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SMITH Science Day 2022

23.11.2022, Aachen

Integration von medizinischen Daten aus proprietären Systemen in ein interoperables Datenformat am Beispiel von Medikationsdaten am Standort Jena

Meeting Abstract

  • Christian Schubert - Universitätsklinikum Jena; SMITH-Konsortium der Medizininformatik-Initiative
  • Andrew Heidel - Universitätsklinikum Jena; SMITH-Konsortium der Medizininformatik-Initiative
  • Alexander Helhorn - Universitätsklinikum Jena; SMITH-Konsortium der Medizininformatik-Initiative
  • Martin Hoffmann - Universitätsklinikum Jena; SMITH-Konsortium der Medizininformatik-Initiative
  • Henner Kruse - Universitätsklinikum Jena; SMITH-Konsortium der Medizininformatik-Initiative
  • Nanae Sai - Universitätsklinikum Jena; SMITH-Konsortium der Medizininformatik-Initiative
  • Kutaiba Saleh - Universitätsklinikum Jena; SMITH-Konsortium der Medizininformatik-Initiative
  • André Scherag - Universitätsklinikum Jena; SMITH-Konsortium der Medizininformatik-Initiative
  • Eric Thomas - Universitätsklinikum Jena; SMITH-Konsortium der Medizininformatik-Initiative
  • Robert Wolf - Universitätsklinikum Jena
  • Danny Ammon - Universitätsklinikum Jena; SMITH-Konsortium der Medizininformatik-Initiative

SMITH Science Day 2022. Aachen, 23.-23.11.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. DocP22

doi: 10.3205/22smith33, urn:nbn:de:0183-22smith335

Published: January 31, 2023

© 2023 Schubert et al.
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Text

Einleitung: In der stationären Krankenversorgung findet man häufig IT-Primärsysteme vor, bei denen es – u.a. aufgrund proprietärer Schnittstellen – nicht ohne Weiteres möglich ist, deren Daten mit den Daten anderer Systemen zusammenzuführen oder auswertbar zu machen. Die Medizininformatik-Initiative (MII) hat sich das übergeordnete Ziel gesetzt solche Herausforderungen zu adressieren, um die Forschungsmöglichkeiten und Patientenversorgung durch IT-Lösungen zu verbessern [1]. Im Rahmen der MII wurden dazu an den Universitätskliniken Datenintegrationszentren (DIZ) aufgebaut, deren Aufgabe es u.a. ist, die Behandlungsdaten aus IT-Primärsystemen schrittweise aufzubereiten, d.h. zu harmonisieren und interoperabel zu gestalten. Als Grundlage dafür wird der von HL7 entwickelte „Standard Fast Healthcare Interoperability Resources“ (FHIR) Standard genutzt [2]. In der hier vorliegenden Arbeit werden die grundlegenden Schritte am Beispiel von Medikationsdaten am Standort des Universitätsklinikums Jena (UKJ) aufgezeigt.

Methodik: Die Primärdaten der Verabreichung von Medikamenten an Patienten werden am UKJ in einem Patientendatenmanagementsystem (PDMS), zu dem ein Datenzugang über das relationale Datenbankmanagementsystem (RDBMS) vorliegt, gespeichert. Zur Aufbereitung von Daten aus einem proprietären System in ein interoperables Datenformat gehört die Überführung des Modells aus dem Primärsystem in ein Modell des interoperablen Datenformats, hier FHIR. Dazu gehört die Festlegung, welche Datenelemente und Strukturen in den Primärdaten essenziell sind, um den Prozess der Medikationsgabe korrekt abzubilden, was zur Aufgabe der Datenmodellierung führt.

Der hier beschriebene Datenmodellierungsprozess ist sehr individuell und vom Modell des Quell- und Zielsystems abhängig. Die vorgenommene Datenmodellierung kann in zwei Teilaspekte unterschieden werden. Der erste Teilaspekt umfasst die äußere Struktur der Medikamentengabe, d.h. die Überführung des Quellsystemmodells in ein Modell, welches durch FHIR-Ressourcen abbildbar ist. Hier wird bspw. festgelegt, welche Entitäten und Kardinalitäten entscheidend sind.

Der zweite Aspekt beschreibt die einzelnen Datenelemente, welche die konkreten Details aufzeigen, die für die Gabe von Medikamenten relevant sind.

Da für das Primärsystem kein semantisches Modell vorliegt, wurde ein Entity-Relationship-Modell für das benötigte Teilsystem entworfen, welches die Eigenschaften des relationalen Datenbankmodells widerspiegeln.

Ein Medikament im relationalen Datenbankmodell wird als Teil einer Mixtur verabreicht, welche aus mehreren Medikamenten bestehen kann. Diese Mixtur wird über eine bis mehrere Applikationen an den Patienten verabreicht.

Die Medikamentengabe in FHIR wird über die Hauptressource der MedicationAdministration abgebildet. Aus diesen Gegebenheiten wurde das in Abbildung 1 [Abb. 1] dargestellte FHIR-Modell entworfen.

