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GMS Hygiene and Infection Control

Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH)

ISSN 2196-5226

Hautpflege bei chronischen Wunden

Skin care in chronic wounds

Übersichtsarbeit

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GMS Krankenhaushyg Interdiszip 2006;1(1):Doc05

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/journals/dgkh/2006-1/dgkh000005.shtml

Veröffentlicht: 30. August 2006

© 2006 Zimpfer.
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Zusammenfassung

Die Pathologie des Dekubitus, Ulcus cruris oder diabetischen Fußulkus geht häufig mit pathologischen Veränderungen der umliegenden Haut einher. Mazeration, Hauttrockenheit, entzündliche Veränderungen sowie Fragilität müssen im Rahmen der Verbandtechnik sowie bei der Auswahl von Hautpflegepräparaten unter den drei Gesichtspunkten Prävention - Schutz - Pflege berücksichtigt werden.

Abstract

The pathology of decubitus ulcers, crural ulcers, or diabetic foot ulcers is frequently accompanied by pathological alterations of the adjacent skin. When choosing a dressing technique and skin-care preparations, maceration, dry skin, inflammations, and fragility must be considered in terms of prevention, protection, and care.


Problem

Zur Thematik Hautpflege findet man in der Pflegefachliteratur eine Fülle an Materialien. Anders verhält es sich mit dem Thema der wundumgebenden Haut, wenn insbesondere die Wundumgebung chronischer Wunden betrachten werden soll. Hier wird die Haut immer noch mit Farbstoff und Zinkpaste quasi zugekleistert [5]. White [14] weist darauf hin, dass Mazeration ein weitläufig unerkanntes Problem und eine der Ursachen von Wundheilungverzögerungen ist.


Ursachen für Wundheilungsverzögerungen durch Schädigung der umgebenden Haut bei chronische Wunden

Mazeration

Das Auf- bzw. Erweichen der Haut durch längere Einwirkung von Feuchtigkeit [9], [11] kann beim Sakraldruckulkus im Zusammenhang mit Inkontinenz als Windeldermatitis negativ in Erscheinung treten. Es gilt heute als evident, dass Hautfeuchtigkeit ein wesentlicher Risikofaktor für die Entstehung eines Dekubitus darstellt [6].

Mazeration löst folgende Kausalkette aus:

  • Absorption der Flüssigkeit im Stratum corneum der Epidermis mit nachfolgender Quellung
  • Diffusion von Wasser an die Hautoberfläche und erhöhter transepidermaler Wasserverlust
  • Verlust von wasserbindenden Nichtkeratinstoffen der Epidermis
  • Einschränkung des Wasserbindungsvermögens und der Hautbarrierefunktion.

Bedingt durch die reduzierte Hautbarrierefunktion können Hauterreger sowie toxische oder allergene Substanzen die mazerierte Epidermis penetrieren und Infektionen, Entzündungen oder Sensibilisierungen induzieren [3], [9], [4].

Neben Urin und flüssigem Stuhl im Beckenbereich kommen Hautfeuchtigkeit und Schweiß als schädigende Flüssigkeitsmedium in der Leiste, unter den Brüsten oder interdigital in Frage. Insbesondere im Rahmen der feuchten Wundversorgung kann es bei zu langer Verweildauer des Wundverbands oder inadäquatem Absorptionsvermögen zur Mazeration der Wundumgebung kommen (Abbildung 1 [Abb. 1]). Auf Grund seiner Zusammensetzung liegt bei Wundexsudat aus chronischen Wunden der Gedanken nahe, von einem "wounding agent" zu sprechen. Im Gegensatz zu Akutwunden ist das Exsudat chronischer Wunden reich an Proteasen und inflammatorischen Komponenten. Es wird angenommen, dass auf Grundlage eines enzymatischen Abbaus von vitalem Hautgewebe die Wunde vergrößern wird [10], [13], [9].

Differenzierung zwischen Epithelsaum und Mazeration

Von der milchig aufgequollenen Hornschicht in der Wundumgebung ist der weiße, leicht verletzliche Epithelsaum zu unterscheiden, der sich im Gegensatz zu der mitunter großflächigen Mazeration lediglich auf den Wundrand beschränkt (Abbildung 2 [Abb. 2]). Dieser proliferative Randsaum sollte durch eine zu trockene Verbandstechnik oder einem zu übereifrigen Verständnis von Mazerationsprophylaxe nicht gestört oder zerstört werden [9].

