigerung der Pflegenden, die Wundversorgung zu übernehmen“ [13]. Gleiches gilt, wenn die Pflegekraft erkennt oder erkennen muss, dass sie zur sorgfältigen Ausführung der Maßnahme aufgrund insoweit fehlender Qualifikation oder aus sonstigen Gründen (z.B. Ermüdung, Erkrankung) nicht imstande ist.


Organisationsverschulden statt Entlastung durch Arbeitsteilung?

Diese Begrenzung der zivil- und strafrechtlichen Verantwortlichkeit auf der Basis des Vertrauensgrundsatzes steht jedoch, wie schon eingangs herausgestellt, unter dem Vorbehalt einer etablierten, durch regelmäßige Kontrollen abgesicherten und die jeweiligen Verfahrensweisen und Kompetenzen sachgerecht und transparent ordnenden Organisationsstruktur. Fehlt es hieran, muss wegen Organisationsverschuldens mit einer Schadensersatzhaftung des Krankenhausträgers bzw. der Leitung einer Arztpraxis gerechnet werden (dazu näher [50], Rn 302 ff.; eingehend [51]), in strafrechtlicher Hinsicht mit einer Verfolgung des Letztbehandelnden und/oder der bereichsverantwortlichen Leitungsperson (z.B. Klinikvorstand) wegen fahrlässiger Tötung bzw. fahrlässiger Körperverletzung. Wie schnell bei fehlender verlässlicher Zuteilung konkreter Zuständigkeiten eine strafrechtliche Verurteilung droht, zeigt eindrucksvoll die – wenngleich zu einem anderen Lebensbereich ergangene – Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Fall des Wuppertaler Schwebebahnunglücks: Hier waren zunächst zwei Arbeiter nach Durchführung von Reparaturen beauftragt, die in den Fahrbahnbereich hineinragenden Stahlkrallen zu entfernen. Als zwei weitere Personen (ohne Vorgesetztenstatus) hinzutraten, „um zu helfen, damit die Arbeiten zügig fertig werden“, verabredete die Gruppe eine paarweise Aufteilung der noch verbleibenden Arbeiten. Aus letztlich nicht mehr feststellbaren Gründen wurde schließlich eine Stahlkralle nicht entfernt, weil die beiden zunächst mit der Aufgabe betrauten Arbeiter darauf vertrauten, dass ihre „Helfer“ diese gewissenhaft übernommen und erledigt haben. Der Bundesgerichtshof stellte maßgeblich auf die Erwägung ab, dass „das Ausmaß der Gefahr für jeden an der Strecke beschäftigten Arbeiter auf der Hand“ lag. Die zwischen den Beteiligten ad hoc getroffene Absprache war ihm entweder zu wenig verlässlich oder angesichts des erheblichen Gefahrenpotentials nicht von Relevanz, so dass alle vier Arbeiter als Straftäter angesehen wurden ([52]; zur Kritik: [53], S. 269 f.). Da die Rechtspraxis bei der Feststellung des Kausal- bzw. Zurechnungszusammenhangs bzw. bei der (Re-) Konstruktion der sog. „Sorgfaltspflicht“ meist eine recht großzügige Sichtweise an den Tag legt, die mittelbare Verläufe am äußersten Rand des lebensweltlich Vorausseh- und Vermeidbaren nicht von vornherein ausschließt, ist eine Haftungsbeschränkung bzw. Vorsorge gegen strafrechtliche Verfolgung nur dadurch erreichbar, dass mit Etablierung einer klaren und sachgerechten Struktur arbeitsteiligen Zusammenwirkens der in der Rechtsprechung anerkannte Vertrauensgrundsatz zur Anwendung gebracht wird.

Dies zu bewerkstelligen; steht in der Verantwortung jener, die im jeweiligen medizinischen Lebensbereich für die Organisationsstruktur Sorge zu tragen haben. Bestehende Defizite, Unklarheiten oder Verantwortungslücken können nur hier, nicht aber durch das Recht beseitigt werden, das vielmehr in solchem Falle aus Gründen des Patientenschutzes seinen Zugriff verstärkt. Diese Strenge resultiert aus dem Grundgedanken, dass die arbeitsteilige Medizin tendenziell höhere Gefahren mit sich bringt, die deshalb durch ein hohes Niveau an durchdachter Organisation, bewährten Verfahrensweisen und reibungslos verlaufender Kommunikation kompensiert werden müssen. Erst wenn dieser „Koordinationspflicht“ ([24], S. 852) hinreichend Rechnung getragen ist, kann bei infolgedessen funktionierender Arbeitsteilung zur Entlastung der jeweiligen Entscheidungs- und Handlungsträger auch die rechtliche Verantwortung begrenzt werden. Mit den Worten des Bundesgerichtshofs: Da auch bei arbeitsteiligem Zusammenwirken „… das Wohl des Patienten oberstes Gebot und Richtschnur ist, muss für diese Zusammenarbeit der Grundsatz gelten, dass die beteiligten Ärzte den spezifischen Gefahren der Arbeitsteilung entgegenwirken müssen und es deshalb bei Beteiligung mehrerer Ärzte einer Koordination der beabsichtigten Maßnahmen bedarf… Unter diesem Blickwinkel ist (…) eine Pflicht der beteiligten Ärzte zu bejahen, durch hinreichende gegenseitige Information und Abstimmung vermeidbare Risiken für den Patienten auszuschließen …“ [54].


Literatur

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