Die Überführung eines Quellsystemmodells in ein Zielmodell kann auch bei gleicher Datengrundlage und der Beachtung des FHIR-Standards sowie der MII-Profile (FHIR-Profile, die durch die MII modelliert wurden, welche Dateninhalte und Spezifikationen vorgeben [3]), zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Ursächlich hierfür sind im vorliegenden Fall die z.T. frei wählbaren Möglichkeiten der Verknüpfungen von Zielressourcen untereinander, somit kann es auch zu Änderungen und Erweiterungen im Laufe der Entwicklung im Zielmodell kommen.

Zur Überführung der Daten aus dem RDBMS in das FHIR-Modell wurde eine REST-Schnittstelle entwickelt. Bei der Überführung der Daten in ein FHIR-Repository wurde zwischen der Live-Extraktion und der retrospektiven Extraktion unterschieden. Da die Daten des verabreichten Medikaments im Primärsystem nur rudimentär beschrieben sind, wurde ein Service entwickelt, welcher die Medikamentendaten für die FHIR-Medication aus dem Primärsystem mit den Daten eines Terminologie-Services erweitert.

Die beschriebenen Module wurden an das im DIZ Jena entwickelte, modulare Transformationssystem („Data Integration Pipeline“) angeschlossen, welches das Ressourcenhandling, sowie das Versenden der Ressourcen an ein FHIR-Repository übernimmt [4].

Ergebnis: Mit Hilfe der vorgenommenen Entwicklungsschritte ist es möglich, Medikamentengaben aus einem proprietären Primärsystem in ein interoperables Datenformat zu überführen und abzuspeichern. Die Daten können sowohl live als auch retrospektiv aus dem Primärsystem extrahiert werden, was je nach Anwendungsfall individuell genutzt werden kann. Damit können Datennutzer mit FHIR-Kenntnissen, ohne sich mit den Gegebenheiten des Primärsystems auszukennen zu müssen, auf Medikationsdaten zugreifen. Die gewonnenen harmonisierten Daten können des Weiteren über Standorte hinweg direkt oder indirekt zusammengeführt werden, so dass Forschungsfragen wie sie im Use Case POLAR [5] gefordert sind, bearbeitet werden können.

Diskussion: Die Überführung der Daten in dem hier aufgezeigten Beispiel in ein interoperables Datenformat zeigt auch, dass die Primärdaten nicht komplett vom ursprünglichen Datenmodell losgelöst werden können. Strukturen der Gabe von Mixturen an Patienten in Form von Applikationen aus dem Primärsystem wurden in das FHIR-Format übernommen, um das Primärmodell so korrekt wie möglich und mit allen Informationen abbilden zu können. D.h. anstatt dem in FHIR vereinfacht gegebenen Modell der Medikamentenverabreichung über die FHIR-Ressource MedicationAdministration mit deren zugehörigen Verlinkung auf das verabreichte Medikament als FHIR-Ressource Medication, wurde ein erweitertes Modell gewählt, welches besser an das Primärsystemmodell angepasst ist. Konkret wird der Datennutzer mit der FHIR-Ressource der Medication als Abbildung der Mixtur und der FHIR-Ressource Medication als Abbildung des eigentlichen Medikamentes, sowie der MedicationAdministration der Mixtur und der MedicationAdministration der Applikation konfrontiert, wobei die Verhältnisse der Ressourcen untereinander durch Verlinkungen und Beschreibungen in den jeweiligen Ressourcen aufgelöst werden.


Literatur

1.
Bundesministerium für Bildung und Forschung, BMBF. Bekanntmachung: Richtlinie zur Förderung der Medizininformatik-Initiative: Ausbau- und Erweiterungsphase, Bundesanzeiger vom 17. Jan 2022 [Internet]. Verfügbar unter: https://www.bmbf.de/bmbf/shareddocs/bekanntmachungen/de/2022/01/2022-01-17-Bekanntmachung-Medizininformatik.html External link
2.
HL7 FHIR [Internet]. Verfügbar unter: https://hl7.org/fhir External link
3.
Der Kerndatensatz der Medizininformatik-Initiative [Internet]. Verfügbar unter: https://www.medizininformatik-initiative.de/de/der-kerndatensatz-der-medizininformatik-initiative External link
4.
Phan-Vogtmann LA, Helhorn A, Kruse HM, Thomas E, Heidel AJ, Saleh K, Rissner F, Specht M, Henkel A, Scherag A, Ammon D. Approaching clinical data transformation from disparate healthcare IT systems through a modular framework. Stud Health Technol Inform. 2019;258:85-9. DOI: 10.3233/978-1-61499-959-1-85 External link
5.
Scherag A, Andrikyan W, Dreischulte T, Dürr P, Fromm MF, Gewehr J, Jaehde U, Kesselmeier M, Maas R, Thürmann PA, Meineke F, Neumann D, Palm J, Peschel T, Räuscher E, Schulze S, Thalheim T, Wendt T, Loeffler M. POLAR – POLypharmazie, Arzneimittelwechselwirkungen und Risiken – wie können Daten aus der stationären Krankenversorgung zur Beurteilung beitragen? Präv Gesundheitsf. 2022. DOI: 10.1007/s11553-022-00976-8 External link