Hauttrockenheit

Neben der Mazeration ist die Hauttrockenheit im Rahmen der Dermatoliposklerose beim Ulcus cruris venosum oder autonomer Neuropathie beim Diabetischen Fußsyndrom häufig in der Wundversorgung anzutreffen. Trockene Altershaut oder schuppende Haut als Begleiterscheinung der Kompressionstherapie sind ebenfalls bekannte Phänomene (Abbildung 3 [Abb. 3]) [15], [3], [12], [2].

Entzündliche Veränderungen

Gelegentlich werden in der Anwendung von Wundverbänden punktuelle Hautentzündungen im Bereich der Klebestelle beobachtet. Auch eine flächige entzündliche Veränderung, deren Abgrenzung mit der Größe der Wundabdeckung korreliert, ist unter Feuchtverbänden vom Autor zeitweise beobachtet worden. Das Stauungsekzem beim Ulcus cruris venosum ist in der dermatologischen Literatur hinreichend beschrieben (Abbildung 4 [Abb. 4]) [3], [12].

Fragilität

Die Fragilität der wundumgebenden Haut ist im Hinblick auf die Fixierung von Wundverbänden eine Herausforderung. Die unelastische und dünne Altershaut, das zarte Epithelgewebe auf jungem Narbengewebe sowie die papierartige Pergamenthaut infolge einer Kortisontherapie (Abbildung 5 [Abb. 5]) erweisen sich unter der Anwendung von klebenden Wundauflagen als sehr verletzlich. An den Extremitäten können nichtklebende Wundauflagen noch mit elastischen Binden sicher fixiert werden. Bei Dekubitalgeschwüren in der Beckenregion hingegen - insbesondere bei bettlägerigen und inkontinenten Patienten - führt die fragile Wundumgebung zu schwerwiegenden Versorgungsproblemen.


Pflegerisch-therapeutische Maßnahmen im Bereich der Wundumgebung

Prävention

Die Prävention umfasst alle Maßnahmen, die dazu geeignet sind, die vorgenannten Phänomene im Ansatz zu vermeiden. Hierzu zählt bei einem Ulcus cruris venosum der Kompressionsverband in Kombination mit einem dem Hauttyp entsprechenden Hautpflegepräparat, um einerseits durch Reduzierung des venösen Ödems das Aufkommen des Wundexsudats zu reduzieren, andererseits der Hauttrockenheit durch den Entzug von Hautlipiden durch die textilen Verbände vorzubeugen. Wundverbände müssen dem Exsudationsgrad entsprechend über ein hohe Aufnahmekapazität verfügen und rechtzeitig - d. h. vor "Überlaufen des Verbands" - gewechselt werden [9], [2], [4], [8].

Schutz

Unter dem Gesichtspunkt des "Schützens" sind Maßnahmen einzuordnen, die die Wundumgebung vor dem schädigenden Kontakt mit übermäßiger Feuchtigkeit oder adhäsiven Wundverbänden bewahren können. Als Barriereschutz werden stark fettende Präparationen, Zinkpasten und Zinkcremes (Abbildung 6 [Abb. 6]), silikonhaltige Cremes oder Hautschutzfilme angeboten. Streifen aus Hydrofaser im Verbandaufbau werden aufgrund der vertikalen und nicht horizontalen Flüssigkeitsverteilung als Wundrandschutz bei stark exsudativen Wunden vorgeschlagen. Bei intakten Hautverhältnissen können Polyurethanfolien oder dünne Hydrokolloidverbände als eine Art Schutzverband auf der Wundumgebung zum Einsatz kommen. Fettsalben ohne Zusatz von Feuchthaltefaktoren und Wasser scheinen beim diabetischen Fuß vor dem Hintergrund einer autonomen Neuropathie eine paradoxe Wirkung zu haben. Sie verstopfen Schweißporen und verstärken hierdurch die Überwärmung des Fußes. Die Fettisolation der Haut führt über Hydratation der Hornschicht zu einem Feuchtigkeitsverlust der Epidermis und fördert damit ebenfalls die Hauttrockenheit [15], [7], [8], [4], [1].

Pflege

Der Gesichtspunkte "Pflege" zielt auf die Wiederherstellung der physiologischen Hautbarrierefunktion ab. Hautpflegepräparate sollten sich an der Erhaltung des physiologischen pH-Wertes der Haut von 5,7 orientieren, der Epidermis Wasser zuführen und zugleich dem Aufbau des Hydrolipidsystem dienen. Durch geeignete Auswahl von mineralischen oder natürlichen Fetten / Ölen und Feuchthaltefaktoren (z. B. Harnstoff, Glycerol, Milchsäure, Ceramide, Aloe vera) sowie durch Meidung bekannter Hautirritantien ist es möglich, über einen rein schützenden Charakter eines Hautpflegepräparats hinaus die natürliche Widerstandskräfte der Haut gegen schädigende Noxen wie Feuchtigkeit, Erreger, Wirkstoffe oder Klebeauftrag zu stärken [7], [8], [4].

