gms | German Medical Science

SMITH Science Day 2022

23.11.2022, Aachen

ASIC-App (Algorithmic Surveillance of ICU Patients)

Meeting Abstract

  • Volker Lowitsch - SMITH-Konsortium der Medizininformatik-Initiative
  • Achim Remmler - SMITH-Konsortium der Medizininformatik-Initiative
  • Friedrich Richter - SMITH-Konsortium der Medizininformatik-Initiative
  • Mustafa Sezer - SMITH-Konsortium der Medizininformatik-Initiative

SMITH Science Day 2022. Aachen, 23.-23.11.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. DocP2

doi: 10.3205/22smith14, urn:nbn:de:0183-22smith140

Published: January 31, 2023

© 2023 Lowitsch et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 License. See license information at http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


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Text

Einleitung und Zielstellung: Die ASIC-App (nachfolgend App genannt) ist eine softwarebasierte medizinische Anwendung, die von Ärzten auf Intensivstationen unterstützend benutzt werden soll, um ein ARDS (Akutes Atemnotsyndrom) frühzeitig zu erkennen und entsprechend der dafür vorgesehenen klinischen S3-Leitlinie „Invasive Beatmung und Einsatz extrakorporaler Verfahren bei akuter respiratorischer Insuffizienz“ (Stand 04.12.2017) (nachfolgend S3-Leitlinie genannt) zu behandeln.

Die medizinische Zweckbestimmung ergibt sich aus der patientenindividuellen Oxygenierungsstörung, die in einer Benachrichtigungsfunktion in der App mündet. Abhängig von der ärztlichen Bewertung zeigt die App auf Basis der S3-Leitlinie den jeweiligen ARDS-Schweregrad und Therapieempfehlungen an. Die App vergleicht die ärztlichen Eingaben mit der S3-Leitlinie, wertet diese aus und leitet daraus den jeweiligen ARDS-Schweregrad sowie Therapieempfehlungen ab. Die unterstützenden Hinweise der App dürfen vom Arzt nicht als alleinige Grundlage für seine Behandlung genutzt werden.

Bei einer medizinischen Software ist es zwingend notwendig in der Zweckbestimmung kurz auf die Funktionalität des Algorithmus einzugehen, da der EuGH in seiner Entscheidung vom 07.12.2017 (C-329/16) betont hat, dass eine Datenverarbeitung notwendig ist, die über die Speicherung, Archivierung, verlustfreie Komprimierung oder die einfache Suche hinausgeht.

Die App bietet 4 Kernfunktionen:

1.
Darstellung von relevanten Patientendaten: In der Benutzerschnittstelle der App werden die wichtigsten medizinischen Parameter für den ASIC-Use Case dargestellt. Die Daten werden aus dem Primärsystem übernommen und ohne Veränderung angezeigt.
Der Horowitz-Quotient wird aus dem Primärsystem übernommen und bei einem Schwellwert < 300 bietet die S3-Leitlinie zusätzliche Fragestellungen, mit deren Antworten der Arzt Hinweise auf ein mögliches ARDS bekommt. Bei einigen für die ARDS-Behandlung zentralen Parametern bietet die App die Möglichkeit, den zeitlichen Verlauf übersichtlich grafisch darzustellen.
2.
Erstellen von leitlinienkonformen Behandlungsempfehlungen: Die App enthält ein konsentiertes Modell der S3-Leitlinie zur Behandlung des ARDS („Invasive Beatmung und Einsatz extrakorporaler Verfahren bei akuter respiratorischer Insuffizienz“ (Stand 04.12.2017)), auf dessen Basis Behandlungsempfehlungen aus den Patientendaten abgeleitet werden, die ihm eine Hilfestellung bei seiner Entscheidung über die Behandlungsempfehlung sind. Die Entscheidung über die Anwendbarkeit der Empfehlungen obliegt weiterhin dem Arzt.
3.
Abfrage von ergänzenden Informationen: Liegt für einen relevanten Parameter kein Wert vor, so kann dieser durch die Benutzerschnittstelle eingegeben werden.
4.
Benachrichtigung bei Änderung des Patientenzustands: Die Behandlungsempfehlungen werden bei einer Änderung des Patientenzustands automatisch aktualisiert. Neue Behandlungsempfehlungen werden visuell hervorgehoben.

