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GMS Hygiene and Infection Control

Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH)

ISSN 2196-5226

GMS Krankenhaushygiene Interdiziplinär - die infizierte Problemwunde

Editorial

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  • corresponding author Axel Kramer - Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Ernst-Moritz-Arndt-Universität, Greifswald, Deutschland
  • author Gerd Hoffmann - Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Institut für Sportwissenschaften, Frankfurt am Main, Deutschland

GMS Krankenhaushyg Interdiszip 2006;1(1):Doc33

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/journals/dgkh/2006-1/dgkh000033.shtml

Veröffentlicht: 30. August 2006

© 2006 Kramer et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Gliederung

Editoral

Die erste Ausgabe der Online-Zeitschrift „GMS Krankenhaushygiene Interdisziplinär“ der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) innerhalb von German Medical Science behandelt das Thema „Die infizierte Problemwunde“. Die Zielsetzung dieser Zeitschrift besteht in der komplexen Darstellung aktueller Themen der Krankenhaushygiene in interdisziplinärer Zusammenarbeit zwischen Hygienikern, Mikrobiologen, Infektiologen und für die jeweilige Thematik relevanten klinischen Fachdisziplinen und ggf. auch mit Experten anderer Fachrichtungen, z.B. Juristen, da rechtliche Aspekte zunehmend Bedeutung erlangen.

Für die vorliegende Ausgabe wurde eine 2005 von der DGKH in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Wundheilung und Wundbehandlung (DGfW) und der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie (DGP) durchgeführte Fortbildungsveranstaltung zum Rahmenthema „Die infizierte Problemwunde“ zu einer zusammenhängenden Publikation mit weiterführenden Literaturangaben aufbereitet. Dabei wird die Gesamtdarstellung durch eine Vielzahl von Abbildungen klinisch typischer Gegebenheiten anschaulich ergänzt.

Das Risiko einer Wundinfektion ist sowohl für akute Problemwunden als auch für chronische Wunden gegeben. Verletzungen, vor allem Verbrennungswunden, Bisswunden, Verkehrsunfälle und Stichverletzungen, sind über den Mechanismus Kontamination mit Verschleppung der Erreger in die Tiefe mehr oder stark infektionsgefährdet. Aus diesem Grund ist die antiseptische Primärversorgung verschmutzter Wunden einschließlich Verätzungen und Verbrennungen essentiell. Bei chronischen Wunden wird das Infektionsrisiko durch eine Reihe lokaler und systemischer Faktoren wie reduzierte Durchblutung, Mangelzustände, Stoffwechselstörungen, Immunsuppression, Anämie, vorausgegangene große chirurgische Eingriffe, Immobilität, Exsikkose und Hautmazeration erhöht. Typische infektionsgefährdete chronische Wunden sind das chronische Ulcus cruris, das Decubitalulcus, der diabetische Fuß sowie sekundär heilende traumatische Wunden.

Mit einer Inzidenz von etwa 3,5% gehören akute Wundinfektionen in Europa zu den wichtigsten Komplikationen der traumatischen Wunde. Nach Schätzung der „Initiative chronische Wunden“ (ICW) beträgt der Anteil von Patienten mit chronischen Wunden etwa 5% aller stationären Patienten in Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen. Beim Decubitalulcus ist in Österreich und Deutschland von einer Prävalenz von 10%-25% unter stationären Patienten und in Rehabilitationseinrichtungen von 30% und mehr auszugehen. In Pflegeheimen ist das Decubitalulcus die häufigste Ursache von Haut- und Weichteilinfektionen mit dem Risiko einer Osteomyelitis oder Sepsis.

Bei infektionsgefährdeten Wunden ist die Indikationsstellung zur prophylaktischen Antiseptik grundsätzlich für jeden Einzelfall sorgfältig zu stellen, um nicht ggf. die Wundheilung zu beeinträchtigen. Bei klinisch und mikrobiologisch diagnostizierter Wundinfektion sind folgende Grundsätze einzuhalten:

  • Lokal begrenzte Infektionen werden mit Antiseptika behandelt.
  • Wundinfektionen mit beginnender Allgemeininfektion sowie manifeste systemische Infektionen (Sepsis) werden mit systemischen Antiinfektiva ggf. in Kombination mit Antiseptika behandelt.

Der Einsatz von Antiseptika erfolgt je nach klinischer Situation überwiegend prophylaktisch oder überwiegend therapeutisch. Wird eine antiinfektive Maßnahme aus präventiver Indikation durchgeführt, muss beachtet werden, dass damit allein kaum der gewünschte Erfolg der Infektionsprophylaxe eintreten kann, wenn nicht gleichzeitig beispielsweise bei frischen Wunden Fremdkörper und Schmutz aus der Wunde entfernt werden. Pointiert kann die Abhängigkeit von Antiseptik und chirurgischer Wundbehandlung so charakterisiert werden: Selbst die perfekte Antiseptik ersetzt nicht die Kunst des chirurgischen Eingriffs, während ein perfekter chirurgischer Eingriff auch bei Auswahl weniger geeigneter Antiseptika erfolgreich sein kann. Leider wird immer wieder der Fehler begangen, eine unsauber belegte Wunde antiseptisch zu behandeln oder Granulation oder Epithelisierung pharmakologisch fördern zu wollen, ohne die Wunde zuvor zu debridieren. Spezielle therapeutische Konzepte werden für infizierte akute und chronische Problemwunden einschließlich Verbrennungswunden, Dekubitus, des diabetischen Fußes und chronischer Wunden in der neurologischen Frührehabilitation diskutiert. Entscheidend ist, dass die Behandlung chronischer Wunden mit der Therapie der Grunderkrankung verbunden wird.