Offene Fragen

Wenn auch die vorgestellten Kriterien "Prävention - Schutz - Pflege" eine erste Orientierung im Hinblick auf die pflegerisch-therapeutischen Maßnahmen der Wundumgebung geben, wird nach Durchsicht der Literatur deutlich, dass hinsichtlich der Auswahl der vorgenannten Methoden oder Hautpflegepräparate noch Fragen offen sind. Untersuchungen in Bezug auf Evidenz, Kosten-Nutzen-Relation und Lebensqualität wären hilfreich bei der Diskussion der verschiedenen handelsüblichen Hautpflegepräparate. Besonders interessant wäre zu wissen, ob die gezielte Pflege der Wundumgebung auch positive Effekte auf die Wundheilung hat.

Empfehlungen

Nachfolgende Aussagen können im Sinne einer vorläufigen Handlungsempfehlung im Praxisalltag verwendet werden:

  • Prävention vor der Behandlung
    Eine Mazeration in der Wundumgebung kann durch den Einsatz von hochabsorbierenden Wundauflagen, frühzeitigem Verbandwechsel und einer wirkungsvolle Kompressionsverbandtechnik vermieden werden.
  • "Schutz und Pflege" ist besser als nur "Schutz"
    • Wenn möglich, sollten bei chronischen Wundpatienten Hautpflegepräparate zum Einsatz kommen, die geeignet sind, die physiologische Hautbarriere der Epidermis zu unterstützen.
    • Bei vorgeschädigter Haut in der Wundumgebung sind primär nichtklebende Wundauflagen in Kombination mit Hautpflegeprodukten einzusetzen, die neben der Barrierefunktion auch eine pflegende Wirkung haben.
    • Wenn klebende Wundauflagen benutzt werden müssen (z.B. im Sakralbereich), ist ein flüssiger Hautschutzfilm indiziert, der als Barriereschutz und Haftgrundlage für klebende Wundverbände dient.
    • Bei intakter Haut kann die Wundumgebung mit entsprechenden Pflegepräparaten, mit Polyurethanfolien oder dünnen Hydrokolloiden geschützt werden.

Literatur

1.
3M. Produktinformationen Cavilon®. www.3M.de. April 2005.
2.
Asmussen PD, Söllner B. Kompressionstherapie - Prinzipien und Praxis. München: Urban Fischer; 2004. p. 222.
3.
Braun-Falco O, Plewig G, Wolff HH. Dermatologie und Venerologie. 4. Aufl. Berlin: Springer; 2004.
4.
Cameron J. Exudate and care of the peri-wound skin. Nursing standard. 2004;19(7):62-8.
5.
Deutschle G, Halm-Nill C, Coerper S. Die pflegerischen Aspekte bei der begleitenden Therapie des Ulcus curis. ZfW. 2004;5:240-2.
6.
Jordan MM, Clark M. Report on Incidence of Pressure Sore in the Patient Community of the Greater Glasgow Health Board Area. Glasgow: University of Strathclyde; 1977.
7.
Kammerlander G, Eberlein T. Klinische Anwendung der Hautpflegeproduktlinie "dline" im Rahmen der Produktevaluation KRAGES Burgenland 2001. 2001. Available from: http://www.dline.ch/content/downloads/acrobat/dline_hautpflege_2001.pdf
8.
Kammerlander G. Kursunterlagen Zertifizierter Wundmanager. A-Graz; Juni 2004.
9.
Keith F, White RJ. Maceration of the skin and wound bed : its nature and causes. J Wound Care. 2002;11(7):275-8.
10.
Mast BA, Schultz GS. Interaction of cytokines, growth factors and proteases in acute and chronic wounds. Wound Rep Reg. 1996;4:411-20.
11.
Pschyrembel - Klinisches Wörterbuch. 259. Aufl. Berlin, New York: Walter de Gruyter; 2002.
12.
Rabe E, Hrsg. Grundlagen der Phlebologie. 3. Aufl. Essen: Viavital Verlag; 2003. p. 118.
13.
Schultz GS, Mast BA. Molecular analysis of the environment of healing and chronic wounds: cytokines, proteases and growth factors. Wounds. 1998;10(Suppl F):1F-9F.
14.
White RJ, Cutting KF. Interventions to avoid maceration of the skin and wound bed. Brit J Nurs. 2003;12(20):1186-201.
15.
Zick R, Brockhaus KE. Diabetes mellitus Fußfibel - Leitfaden für Hausärzte. Mainz: Kirchheim; 1999.