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Explorative Untersuchung der medizinischen Versorgungsstruktur der Region Heilbronn-Franken anhand von Personas
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Published: | September 15, 2023 |
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Published with erratum: | September 29, 2023 |
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Einleitung: Die Region Heilbronn-Franken wird zu 82 % der Fläche dem ländlichen Raum zugeordnet [1]. Dennoch beheimatet die Region zahlreiche international erfolgreiche Unternehmen, die einen überdurchschnittlichen Beitrag zum Brutto-Inlandsprodukt Baden-Württembergs leisten [2]. Zugleich herrscht Fachkräftemangel und Gesundheitsversorgung gehört zu den weichen Standortfaktoren, die zukünftig immer wichtiger werden. Besitzt diese Region eine attraktive medizinische Versorgungsstruktur, welche Kinder, junge Erwachsene und ältere Menschen gleichermaßen versorgen kann?
Die Notwendigkeit dieser Untersuchung ergibt sich aus einem Informationsmangel über die Versorgungssituation in dieser Region und dem bekannten Ärztemangel in ländlichen Regionen allgemein. Es gibt statistische Daten auf Landkreisebene zur Arztdichte in Deutschland [3], jedoch werden, bei angenommener homogener Verteilung, räumliche Lücken in der medizinischen Versorgungsstruktur nicht erkenntlich.
Zielsetzung: Um mögliche Antworten für die Problemstellung darzulegen, wurde eine explorative Untersuchung der medizinischen Versorgungsstruktur der Region Heilbronn-Franken durchgeführt, welche den Ist-Zustand (Jahr 2022) des Versorgungsnetzes in einem Kartensystem veranschaulicht.
Methodik: Zuerst wurden drei Personas nach dem Proto-Persona-Prinzip erstellt [4].
- 1.
- Eine Mutter mit zwei Kindern, welche an Legasthenie und Sprachstörung leiden.
- 2.
- Ein junger berufssuchender Mann, der kürzlich an Diabetes Typ I erkrankt ist.
- 3.
- Eine ältere Dame mit altersbedingten Erkrankungen und einen ersten Pflegegrad.
Weiter wurde ein Kartensystem zur Abbildung medizinischer Einrichtungen innerhalb der Region Heilbronn-Franken aufgesetzt. Dann wurden Daten zu medizinischen Einrichtungen aus öffentlich zugänglichen Quellen gesammelt und bei zehn Fachverbänden angefragt, wobei nur einer eine relevante Rückmeldung beisteuerte. Zum Vergleich der Standorte der drei Personas wurden eine Nutzwertanalyse (NWA) und eine Untersuchung der Versorgungsqualität, unter Verwendung der Standards der Versorgungssicherheit [5] für zehn Standorte in der Region Heilbronn-Franken durchgeführt. Diese waren Heilbronn, Beilstein, Krautheim, Künzelsau, Mulfingen, Schwäbisch Hall, Blaufelden, Crailsheim, Fichtenau und Wertheim. Die NWA-Kriterien waren: Mietkosten, Sicherheitsaspekt, Anbindung an den ÖPNV, Bildung und Betreuung vor Ort, Entfernung zur Hochschule, Freizeitangebot für Kinder, Sportangebot, Anbindung an den Fernverkehr, Entfernung zu Supermärkten und Discountern, Begegnungsstätten und Naherholungsgebiete. Die Bewertung der Kriterien wurde nach den definierten Bedürfnissen und den unterschiedlichen Alltagsbedürfnissen der Personas durchgeführt.
Ergebnisse: Aufgrund des Datenschutzes wurden bei schriftlichen Anfragen zur Bereitstellung von Adress-Datensätzen medizinischer Einrichtungen teilweise Absagen erteilt. Diese Umstände verhinderten eine vollständige Erhebung der Versorgungsstrukturen. Darüber hinaus sind die Daten nicht allgemein öffentlich zugänglich und werden von den Fachverbänden unzureichend kuratiert. Es konnten dennoch wertvolle Erkenntnisse gewonnen werden. Während in den Kreisen Heilbronn-Land und Heilbronn-Stadt erwartungsgemäß die höchste Dichte an Einrichtungen vorliegt, findet man im Main-Tauber-Kreis die geringste Dichte. Das bekannte Stadt-Land-Gefälle in der Zahl der Einrichtungen konnte bestätigt werden. Physiotherapeuten und Zahnärzte waren mit 444 und 314 Einrichtungen am häufigsten vertreten.
Bei den Bedürfnissen der zweiten Persona wird deutlich, dass die Versorgung durch Fachärzte für Diabetologie sehr lückenhaft ist, da diese nur an zwei Standorten vorhanden sind (Heilbronn und Bad Mergentheim). Bei der dritten Persona ist außerdem ersichtlich, dass die Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen ebenfalls lückenhaft sind, da sich z.B. keine im Landkreis Schwäbisch Hall befinden. Solche Lücken konnten bei der ersten Persona nicht aufgefunden werden.
Die Versorgungsstandards der Erreichbarkeit für Krankenhäuser können oftmals nur mit einem PKW eingehalten werden, was Menschen mit Behinderungen (3. Persona) benachteiligt. Ausgehend vom Standort Wertheim, kann kein Krankenhaus der Schwerpunktversorgung innerhalb des vorgegebenen Zeitrahmens erreicht werden, so dass Wertheim diesen Standard nicht erfüllen kann.
Tabelle 1 [Tab. 1] fasst die NWA-Ergebnisse pro Persona für die drei Standorte mit den höchsten und niedrigsten Bewertungen zusammen.
Schlussfolgerung: Es gibt Versorgungslücken in der Region Heilbronn-Franken. Angesichts unvollständiger Datenbestände besteht Transparenz- und Forschungsbedarf. Dennoch kann das erstellte Kartensystem als Grundlage für weitere Untersuchungen und Analysen verwendet werden, beispielsweise zur Planung telemedizinischer Versorgungsangebote. Diese Untersuchung sollte auf verbesserter Datenlage wiederholt und gegebenenfalls bestätigt werden.
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.
Literatur
- 1.
- Geoportal Raumordnung Baden-Württemberg. Region Heilbronn-Franken [Internet]. [cited 2022 May 25]. Available from: https://www.geoportal-raumordnung-bw.de/projekttraeger/traeger_regionalplanung/region-heilbronn-franken
- 2.
- Statistisches Landesamt Baden-Württemberg. Bruttoinlandsprodukt und Bruttowertschöpfung in den Stadt- und Landkreisen Baden-Württembergs 2013 bis 2020. Statistische Berichte Baden-Württemberg. 2022 Aug 23. Artikel-Nr. 4153 20001. Available from: https://www.statistik-bw.de/Service/Veroeff/Statistische_Berichte/415320001.pdf
- 3.
- Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV). Regionale Verteilung der Ärztinnen und Ärzte in der vertragsärztlichen Versorgung [Internet]. [cited 2022 Jul 27]. Available from: https://gesundheitsdaten.kbv.de/cms/html/16402.php
- 4.
- Gemeinsamer Bundesausschuss. Bedarfsplanungs-Richtlinie: Abnahme des Endberichts „Gutachten zur Weiterentwicklung der Bedarfsplanung zur Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung“. Berlin: Gemeinsamer Bundesausschuss; 20.09.2018 [cited 2022 Aug 03]. Available from: https://www.g-ba.de/downloads/39-261-3493/2018-09-20_Endbericht-Gutachten-Weiterentwickklung-Bedarfsplanung.pdf
- 5.
- Cooper A. The inmates are running the asylum. Indianapolis, IN: Sams; 2004.