Außerdem kann das zuständige System in der Klinikums-IT informiert werden, sodass eine Benachrichtigung des Arztes über das Alarmierungs-System des Klinikums erfolgt.

Entwicklungsplattform: Als Entwicklungsplattform wurde sowohl für die App als auch für das Backend Visual Studio genutzt.

Die Versionsverwaltung erfolgte über das Tool GIT auf der Plattform Bitbucket.

Schnittstellen: Um die relevanten Patientendaten in der App nutzen und gleichzeitig ein datenschutzkonformes Berechtigungskonzept abbilden zu können, wurden die folgenden Schnittstellen implementiert (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]):

  • Schnittstelle zwischen dem KIS und dem Backend zur Übernahme der relevanten Patientendaten aus dem jeweiligen KIS.
  • Übernahme der Backend-Daten in das Frontend (ASIC-App).
  • Schnittstelle zwischen Identity Server zu Backend und Frontend (Berechtigungskonzept)
  • FHIR-basierte Schnittstellen zu den SMITH-Datenintegrationszentren.

EU-Konformitätserklärung als Medizinprodukt der Klasse 1 (Medizinprodukte-Richtlinie 93/42/EWG): Entscheidend für die Eingruppierung in die MPG-Klasse 1 ist, dass durch die App ausschließlich Behandlungsempfehlungen aus den Patientendaten abgeleitet werden, die dem ärztlichen Personal eine Hilfestellung bei seiner Entscheidung über die Behandlungsempfehlung liefert. Die Entscheidung über die Anwendbarkeit der Empfehlungen obliegt weiterhin dem Arzt/der Ärztin.

Implementierungen: Die App wurde in 8 Unikliniken mit heterogener IT-Landschaft in 5 verschiedenen Bundesländern implementiert.

Supportstruktur: Um einen schnellen Support der Anwender*innen zu gewährleisten war die Einrichtung einer effizienten Supportstruktur erforderlich. Diese umfasste

    • ein Ticketsystem (Jira), um Störungen und Anwenderfragen schnell bearbeiten zu können
    • wöchentliche Statussitzungen, um schnell auf Änderungswünsche und Korrekturen reagieren zu können
    • die Erstellung eines Anwenderhandbuchs und eines Installationshandbuchs zur Unterstützung sowohl der der Nutzer als auch der IT-Abteilungen vor Ort
    • Support für unterschiedliche Gerätetypen (IOS- und Android-Smartphones)
    • Änderungslogs der verschiedenen App- und Backend-Versionen.

Zusammenfassung/Ergebnisse: Wichtig für die Akzeptanz durch die nutzenden Ärzte war vor allem ein einfacher Onboarding-Prozess, der die Nutzer schnell in die Lage versetzte die ASIC-App zu benutzen.

Auch die effiziente Supportstruktur und ein Ticketsystem mit schneller Bearbeitung der auftretenden Probleme waren sehr wichtig sowohl für die Akzeptanz der Nutzer als auch für die schnelle Verbesserung von Abläufen innerhalb der App.


Literatur

1.
S3-Leitlinie „Invasive Beatmung und Einsatz extrakorporaler Verfahren bei akuter respiratorischer Insuffizienz“ [Internet]. Verfügbar unter: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/001-021 External link
2.
Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte [Internet]. Verfügbar unter: https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CONSLEG:1993L0042:20071011:de:PDF External link
3.
European Comission. Guidelines on Medical Devices MEDDEV 2.7/1 revision 4 [Internet]. 2016 Jun. Available from: https://ec.europa.eu/docsroom/documents/17522 External link
4.
Van Someren MW, Barnard YF, Sandberg JA. The think aloud method: a practical approach to modelling cognitive processes. London: Academic Press; 1994.
5.
Prümper J. Der Benutzungsfragebogen ISONORM 9241/10: Ergebnisse zur Reliabilität und Validität. In: Liskowsky R, Velichkovsky BM, Wünschmann W, Hrsg. Software-Ergonomie ’97 Usability Engineering: Integration von Mensch-Computer-Interaktion und Software-Entwicklung. Stuttgart: B. G. Teubner; 1997. p. 253–62. DOI: 10.1007/978-3-322-86782-7_21 External link