Neben der indikationsgerechten Anwendung und Auswahl von Antiseptika werden die Indikationen, Vorteile und die hygienisch korrekte Anwendung der Vakuumversiegelung für akute und chronische Wunden dargestellt. Der durch die Vakuumversiegelung beschleunigte Heilungsprozess verkürzt kosteneffizient die Behandlungsdauer. Bei erforderlicher Wunddrainage sind geschlossene Unterdruck-regulierbare Saugsysteme (z.B. mit Mikroprozessor-gesteuerter Fördermenge der Drainage und komplett aseptischer Platzierung des Systems) einfachen Hochvakuumsystemen überlegen.

Ein wichtiger Faktor für die Wundheilung ist die phasengerechte Auswahl der Wundauflage. In den vergangenen Jahren wurde eine Vielzahl von Wundauflagen eingeführt, wodurch die Behandlungsmöglichkeiten besonders chronischer Wunden entscheidend verbessert wurden. Nur wenn in der Wundbehandlung alle lokalen und systemischen Einflussfaktoren aufeinander abgestimmt berücksichtigt werden, ist ein optimaler Therapieerfolg zu erwarten.

Zu Recht bestehen kontroverse Meinungen zur Wertigkeit der mikrobiologischen Diagnostik im Rahmen der Behandlung von Wundinfektionen. Interpretierbare Befunde sind lediglich dann zu erwarten, wenn eine klinisch manifeste Infektion vorliegt oder wenn bei Wunden ohne klinische Infektionszeichen eine Stagnation oder Verschlechterung des Zustands offensichtlich wird. In solchen Fällen kann die mikrobiologische Untersuchung zu therapeutischen Konsequenzen führen.

Naturnahe Wundbehandlungsverfahren gewinnen zunehmend an Bedeutung. Eine besondere Innovation ist Wassergefiltertes Infrarot A (wIRA) als spezielle Form der Wärmestrahlung mit hohem Penetrationsvermögen in das Gewebe bei geringer thermischer Oberflächenbelastung. Hierdurch werden – über eine Steigerung der Gewebetemperatur, der Gewebedurchblutung und des Sauerstoffpartialdrucks im Gewebe als energetisch bedeutsamer Faktoren – sowohl bei akuten Wunden, wie frischen Op-Wunden oder Brandverletzungen, als auch bei chronischen und sonstigen Problemwunden Schmerzen deutlich vermindert, die Wundheilung beschleunigt bzw. bei stagnierender Wundheilung verbessert sowie eine erhöhte Wundsekretion, eine Entzündung oder Infektion gemindert. Die Anwendung von antibakteriellem medizinischem Honig ist eine Therapieoption speziell für besonders empfindliche Wunden, z.B. bei immunsupprimierten Kindern. Fliegenmaden haben seit längerem ihren etablierten Platz in der Behandlung vor allem chronisch infizierter Wunden. Ihre antiseptische Wirkung in vitro ist mit der von Antiseptika vergleichbar, wobei bei der Madentherapie die Vorteile des Biodebridements und der Wundheilungsförderung hinzukommen. Die Stimulation der Wundheilung durch pulsierenden Gleichstrom ist sowohl in vitro als auch in vivo belegt. Es lässt sich zusätzlich eine direkte antibakterielle Wirkung nachweisen, die aber als Erklärung für die Wundheilungsförderung als nicht allein ausreichend anzusehen ist.

Zur Prävention einer Wundinfektion erscheint es auf Grund experimenteller Untersuchungen aussichtsreich, speziell in kolonisierten Op.-Arealen antimikrobiell imprägniertes Nahtmaterial einzusetzen. Nach akzidenteller Kontamination kommt den Sofortmaßnahmen zur Infektionsprävention eine überragende Bedeutung zu, bevor sich die Versorgung durch den D-Arzt anschließt. Hygienische und chirurgische Händedesinfektion, hygienische Arbeitsweise beim Wechsel von Wundauflagen, Hautpflege bei chronischen Wunden und bei Inkontinenz unterstützen die Infektionsprävention bei der Wundbehandlung.

Die Diagnose und die Auswahl von Wundtherapiemaßnahmen gehören zum ärztlichen Verantwortungsbereich. Deshalb werden z.B. Wundabdeckung, Verbandwechsel, Lagerung und Dokumentation der ärztlichen Tätigkeit zugeordnet. Allerdings können im Rahmen der Behandlungspflege Tätigkeiten an qualifiziertes nicht-ärztliches Personal delegiert werden. In diesem Fall sind die ärztlichen Handlungsanweisungen zu dokumentieren. Diese Arbeitsteilung kann aufgrund der Anordnungsverantwortung des Arztes einerseits und der Durchführungsverantwortung des nicht-ärztlichen Personals andererseits zu einer für den Patienten gefährdenden Situation führen. Für die Behandlungsseite kann das haftungsrechtliche Konsequenzen zur Folge haben. Zur Lösung dieses Konflikts werden Lösungsansätze wie die Erarbeitung eines Wundbehandlungsstandards vorgestellt.

Spezielle Initiativen wie die Weiterbildung zum zertifizierten Wundmanager, der Dekubitus-Expertenstandard des Netzwerks für Qualitätssicherung in der Pflege und der Erwerb der Sachkunde zur Aufbereitung von Medizinprodukten dienen der Etablierung und Weiterentwicklung eines modernen Wundmanagements.